Die Zukunft der Altersversorgung in der BRD


Facharbeit (Schule), 2002

28 Seiten, Note: 13


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Die Rolle der Altersversorgung im Sozialstaat BRD
1.2 Wieso habe ich mir dieses Thema ausgesucht?

2. Historische Entwicklung des Rentensystems

3. Heutiges Rentensystem
3.1 Was man grundlegend wissen sollte
3.1.1 Was ist die Rente?
3.1.2 Wer hat Anrecht auf eine staatliche Altersrente?
3.1.3 Bekommt bei Inanspruchnahme jeder den gleichen Rentenbetrag?
3.1.4 Zahlt jeder in die selbe Rentenversicherung ein?
3.1.5 Ist es Pflicht sich zu versichern?
3.2 Finanzierung
3.2.1 Grundprinzip
3.2.2 Höhe der Beiträge
3.3 Höhe der Leistungen / Berechnung der Rente
3.3.1 Die Rentenformel
3.3.2 Beispiel zur Berechnung einer Monatsrente

4. Umbruch in Gesellschaft und Arbeitswelt
4.1 Demographische Entwicklung
4.1.1 Die Fertilität
4.1.2 Die Mortalität
4.1.3 Die Migration
4.1.4 Konsequenzen
4.2 Längere Ausbildungszeiten
4.3 Arbeitslosigkeit

5. Bisherige Lösungsversuche

6. Aktuelle Problematik

7. Aktuelle Lösungsvorschläge
7.1 Ziele der neuesten Rentenreform 2001
7.2 Stärkung der Privaten Altersvorsorge
7.2.1 Banksparpläne
7.2.2 Private Rentenversicherungen
7.2.3 Wertpapiere und Investmentfonds
7.3 Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge
7.4 Weiterer Inhalt der Reform

8. Modelle der Altersversorgung in anderen Staaten
8.1 Die USA
8.2 Die Schweiz
8.3 Schweden und Niederlande

9. Diskussion der verschiedenen Lösungsansätze
9.1 Parteipolitische Diskussion
9.2 Position des Sachverständigenrates

10. Eigene Stellungnahme

11. Literaturverzeichnis / Quellenangabe

1. Einleitung

1.1 Die Rolle der Altersversorgung im Sozialstaat BRD

Wir Deutschen leben in einem Sozialstaat. Sozialstaat ist die Bezeichnung des Konzeptes, wonach der Staat eine aktive Rolle in der Steuerung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Abläufe übernimmt und sich verpflichtet, so weit wie möglich für größtmöglicher Gleichheit der Lebenschancen in den Dimensionen der Einkommenssicherung, Gesundheit, Wohnen und Bildung zu sorgen. Die Sicherung der Einkommen wird beispielsweise durch die Instrumente der Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung und auch Sozialhilfe gewährleistet. Die wesentliche Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung besteht darin, die Versicherten in bestimmten schwierigen Phasen des Lebens, wie z.B. Alter, Tod der Eltern oder Lebenspartner, Eintritt von Erwerbsminderung, vor materieller Not zu schützen. Grundsätzlich sollen diejenigen materiell abgesichert werden, die zeitlich befristet oder generell nicht mehr leistungsfähig sind. Dies hat nicht nur eine positive Auswirkung auf den sozialen Frieden und somit auch auf die politische Stabilität Deutschlands, sondern auch auf die Wirtschaft. Denn es fördert die freie Entfaltung der Kräfte , wenn der Einzelne die Gewissheit auf ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit hat, ihn also auch eine unternehmerische Fehlentscheidung nicht gleich ins Elend wirft.

Deshalb hat die Rentenversicherung wegen Alters (Stichwort: Altersversorgung) als größter

Teil des Rentenversicherungssystems einen erheblichen Anteil an den genannten Effekten. Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Sozialstaatprinzips.

1.2 Wieso habe ich mir dieses Thema ausgesucht?

Der Sozialstaat ist eine der wichtigsten Errungenschaften der deutschen Geschichte und hat einen nicht unwesentlichen Beitrag zur positiven Entwicklung und Rehabilitation Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg beigetragen. Seine Erhaltung sollte in unserem Interesse sein. In den aktuell täglichen Medienberichte hören wir von

Finanzierungsproblemen, Beitragserhöhungen und überhöhten Staatsschulden aufgrund der „geldfressenden“ sozialen Sicherungssysteme. Spätestens jetzt sollte jeder bemerkt haben, dass da irgendwas nicht stimmt.

