Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung.
II. Anthropology at the periphery?..
1. Geschichte der Ethnologie.
1.1. Die traditionelle Ethnologie
1.2. Die „internationale“ Ethnologie..
Erweiterung: Eine Systematik der Zentren der Ethnologie (nach Stocking)
2. Nicht-westliche Ethnologie
3. Ethnologien in Afrika..
3.1. Situation der Forschung in Afrika.
3.2. Ethnologien in Afrika
I. Einleitung
Die Geschichte der Ethnologie ist beendet. Sie hat all die Kämpfe um Partizipation, Sichtweisen, Methoden überstanden, auch wenn noch weitere Kämpfe kommen werden, und existiert jetzt ruhig und -zumindest in Deutschland- ohne Bedeutung. Ihre Entwicklung hat sich überlebt, jetzt kann sie nur noch versuchen, sich gegen die Nachbarwissenschaften (vor allem Soziologie) zu behaupten. Im internationalen Vergleich ist nur noch die amerikanische cultural anthropology bedeutsam, die demzufolge erheblichen Einfluss auf andere Ethnologien ausübt. Wo aber gibt es noch Ethnologie? In den klassischen Ländern, in denen eben jene Richtungsfindung betrieben wurde, hat sich Ethnologie eine Nische erarbeitet, einen Freiraum, überdeckt von Nachbardisziplinen. Gibt es auch an anderen Orten, abseits von Europa und Amerika, Ethnologie, eine anthropologische Tradition? Wie kann sie sich behaupten? Woraus besteht sie?
Diese Arbeit versucht, gerade diese Ethnologien der „Peripherie“, also die Ethnologien abseits der wissenschaftlich bedeutsamen Gegenden, darzustellen, in ihre Probleme und Besonderheiten einzuführen. Dazu wird zuerst kurz eine Geschichte der Ethnologie, in erster Linie anhand einer Arbeit von George Stocking, dargestellt, die auch aufzeigen soll, wie sich eine nicht-westliche Ethnologie aus dieser anfänglichen Kolonialwissenschaft entwickeln konnte, wie sich Ethnologie pluralisierte. Über eine Untersuchung der „Internationalen Ethnologie“ wird zu einer Bestandaufnahme der nicht-westlichen Ethnologie übergeleitet, die am Beispiel der afrikanischen Ethnologien -vor allem der im Sudan- deutlich gemacht werden soll.
Wie es in aller Forschung über Forschung, in aller Meta-Wissenschaft, zu sein scheint, so ist auch bei dem hier behandelten Thema die Materiallage zumindest problematisch. Viele der verwendeten Texte -insbesondere die über Afrika- haben nicht eine Ethnologie durch nicht-westliche Wissenschaftler zum Thema, sondern vielmehr die Situation der Wissenschaften in den jeweiligen Ländern überhaupt. Die spezifisch ethnologischen Texte, so tiefgehend sie auch sein mögen, sind bestenfalls wissenschaftshistorisch zu nennen, keinesfalls kann man ihnen eine weitergehende Bestandsaufnahme der aktuellen nicht-westlichen Ethnologie entnehmen. Vor allem Stocking, sicher auch Moore, sind hier zu nennen, die in ihren Ethnologiekritiken neue Tendenzen und Entwicklungen aufzeigen, aber vom Blickwinkel her eindeutig in der „traditionellen“ Ethnologie anzusiedeln sind. So war ich gezwungen, um einer Wissenschaftsgeschichte, die weder mein Thema, noch mein Ziel war, vorbeugen zu können, einige -durchaus interessante und fachkundige- Texte, die nicht der ethnologischen Tradition entstammen, hinzuzuziehen. Vor allem Zelga und van Binsbergen zeigen hier praktische Perspektiven auf, konkrete Probleme, die gerade die afrikanischen Wissenschaften beschäftigen. Durch diese Kombination von Wissenschafts-Theorien eines völlig unterschiedlichen Hintergrundes versuche ich, die Theorien, die in den gut recherchierten Arbeiten von Moore und Stocking erarbeitet werden, um allgemeinere, nicht ausschließlich auf Ethnologie bezogene, Erkenntnisse zu erweitern. In jedem Fall ist eine neutrale, weitgehend auf nicht-westliche Ethnologien konzentrierte Untersuchung wünschenswert, die bereits vorhandenen stammen -zum Thema passend- aus dem direkten Machtbereich der traditionellen Ethnologien und können somit nur zu einem gewissen Grad „neutral“ sein.
II. Anthropology at the periphery?
1. Geschichte der Ethnologie
1.1. Die traditionelle Ethnologie
Hier aufgezeigt werden soll gerade die Entwicklung der Ethnologie in den „ursprünglich ethnologischen“ Ländern (also Großbritannien, Frankreich, USA, Deutschland) vom Beginn bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, im Besonderen im Hinblick auf die Beziehungen zum „Anderen“.
