In unserer Arbeit möchten wir uns mit dem Thema Obdachlosigkeit in Deutschland befassen und auseinandersetzen.
Wir haben dieses Thema gewählt, weil wir uns für gesellschaftliche Themen im Allgemeinen und dabei besonders für den sozialen Bereich interessieren.
Bei der Obdachlosigkeit handelt es sich um ein ernstzunehmendes Problem unserer Zeit. Obdachlosigkeit ist eine der schlimmsten Auswirkungen von Armut. Sie stellt eine Schattenseite unserer Wohlstandsgesellschaft dar. Besonders auffallend ist, dass sie gerade in einem so reichen Land wie Deutschland in dem Maße auftritt.
Dennoch scheint es den Großteil aller Deutschen kaum zu berühren. Wir sind in unserem Alltag ziemlich weit weg davon. Die meisten Menschen verschließen ihre Augen vor dem Thema Armut, nicht selten wird dieses Problem gänzlich aus dem Bewusstsein gedrängt.
Dabei darf man nicht vergessen, dass jedem ein plötzlicher sozialer Abstieg drohen kann. Jedem kann solch ein Schicksal widerfahren und es kann passieren, dass man dann plötzlich ganz allein dasteht.
Obdachlose sind eine Randgruppe der deutschen Gesellschaft. Es stellt sich die Frage, ob die Obdachlosen von ihr ausgegrenzt werden und ob sie sich ausgegrenzt fühlen. Wenn ja, wie kommt es zu dieser Ausgrenzung? Worin liegen die Ursachen?
Eine anschließende Überlegung ist, ob es für die Betroffenen Chancen gibt wieder Fuß zu fassen in der Gesellschaft.
Es wäre wünschenswert zu erreichen, dass die Menschen sich mit diesen heiklen Fragen auseinander setzen. Uns ist diese Möglichkeit gegeben, indem wir das Thema zum Gegenstand unserer Arbeit machen. In diesem Rahmen können wir uns intensiver mit der Obdachlosigkeit befassen und das Thema systematisch vertiefen.
Zum Verständnis der Arbeit werden wir zunächst einige wichtige Hintergrundinformationen darlegen, um die Lebenssituation und Schwierigkeiten der Betroffenen zu veranschaulichen.
Außerdem werden wir Hilfsmaßnahmen aufzeigen und prüfen, ob sie geeignet sind, diese Randgruppen wieder zu integrieren.
Unseren Schwerpunkt legen wir auf die Frage, wie die Gesellschaft mit der Problematik der Obdachlosigkeit umgeht und wie die Mehrheit der Menschen den Obdachlosen gegenübertritt.
Diese Überlegung steht im Zusammenhang mit dem Unterrichtsfach Ethik und veranlasste uns schließlich auch diese Arbeit zu verfassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition
3. Zahlen
4. Geschichte, Entstehung, Ursachen
5. Lebensalltag der Obdachlosen
6. Staatliche Maßnahmen
6.1. Arbeit des Sozialamts
6.2. Probleme bei Reintegration und Bekämpfung
7. Ausgrenzung
8. Fazit
Anhang:
Quellenverzeichnis
1. Einleitung
In unserer Arbeit möchten wir uns mit dem Thema Obdachlosigkeit in Deutschland befassen und auseinandersetzen.
Wir haben dieses Thema gewählt, weil wir uns für gesellschaftliche Themen im Allgemeinen und dabei besonders für den sozialen Bereich interessieren.
Bei der Obdachlosigkeit handelt es sich um ein ernstzunehmendes Problem unserer Zeit. Obdachlosigkeit ist eine der schlimmsten Auswirkungen von Armut. Sie stellt eine Schattenseite unserer Wohlstandsgesellschaft dar. Besonders auffallend ist, dass sie gerade in einem so reichen Land wie Deutschland in dem Maße auftritt.
Dennoch scheint es den Großteil aller Deutschen kaum zu berühren. Wir sind in unserem Alltag ziemlich weit weg davon. Die meisten Menschen verschließen ihre Augen vor dem Thema Armut, nicht selten wird dieses Problem gänzlich aus dem Bewusstsein gedrängt.
Dabei darf man nicht vergessen, dass jedem ein plötzlicher sozialer Abstieg drohen kann. Jedem kann solch ein Schicksal widerfahren und es kann passieren, dass man dann plötzlich ganz allein dasteht.
Obdachlose sind eine Randgruppe der deutschen Gesellschaft. Es stellt sich die Frage, ob die Obdachlosen von ihr ausgegrenzt werden und ob sie sich ausgegrenzt fühlen. Wenn ja, wie kommt es zu dieser Ausgrenzung? Worin liegen die Ursachen?
Eine anschließende Überlegung ist, ob es für die Betroffenen Chancen gibt wieder Fuß zu fassen in der Gesellschaft.
Es wäre wünschenswert zu erreichen, dass die Menschen sich mit diesen heiklen Fragen auseinander setzen. Uns ist diese Möglichkeit gegeben, indem wir das Thema zum Gegenstand unserer Arbeit machen. In diesem Rahmen können wir uns intensiver mit der Obdachlosigkeit befassen und das Thema systematisch vertiefen.
Zum Verständnis der Arbeit werden wir zunächst einige wichtige Hintergrundinformationen darlegen, um die Lebenssituation und Schwierigkeiten der Betroffenen zu veranschaulichen.
Außerdem werden wir Hilfsmaßnahmen aufzeigen und prüfen, ob sie geeignet sind, diese Randgruppen wieder zu integrieren.
Unseren Schwerpunkt legen wir auf die Frage, wie die Gesellschaft mit der Problematik der Obdachlosigkeit umgeht und wie die Mehrheit der Menschen den Obdachlosen gegenübertritt.
Diese Überlegung steht im Zusammenhang mit dem Unterrichtsfach Ethik und veranlasste uns schließlich auch diese Arbeit zu verfassen.
2. Definition
Für den Begriff Obdachlosigkeit gibt es keine einheitliche Definition. Einige Definitionsmöglichkeiten wollen wir hier nennen.
Das Bundessozialhilfegesetz definiert Obdachlose als
- „Personen, die ohne gesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage umherziehen alleinstehende Personen ohne Wohnung und regelmäßige sozialversicherungspflichtige Arbeit, ohne abgesicherte
- Existenzverhältnisse und häufig ohne existenziell tragende Beziehungen zu Familie oder anderen Lebensgemeinschaften
- Personen, deren besondere soziale Schwierigkeiten der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft entgegenstehen“
Das Sozialamt unterscheidet zwischen
- „kommunalen“ Obdachlosen, die einen festen Bezugspunkt und eine postalische Adresse haben, über die sie erreichbar sind, sei es in Wohnheimen zur Reintegration oder in Notunterkünften
- Obdachlosen, die sich ohne festen Schlafplatz in einer bestimmten Stadt aufhalten
- sogenannten Durchwanderern, die von Stadt zu Stadt ziehen
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W) definiert Wohnungslose als „Menschen, die nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen.