An der Notwendigkeit des Sozialstaatprinzips zweifelt niemand, aber benutzt der Staat die passenden Instrumente? Und benutzt er diese richtig? Offensichtlich nicht, denn sonst hätten wir keine Probleme! Da das angewandte System in früherer Zeit funktionierte, muss die Ursache in den, sich wandelnden äußeren Umständen liegen. Und genau das ist auch das heutige Problem. Die vom Staat benutzten Instrumente sind den heutigen Bedingungen nicht mehr angepasst. Der Vor allem durch die enorme technische Entwicklung wurde in den letzten Jahrzehnten ein rasanter Wandel der Gesellschaft verursacht. Sowohl die demographische Entwicklung, als auch der strukturelle Wandel der gesamten Arbeitswelt ändern die Arbeitsgrundlage der sozialen Sicherungssysteme. Die Brisanz und nicht abnehmende Aktualität der Thematik zeigt sich beispielsweise an der momentanen politischen Diskussion über die sogenannte „Riesterrente“. Ziel meiner Untersuchung ist es, eine Antwort auf folgende Frage zu finden:

Wie kann auch in fernerer Zukunft eine ausreichende Altersversorgung gewährleistet werden?

Dies ist eine essentielle Frage, mit der sich nicht nur auch, sondern vor allem die junge

Generation beschäftigen sollte, da jeder zwangsläufig (vom frühen Tod abgesehen) mit dem Thema konfrontiert wird und sich aktuelle politische Entscheidungen in diesem Bereich auf das späteres Leben im Alter auswirken. Dem Leser soll das Bewusstsein vermittelt werden, dass es einen in der Länge nicht zu unterschätzenden Lebensabschnitt gibt, für den man frühzeitig Verantwortung tragen muss, vor allem in der jetzigen Situation.

2. Historische Entwicklung des Rentensystems

" ... Aber auch diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesamtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres Ma ß an Fürsorge, als ihnen bisher hat zuteil werden können. Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht... "

aus der Kaiserlichen Botschaft Wilhelms I. vom 17.11.1881

Diese Botschaft Wilhelms I. war die „Geburtsurkunde" der deutschen Sozialversicherung.

Mit Beginn der Industrialisierung kam es zu einer völlig neuen sozialen und

gesellschaftlichen Situation. Die sozialen Missstände Einzelner konnten nicht mehr durch deren Familien und schon gar nicht durch solidarische Hilfe Anderer aufgefangen werden. Hier trat Bismarck, der zu dieser Zeit Reichskanzler war, auf den Plan und forderte (nicht nur aus sozialen, sonder auch politischen Zielen) Wilhelm I. auf, sich für den Aufbau einer Arbeiterversicherung einzusetzen, um die Arbeiter gegen Krankheit, Unfall, Invalidität und finanzielle Not im Alter abzusichern. Er tat dies am vor dem Reichstag am 17.11.1881. Am 15.06.1883 wurde die Krankenversicherung der Arbeiter ins Leben gerufen, sie führte den Versicherungszwang ein und funktionierte nach dem Prinzip der Selbstverwaltung. Nun ging es Schlag auf Schlag und mehrere wichtige Gesetze traten in Kraft:

- 1884 Unfallversicherungsgesetz
- 1889 Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung vom
- 1911 Gesetze werden in der Reichsversicherungsordnung zusammengefasst
- 1913 Versicherungsgesetz für Angestellte
- 1934 formale Beseitigung der Selbstverwaltung
- 1939 Versicherungspflicht für selbständige Handwerker
- 1942 Einführung des Lohnabzugsverfahrens und Einzug der Sozialversicherungsbeiträge durch die Krankenkassen

Auch nach dem 08.05.1945 blieben alle diese Gesetze in den jeweiligen Besatzungszonen (ausgenommen der sowjetischen - hier entstand ein völlig neues System) im wesentlichen bestehen. Sozialpolitisch übernahm die BRD nach 1949 dieses von Bismarck eingeführte System der sozialstaatlichen Sicherung. Die Versicherungen konnten zunächst jedoch nur die notwendigsten Leistungen anbieten, da sie sich noch nicht ausreichend über Beiträge finanzieren konnten und auch der Staat nicht in der Lage war eine sogenannte Anschubfinanzierung zu leisten.