„It was only after 1920 that anthropology in the United States began its first significant forays overseas (Stocking 1976), only after World War II that it became intercontinentally international both in subject matter and in influence, and only after 1965 that its involvement began seriously to be questioned.“ (Stocking 2001: 281). Und in diesen Etappen von Entwicklung kann man die US-amerikanische Ethnologie als Fallbeispiel für die anderen, schrittweise ihr gegenüber unwichtigeren, Ethnologien der traditionellen Schulen sehen. Man kann die bedeutenden Länder in diesem Zusammenhang leicht auf einen Nenner bringen: „the only national traditions other than the „American“ (i.e., that of the United States) that were specifically treated were the French, the British, and the German.“ (Stocking 2001: 281). Diese Aufteilung ist signifikant. Man kann generell eine Zweiteilung der Traditionen beobachten. Die Anglo-Amerikanische cultural anthropology auf der einen Seite war umfassend, kultur-zentriert zu den untersuchten Ethnien und in diesen Tendenzen auf „empire-building“ ausgerichtet. Von dieser Schule gingen Relativismus und Partizipation in die spätere allgemeine Ethnologie über. Auf der anderen Seite standen die europäischen Schulen, die von Beginn an einen biologischen, fast sozial-darwinistischen Anspruch auf die untersuchten Völker projizierten. Diese Ethnologen standen fast immer in direktem Zusammenhang zum Kolonialismus, zur Herrschaft, und wurden eingespannt, die Besonderheit, meist eher die Überlegenheit, des eigenen Volkes zu stützen. Diese Ethnologie, gerade die deutsche unter ihr, brachte die -später wieder ineinander fließende- Spaltung zwischen „Volkskunde“, also einer Untersuchung des Anderen -und auch der mehrheitlichen Traditionen- im eigenen Land, mit starker Hinwendung zum Historischen, und „Völkerkunde“, also der traditionellen Untersuchung „primitiver“ Völker, üblicherweise in Übersee. Diese Unterscheidung sollte -spätestens bei ihrer schrittweisen Auflösung- die Ethnologie in Methoden und Ansätzen erheblich weiterbringen.
Noch aber war Ethnologie fixiert, noch war all das Phantasie, bestenfalls Anspruch, keinesfalls Wirklichkeit: „The subject matter of anthropology was international, but its intellectual orientation was Eurocentric, and its disciplinary demography increasingly United-States-ian.“ (Stocking 2001: 281). Es kam in den 1960ern und 1970ern zu einem wahren Boom der amerikanischen Ethnologie, verbunden mit einem fast erschreckenden Ausbildungsüberschuss, einer „Überproduktion“ von Ethnologen gerade in US-amerikanischen Universitäten. Die klare Verortung der zu Untersuchenden löste sich im Zuge dieser Expansion auf zugunsten einer Verschiebung innerhalb der Ethnologie. „But insofar as „identity“ (often one’s own) has become a focus of ethnographic research, „going there“ may be a very short distance indeed, and as the ethnography of one’s own „complex society“ becomes more „multi-cultural“, the discipline as a whole may become less „international“ -allowing, perhaps, for the countervailing in „globalisation“ and „transnational“ issues.“ (Stocking 2001: 284). Der Andere ist nunmehr überall, Fremdheit -seit dieser Zeit (vor allem in den 1980ern) als der Prozess des „othering“- passiert in jeder „komplexen“ Gesellschaft. Dies ist als Hinwendung zu soziologischen Themenkomplexen zu verstehen. Ob man diese Wandlung auch auf weniger „komplexe“ (gemeint sind wohl industrialisierte) Gesellschaften übertragen kann, ob auch in einfach strukturierten Gemeinschaften „Fremdheit“ gemacht wird, ist trotz diesen Entwicklungen in der Ethnologie nicht eindeutig.
1.2. Die „internationale“ Ethnologie
Als „internationale“ Ethnologie kann man die Ausweitung der Verständniskonstrukte der klassischen Ethnologie auf weitere Felder verstehen, zum einen als Partizipation, zum anderen als Selbstkritik im Spiegel der anderen, vom Anspruch her nicht unbedingt westlichen, Ethnologien. „Beyond the specific intellectual and institutional influences of particular metropolitan [„metropolis“ hier als Gegensatz zur „periphery“, zu den nicht-westlichen Ländern, d. A.] traditions, whether they are positively or negatively viewed, there seems to be an entity called „international anthropology“ that is infomed by „the anthropological spirt“.“ (Stocking 2001: 288). Ob man dies als eine postkolonialistische Entwicklung, eine spät kommende Vermittlung zwischen den amerikanisch-europäischen Ethnologien und denen der nicht-westlichen Welt sehen kann, kann kaum klar sein, will man nicht die Ethnologie als Ganzes in Frage stellen. Ethnologie erforscht jetzt auch „otherness“ ohne zu fragen, wo sie sich abspielt, soviel steht fest. Bedeutsam ist hier die Unterscheidung zwischen interner und externer Fremdheit (siehe u.a. Simmel, „Exkurs über den Fremden“), die die Untersuchungsorte der Ethnologien endgültig verschieben könnte. Festzuhalten ist, dass auch die internationale Ethnologie auf Nicht-Europäer konzentriert bleibt und im klassischen Muster die neuen Themen im alten Kontext erforscht.
Problematisch werden gerade jetzt die alten Denkmuster innerhalb der Disziplin: „Euro-American anthropological speculation has always had a strongly ideological character.“ (Stocking 2001: 288). Ein -wenn auch sublimiertes- Überlegenheitsgefühl der Europäer, gleichsam in bezug auf Kultur als auch auf Physis, und die daraus resultierende Konzentration auf paternalistische bis rassistische Denkensweisen -auch wenn es deren Negierung (und dadurch die Bestätigung ihrer Bedeutsamkeit) ist- kann daraus abgeleitet werden, auch ohne allzu viel Phantasie zu erfordern. Auch ist in dieser Phase noch der althergebrachte, oft aus dem Raum der cultural anthropology stammenden, apologetische Überbau spürbar: „Most modern anthropologists (and many in the nineteenth century) [...] have seen themselves as friends and defenders of the non-European others they studied.“ (Stocking 2001: 288/289).
Trotz der vorgeschobenen „Internationalität“, trotz Partizipationsgedanken und Beginnen von leichter Selbstkritik, ist eine Hegemonie deutlich erkennbar. „And when in the postwar [gemeint ist der Zweite Weltkrieg, d. A.] period „international anthropology“ began to achieve [...] a certain institutional structure, significant numbers of the non-Anglo-American anthropologists who helped to constitute it had in fact received their training within the Anglo-American tradition.“ (Stocking 2001: 290).