Aktuell von Wohnungslosigkeit betroffen sind danach Personen,
- die aufgrund ordnungsrechtlicher Maßnahmen ohne Mietvertrag, d.h. lediglich mit Nutzungsverträgen in Wohnraum eingewiesen oder in Notunterkünften untergebracht werden
- die ohne Mietvertrag untergebracht sind, wobei die Kosten durch den Sozialhilfeträger nach §§ 11, 12 oder 72 BSHG übernommen werden;
- die sich in Heimen, Anstalten, Notübernachtungen, Asylen, Frauenhäusern aufhalten, weil keine Wohnung zur Verfügung steht;
- die als Selbstzahler in Billigpensionen leben,
- die bei Verwandten, Freunden und Bekannten vorübergehend unterkommen;
- die ohne jegliche Unterkunft sind, „Platte“ machen
- Aussiedler, die noch keinen Mietwohnraum finden können und in Aussiedlerunterkünften untergebracht sind.“
Im Volksmund werden Obdachlose „Penner“ genannt, sie werden auch als Stadt- bzw. Landstreicher bezeichnet. Früher wurde der Ausdruck „nicht sesshaft“ verwendet, er ist jedoch inzwischen überholt. Die Obdachlosen selbst bezeichneten sich in unseren Gesprächen mit ihnen häufig als „Berber“.
Da es weder eine einheitliche Definition noch Bezeichnung für die ganzen Erscheinungsformen von Obdachlosigkeit gibt, ist es schwierig, genaue Statistiken aufzustellen. Sämtliche veröffentlichten Zahlen beruhen auf Schätzungen und Hochrechnungen und gehen gerade bei der Bewertung der Dunkelziffern teilweise weit auseinander.
3. Zahlen
Die BAG W legte 2002 ihre alljährliche Schätzung zur Zahl der Wohnungslosen vor. Aufgrund der schwierigen Datenlage konnten für das Jahr 2003 lediglich Tendenzen festgestellt werden.
Die Schätzung differenziert zwischen wohnungslosen Personen in Mehrpersonenhaushalten (Familien, Alleinerziehende, Paare), alleinstehenden Wohnungslosen (Einpersonenhaushalte) und wohnungslosen Aussiedlern in Übergangsunterkünften. Festgestellt wurden 330.000 Wohnungslose in Übergangsunterkünften, darunter 150.000 wohnungslose Einpersonenhaushalte. Dazu kommen weitere 80.000 Aussiedler in Übergangsunterkünften.
Die gesamte Jahresschätzung von 2002 beträgt 410.000 Wohnungslose, mit 23% Frauen, 55% Männern und 22% Kindern und Jugendlichen. Dabei ist in den Städten die Zahl der Obdachlosen erheblich höher als im ländlichen Raum.
Ca. 13 % der alleinstehenden Wohnungslosen, also ca. 20.000 Menschen, lebten im Laufe des Jahres 2002 ohne jede Unterkunft auf der Straße, darunter ca. 1.800 bis 2.200 Frauen.
In Ostdeutschland sank die Zahl der Wohnungslosen von 50.000 im Jahr 2000 um ca. 14 % auf 43.000 im Jahr 2002. Für Westdeutschland schätzt die BAG W 290.000 Wohnungslose für 2002 (2000: 340.000), dies bedeutet einen Rückgang um ca. 15 %. Damit hat sich die Entwicklung in Ost und West weiter angeglichen.
Die Gesamtzahl der Wohnungslosen (mit wohnungslosen Aussiedlern) in Deutschland hat sich in den letzten Jahren seit 2000 nach Einschätzung der BAG W um ca. 20% verringert. Dieser Rückgang ist auf den Abbau der Belegung in Übergangsunterkünften zurückzuführen, aber auch auf die weiter stark rückläufigen Zuwanderungszahlen.
Mit Blick auf die Zukunft muss allerdings wieder mit einem Anstieg der Wohnungslosigkeit gerechnet werden, da in den kommenden Jahren der verfügbare Sozialwohnungsbestand, auf den einkommensschwache Haushalte angewiesen sind, weiter rückläufig sein wird.
Auch angesichts der weiter steigenden Arbeitslosenzahlen ist bei den Wohnungslosenzahlen mit einer Zunahme zu rechnen. Die Zahl der akut Wohnungslosen steigt seit 2002 insbesondere in einzelnen Großstädten wieder deutlich an. Diese Entwicklung könnte sich in den nächsten Jahren auch in anderen Städten fortsetzen.
Sämtliche Zahlen und Information dieses Kapitels beziehen wir von der Internetseite der BAG W.
4. Geschichte, Entstehung, Ursachen
Obdachlosigkeit ist kein neues Phänomen. Es trat bereits in früheren Jahrhunderten auf und zunehmend seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert mit der Entstehung eines freien Arbeitsmarktes. Die Betroffenen wurden damals und bis ins 20. Jahrhundert hinein in Arbeitshäuser gesteckt oder kurzerhand aus den Städten vertrieben. Später wurden sie von den Nationalsozialisten verrufen als „arbeitsscheue Nichtsesshafte“. Tausende ließen ihr Leben in Konzentrationslagern.
Auch heute noch leben in den meisten westlichen Industrieländern viele Obdachlose. Man trifft auf sie gehäuft in den Armutsgebieten der Großstädte. Dabei ist Wohnungsnot kein Phänomen, das sich auf die Ballungsräume beschränkt. Dies belegt eine Studie des Kreises Gießen, welche ergab, dass in den kreisangehörigen Gemeinden durchschnittlich mehr Wohnungsräumungen stattfinden als in der Stadt selbst. Der am häufigsten ermittelte Grund für die Wohnungsräumungen sind Mietschulden aufgrund fehlender eigener Geldmittel. Die Anzahl der Mietschuldner wächst beständig.
Dies ist auch kaum verwunderlich angesichts der hohen Preise auf dem Wohnungsmarkt. Sie sind in den letzten Jahren von den Vermietern immer weiter in die Höhe getrieben worden. Gerade in Großstädten ist der Wohnraum sehr teuer und äußerst knapp bemessen. Insbesondere fehlt es an adäquatem Wohnraum im 1- bis 2-, und 4- Zimmer-Bereich. Hier kommt es zu Engpässen. Außerdem lässt sich von einer Fehlbelegung sprechen. Der Staat förderte dereinst den Bau von Wohnungen mit 2 bis 3 Zimmern, verfehlte damit aber den Markt. Sie stehen heute zu erstaunlich großen Mengen leer.