- 1951 Wiedereinführung der Selbstverwaltung

- 1953 Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) nimmt in Berlin ihre Arbeit auf

Die Rentenreform 1957

- gleiches Recht für Arbeiter und Angestellte
- neue lohnbezogene Rentenformel ersetzt feste Grundrente
- Finanzierung der Renten durch die aktiv Versicherten (Umlageverfahren)
- Rehabilitation vor Rente

Die Rentenreform 1972

- die Öffnung der Rentenversicherung für Selbstständige und Hausfrauen
- lukrative Nachentrichtungsmöglichkeiten mit hoher Rendite
- die flexible Altersgrenze
- die Rente nach Mindesteinkommen für Kleinverdiener

Die Rentenversicherung hatte zwei Weltkriege, Inflation und Weltwirtschaftskrise, die Währungsreform 1948, die Teilung Deutschlands und die Eingliederung von Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen zu verkraften.

Die Alterssicherung in Deutschland basiert seit jeher auf dem 3-Säulen Prinzip; der gesetzlich festgeschriebenen Rentenversicherung als bisher stärkster Bestandteil, der betrieblichen Alters-, bzw. Zusatzversorgung als ergänzende Versorgungsleistung und, je nach den gegebenen Möglichkeiten, die verschiedenen Formen der privaten Vorsorge.

3. Heutiges Rentensystem

3.1 Was man grundlegend wissen sollte

3.1.1 Was ist die Rente?

Die „Rente“ ist eine monatlich wiederkehrende Leistung in Geld mit Einkommens- oder Unterhaltsersatzfunktion.

3.1.2 Wer hat Anrecht auf eine staatliche Altersrente?

Jeder, der die festgelegte Altergrenze erreicht hat und während seines Erwerbslebens für eine bestimmte Zeit regelmäßig einen Mindestbetrag in die eine gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat.

3.1.3 Bekommt bei Inanspruchnahme jeder den gleichen Rentenbetrag?

Nein, jede Rente wird so individuell wie möglich berechnet, um größtmögliche soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten.

3.1.4 Zahlt jeder in die selbe Rentenversicherung ein?

Nein, die gesetzliche Rentenversicherung gliedert sich in drei Versicherungszweige, in die:

- Rentenversicherung der Arbeiter
- Rentenversicherung der Angestellten
- Rentenversicherung der Landwirte

Für die Durchführung sind die Rentenversicherungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung zuständig. Diese sind:

- für Arbeiter je nach Tätigkeitsbereich die Landesversicherungsanstalten (LVA), Bundesbahn-Versicherungsanstalt, Seekasse, Bundesknappschaft
- für Angestellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA)
- für Landwirte die landwirtschaftliche Alterskasse

3.1.5 Ist es Pflicht sich zu versichern?

Man unterteilt die versicherten Personen in freiwillig und Pflichtversicherte.

Pflichtversichert sind:

- Angestellte
- Arbeiter
- Auszubildende
- bestimmte Selbstständige
- Behinderte, die in anerkannten Werkstätten tätig sind
- nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen
- Personen, denen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind
- Wehrdienst- und Zivildienstleistende
- Bezieher von Krankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld
- Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld
- Empfänger von Vorruhestandsgeld

Nicht verpflichtet sind:

- Beamte
- Richter
- Soldaten
- Beschäftigte von Körperschaften des öffentlichen Rechts
- Studenten, sofern sie ausschließlich während der Semesterferien oder nicht mehr als 20 Stunden pro Woche beschäftigt sind
- Personen mit geringfügiger Beschäftigung (nicht mehr als 325 Euro monatlich)
- Personen, die eine Altersrente (Vollrente) beziehen

3.2 Finanzierung

3.2.1 Grundprinzip

Die Finanzierung basiert auf drei Grundlagen, auf:

- den Beiträgen der Versicherten
- den Beiträgen der Arbeitgeber
- dem Bundeszuschuss

Der Rentenversicherungsbeitrag wird je zur Hälfte bei Pflichtversicherte vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt. Der Arbeitnehmeranteil wird vom Gehalt oder Lohn einbehalten. Der Arbeitgeber überweist seinen Anteil und den Anteil des Arbeitnehmers an die Krankenkasse, die die Einzugsstelle für alle Sozialversicherungsbeiträge ist. Sie leitet die Beiträge dann entsprechend weiter.