Demzufolge ist die „Internationale Ethnologie“ dieser Phase gefangen zwischen den Polen des neu aufkommenden Anti-Rassismus und Liberalismus, verbunden mit neuen Methoden und Strukturen, und der fest im Fach verankerten eurozentrischen Ideologie und des noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden Evolutionismus. Ergebnisse, neu aufkommende Manifestationen, andere Methoden sind immer im Feld dieser Richtungskämpfe zu sehen, können kaum -weniger noch als sonstige Forschung- als absolut gesehen werden.
Erweiterung: Eine Systematik der Zentren der Ethnologie (nach Stocking)
Hier wird eine vom George W. Stocking aufgestellte Einteilung der Ethnologien innerhalb der modernen ethnologischen Diversifikation erörtert, die helfen soll, konkrete ethnologische Schulen jeweils verorten zu können. Stocking hat diese Untergliederung anhand einer breitgefächerten Analyse ethnologischer Schriften aller Herkunftsorte organisiert, wobei sich ein typisches und häufig zu beobachtendes Problem stellt: “the material presented here is the English language.“ (Stocking 2001: 295). Dadurch werden die Schwierigkeiten einer „Internationalisierung“ der Ethnologie offenbar, die diese Systematik in ihrer Gültigkeit auf die euro- bzw. amerikazentrische Sicht von Ethnologie, und die daraus folgenden Vernachlässigungen gerade fremdsprachiger (d. h. nicht in einer der vorherrschenden Sprachen verfasster) Arbeiten, beschränkt.
Stocking erarbeitet folgende Typen oder Schulen von Ethnologie:
- „metropolitan“ anthropology, die sich auf die „traditionellen“ ethnologischen Länder, d. h. Großbritannien, USA, Frankreich, Deutschland unter Hinzuziehung der wegen des Einflusses marxistischer Sichtweisen auf Forschung generell bedeutsamen UdSSR, die selbst keine größeren ethnologischen Studien betrieben hat. Diese Gruppe wird als Zentrum der -auch der „internationalen“- Ethnologie betrachtet, und sieht sich -wenn auch unausgesprochen- oft selbst so.
- „secondary metropolitan“ anthropology, die sich aus Schweden und Polen zusammensetzt. In dieser Gruppe ist die tiefgehende Ausarbeitung und Verbindung der Konzepte „Volkskunde“ und Völkerkunde“ herausragend. Keines dieser Länder war selbst Objekt ethnologischer Forschung in erwähnenswerten Maßstab. Für Polen ist eine stark marxistisch geprägte Sicht bezeichnend, Schweden ragt durch das international renommierte „Nordic Institute“ hervor.
- „white settler“ anthropology umfasst das anglophone Kanada und Quebec, sowie Brasilien. „The three „white settler“ anthropologies all study groups who, although now internal to their national societies, were originally encountered as culturally alien others and are still the subject of significant expatriate anthropological enquiry.“ (Stocking 2001: 295). Sie waren selbst Objekt von Untersuchungen und untersuchen jetzt sowohl die „Indigenen“ im eigenen Land, als auch die Zugewanderten und ihre jeweilige Herkunft. Diese Gruppe ist stark der Idee des „nation-building“ verhaftet und versucht historische und aktuelle Probleme anhand ihrer Forschungen zu erklären.
- „ex-colonial“ anthropology. In diese Gruppe zählt Stocking Indien und Sudan, die selbst lange Zeit kolonisiert waren und nun Ethnologie meist in einen Entwicklungszusammenhang stellen. Auf diese Gruppe, gerade in bezug auf Afrika, werde ich später weiter eingehen.
2. Nicht-westliche Ethnologie
Mit dem Ende des regulären Kolonialismus in den 1960ern wurde die „internationale“ Ethnologie, in der oben erörterten Art als stark mit den traditionellen Zentren verknüpft und auf diese bezogen, zunehmend kritisiert, sowohl von anderen Wissenschaften oder nicht-wissenschaftlichen Beobachtern, als auch von Ethnologen jedweder Herkunft selbst. Mit den soziokulturellen Veränderungen und den anti-kolonialistischen Strömungen, die meist in der Gründung von Nationalstaaten kulminierten, verschwanden die „klassischen“, zeit- und geschichtslosen Ethnien zusehends, oder zumindest die Idee von ihnen als solche. Ethnologie entwickelte sich in Richtung der Soziologie und der Geschichtswissenschaft, und übernahm viele der Methoden der Nachbarwissenschaften.
Die nicht-westlichen Ethnologien in den ehemaligen Kolonien wurden selbst zu Teilen der Geschichte: „In the anthropology of the periphery, this took the form of pragmatic concern with highly political „practical“ problems of national development.“ (Stocking 2001: 291). Ihr Kern und ihr Wesen veränderte sich, zusammen mit ihren Methoden. Ethnologien der ehemaligen Kolonien untersuchen so verstärkt das aktuelle Alltagsleben ihrer jeweiligen Gesellschaft, natürlich eben unter (entwicklungs-)politischen Aspekten des Nationalstaates. Ihre Untersuchungen sind nun in die Geschichte ihres Landes eingebunden und nicht länger „geschichtslos“, wenn auch das Problem sein könnte, dass diese Geschichte gelegentlich erst erfunden werden musste. Ein besonders interessanter Aspekt, der ebenfalls nur im Rahmen dieser Richtungsänderung zu verstehen ist, ist die Re-Analyse früherer, traditioneller Ethnographien unter den veränderten Vorzeichen.