„Wohnraumproblematik bildet oft den erstaunlichen Auftakt zur Verarmung: Wohnungsnot betrifft zuerst gesellschaftliche Randgruppen und einkommensschwache Schichten - darüber hinaus aber zunehmend einen wachsenden Teil der Gesamtbevölkerung.“
Die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt trägt ihren Teil zur Situation bei. Für Langzeitarbeitslose ist es schwierig die Miete aufzubringen und dadurch ist es schwer die Wohnung auf lange Sicht zu halten. Auch die staatliche Unterstützung durch Arbeitslosengeld und Sozialhilfe reicht hier oft nicht mehr aus.
„Häufig treffen Arbeitslosigkeit, Verschuldung und zu wenig bezahlbarer Wohnraum zusammen mit individuellen Ursachen wie Kindheitstraumata, Alkohol- und Drogenkonsum, Ehekrisen, Einsamkeit und fehlender sozialer Unterstützung durch Freunde und Familie. Oft kommen noch juristische und polizeiliche Komplikationen hinzu und der Schritt auf die Straße ist nicht mehr weit.“
Meist verläuft der Weg in die Obdachlosigkeit in etwa so: Der Vermieter reicht aufgrund von Mietrückständen eine Räumungsklage beim Gericht ein, woraufhin es zur Verhandlung und anschließend zur Zwangsräumung kommt. Dem obdachlos Gewordenen wird eine Notunterkunft von der Stadt zugewiesen.
Hat man einmal seine Wohnung verloren, stößt man wegen der angespannten Wohnungsmarktsituation auf Schwierigkeiten wieder einen Wohnplatz zu finden. Die Vermieter suchen „verlässliche“ Mieter, sie haben Vorurteile gegenüber den Obdachlosen, und scheuen sich ihre Wohnungen gerade an sie zu vermieten. Hat ein Obdachloser dazu noch einen Hund ist es für ihn nahezu unmöglich.
Die Ursachen für Obdachlosigkeit sind vielfältig. In den seltensten Fällen aber steckt bloße Faulheit der Betroffenen dahinter. Es kann jeden treffen. Jeder Mensch kommt in seinem Leben in Situationen, in denen es ihm zumindest zeitweise nicht mehr gelingt dem enormen Leistungsdruck, der gerade in der heutigen Zeit in unserer Gesellschaft auf das Individuum ausgeübt wird, standzuhalten. Individuelle Probleme wie fehlende berufliche Qualifikation, finanzielle Schwierigkeiten und Schulden, Krankheit, Scheidung, Drogen oder Haftstrafen können dann zum Auslöser eines sozialen Abstiegs werden. Auch der Verlust des Arbeitsplatzes oder bei Jugendlichen die Kündigung der Lehrstelle kann dazu führen. Entscheidend ist, wie man persönlich gelernt hat mit diesen Problemen umzugehen. Hält man ihnen nicht stand und hat man kein stabiles soziales Umfeld, das einen auffängt, kann man schnell in einen gefährlichen Abwärtsstrudel geraten. Deshalb sind vor allem alleinstehende Personen betroffen.
Konservative Kräfte suchen die Schuld oft ausschließlich in persönlichem Versagen. Dies ist u.E. nicht berechtigt, da es in der Natur des Menschen liegt, dass er eine bestimmte individuelle Grenze hat, bis zu der er in der Lage ist, Schicksalsschläge auszuhalten und mit ihnen umzugehen. Man kann es niemandem zum Vorwurf machen, wenn er mit den Anforderungen dieser Gesellschaft nicht zurechtkommt und nicht mithalten kann. Den geringen Prozentteil, der das Leben auf der Straße freiwillig lebt, etwa aus Protest gegenüber dem Staat, lassen wir bei dieser Überlegung außen vor.
Eine andere Position geht davon aus, dass die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verantwortlich für die Entstehung einer solchen Randgruppe sind. Dies entspricht eher unserer Sichtweise. Der Entstehung von Reichtum steht als Gegenbewegung die Entstehung der Armut gegenüber, wachsende Armut ist also unausweichliche Folge der ungleichen Verteilung des Reichtums in unserer Gesellschaft. Demnach schafft Reichtum Obdachlosigkeit. Einziges wirksames Mittel wäre die konsequente Umverteilung des Reichtums.
Die Obdachlosigkeit kann sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Ursachen haben. In den meisten Fällen kommt beides zusammen.
5. Alltag
In diesem Kapitel möchten wir den Lebensalltag obdachloser Menschen beschreiben und ein möglichst anschauliches Bild davon vermitteln. Dabei gehen wir selbstverständlich davon aus, dass jeder Obdachlose seinen Alltag anders erlebt. Jeder hat seine eigene individuelle Geschichte. Die Obdachlosen sind keinesfalls eine homogene Gruppe, wenn sie auch ähnliche Probleme haben. Der Alltag eines jeden Obdachlosen ist geprägt von zahlreichen Anfeindungen, Armut und dem täglichen Kampf ums Überleben.
In den im vorigen Kapitel bereits erwähnten staatlichen Notunterkünften bleibt kaum einer lange. Der dortige Standard ist weitaus niedrigerer als bei einer richtigen Wohnung, das Leben ist einsam. Die Unterkünfte - es lässt sich wirklich nicht von mehr als einer Unterkunft im wahrsten Sinne des Wortes sprechen - sind nur für den Übergang gedacht.
Die Betroffenen, sofern sie keine neue Wohnung finden, können von hier aus versuchen in provisorischen Übernachtungsstätten unterzukommen, in billigen Pensionen beispielweise, oder einen Platz in einem Heim zu bekommen. Ein gesichertes Dach haben sie jedoch niemals über dem Kopf.
Viele der Obdachlosen gehen nur ungern in die Wohnheime. Sie müssen dort auf engstem Raum mit fremden Menschen leben und mit bis zu 8 Personen in einem Zimmer schlafen. Außerdem drohen ihnen dort Krankheiten, Diebstahl und Gewalt, weshalb sie es vorziehen auf der Straße zu schlafen. Hier ist der Zusammenhalt unter den Obdachlosen größer. Dies liegt vor allem daran, dass sie dort mehr aufeinander angewiesen sind. Sie richten sich ihr Leben auf der Straße ein und arrangieren sich mit ihrer Situation. Man sieht sie umherziehen mit ihrem gesamten Hab und Gut in einer Plastiktüte. Sie schlafen auf Parkbänken oder in Hauseingängen und Tiefgaragen.