Die freiwillig Versicherten müssen den Beitrag in voller Höhe selbst zahlen.

Die eingezahlten Beiträge werden nicht, wie man vielleicht denken würde, etwa zurückgelegt und im Falle der Inanspruchnahme wieder ausgezahlt. Unser Finanzierungssystem basiert auf dem Umlageverfahren. Die aktuell eingezahlten Beiträge werden sofort für die Finanzierung der heutigen Rentnergeneration verwendet. Dieses Verfahren erfordert das Vertrauen der arbeitenden Generation, dass die nachfolgende Generation auch ihre Rentenbeiträge leistet. Diese nicht schriftlich festgelegt Abmachung zwischen den Generationen wird als Generationenvertrag bezeichnet.

3.2.2 Höhe der Beiträge

Der monatliche Beitrag des Pflichtversicherten beträgt seit dem 01.01.2000 19,1 % des

Arbeitsverdienstes. Arbeitgeber und -nehmer zahlen je 9,55 %. Die Beiträge sind nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu zahlen. Die Beitragsbemessungsgrenze ist der Bruttohöchstbetrag, bis zu dem Beiträge erhoben werden. Sie liegt aktuell bei 4.500 Euro im Westen und 3.750 Euro im Osten.

Der Arbeitnehmer zahlt keinen Beitrag, sofern das monatliche Arbeitsentgelt 325 Euro bei einer Beschäftigung zur Berufsausbildung nicht übersteigt. Bei geringfügig Beschäftigten zahlt er nur einen Beitrag in Höhe von 12% des Arbeitsentgeltes.

Die freiwillig Versicherten können die Höhe der Beiträge selbst bestimmen, jedoch gibt es einen Mindestbeitrag und einen Höchstbeitrag (62,08 € und 859,50 €).

3.3 Höhe der Leistungen / Berechnung der Rente

3.3.1 Die Rentenformel

In der BRD gilt das Solidaritätsprinzip: Die Beitragshöhe richtet sich nach dem jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsvermögen des Versicherten, da man bei höherem Verdienst aufgrund des prozentualen Beitragssatzes einen höheren Beitrag leistet. Die Leistungen werden jedoch z.T. unabhängig von der Beitragshöhe gewährt.

Der Rentenberechnung liegt eine Formel zu Grunde, die folgende Faktoren enthält:

- die persönlichen Entgeltpunkte (PEP)
- der Rentenartfaktor (RAF)
- der aktuelle Rentenwert (AR)

Rentenformel:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Persönliche Entgeldpunkte (PEP):

Diese setzen sich nochmals zusammen aus

- Den Entgeltpunkte für Beitragszeiten

Sie spiegeln das Arbeitsleben des Versicherten wider; sie ergeben sich aus dem Verhältniswert des individuellen Entgelts zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten. Bei einem Durchschnittsverdiener beträgt dieser Wert ein Entgeltpunkt pro Jahr.

- Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten und Zuschläge für beitragsgeminderte Zeiten Sie sind nach dem Verfahren der Gesamtleistungsbewertung zu berechnen. Maßgebend dafür ist der Durchschnittswert an Entgeltpunkten aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Zeitraum.

- Zuschläge oder Abschläge aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich

Bei Ehescheidungen findet grundsätzlich ein Versorgungsausgleich statt. Das Familiengericht teilt die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften auf beide Ehegatten zu gleichen Teilen auf. Wird die z.B. die Rente des Versicherten um den Ausgleichsanspruch erhöht handelt es sich um einen Zuschlag, wird die Rente des Versicherten entsprechend gemindert handelt es sich um einen Abschlag.

Die Summe dieser Entgeldpunkte wird noch mit dem Zugangsfaktor multipliziert. Der Zugangsfaktor richtet sich nach dem Alter eines Versicherten bei Rentenbeginn. Er beträgt im Normalfall 1, wird aber für jeden Monat der verzögerten Inanspruchnahme um 0,5 % erhöht und im Falle der vorzeitigen Inanspruchnahme um 0,3 % verringert.