Wissenschaftstheoretisch sind diese „neuen“ Ethnologien nur schwer einzuordnen. Ihnen ist eine immanente Kritik des Funktionalismus wie des oft paternalistisch geprägten Kulturrelativismus der „alten“ Ethnologien eigen, die sich auf das -verständlicherweise- verstärkte (gelegentlich übersteigerte) Bewusstsein der Einflüsse des Kolonialismus und seine Nachwirkungen sowohl auf die Ethnologie des Zentrums als auch auf die der Peripherie zurückführen lassen kann. Auffallend ist die schon erörterte Hinwendung zu soziologischen und historischen Betrachtungsweisen und die damit verbundene Erweiterung des Methodenapparates, die interessanterweise mit einer fundamentalen Kritik des Positivismus einhergeht.
In diese Entwicklung griff die erwähnte „Überproduktion“ von Ethnologen vor allem in den USA entscheidend ein: „In the 1970s, the continuing absolute numeral predominance of Anglo-American anthropologists took a new significance. [...] For the first time, they spilled outside the universities and museums in which anthropology had traditionally found its institutional niches, and beyond which it had yet to establish a viable claim to significant domestic „social utility“.“ (Stocking 2001: 292). So wandten sich viele dieser sonst arbeitslosen Akademiker zur Peripherie, in deren eben erst entstehenden Instituten und Universitäten sie Anstellungen erhofften. Dort verdrängten sie ansässige Ethnologen, denen sie oft an Wissen und Erfahrung überlegen waren, und beeinflussten die einheimischen Ethnologien maßgeblich. „At the periphery, they faced challenges from emergent corps of „native“ anthropologists, both for control of research and for jobs in the growing number of peripheral anthropological institutions.“ (Stocking 2001: 292/293). Die „Auswanderungswelle“ der Ethnologen erreichte auch entlegenste Gegenden, etablierte dort Dependancen der eigenen Schulen und bedrängten so unabhängige Richtungen. „Although the furthest periphery (southern Africa, Southeast Asia, the Far East, and the Pacific) is unrepresented, there are anthropologies from each of the continental areas.“ (Stocking 2001: 294). Diese Entwicklung wurde manchmal als ein „Wissenschaftsimperialismus“ verstanden, oft konnten sich die finanziell erheblich benachteiligten Institute der Peripherie gegen diese Überzahl von „metropolitan“ Anthropologen kaum oder nicht behaupten.
Die nationalen, nicht-westlichen Ethnologien sind in noch weiterer Hinsicht benachteiligt: - Internationale Anerkennung können sie nur in einer Sprache erlangen, die nicht ihre Muttersprache (zumeist Englisch), aber die Sprache des außernationalen Publikums und demzufolge die ihrer Publikationen ist.
- Die universitäre Tradition des jeweiligen Landes steht einer unabhängigen Entwicklung und einer Etablierung der Ethnologien oft im Wege, so dass die Ethnologie erst ihre Existenzberechtigung beweisen muss.
- Dementsprechend sind viele der Arbeiten der Peripherie von den Formaten her nicht ohne weiteres mit den gängigen Standards gerade des Anglo-Amerikanischen Raumes -nämlich dem essay- kompatibel, werden deswegen oft nicht wahrgenommen.
Man kann in keinem Fall von einer völligen Unabhängigkeit der ethnologischen Schulen der Peripherie sprechen: „on the basis of what is presented here, anthropology at the periphery seems neither so nationally varied nor so sharply divergent from that of the center...“ (Stocking 2001: 296). Vielmehr ist die Vorherrschaft der westlichen Schulen bis in wissenschaftliche Details hinein zu spüren, „it is clear that the effect of patterns of training and recruitment in which visiting or resident expatriates and metropolitan trained or oriented local anthropologists have dominated the discipline of the periphery must be to reproduce the methodological and theoretical approaches of the metropolis.“ (Stocking 2001: 297). Unter den erörterten Gegebenheiten scheint die Möglichkeit einer unabhängigen Entwicklung der Wissenschaften zumindest problematisch. Ob die Orientierung an Europa und Amerika zugunsten anderer, objektbezogener Orientierungen abgeschwächt werden kann, ob „Nation“, das gängige Konstrukt der sich entwickelnden postkolonialen Länder, als Unterscheidung zwischen den Ethnologien ausreicht, wird sich herausstellen, ist zumindest fragwürdig.
„[M]ore significant contrasts may be evident between the „types“ of national anthropologies [...], or more generally between the hegemonic traditions of the center and those of the periphery as a group.“ (Stocking 2001: 298). Dem folgend könnte man, „Entwicklungsstufen“ der Ethnologie ausmachen, die -sich am Zentrum, an den Metropolen orientierend- von „Forschungskolonien“ durch Konkurrenz mit dem Westen, der herrschenden Schule, bis zu der Stufe der modernen, „aufgeklärten“, Ethnologie sich entwickeln muss. Auch kann geschlossen werden, dass es keine nicht-westliche Ethnologie im eigentlichen Sinne gibt, dass jede ethnologische Forschung von den Metropolen ausgeht. Auch so wäre Ethnologie international.
Es gibt aber auch die Möglichkeit einer komplett anderen Ethnologie, einer anderen Lebensweise, einem anderen Alltagsweltwissen folgend, die so ungeahnte Erkenntnisse erbringen könnte. Ob ein völlig neuer Aufbau einer schon bestehenden Wissenschaft mit ganz anderen Vorzeichen einer wahren afrikanischen, chinesischen, arabischen Ethnologie wahrscheinlich ist, bleibt zweifelhaft. „What seems more likely is that possibilities already defined within the traditions of the center will be elaborated and recombined.“ (Stocking 2001: 298).
