Die Auseinandersetzungen der Geschichtsschreibung mit dem Thema Jan Hus und mit der so genannten „Hussitenbewegung“ sind vielfältig. Geändert hat sich in der neusten Forschung der Blickwinkel auf Jan Hus und die Bewertung seiner Zeit. Die vorliegende Arbeit lehnt sich dabei sehr stark an die Fragestellung der neusten Forschung zum Thema „Hussiten“ an und untersucht, welchen Einfluss Reformbewegung, Eschatologie und Chiliasmus auf die wichtigsten Personen und Bewegungen der „Hussitischen Revolution“ ausübten. Im weiteren Verlauf wird zusätzlich der Versuch unternommen, die Breitenwirkung des Reformwerks zu untersuchen. Die Beschäftigung mit Jan Hus kann sehr grob in drei Grundkategorien eingeordnet werden. Mitte des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Jan Hus von der tschechischen Geschichtsschreibung wieder entdeckt. Auf der Suche nach einer nationalen Identität dienten Hus und die „Hussiten“ als Beispiele für eine ursprüngliche tschechische Geschichte. Darin begründet sich die erste Forschungstendenz, nämlich die der nationalen Konkurrenz zwischen Deutschen und Tschechen auf der Suche nach unterschiedlichen Traditionen.1 In der Gegenbewegung versuchten deutsche Historiker die Person und das Werk des Jan Hus zu zerreden und seinen Status als „historische Persönlichkeit“ anzuzweifeln.2 Erst Ferdinand Seibt, dem kenntnisreichsten Hussitenforscher (West-)Deutschlands, gelang es ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, diese Nationalismen zu entkräften.3 In der zweiten großen Forschungsdebatte ging es um die marxistische oder nichtmarxistische Auslegung der „Hussitischen Revolution“. Zentral hierbei sind die unterschiedliche Gewichtung der Träger der Revolution, der Revolutionsbegriff an sich und die Einordnung in eine europäische Komponente einer frühen Reformation oder einer früh-marxistischen Revolution. Auf Seiten der tschechisch-marxistischen Historiker sei hier das Werk Robert Kalivodas erwähnt.4 Er beschreibt die „Hussitische Revolution“ aus einem soziologisch-philosophischen Blickwinkel. Nach Kalivoda ist der „Hussitismus“ das Konzept einer antifeudalen Revolution, die allerdings in einer bürgerlichen Revolution endet und daher nicht als Revolution im marxistischen Sinn zu bewerten ist.5 Ernst Werner, der führende Historiker der Hussitenforschung in der DDR, bewertet die „hussitische Ideologie“ - anders als Kalivoda - als frühes Modell einer kommunistischen Bewegung [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Schisma, Kirchenkritik und die Krise des Hochadels in Europa zur Zeit des Jan Hus
- Reformbewegungen am Ende des 14. Jahrhunderts
- Grundsätzliche Überlegungen zum Begriff der Eschatologie
- John Wyclif und der Wyclifismus
- Johann Milic und Matthias von Janov
- Die Kirchenreform bei Jan Hus
- Eschatologie und Chiliasmus. Eine kritische Untersuchung der „Hussitenbewegung“ bis ins Jahr 1434
- Prag und der „Utraquismus“ die Nachfolger des Jan Hus
- Tabor und die Radikalisierung der Hussiten
- Die Zersplitterung der Taboriten und ihr Ende
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Einfluss von Reformbewegung, Eschatologie und Chiliasmus auf die wichtigsten Personen und Bewegungen der „Hussitischen Revolution“. Ziel ist es, die Relevanz dieser Faktoren für die Entstehung und Entwicklung der Bewegung zu beleuchten und die Breitenwirkung des Reformwerks zu untersuchen.
- Die Rolle des Jan Hus und seiner Lehren in der Entstehung der Hussitenbewegung
- Die Verbindung von Eschatologie und Chiliasmus mit der „Hussitenrevolution“
- Der Einfluss von Reformbewegungen in England und Böhmen auf die Entwicklung der Bewegung
- Die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Hussitenbewegung, insbesondere Utraquismus und Taboriten
- Die Auswirkungen der Revolution auf die politische und gesellschaftliche Ordnung des Heiligen Römischen Reiches
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung bietet einen Überblick über die Forschungsgeschichte zum Thema Jan Hus und die „Hussitenbewegung“, wobei die unterschiedlichen Perspektiven und Debatten beleuchtet werden. Kapitel 2 untersucht die geschichtliche und politische Situation Europas zur Zeit des Jan Hus, insbesondere das Schisma der Kirche und die Krise des Hochadels. Kapitel 3 fokussiert auf die Reformbewegungen am Ende des 14. Jahrhunderts in England und Böhmen, mit einer detaillierten Betrachtung von John Wyclif, Johann Milic und Matthias von Janov. Kapitel 4 befasst sich mit der „Hussitenbewegung“ und analysiert die Rolle von Eschatologie und Chiliasmus in der Entwicklung der verschiedenen Strömungen, insbesondere Utraquismus und Taboriten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Jan Hus, Hussitenbewegung, Kirchenreform, Eschatologie, Chiliasmus, Reformation, Utraquismus, Taboriten, Mittelalter, Geschichte, Theologie, Revolution, Politik, Gesellschaft.
- Quote paper
- Tilo Maier (Author), 2003, Eschatologie, Chiliasmus und Reformbewegung bei Jan Hus und der Hussitenbewegung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10826