Dabei müssen sie sich jeden Tag aufs Neue mit der Suche nach einer Übernachtungsstätte befassen. Gerade im Winter stellt sich vor dem Einschlafen nicht selten die Frage, ob man den nächsten Morgen noch erlebt. Man kann sich vorstellen, dass es nicht gerade angenehm ist, bei solch eisigen Temperaturen über Nacht draußen zu bleiben
„Neben der Beschaffung von Nahrung und Kleidung und der täglichen Suche nach Unterkunft bleibt nur noch wenig Zeit für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit.“ So ist es nicht verwunderlich, dass „die Mehrheit der Betroffenen durch das Leben auf der Straße an Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, des Stütz- und Bewegungsapparates und der Atemwege leidet. Auch die Anzahl von Herz-, Kreislauf- und Hauterkrankungen liegt höher als beim Bevölkerungsdurchschnitt. Oft erkranken die Obdachlosen auch an Tuberkulose.“
Die Lebenserwartung auf der Straße ist geringer als üblich. Es zeigt sich, dass Wohnen hierfür ein entscheidendes Kriterium ist. „Wohnen zu können ist eine Grundkategorie menschlicher Existenz.“ Sie bestimmt die Lebensqualität.
Nicht nur der Körper leidet, auch der Charakter verändert sich grundlegend. Wie ein Mitarbeiter des Sozialamtes Offenburg uns erklärte, spricht man im Fachjargon hierbei von psychosozialer Verelendung. Die Persönlichkeit nimmt durch das Leben auf der Straße erheblichen Schaden. Laut Jetter liegt dies u.a. an der fehlenden Privatsphäre, welche sich bei der Nahrungsaufnahme und bei der Hygiene zeigt. Auch der fehlende Raum für Sexualität sowie der fehlende oder unzureichende Raum zum Schlafen tragen dazu bei. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer sozialen Diskriminierung. Sie wird u.a. beim alltäglichen Kampf mit den Behörden spürbar. Jegliche Formen von Erniedrigung, denen die Obdachlosen ausgesetzt sind, sowie die ständige Ungewissheit tragen zu einer starken psychischen Belastung bei. Die Obdachlosen haben keinerlei Absicherungen und Schutz. Teilweise sind sie durch mehr oder weniger „harmlose“ Drogen so weit heruntergekommen, dass sie es nicht mehr in die Gesellschaft zurück schaffen. Die immer wieder vergeblichen Bemühungen führen nicht selten zur Resignation der Betroffenen. Es werden noch mehr Drogen und Alkohol konsumiert. So sinken sie immer tiefer. Sie müssen ein von Perspektivlosigkeit gekennzeichnetes Leben führen.
Zu erwähnen ist noch die Gruppe der sogenannten Aussteiger. Sie haben das freie Leben auf der Straße gewählt und sich einmal bewusst für diesen Schritt entschieden. Sie grenzen sich ab vom Staat, wollen nicht für ihn arbeiten, geschweige denn Steuern zahlen. Innerhalb dieser Gruppe von Obdachlosen müssen Drogen nicht unbedingt eine Rolle spielen, viele lehnen sie gänzlich ab. Jedoch machen diese den geringsten Anteil der Obdachlosen aus.
Die geringen staatlichen Unterstützungsgelder und die niedrigen Tagessätze reichen kaum aus für den täglichen Bedarf an lebensnotwendigen Dingen. Und auch die Sucht muss ja irgendwie finanziert werden. Besonders schwierig ist es, wenn noch ein Hund mitzuversorgen ist. Die Hunde sind aber wichtige und treue Begleiter der Obdachlosen. Sie bewachen ihren „Herrn“ und passen auch mal auf den Rucksack auf.
Die Obdachlosen haben meist ihre festen Treffplätze in der Stadt, jeder kennt sie und hat ein Bild vor Augen. Da gibt es die Gruppe von Punks, die sich in Gruppen mit ihren Hunden in der Innenstadt aufhalten. Oder man sieht einzelne ältere Männer oder Frauen am Straßenrand sitzen und betteln. Man trifft auf Obdachlose, die still mit offener Hand oder einem Hut und einem Schild irgendwo sitzen. Dann gibt es noch das „aggressivere“ Betteln, bei dem die Obdachlosen auf Passanten zugehen und diese direkt ansprechen und fragen, ob sie etwas Kleingeld für sie haben. Dabei kann durchaus zu Konflikten kommen. Für diese Bettler sind bestimmte Stellen und Städte bald ausgereizt, auch weil die Bevölkerung sie irgendwann kennt und die Masche dann nach einigen Tagen nicht mehr zieht. Sie müssen dann weiterziehen in die nächste Stadt.
Nur relativ wenige Obdachlose gehen betteln. Sie selbst sagen, dass viel Mut dazu gehört. Es ist für die Obdachlosen erniedrigend und geht einher mit Demütigungen durch die Blicke von Passanten und Vertreibungen von Ladenbesitzern.
Viele ergreifen lieber Gelegenheitsjobs oder lassen sich in Geschäften oder auf den Markt eine Kleinigkeit geben.
Obdachlose sind häufig auf die materielle und finanzielle Hilfe anderer Menschen angewiesen. Es gibt viele, die den Wunsch hegen zu helfen und Stellen eingerichtet haben, die den Obdachlosen das alltägliche Leben vereinfachen sollen. Dazu gehören Anlauf- und Übernachtungsstellen sowie stationäre Einrichtungen. In Großstädten gibt es zudem Suppenküchen, von denen die Obdachlosen Essen beziehen können. Die Mahlzeiten werden umsonst oder gegen geringe Kosten verteilt.
Inzwischen gibt es auch zahlreiche Vereine und Verbände, in denen sich die Obdachlosen organisieren, beispielsweise die BAG W. Auch die Erstellung und der Verkauf von Straßenzeitungen ist eine Möglichkeit für die Obdachlosen sich selbst zu helfen und etwas dazu zu verdienen.
6. staatliche Maßnahmen
Hinsichtlich des Problems der Obdachlosigkeit ist der Staat gezwungen zu handeln. Ziel der Politik ist es, die von Obdachlosigkeit bedrohten Personen zu beschützen und die Zahlen zu verringern, sowie den Betroffenen das Leben leichter zu machen.
Die staatliche Zuständigkeit für Obdachlosigkeit fällt in zwei behördliche Bereiche, das Ordnungsamt und das Sozialamt.
Das Ordnungsamt:
Das kommunale Ordnungsamt ist zuständig für die Beseitigung der Obdachlosigkeit. Im Sinne des Polizeigesetzes stellt diese einen ordnungswidrigen Zustand dar, welcher öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet. Mit Beseitigung ist gemeint die Unterbringung des nach Zwangsräumung obdachlos Gewordenen in einer Notunterkunft und teilweise, aber nur äußerst selten, die Wiedereinweisung in die alte Wohnung.
Das Sozialamt:
Das Sozialamt ist durch das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) dazu verpflichtet, „Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Hilfe zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu gewähren. Die Hilfe umfasst alle Maßnahmen, die notwendig sind, um die Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.“
Auf den Bereich des Sozialamtes werden wir nun noch detailliert eingehen. Die Informationen erhielten wir größtenteils aus Gesprächen mit Betroffenen und Mitarbeitern des St. Ursula-Heims in Offenburg, einem Wohnheim für Obdachlose.