Eine wichtige Einschränkung und ein bedeutendes Problem der Ethnologien der Peripherie ist die staatliche Einbindung: „the emphasis on „practical“ problems of national development and integration are present in almost all cases.“ (Stocking 2001: 298). So ist der Forschungsanspruch dieser Schulen ein gänzlich anderer, mit der traditionellen Ethnologie kaum zu verbindender. Oft kann man festhalten, „these peripheral anthropologies are predominantly „nation-building“ anthropologies.“ (Stocking 2001: 298), vielleicht eine weitere Verbindung zur europäischen Ethnologie.
Parallelen in diesem Kontext gehen weiter: „Indigenous anthropologists, too, tend to study „down“ rather than „up“, and while their prior familarity will often be greater, so also may be their involvement in structures of power with an active commitment to changing the „otherness“ that is been observed.“ (Stocking 2001: 300). Auch dies deutet auf eine Entwicklungslinie der Ethnologien hin. Auch hier steht zu fragen, ob die peripheren Ethnologien die „wissenschaftliche“ Neutralität einfach noch nicht gelernt haben, oder ob sie aus ihrem spezifischen Kontext -der von Beginn an in der Auseinandersetzung mit der Tradition bestand- in diesen Fällen einfach nicht zweckmäßig ist. Dieser Bruch mit der gängigen Tradition kann als Unabhängigkeit gesehen werden oder als neue -diesmal staatliche- Abhängigkeit. Auch so wird das Konzept des „nation-building“ bedient. Dies kann man auch als eine „Krise der Ethnologie“ sehen. „[I]t might be argued that a more active, commited identification with the larger social units in which small communities are embedded [...] is quite likely to have profound implications for its distinktive methodological orientation, and in ramifying ways for the discipline as a whole.“ (Stocking 2001: 300/301). Also führt die allgemeine wissenschaftliche Übereinkunft zur Partizipation -wenn sie weit genug gedacht wird- zur Auflösung der Wissenschaftlichkeit als solches.
„At the periphery, where the discipline is more recentlty established, directly utilitarian „local demands“ are strongly asserted against the more „disinterested“ tradition associated with the „international communitiy of scholars“.“ (Stocking 2001: 298/299). Trotz der vorgeschobenen Kritik am Positivismus führt dieser Forschungspartikularismus zurück eben zum Positivismus, zu einem nach außen blinden Neo-Positivismus (vgl. Adorno: „Einleitung in die Soziologie“). Dieser verdeckte Verstoß gegen die ungeschriebenen Regeln der „internationalen“ Ethnologie führt zum Teil zu einer Isolation in der metanationalen Forschungsgemeinschaft, wenn man denn von so etwas sprechen kann. Auch hier kann man die stärker gewordenen Verknüpfungen mit Soziologie und Wirtschaftswissenschaften im Zuge des staatlichen Aufbaus erkennen.
Neue wissenschaftliche Entwicklungen, die die Peripherie einbringen kann, scheinen gegenüber all diesen Einschränkungen und gegenüber der gewaltigen Masse der westlichen Forscher kaum bedeutend, auch wenn sie teilweise interessant sein können: „the most significant effects of peripheral status may be those on the mode of inquiry that has made modern anthropology so distinktive.“ (Stocking 2001: 299). Wie stark diese Einflüsse im Hinblick auf die weiter bestehende Marginalisierung der nicht-westlichen Schulen gewesen sein können, ist kaum abzusehen.
Diese durchgehenden Verknüpfungen zu den westlichen Ethnologien führt zu einer einseitigen Übertragung von Phänomenen des Westens, denen die peripheren Wissenschaften kaum etwas entgegenzusetzen haben: „these resonances of the sense of malaise at the center suggest that the identification with „nation-building“ has not enabled peripheral anthropologies entitely to escape involvement in the postcolonial „crisis of anthropology“.“ (Stocking 2001: 301/302). Vielleicht ist gerade dies eine Chance, sich zu behaupten.
3. Ethnologien in Afrika
3.1. Situation der Forschung in Afrika
In diesem Abschnitt wird die Gesamtsituation aller Wissenschaften in Afrika herausgestellt, um so eine genauere Analyse der afrikanischen Ethnologien zulassen zu können.
„Much has been written about the double consciousness of the colonial intellectuals (the alienation and ambivalence of their loyalties and ambitions) as a group that straddled, often uneasily, coloniality and its modernist claims and nativity and its supposed atavism.“ (Zelga 2004: Dreamers and dreams for the first uhuru[1] ). So waren und sind die Forscher zwischen Europa bzw. Amerika und Afrika gefangen, was sich auch an ihrer wissenschaftlichen Zweisprachigkeit deutlich zeigt (Englisch für die Veröffentlichung, die Muttersprache für Diskussionen in der Heimatschule). Ein Problem war ebenso die Vermischung der szientistischen Wissenschaftsauffassung mit anderen, gerade postkolonialistischen Bewegungen und Ideen, unter denen der Marxismus sicher besonders hervorzuheben ist. Diese Tendenz muss an sich kein Problem sein, führt aber teilweise zu einem Kredibilitätsverlust im internationalen Vergleich.