Rentenartfaktor (RAF):

„Der Rentenartfaktor regelt in der Rentenformel das jeweilige Sicherungsziel der einzelnen Rentenart. Altersrenten, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit", teilweise die große/kleine Witwen-/Witwerrente" und die Erziehungsrente haben den Rentenartfaktor 1,0, weil diese Renten in vollem Umfang den ausfallenden Lohn ersetzen sollen.“

Der aktuelle Rentenwert (AR):

Der aktuelle Rentenwert ist der Monatsbetrag der Rente, der sich nach einem Jahr Durchschnittsverdienst als monatliche Altersrente ergibt. Er ist für die Dynamisierung laufender Renten ausschlaggebend, da er zu jedem 01.Juli eines Jahres entsprechend der Nettolohnentwicklung bei Arbeitnehmern verändert wird. Da unterschiedliche Einkommensverhältnisse im Westen und Osten der Bundesrepublik Deutschland herrschen, hat jedes Beitrittsgebiet einen eigenen aktuellen Rentenwert.

3.3.2 Beispiel zur Berechnung einer Monatsrente

Herr Müller aus Nordrhein-Westfalen wird am 22.12.2002 65 Jahre alt und will ab dem 01.01.2003 Altersrente beziehen. Er war für 40 Jahre versichert. Angenommen die Summe aller EP bei Herrn Müller beträgt 40.

Da Herr Müller 65 Jahre alt ist, beträgt sein Zugangsfaktor (ZF) 1,0. Laut Formel für die persönlichen Entgeltpunkte betragen die Entgeldpunkte von Herrn Müller 40.

EP x ZF = PEP

40 x 1,0 = 40

Da er Altersrente bezieht ist sein Rentenartfaktor (RAF) 1,0.

Der aktuelle Rentenwert (AR) im Westen beträgt vom 01.07.2002 25,86 €.

Unter Anwendung der Rentenformel ergibt sich für Herrn Müller folgende monatliche Altersrente (MR):

MR = PEP x RAF x AR MR = 40 x 1,0 x 25,86 €.

Die monatliche Altersrente (MR) beträgt 1.034,40 €.

4. Umbruch in Gesellschaft und Arbeitswelt

4.1 Demographische Entwicklung

Aufgrund des gestiegenen Lebensstandards hat sich die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland erheblich verlängert. Im Gegenzug zu dieser prinzipiell positiven Tatsache sinkt jedoch die Geburtenrate immer mehr. In der vergangenen Zeit ist das Geburtenniveau so drastisch gesunken, dass die vorhergehende Generation durch die nachfolgende nicht mehr ersetzt wird. Dies bedeutet, dass immer weniger Beitragszahler einer ständig wachsenden Gruppe von Rentenempfängern gegenüberstehen. Man spricht von einer Überalterung der Bevölkerung. Dieses Verhältnis zwischen der „alten" (leistungsempfangenden) und der „jungen" (zahlenden) Generation wird sich auch in Zukunft weiterhin ungünstig verschieben. Um auf die Gründe für diesen demografischen Wandel einzugehen, müssen zunächst die Bestimmungsfaktoren der Bevölkerungsentwicklung und ihre Auswirkungen auf das Rentensystem erläutert werden.

Weiterhin soll verdeutlicht werden, dass hierbei nicht die Bevölkerungshöhe, sondern vielmehr die Altersstruktur von Bedeutung ist. Durch sie wird die Relation von Beitragszahlern und Rentenempfängern bestimmt.

4.1.1 Die Fertilität

Sie drückt vereinfacht gesagt, die Zeugungs- und Gebärfreudigkeit aus. Sie ist der wichtigste demografische Faktor und wird zum einen durch Anzahl der Neugeborenen insgesamt (zusammengefasste Geburtenziffer) und zum anderen durch die Zahl der Mädchen, die eine Frau im Laufe ihres Lebens gebärt (Nettoreproduktionsziffer), bestimmt. Würde jede Frau ein Mädchen zur Welt bringen und damit die jeweilige Mütter-, durch die nachfolgende Töchtergeneration ersetzen, bliebe das Bestandsniveau der Bevölkerung konstant. Die Realität sieht jedoch anders aus, so liegt die Nettoreproduktionsziffer in Westdeutschland derzeit bei 0,63 und in Ostdeutschland sogar nur bei 0,44.