6.1. Arbeit des Sozialamtes
Wie die Arbeit des Sozialamtes konkret aussieht und welche Hilfsmöglichkeiten es gibt wird in diesem Kapitel beschrieben:
Die Obdachlosen sprechen bei einem zuständigen Sozialarbeiter vor und beantragen die ihnen zustehende Sozialhilfe. Der derzeitige Sozialhilfesatz beträgt 297 Euro im Monat. Daraus ergibt sich ein Tagessatz von 9,80. Diese 9,80 Euro am Tag müssen den Obdachlosen ausreichen für die komplette Versorgung, d.h. Lebensmittel, Medikamente, Kaffee, Zigaretten, kleine Anschaffungen, Dusche usw.
Wenn der Vorsprechende stark alkoholisiert ist und es auf der Hand liegt, dass man ihn mittels des Geldes nur bei seiner Sucht unterstützen würde, wird ihm die finanzielle Hilfe verweigert. Andere Maßnahmen kommen zum Tragen, beispielsweise kann der Betroffene direkt vor Ort eine kostenlose warme Mahlzeit erhalten, in sogenannten Wärmestuben. Lehnt er dies ab, erhält er einen Essensgutschein. Diesen muss er mit einem Stempel versehen zurückbringen, um nachzuweisen, dass er wirklich Essen und keine Drogen erworben hat. Daraufhin bekommt er auch sein Geld erstattet.
Allen Bedürftigen sollte eigentlich eine von der Stadt gegebene Unterkunft in einem Wohnheim zustehen. Dies ist aber unrealistisch. Angenommen, alle Obdachlosen wollten in einem Heim unterkommen wollen, würde dies die Kapazitäten bei weitem sprengen. Eine begrenzte Anzahl von provisorischen Betten für Durchwanderer ist jedoch meist vorhanden. Ihnen kann auf Anfrage ein Schlafplatz für eine oder mehrere Nächte zur Verfügung gestellt werden. Vorher werden ihre Daten aufgenommen und sie werden „abgeklopft“, d.h. es werden ihnen Fragen zur Person gestellt. Auch für materielle Unterstützung durch Kleider, usw. ist gesorgt.
Wenn die Obdachlosen wollen, kommen sie in die Rehabilitationsbereiche der Wohnheime. Dort erfahren sie Hilfe von Sozialpädagogen und Betreuern, darunter auch ehemals selbst Betroffene. Sie werden hier bei ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft und der schrittweisen Integration ins Arbeitsleben unterstützt durch begleitende Maßnahmen. Die Maßnahmen beinhalten „vor allem die Beratung und persönliche Betreuung für den Hilfesuchenden und seine Angehörigen, Hilfen zur Ausbildung, Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes sowie Maßnahmen bei der Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung.“
Die Reintegration ins Arbeitsleben beginnt mit dem Verrichten diverser kleiner Arbeiten z.B. dem Zusammendrehen von Kugelschreibern für einen Euro in der Stunde. Wenn sie von ihrer körperlichen Konstitution her dazu in der Lage sind, können die Obdachlosen an sogenannten „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ (kurz: ABM), welche durch staatliche Fördergelder finanziert werden, teilnehmen. Sie arbeiten dann für eine kleine Entlohnung in Schreinereien oder auf dem Bau und bekommen, wenn sie Glück haben, nach einiger Zeit einen festen Vertrag. In den Einrichtungen gibt es zudem häufig Angebote zur Weiterbildung in der Art von Computerkursen. Die Angebote richten sich vor allem an junge Leute, welche ohnehin nur auf Durchgang in den Einrichtungen sein sollen. Man setzt sich zum Ziel, dass sie irgendwann wieder eine eigene Wohnung und eine feste Arbeit haben. Die Plätze für die Wiedereingliederung sind allerdings begrenzt. Nur wer wirklich Engagement zeigt, hat eine Chance die Maßnahmen auf längere Zeit in Anspruch nehmen zu können.
Die Obdachlosen in den Wohnheimen, ob arbeitend oder nicht, bekommen zusätzlich zur Sozialhilfe ein tägliches Taschengeld von 2,80 und kostenlose Vollverpflegung. Dafür müssen sie sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen und ihren „Mitwirkungspflichten“ nachkommen. Sie haben Auflagen, nach denen sie eine bestimmte Anzahl von Bewerbungen im Monat schreiben müssen.
Die Einrichtungen können sowohl staatlich als auch gemeinnützig sein und beispielsweise der Kirche oder der Caritas unterstehen. Dabei übernimmt der Staat einen Teil der anfallenden Kosten. Laut dem BSHG sollen „die Träger der Sozialhilfe (das Sozialamt des jeweilig zuständigen Stadt- oder Landkreises) mit den Vereinigungen, die sich die gleichen Aufgaben zum Ziel gesetzt haben, und mit den sonst beteiligten Stellen zusammenarbeiten und darauf hinwirken, dass sich die Sozialhilfe und die Tätigkeit dieser Vereinigungen und Stellen wirksam ergänzen.“ Nicht staatliche Einrichtungen erfahren deshalb Unterstützung durch den jeweilig zuständigen Sozialhilfeträger.
Ein weiterer wichtiger Teil der Arbeit des Sozialamtes findet auf der Straße statt. Die sogenannten Streetworker versuchen diejenigen zu erreichen und „aufzuknacken“, die nicht von sich aus auf Sozialamt kommen. Sie suchen die Obdachlosen auf der Straße auf, um sie „bei sich selbst abzuholen“ und dazu zu überreden, auf Arbeitsamt zu gehen und ihre Hilfsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen.
6.2 Probleme bei der Reintegration und bei der Bekämpfung der Obdachlosigkeit
Für unseren ohnehin schon hoch verschuldeten Staat gestaltet es sich als äußerst problematisch die diversen Ansprüche zu erfüllen, da hierfür teilweise hohe Summen erforderlich sind. Leider gibt der Staat u.E. zu viel Geld für unnötige und unwichtige Dinge aus, in die Bekämpfung der Obdachlosigkeit hingegen und speziell in Obdachlosenheime investiert er kaum. Es gibt ihrer viel zu wenig und besonders mit Plätzen für Frauen ist es schlecht bestellt. Allein in unserer Region gibt es nur drei Obdachlosenheime, in Baden-Baden, Freiburg und Offenburg. Nur zwei von ihnen führen überhaupt einige wenige Frauenplätze.
Viele Einrichtungen setzen zudem strenge Hausordnungen voraus, die hohe Anforderungen an die Obdachlosen richten und viel Wert z.B. auf Sauberkeit legen. (Dabei kann sich jeder vorstellen, dass es schwierig ist, sich auf der Straße komplett sauber zu halten.) Nicht jeder wird aufgenommen. Es wird hier bei Hilfsbedürftigen Unterschiede gemacht. Ein weiteres Problem ist, dass viele Häuser keine Hunde erlauben.