Die nach-koloniale Organization of African Unity hat sich 1963, also zur Hoch-Zeit der Entkolonialisierung, bei verschiedenen Konferenzen der meisten unabhängigen mittel- und südafrikanischen Staaten zu einer nationalistischen Entwicklungsprogrammatik, hin zu einer Stärkung des damals kaum entwickelten Staates, geeinigt. „The states embodies their collective will to power and history, to the hard-won fruits of uhuru: self-determination, development, and democracy.“ (Zelga 2004: Introduction). Dem folgte die nachkoloniale Entwicklung der staatlichen Beziehungen zu den Universitäten: „Universitäten hatten der Nation und ihrer Entwicklung zu dienen, indem sie mit der Regierung zusammenarbeiten.“ (UNESCO 2001: 25). Sie wurden -gerade in den halb-demokratischen und autokratischen Staaten- als Unruheherde betrachtet, was zu Schließungen „kritischer“ Fachbereiche (das waren, neben den Sozialwissenschaften, Politik, Wirtschaft und Recht (!)) und einer verschärften Zensur in allen Bereichen führte. In den 1990er Jahren veränderten sich diese Gegebenheiten, da Bürgerkriege, Korruption und Armut in vielen dieser Staaten wissenschaftliche Forschung ohnehin absurd machten.
„Für Wachstum und die Überwindung von Armut werden einheimische Fachleute gebraucht. Darüber hinaus soll lokales, durch mündliche Überlieferung und durch Anwendung erhaltenes Wissen -ein Ausdruck der eigenen Kultur und Geschichte- bewahrt und zur Grundlage angepasster Technologien werden.“ (Menik 2002: 62). Auch entwicklungspolitische Bemühungen versuchen, sich dieses diffuse „traditionelle“ Wissen der afrikanischen Kulturen, zur keinesfalls diffusen wirtschaftlichen Entwicklung nutzbar zu machen. In diesem Zusammenhang gibt es tiefgreifende Übereinstimmungen zwischen Europa/Amerika und den afrikanischen Staaten.
Das „nation-building“ der afrikanischen Wissenschaftler ist in ihrem Kampf gerade um den Aufbau einer Historizität, die manchmal erst erfunden werden muss, um so den Staat stärken zu können (siehe Zimbabwe), weiteren Problemen ausgesetzt: „The African intelligentsia were caught up between local and Pan-African identities, conjunctions, and ideologies.“ (Zelga 2004: Dreamers...). So folgt der Zerrissenheit zwischen dem Westen und Afrika die Zerrissenheit zwischen ideologisch untermauertem Einzelstaat und den viel älteren -oder zumindest viel aktuelleren- metastaatlichen Ideen, die aus der Dekolonisierung unmittelbar folgt.
„Developmentalism, then, was the flip side of nation-building. The state and development were imagined together, as each other’s keepers.“ (Zelga 2004: Dreamers...). Mit Entwicklung ist grundsätzlich in diesen Zusammenhängen politische und wirtschaftliche Entwicklung gemeint, denen zugunsten sozialen und gerade auch wissenschaftliche Entwicklung vernachlässigt wird und werden muss. Daraus folgt, dass „ethno-science“ die Aufgabe zukommt, traditionelles Wissen nutzbar zu machen, denn „every society comprises an elaborate system of knowledge about man-made symbols, classifications, norms, presentations, institutions- both those of the members of that society itself, and (to a more limited extent) these of surrounding societies and societies of the past.” (Binsbergen 2003: 1f.). Dies ist in der Entwicklungspolitik ein gewaltiger Fortschritt, doch die kulturelle Komponente sollte nicht überschätzt werden. Diese Art der Kulturwissenschaft dient ausschließlich dem direkten wirtschaftlichen, technischen und politischen Fortschritt, der Entwicklung im unilinearen Sinne, und keinesfalls einer gleichberechtigten Einbindung der traditionellen Systeme. Auch dieses führt zu einer verstärkten Auswanderung vieler einheimischer Forscher, die für ihre Projekte in diesem Umfeld weder Finanzierung noch Verständnis finden können.
Diese Vernachlässigung von Kultur hat teilweise –gerade in Ein-Parteien-Staaten- auch politische Gründe: „Those of more radical or Marxist persuation, focused as they were on sociologies of class and the imperatives of revolutionary change, had an added reason to dismiss ethnic identities as colonial inventions, as part of „false consciousness“.“ (Zelga 2004: Dreamers…). Auch hier kommt das Prinzip des “nation-building” zum Zuge: „the one-party state would promote national unity by minimizing the politicization of the differences as antagonisms of ethnicity, region, religion, or culture; it resonated with the consensus politics of good old “communal” Africa; it was best suited to the needs of poor countries anxious for rapid economic development and therefore not able to afford the luxury of diverse party politics.” (Zelga 2004: Dreamers…). So kann ein Auseinanderfallen des Staates in Ethnien –oder der Zwang zu einer Demokratisierung und Mitbestimmung- verhindert werden.
Die Übermacht der westlichen Forschung manifestiert sich aber auch in viel offensichtlicheren und banaleren Symptomen. So beherrschen die nord-atlantischen Staaten die Formalienbildung der Wissenschaften, an die sich die nicht-westlichen Wissenschaftler anpassen müssen, wollen sie Anerkennung finden. „North Atlantic science will remain valid and well-grounded knowledge, not only because of its specific social and political background in the context of world-wide Noth-Atlantic hegemony, but also, after all, because its internal epistemology stimulates procedures that ensure that a considerable measure of rationality, objectivity and universality is actually realized, by whatever standarts.” (Binsbergen 2003: 4). So müssen afrikanische Forscher eurozentrisch sein, um als Forscher überhaupt sein zu können, um international zu existieren.