Das Absinken der Fertilität, welches besonders seit 1965 zu beobachten ist, hat unterschiedliche Gründe. Diese werden durch wesentliche gesellschaftliche Veränderungen und individuelle Faktoren beeinflusst. So steht beispielsweise dem veränderten Heiratsverhalten (immer mehr Ehen werden - wenn überhaupt - spät geschlossen), eine steigende Scheidungsrate gegenüber. Auch der Kinderwunsch wurde stark in den Hintergrund gedrängt, dies ist allerdings verständlich; liegt doch der Lebensstandard einer Familie mit Kindern ein Drittel unter dem einer kinderlosen Familie. Auch die Einführung des sozialen Sicherungssystems spielt hier eine wesentliche Rolle. Waren Eltern vor 100 Jahren bei Krankheit oder im Alter noch auf die Unterstützung ihrer Kinder angewiesen, wird deren Fürsorgerolle heute durch staatliche Einrichtungen übernommen.

Die Änderung der Fertilität wirkt sich stark zeitversetzt auf das Rentensystem aus. Ein heutiges Absinken bewirkt ca. 20 Jahre später ein Sinken der Beitragseinnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung, wirkt sich jedoch erst nach ca. 60 bis 65 Jahren sinkend auf die Ausgaben aus.

Abschließend bleibt noch anzumerken, dass Deutschland mit durchschnittlich 1,24 Kindern die drittniedrigste Geburtenrate der EU aufweist.

4.1.2 Die Mortalität

Sie gibt Auskunft über die Veränderung der Lebenserwartung. Hier hat Deutschland einen starken Anstieg zu verzeichnen, was auf einen deutlichen Rückgang der Sterblichkeitsrate zurückzuführen ist. Dies beruht unter anderem auf dem medizinischen Fortschritt, veränderter Gesundheitspolitik und einem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung. Die ferne Lebenserwartung, das heißt die Restlebenserwartung eines 65-jährigen nimmt ständig zu. Sie liegt bei der männlichen Bevölkerung derzeit bei 15,1 Jahren und bei der weiblichen Bevölkerung beträgt sie sogar 18,9 Jahre. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass sich die ferne Lebenserwartung der Männer bis zum Jahre 2030 um 2,0 Jahre und die der Frauen um 2,9 Jahre verlängert.

In den Anfangsjahren der gesetzlichen Rentenversicherung lag die Altersgrenze die zum Rentenanspruch führte bei 70 Jahren. Dieses Alter wurde von den meisten Menschen der damaligen Zeit gar nicht erreicht, die durchschnittliche Lebenserwartung lag bei 45 Jahren. Heutzutage ist ein Alter von 70 Jahren nicht mehr mit Krankheit und in absehbarer Zeit zu erwartendem Tod in Zusammenhang zu bringen. Viele Rentner erleben ihren Lebensabend gesund und vital.

Die Zunahme der Lebensdauer führt bei einem gesetzlich festgelegten Rentenantrittsalter zu einer verlängerten Rentenbezugsdauer und bewirkt wiederum eine Erhöhung der Ausgabenseite in der Rentenversicherung. Diese zusätzliche Belastung muss von den Beitragszahlern finanziert werden.

4.1.3 Die Migration

Sie kennzeichnet die Wanderung der Bevölkerung und ist der schwächste demografische Einflussfaktor.

Deutschland hat sich in den letzten Jahren immer stärker, wenn auch nicht zu einem Einwanderungsland, jedoch hin zu einer Einwanderungsgesellschaft entwickelt. Besonders in der Zeit bis zum Jahre 1989 vollzog sich ein gegensätzlicher Wanderungsprozess der deutschen Bevölkerung. Während die BRD ein Zuwanderungsland blieb, wanderte ein großer Teil der Bevölkerung aus der ehemaligen DDR ab. Dies geschah fast ausnahmslos in das bundesdeutsche Gebiet, wobei hier noch zusätzlich Gastarbeiter und deren Familien zuwanderten. Hierbei ist zu beachten, dass laut dem Bundesministerium für Familie und Senioren selbst eine Zuwanderung von überwiegend jungen Menschen den Alterungsprozess in Deutschland nicht aufhalten kann. Dadurch würde zwar das Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung gesenkt, jedoch haben sich die ausländischen Frauen rasch dem Geburtsverhalten der deutschen Frauen angepasst, so dass der Alterungsprozess nur kurzfristig und leicht gehemmt wird. Außerdem werden auch Zuwanderer älter.