Nicht viel anders ergeht es den Obdachlosen auf den Behörden. Der obligatorische Gang zum Arbeitsamt lohnt sich für viele Obdachlose fast nicht mehr. Trotzdem verlangt man von ihnen zu kommen, ansonsten wird ihnen die Sozialhilfe gestrichen. Die Beamten erwarten dabei von den Obdachlosen ein Erscheinungsbild, welches schlicht und einfach nicht der Realität entspricht. Sie wollen die Obdachlosen am liebsten frisch rasiert und im Anzug sehen, sind sie nicht nüchtern, werden sie sofort wieder weggeschickt. Die Obdachlosen, die wissen, dass sie ohnehin als unvermittelbar gelten, gehen deshalb teilweise gar nicht erst mehr hin. Sie wollen sich diese Erniedrigung ersparen. Selbst mit Unterstützung finden manche Obdachlose keine Arbeit und keine Wohnung mehr. Auch wenn sie noch so unzufrieden und unglücklich sind mit ihrem Leben und dazu bereit sind etwas zu ändern, die Chancen hierfür fallen sehr gering aus und schwinden zunehmend, je nach Alter und körperlicher Konstitution. Andere haben vielleicht sogar Abitur gemacht und einen Beruf gelernt. Wenn sie diesen zu lange nicht mehr ausgeübt haben, bezahlt ihnen niemand mehr die Kurse zur Wiederauffrischung. Ein 50-jähriger Mann beispielsweise, der 20 Jahre lang alkoholsüchtig war und schwer krank ist, hat keine Chance mehr, vermittelt zu werden, nicht einmal für eine Fließbandarbeit.
Die Wiedereingliederung ist oft ein langer mühevoller Prozess, welcher bis zu 5 Jahren lang dauern kann - und oft erfolglos bleibt. Der Weg zurück in die Gesellschaft und Normalität ist schwierig. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kosten viel Durchhaltevermögen. Die Abbrecherquote ist hoch, häufig kommt es zu Rückfällen durch Alkohol. Den meisten fehlt die Motivation durchzuhalten, da die Aussichten schlecht sind und sie weniger Gehalt für gleiche Arbeit erhalten. Außerdem stehen die Teilnehmer - wiederum durch die Staatskasse - unter großem Druck. Um zu erkennen, was die einzelnen wirklich leisten könnten und um sie entsprechend motivieren zu können, bräuchte man grundsätzlich viel mehr Zeit.
Viele Obdachlose nehmen die Hilfe, die ihnen vom Sozialamt angeboten wird, nicht an - sei es aus Stolz, Scham oder weil sie nicht bevormundet werden und ihre Unabgängigkeit bewahren wollen.
Die Reintegration von Obdachlosen in die Gesellschaft sowie der Abbau der Obdachlosenzahlen gestalten sich aufgrund zahlreicher Faktoren als äußerst schwierig. Letztlich ist die Gesellschaft selbst, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, zum großen Teil Mitschuld daran.
Lösungen sind noch lange keine in Sicht. Angesichts der Ungewissheit über Lösungen zur Bekämpfung des Problems wird dringend Hilfe benötigt - vor allem aber aufgrund der Unerträglichkeit der Situation der Betroffenen. Obdachlose Menschen sind in ihren Lebensbedingungen anderen gegenüber stark benachteiligt sind und in ihrer Existenz gefährdet. Es kann unserer Meinung nach in keiner Weise angehen, dass in der heutigen Zeit, im 21. Jahrhundert, noch Menschen auf der Straße erfrieren müssen, und dass in einem der reichsten Länder der Welt. Es besteht ohne Zweifel akuter Handlungsbedarf.
7. Ausgrenzung von Obdachlosen
Nachdem wir den Alltag der Betroffenen, sowie Entstehung und Probleme bei der Bekämpfung der Obdachlosigkeit beschrieben haben, wenden wir uns nun der Frage zu, wie es den Obdachlosen in unserer Gesellschaft ergeht. Einige Schwierigkeiten, die auf eine Ausgrenzung hinweisen, sind bereits deutlich geworden. Hier wollen wir weiter darauf eingehen, in welchen Bereichen die Obdachlosen ausgegrenzt werden und die Ursachen dafür untersuchen.
Es ist eine Tatsache, dass viele Passanten einen Bogen um Obdachlose machen. Man ist irritiert, wenn man einen Obdachlosen auf der Straße sitzen sieht. Auch wenn dies ja nun gerade in Großstädten kein seltener Anblick ist, entspricht er nicht unseren Sehgewohnheiten. In Folge dessen bleibt der Blick bleibt kurz hängen, dann schaut man meist wieder weg. Keiner macht sich darüber Gedanken, wie sich die Obdachlosen dabei fühlen, wenn man achtlos an ihnen vorüber läuft und sie von oben herab anschaut.
Viele wissen nicht, ob man ihnen Geld geben soll, und wenn ja wem? Man kann schließlich nicht jedem etwas geben. Viele glauben außerdem einem Obdachlosen mit Geld keinen Gefallen zu tun, da er es vielleicht für Alkohol ausgibt und geben ihm folglich stattdessen lieber etwas zu essen. Geht man dann nicht davon aus, dass der Bettelnde nicht selbst entscheiden kann, was gut für ihn ist?
Wir vermuten, dass ein Grund, warum Obdachlose nicht ernst genommen werden in der Unsicherheit im Umgang mit ihnen liegt. Obdachlose sind uns fremd. Nur die Wenigsten denken überhaupt nur daran, offen auf einen Obdachlosen zuzugehen und mit ihm in Kontakt zu treten. Man weiß nicht, wie man sich ihnen gegenüber verhalten soll und verhält sich deshalb am Besten gar nicht dazu.
Spricht ein Bettler einen auch noch direkt an, ist es umso peinlicher. Man blockt ab. Man weiß nicht, was man von seinem Gegenüber zu erwarten hat und wie man mit der ungewohnten Situation umgehen soll. Angesichts des Bildes von Armut wird man sich seines eigenen Überflusses wieder bewusst und bekommt gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, weil man irgendwie doch zu geizig ist, etwas zu geben. Man läuft vorbei. Im nächsten Moment hat man es wieder verdrängt.
Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass den Obdachlosen mit gemischten Gefühlen begegnet wird. Einerseits empfindet man Mitleid für sie, andererseits ist es nicht zu leugnen, dass auch Berührungsängste und teilweise sogar Ekel eine Rolle spielen. Plätze, an denen sie sich aufhalten, werden allgemein gemieden. Ein Grund hierfür ist sicherlich der Alkoholkonsum. Viele haben beim Gedanken an Obdachlose das klischeehafte Bild von herumlungernden Schnorrern vor Augen, die es sich auf Kosten des Staates gut gehen lassen. Zu einem falschen Bild tragen ein Stück weit auch die aggressiven Bettler bei. Durch sie werden viele, die noch ein bisschen sozial veranlagt sind, abgeschreckt. Dabei darf man die Obdachlosen wirklich nicht alle über einen Kamm scheren. Auch muss man differenzieren zwischen den alteingesottenen „Berbern“ und so genannten Trittbrettfahrern, welche organisiert in Banden betteln. Durch sie werden Leute irritiert. Bettelnde werden unglaubwürdig.
Die Einstellung vieler Menschen ist geprägt von Vorurteilen und einem falschen Bild von Obdachlosen. Durch die Vorurteile, die Ignoranz und den Ekel, den viele Obdachlosen gegenüber empfinden, ist eine soziale Kälte in der Gesellschaft spürbar. Gesellschaftliche Solidarität scheint immer mehr an Bedeutung zu verlieren. Man fragt sich wo Akzeptanz und Toleranz geblieben sind. Wie steht es mit der Menschlichkeit?
In unseren Gesprächen wurde uns mitgeteilt, dass Obdachlose im Alltag in vielerlei Hinsicht benachteiligt und ungerecht behandelt werden. Dies macht sich an zahlreichen Beispielen bemerkbar. So erhalten Obdachlose häufig keine Karte in der Videothek. Man befürchtet, sie würden nicht bezahlen. In vielen Restaurants werden sie gar nicht erst bedient und durchaus sogar „gebeten“ es umgehend zu verlassen. Betritt ein Obdachloser das Wartezimmer einer Arztpraxis, kommt es tatsächlich vor, dass andere Patienten kurzerhand aufstehen und gehen. Sie wollen nicht neben ihm sitzen. Unvorstellbar, aber wahr. Im Supermarkt oder in Bekleidungsgeschäften haben sie sofort den Kaufhausdetektiv hinter sich her. Obdachlose werden prinzipiell verdächtigt zu klauen.
Leider alles keine Einzelfälle. Ausgrenzung nimmt zu, Vorurteile gegenüber Obdachlosen breiten sich über ganze Gesellschaftsschichten und Generationen hinweg aus. Häufig sind es Familien, die sich abgrenzen. Die Eltern prägen die Angst ihrer Kinder vor Obdachlosen, diese Form der pädagogischen Ausgrenzung fängt schon im Kindergarten an. Den Kindern wird verboten zu dem fremden Mann am Straßenrand hinzugehen oder gar mit ihm zu sprechen. Eine Angst mag darin liegen, dass sie sich Krankheiten einfangen könnten. Was auch immer die Gründe sind, die Ängste der Eltern sind teilweise sicher nachvollziehbar und berechtigt. Es ist nicht zu leugnen, dass es unter den Obdachlosen auch dubiose Gestalten gibt oder Menschen, die gegen Gesetze verstoßen. Das wollen wir nicht verharmlosen, aber wenigstens darauf hinweisen, dass es die in jeder Gesellschaftsschicht gibt.
Das Leben wird den Obdachlosen in allen nur erdenklichen Bereichen unnötig schwer gemacht. Dies geschieht häufig schon nur durch Gedankenlosigkeit der Menschen und zeigt sich bei Kleinigkeiten. Aber auch von rücksichtslosen Gesetzen, welche sich gar nicht unbedingt direkt gegen Obdachlose richten müssen, sind sie vielmals stärker betroffen als andere Menschen mit besserem Einkommen. Das neue Gesundheitsmodernisierungsgesetz beispielsweise ist in diesem Zusammenhang kritisch zu betrachten. Vor allem Sozialhilfeempfänger haben in Zukunft darunter zu leiden, dass sie für einen Arztbesuch von nun an 10 Euro bezahlen müssen. 10 Euro sind für sie keine Kleinigkeit.
Ein weiterer Punkt, den die Gesprächsteilnehmer beklagten, ist, dass die Bahnhöfe ihre frühere Funktion als Anlaufpunkte für die Obdachlosen verloren haben. Sie sind heute nur noch Glaspaläste, welche möglichst sauber, überschaubar und „obdachlosenfrei“ gehalten werden sollen. Mittlerweile findet man selbst in U-Bahnstationen nur noch möglichst unbequeme Wartesitze. Dadurch wird verhindert, dass diese von Obdachlosen als Schlafplätze „missbraucht“ werden könnten. Weitere politische Maßnahmen sind Aufenthaltsverbote für Obdachlose in Innenstädten oder an öffentlichen Plätzen. Obdachlose werden durch „Ordnungshüter“. von diesen Plätzen vertrieben. Sie schaden dem Bild einer Stadt. Sie werden als Störung der öffentlichen Ordnung empfunden. Die Menschen sind zwanghaft fixiert auf ein bestimmtes Bild welches so in der Realität einfach nicht existiert. Obdachlose, Arme und andere Randgruppen haben in unserer konsumorientierten Wohlstandgesellschaft nichts verloren, sie passen nicht hinein. Läuft nicht etwas falsch, wenn Ladenbesitzer wegen eines vor ihrem Schaufenster bettelnden Obdachlosen um ihr Geschäft fürchten müssen? Anstatt sich damit auseinander zu setzen und zu helfen, vertreibt man die Obdachlosen lieber und löst das Problem auf diese Weise. Man muss sich fragen, was das für eine Gesellschaft ist, in der mit Menschen auf diese Weise umgegangen wird?
Die soziale Schere öffnet sich immer weiter und die Obdachlosen stehen in der gesellschaftlichen Hierarchie ganz unten. Festmachen kann man dies daran, dass sie kaum politischen Einfluss, keine Arbeit, kein Geld, und kein Ansehen haben. Wer einmal durch das soziale Netz gefallen ist, hat so gut wie keine Chance mehr. Es ist schwer für die Obdachlosen wieder Fuß zu fassen in der Gesellschaft. Sie finden keine Arbeit und keine Wohnung. Es wird ihnen nicht abgenommen, dass sie wirklich arbeiten wollen. Das Stigma von „arbeitsscheuen Nichtsesshaften“ hält sich hartnäckig, angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen verstärkt es sich sogar noch. Die Obdachlosen werden von der Gesellschaft abgeschrieben und abgestempelt. Die Gründe hierfür sind Gedankenlosigkeit und Unwissenheit. Es fehlt den meisten einfach der Bezug, sie haben keine Ahnung und wollen auch gar nicht mit dem Thema in Berührung kommen. Die Reichen und jene, welchen es gut geht, interessiert es recht wenig, was mit den Armen geschieht. Die Verhältnisse werden durch ein Rastersystem bestimmt, welches alles in Gut und Schlecht einteilt. Man geht herablassend und abwertend mit Armen um und gibt ihnen für alles selbst die Schuld. Doch daran, dass vor allem die Gesellschaft den Hauptteil dazu beiträgt, wird kein Gedanke verschwendet.