Und so handeln sie auch: „African academics continued to exhibit strong tendencies toward […] the feverish importation of paradigms, problematics, and perspectives, and the search for legitimation and respectability from the intellectual establishments of the North.” (Zelga 2004: Dreamers…). Die Akademiker und Forscher im jedem Sinne orientieren sich stark an westlichen Konzeptionen von Wissenschaft, früher, teilweise auch heute noch, auch an östlichen, d.h. marxistischen Ideen, was sie ihren jeweiligen Machthabern oft verdächtig macht Dadurch ist auch der Erkenntnisprozess in Afrika geprägt: „Die wenigen Forschungseinrichtungen, die sich mit den lokalen Problemen befassen, werden größtenteils mit ausl. Wissenschaftlern besetzt und von diesen geleitet, die Erkenntnisse in IL (Industrieländern) veröffentlicht.“ (Menik 2002: 62). Also wandern nicht nur die Forscher selbst, sondern auch Wissen aus Afrika aus, die Orientierung nach Westen wird nicht nur von afrikanischen Forschern betrieben, sondern von „expatriates“ des Westens zumindest unterstützt.
Ein weiteres wichtiges Problem ist die Gefährdung der Forschung durch mangelnde Finanzierung, was vor allem auf eine Vernachlässigung von Wissenschaft in der Entwicklungspolitik sowohl der westlichen Geber– als auch der afrikanischen Empfängerländer zurückzuführen ist. Eine Lösung durch Zusammenarbeit von Instituten verbietet meist die jeweilige Politik der Einzelstaaten. Die UNESCO schließt daraus: „Am meisten gefährdet wird die akademische Freiheit aber durch wirtschaftliche Bedingungen.“ (UNESCO 2001: 26). So hemmen schlechte Bezahlung, technische Mängel oder Publikationsprobleme eine weitere Entwicklung der Wissenschaft in Afrika entscheidend.
Heimatstaaten und Entwicklungshilfegeber fördern Universitäten und Institute nur wenn sie „produktiv“, d.h. ihre Ergebnisse direkt –und in den wirtschaftlichen Zusammenhang passend- nutzbar sind. Gerade die Anthropologie und ihre Studenten, als nicht unmittelbar nützliche Wissenschaft, unterliegt starker sozialer, akademischer und vor allem staatlicher Kontrolle. „[A]nthropology at the periphery seems often to have failed to achieve social or governmental support: its status in realtion to its most significant disciplinary other (sociology) is often weak…” (Stocking 2001: 301).
Dennoch hat sich die Situation der Wissenschaft verbessert: “In den letzten Jahren allerdings konnten Afrikas Wissenschaftler ihr Betätigungsfeld dank des Siegeszugs des Demokratie beträchtlich erweitern.” (UNESCO 2001: 26).
3.2. Ethnologien in Afrika
Die ethnologische Forschung in Afrika, unabhängig davon, ob von westlichen oder einheimischen Wissenschaftlern durchgeführt, ist eine interdisziplinäre Forschung geworden. „No longer would any anthropologist conduct a local study in Africa without acknowledging the world beyond the community. […] Today, a local study may still be small scale in geographical scope, but it must be large scale in conception.” (Moore 1994: 1). So schließt die moderne Ethnologie –zumindest in Afrika- auch Soziologie, Geschichtswissenschaft, Wirtschafts-wissenschaften und Politologie mit ein, und kann nur so zu gültigen und relevanten Ergebnissen kommen. „The interpretation of local events is impoverished if it does not take adequate account of large-scale economic, political, and cultural contexts.“ (Moore 1994: 2).
Die Forschung hat –so unabhängig und progressiv sie auch sein mag- immer starke europäisch-amerikanische Anklänge, Veröffentlichungen in nicht-europäischen Sprachen sind selten sinnvoll. Die internationale Kommunikation der Forschung läuft fast ausschließlich in Englisch, und so müssen auch die international relevanten Ergebnisse sein.
So bleibt auch das alte Paradigma bestehen, dass man von “hier” nach “da” geht, um forschen zu können: „After all, the anthropologist always comes from that other world even in those rare and valuable cases when the professional journey to the village is also a native’s return.“ (Moore 1994: 2). Die Fälle, in denen das erforschte Gebiet auch Heimat, oder zumindest noch der Heimatkontinent ist, werden aber häufiger, langsam wandelt sich die Ethnologie. „In the past there were only a few Africans in the profession (anthropology, authors). Their numbers are now increasing.” (Moore 1994: 7). Der schwere Stand der Ethnologie nach Ende des Kolonialsystems, in das sie oft eingebunden war und in dessen Rahmen sie geheimes Wissen der untersuchten Völker aufgedeckt hat, wird langsam besser. So wurde die Pan African Anthropological Association als afrikaweite Ethnologenvereinigung gegründet: „During the colonial period and soon thereafter, a handful of Africans became anthropologists. Some published classical ethnographic monographs on their own peoples, others on other concerns. […] These men were trained in a British or European tradition and wrote very much in the intellectual style of the countires from which they received their degrees.” (Moore 1994: 132/133). Mit der schrittweisen Anerkennung der afrikanischen Ethnologie und der Verbesserung ihrer Situation zumindest in manchen Ländern wurden auch die afrikanischen Ethnologen selbstbewusster: „the group of Africans trained as anthropologists remained small, but it is now growing. The numbers are now sufficent so that a Pan-African Association of Anthropologists has recently been launched.“ (Moore 1994: 133).
3.3. Ethnologie im Sudan
Diese Erörterung der allgemeinen Gegebenheiten der afrikanischen Ethnologie sollen nun an einem Beispiel etwas verdeutlicht werden.
Die Ethnologie im Sudan gehört –auch wenn sie vergleichsweise, gerade in Afrika, unabhängig ist- zu den eindeutig vom Marxismus geprägten Schulen: „One assumes that it is a primary component of the „radical approaches“ that have been adopted in Sudan since the mid-1970s.“ (Stocking 2001: 296). Hier aber –auch wegen der offensichtlichen Blockfreiheit- konnte Marxismus relativ frei interpretiert werden, und so zum Teil zu neuen Ideen führen: „[T]he shift from „participantobservation“ to „participent intervention“ in Sudan (Ahmed 1982: 74)[...] suggests perhaps a more fundamental reorientation.“ (Stocking 2001: 299).
