Befasst man sich mit der Moderne des 20. Jahrhunderts, so findet man zahlreiche theoretische Texte mit denen die Künstler versuchen, ihr Schaffen zu kommentieren und für das Publikum zugänglicher zu machen. Dies scheint insbesondere bei den Schweizer Konkreten der Fall gewesen zu sein, die ihre Künstlertexte teilweise sogar in regelmäßigen Publikationen herausgeben wollten, wie etwa der im Allianz-Verlag erschienene Textband „Almanach neuer Kunst in der Schweiz“ 1 oder das 1944 erstmalig erschienene Bulletin „abstrakt/konkret“ 2 . Doch wohl wie kaum ein anderer Künstler hat wie Max Bill sein Werk mit zahlreichen Traktaten begleitet. Damit ist er nicht nur als Maler, Architekt, Bildhauer und Designer, sondern auch als Theoretiker, Schriftsteller, Kritiker und Pädagoge bekannt geworden. Für Eduard Hüttinger repräsentiert Bill den „inbegriff des denkenden künstlers“ 3 , der den eignen werken die schlüssigsten Kommentare selbst mitgeliefert und damit „zwischen dem wortbereich und dem formbereich eine fruchtbare spannung“ 4 hergestellt habe. Eine solche Einheit von Traktat und Kunstwerk zeigt sich meiner Meinung nach besonders deutlich bei Bills „fünfzehn variationen über ein thema“ 5 . In diesen Traktaten der Schweizer Konkreten, stößt man sehr häufig auf Begriffe aus den Bereichen der Technik, Wissenschaft und Mathematik. Da ist die Rede von ausdruckslosen Standardelementen, die durch Anwendung von überprüfbaren und regulierenden Gesetzmäßigkeiten zu Modulen einer Serie werden. Es ist die Rede von einer mathematischen Denkweise und davon, dass das Denken in der Form des Kunstwerks direkt wahrnehmbare Information würde. 6 Nicht nur die Individualität des Künstlers, sondern auch seine Intention soll zugunsten objektivierbarer Strukturgesetze in den Hintergrund treten. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die politischen und kulturellen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der modernen Schweizer Kunstszene
- Vorläufer der „Konkreten“
- Die Ausstellung „Zeitprobleme in der Schweizer Malerei“ in Zürich 1936
- „Die XIX. Nationale Kunstausstellung“ in Bern 1936
- Die Rolle der „Allianz“
- Was ist Konkrete Kunst?
- Nicht abstrakt
- Eigenständigkeit
- Universalität
- Überprüfbarkeit
- Äquivalenzprinzip
- Variabilität
- „die mathematische denkweise in der kunst“
- Irrationalität
- Strukturprinzipien
- Die Funktion von konkreter Kunst
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Konkrete Kunst, insbesondere die Definition und die Entstehung im Kontext des Zeitgeistes der 1930er und 1940er Jahre. Der Fokus liegt auf der Analyse der künstlerischen Ansprüche und ihrer theoretischen Begründung, insbesondere anhand der Schriften von Max Bill.
- Definition und Merkmale der Konkreten Kunst
- Einfluss des politischen und kulturellen Umfelds der 1930er Jahre auf die Entwicklung der Konkreten Kunst in der Schweiz
- Analyse der Rolle von Max Bill als Theoretiker und Künstler der Konkreten Kunst
- Beziehung zwischen mathematischer Denkweise und künstlerischem Schaffen
- Die Funktion und Wirkung der Konkreten Kunst
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Bedeutung der Künstlertraktate für das Verständnis der Konkreten Kunst heraus. Kapitel 2.1 beschreibt das politische und kulturelle Umfeld der 1930er Jahre in Europa und die Rolle der Schweiz als Zufluchtsort für Künstler. Kapitel 2.2 beleuchtet die Vorläufer der Konkreten Kunst in der Schweiz, mit Bezug auf den "Moderner Bund" und internationale Einflüsse. Die Kapitel 3.1 und 3.2 analysieren zwei wichtige Kunstausstellungen der Zeit und das damit verbundene künstlerische Klima. Kapitel 4 behandelt die Bedeutung der „Allianz“. Die Kapitel 5.1 bis 5.6 befassen sich mit verschiedenen Aspekten der Definition von „Konkreter Kunst“ nach Max Bill. Kapitel 6 erörtert die „mathematische Denkweise“ in der Kunst und deren Irrationalität. Kapitel 7 behandelt Strukturprinzipien.
Schlüsselwörter
Konkrete Kunst, Max Bill, Schweizer Kunst, Abstrakte Kunst, Zeitgeist der 1930er Jahre, Mathematische Denkweise, Strukturprinzipien, Avantgarde, Neutralität der Schweiz, Exil.
- Quote paper
- Oliver Pipping (Author), 2003, Was ist 'Konkrete Kunst'?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108374