Sollte sich nicht eigentlich die deutsche Gesellschaft nach dem Grundgesetz richten? Dieses sieht Gleichheit und Menschenwürde als oberste Grundprinzipien vor. Die Lebensverhältnisse der Obdachlosen stehen dazu im offensichtlichen Widerspruch. Sie sind alles andere als menschenwürdig.
Trägt nicht jeder einzelne von uns zu ihrer Ausgrenzung bei durch Vorurteile und allein durch wegschauen? In dem Maße wie jeder einzelne zur Ausgrenzung beiträgt, kann auch jeder helfen. Es muss nicht viel sein. Jeder sollte das tun, was im Rahmen seines Möglichen liegt und einem selbst nicht schadet und sich nicht damit rechtfertigen, dass man ohnehin nichts bewirken und nicht jedem helfen kann.
Jeder kann den Obdachlosen zumindest mit Respekt und Akzeptanz gegenübertreten!
8. Fazit
Wir haben, während wir diese Arbeit geschrieben haben, immer wieder daran gezweifelt, ob wir nicht gerade dadurch, indem wir eine Arbeit über dieses Thema schreiben, unseren Teil zur Ausgrenzung der Obdachlosen beitragen.
Die Ausgrenzung fängt schon im ersten Kapitel an mit der Definition, mit dem Festlegen von Begriffen. Ist es gerechtfertigt, dass wir Unterscheidungen treffen? Festigen wir dadurch nicht das Kategorien-Denken unserer Gesellschaft? Indem wir über Obdachlose schreiben, grenzen wir uns gleichzeitig von ihnen ab, wir sehen sie als „die Obdachlosen“ und schreiben von uns als „die anderen“. Wir ordnen in Kategorien ein: „die Betroffenen“ und die „Nicht-Betroffenen“. Fragt sich, ob das sinnvoll ist, oder ist es vielleicht sogar unumgehbar?
Man kann hier wohl zu keinem Ergebnis kommen.
Wir hoffen, dass es nicht den Eindruck erweckt, wir würden Vorurteile unterstützen. Denn wir wollten mit dieser Arbeit Vorurteile abbauen und nicht fördern.
Indem wir uns beim Schreiben dieser Arbeit intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben, konnten wir so manche eigene Vorurteile gegenüber Obdachlosen abbauen. Auch haben wir im Zusammenhang mit dieser Arbeit viel gelernt, nebenbei Allgemeines, beispielsweise über unser Sozialwesen. Leider mussten wir uns in an vielen Punkten auf das Wesentliche beschränken und konnten viele Fragen aus Zeitgründen nur kurz anschneiden.
Höhepunkt unserer Recherche war der Besuch im St. Ursula-Heim in Offenburg. Hier haben wir sehr Schockierendes erfahren und gesehen. Wir haben erschütternde Lebensgeschichten gehört, die uns sehr berührten. Es hat uns erschreckt, dass das Leben eines Mannes mit 50 Jahren schon verwirkt sein kann und es wurde uns einmal wieder umso mehr bewusst, wie ungerecht doch das Leben sein kann und wie nahe wir alle am Abgrund stehen.
Gleichzeitig hatten wir das Gefühl, dass auch eine gewisse Kraft hinter dem ganzen Elend steckt. Die Obdachlosen, mit denen wir gesprochen haben, waren in keiner Weise hoffnungslos oder deprimiert, so wie man es vielleicht erwarten mag. In ihnen steckt das volle Leben.
Ohne es hier irgendwie schönreden zu wollen, aber Armut heißt nicht automatisch, dass man unglücklich ist. Wir haben die Obdachlosen als sehr aufgeschlossene Menschen kennen gelernt und waren positiv überrascht, wie gerne und bereitwillig sie offen von sich erzählt und mit uns gesprochen haben. Entgegen unseren Befürchtungen, dass wir auf Ablehnung ihrerseits stoßen würden, haben sie uns auch umgekehrt ohne irgendwelche Vorurteile und Vorwürfe behandelt. Das kann man gewiss nicht als selbstverständlich voraussetzen.
Wir haben ein ganz neues Bild von Obdachlosen erhalten und einen interessanten Einblick in ihren Lebensalltag gewinnen können.
Wir sind überzeugt, dass, wenn sich die Menschen mehr mit dem Thema Obdachlosigkeit befassen und auseinandersetzen würden, ein anderes, aufgeklärteres Bild von den Obdachlosen entstehen würde. Das Thema Armut, welches nach wie vor eine große Rolle spielt, wird unserer Meinung nach viel zu wenig thematisiert. Gerade die Schule wäre dafür ein geeigneter Ort, man erfährt hier jedoch kaum etwas darüber. Das Thema Armut als Folge der Globalisierung kam bei uns selbst nur ein einziges Mal kurz im Gemeinschaftskundeunterricht zur Sprache. Und leider scheint es auch für die Medien, die ja unser Bild von der Welt entscheidend mitprägen, ein Tabu-Thema zu sein. Es wird von ihnen gemieden.
Wir halten es für wichtig, dass sich die Gesellschaft mit der aktuellen Problematik im Bezug auf die Obdachlosigkeit mehr beschäftigt und dass das Thema Armut mehr zur Sprache gebracht wird. Jeder sollte sich von Zeit zu Zeit einen Spiegel vorhalten.
Die Menschen sollten endlich ihre Augen auf machen und nicht länger nur das sehen, was sie sehen wollen.
Quellenverzeichnis
Bundessozialhilfegesetz (BSHG); Unterabschnitt 12; „Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten“; §72
Kiebel, Hans; Obdachlose Menschen in Deutschland. In: Der Architekt. Zeitschrift des Bundes Deutscher Architekten, Heft Nr. 6 - Orte der Ausgrenzung, Juni 1994, S. 325 - 330
Jetter, F.; Wohnungsnot als Schlüsselproblem der Sicherung des sozialen Friedens. In: WSI-Mitteilungen, Monatszeitschrift des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung, Köln: Bund-Verlag, Heft 1 / 1995, S. 12-22
Schmid, Timo; Obdachlosigkeit in Deutschland - Leben am unteren Rand der Gesellschaft. Pädagogische Prüfungsarbeit. August 2001
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V., Bielefeld, www.bagw.de, Zugriff: 15.12.2003
www.hinzundkunzt.de, Zugriff: 21.12.2003
www.neue-aspekte.de, Zugriff: 21.12.2003
- Quote paper
- Bärbel Weismann (Author), Miriam Eckstein (Author), 2003, Ausgrenzung und Ignoranz - Obdachlose in der Gesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108548