Aber auch im Sudan besteht das Problem der Konkurrenz von eingewanderten „hegemonialen“ Ethnologen gegen die einheimischen Wissenschaftler, was durch die Versuche einer „Nationalisierung“ des Forschungspersonals weiter verschärft wurde und wird. Weiterhin trifft auch hier, dass es Vorurteile gegen diese Art der Forschung gibt: „In Sudan, the political elite seems to regard indigenous anthropology as guilty by association with colonialism, while at the same time both allowing expatriate graduate students to pursue socially irrelevant „exotic“ fieldworks and relying on the advice of „hit and run“ expatriate experts on development problems.“ (Stocking 2001: 301).
Trotz der offensichtlichen Bedeutung des Sudan innerhalb der afrikanischen Ethnologien konnten die progressiven Ansätze nur bedingt Veränderung bdeuten: “despite the pressing need to “reinvent” rather than merely to “rethink” anthropology in Sudan, “few innovations have appeared.”(Ahmed 1982: 74).“(Stocking 2001: 297). Den Einfluss des sich seit einigen Jahren verschärfenden Bürgerkriegs und der momentanen humanitären Krise auf den Fortbestand jeder sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschung im Sudan kann im Moment kaum abgeschätzt werden.
III. Fazit
Ethnologie hat in den letzten Jahren einen entscheidenden Wandel, eine bedeutende Öffnung mitgemacht. Ob sie nun so interdisziplinär geworden ist, dass sie nurmehr als Wissenschaft „zwischen“ den „Haupt-“ Wissenschaften bestehen kann, ist hier nicht von direktem Interesse.
Diese Öffnung ist gerade in der Peripherie wohl der wichtigste Grund, dass Ethnologie als solche überhaupt noch besteht, und nicht wie andere „unnütze“ Wissenschaften den wirtschaftlichen Problemen völlig zum Opfer gefallen ist. Sie hat sich Nachbarwissenschaften wie Geschichte, Politologie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften zugewandt, sich in ein Aufbauprogramm einbinden lassen und so ihre Nützlichkeit unter Beweis gestellt. Dass sie an sich sehr an den gängigen Schulen des Westens orientiert ist, macht sie ihren Heimatstaaten vor allem in Afrika verdächtig. Dass sie Ethnien untersucht, die mit den gängigen Fortschrittskonzepten nicht viel zu tun haben, lässt sie subversiv erscheinen und verräterisch. In diesem fest umgrenzten Bewegungsfeld waren die Forscher innovativ, mussten es sein, aber nicht revolutionär, und so auch nicht eigenständig, weder in Hinblick auf ihren Staat als in Hinblick auf die großen Vorbilder der Disziplin. Neue Methoden, Arbeitstechniken aus den neu erschlossenen Nachbarwissenschaften wurden nutzbar gemacht, und so die Ethnologie erweitert. Diese Neuerungen wurden aber unmittelbar in die Dienste des „nation building“ gestellt, die Forschung nur im Entwicklungskontext, der allzu oft einseitig ist, betrieben.
Die Ethnologie in Afrika ist in Gefahr. Wirtschaftlich ist sie marginalisiert, als nicht direkt relevante Wissenschaft, ebenso im Rahmen der „internationalen“ Ethnologie als in ihrer Ausrichtung zu national, in ihrer Zielgruppe zu international. Im Spagat zwischen direkten –das heißt wirtschaftlichen und politischen- Interessen und wissenschaftlicher Eigenständigkeit droht ihr wieder einmal die Position der Helferdisziplin, nur diesmal in neuem Kontext.
Die Tendenz seit der „internationalen“ Ethnologie und gerade in Afrika, die engen Grenzen der Disziplin zu durchbrechen und so die Basis der Erkenntnisse zu erweitern ist als nötige Fortentwicklung der längst untergegangenen traditionellen ethnologischen Gesamtkonzeption wichtig, steht aber in Gefahr, Ethnologie als solches restlos aufzulösen in den theoretisch und wirtschaftlich etablierteren Nachbarwissenschaften. Dieser Weg ist der Weg Afrikas. Eine neue Ethnologie muss sich erst behaupten gegen die Zwänge, die moderne Wissenschaften bewegen oder untergehen lassen.
Literatur:
- Binsbergen, Wim van (2003): The underpinning of scientific knowledge systems: epistemology or hegemonic power? Electronic document, http://www.shikonda.net/general/porto_novo_hountondji_2-2003_bis.pdf , accessed 23.5.2004
- Menik, Karl Wolfgang: Forschung und Entwicklung, in: Mabe, Jacob B. (Hrsg.) (2002): Das kleine Afrika.Lexikon. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart.
- Moore, Sally Falk (1994): Anthropology and Africa: changing perspectives on a changing scene, Virginia.
- Stocking, George W. (2001): Delimiting anthropology: occasional essays and reflections, Madison.
- UNESCO (2001): Afrikas Wissenschaftler: zu arm, um frei zu sein, in: UNESCO 42(11) 2001.
- Zeleza, Paul Tiyambe: Imagining and inventing the postcolonial state in Africa. Electronic document, http://www.press.illinois.edu/journals/contours/1.1/zeleza.html , accessed 23.5.2004
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[1] Einem elektronischen Dokument ohne standardisierte Seitennummerierung entnommen, daher benutze ich Überschriften zur Verortung. Die Folgenden werden abgekürzt.
- Quote paper
- Philipp Altmann (Author), 2004, Anthropology at the periphery?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109096
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