Auf das Rentensystem wirkt sich die Migration, wenn auch zeitgleich, jedoch erst nach erfolgreicher beruflicher Eingliederung erhöhend auf die Einnahmeseite aus. Zeitversetzt um ca. 20 Jahre bewirkt sie allerdings eine Erhöhung der Ausgaben.

Das statistische Bundesamt schätzt die demografische Entwicklung wie folgt ein:

- der Anteil der unter 20-Jährigen an der Weltbevölkerung von heute 21 % wird innerhalb der nächsten 40 Jahre auf 15 % fallen
- der Anteil der über 60-Jährigen von heute gut 22 % wird sich auf 37 % erhöhen und damit so gut wie verdoppeln
- der Anteil der „mittleren Generation", das heißt der 20 bis 59-Jährigen wird von derzeit 57 % auf 48 % sinken.

4.1.4 Konsequenzen

Die folgenreichste Konsequenz dieser demografischen Entwicklungen ist die Alterung der Bevölkerung. Durch sie wird die Funktionalität des Generationenvertrages, auf welchem das System der gesetzlichen Rentenversicherung beruht, gefährdet. Dieser Vertrag wurde „erstellt" unter der Annahme, dass der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung größer ist als die der Rentenempfänger. Somit wäre genügend Geld für die Finanzierung der Renten vorhanden.

„Die beste Rente ist Flei ß , Tüchtigkeit, Arbeit und Erfolg, verbunden mit einem tannenbaumförmigen Altersaufbau"

Dr. Henning Voscherau

Wie aus der nachfolgenden Grafik ersichtlich ist, war der Bevölkerungsaufbau bei Gründung der Sozialversicherung pyramidenförmig, es gab viele Geburten, wenig alte Menschen, die Bevölkerungszahlen nahmen mit zunehmenden Alter ab. Aus der ehemaligen Pyramide ist mittlerweile ein urnenförmiges Modell geworden, an dem man die Überalterung der Bevölkerung deutlich ablesen kann. Auffällig hierbei ist vor allem, dass der Altersaufbau im Jahre 1910 tatsächlich noch sehr stark an eine Pyramide erinnert, jedem älteren Jahrgang folgt ein zahlenmäßig größerer jüngerer Jahrgang. Diese Entwicklung verändert sich stark bis zum Jahr 2050. Bis zu den etwa 55-jährigen, ist jeder jüngere Jahrgang zahlenmäßig kleiner als sein Vorgänger. Weiterhin war 1910 der Anteil der über 70-jährigen noch relativ gering. Heute ist dieser Teil der Bevölkerung stark vertreten und es wird für 2050, besonders bei der männlichen Bevölkerung, noch ein Anstieg erwartet.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Die schwerwiegendsten Probleme werden Prognosen zufolge für die Jahre ab 2020 eintreten. Ab diesem Zeitpunkt haben die letzten geburtenstarken Jahrgänge von 1960/1970 das Rentenalter erreicht, denen voraussichtlich keine ausreichende Zahl von Beitragszahlern entgegenstehen wird. Schon derzeit ist das Verhältnis von Rentenempfängern und Beitragszahlern 50 : 100. Schätzungen besagen, dass dieses Verhältnis im Jahre 2010 70 : 100 und bereits 2030 100 : 100 betragen wird.

4.2 Längere Ausbildungszeiten

Im Laufe des letzten Jahrhunderts verlängerten sich die durchschnittlichen Ausbildungszeiten kontinuierlich (zum Beispiel erhebliche Zunahme der Studentenzahl). Durch den späteren Eintritt ins Erwerbsleben verkürzt sich die Zeit, in der aktiv Beiträge gezahlt werden zunehmend. Zwar verringert sich dadurch auch der Rentenanspruch, aber diese Entlastung tritt jedoch erst zeitversetzt ein. Für die umlagefinanzierte Rentenversicherung, die das Geld der zahlenden Generation aber sofort für die noch höheren Ansprüche der vorherigen Generation braucht, stellt diese Entwicklung ein Problem dar.

4.3 Arbeitslosigkeit

Das sich durch Strukturwandel und die derzeitige weltweite Konjunkturflaute verschärfende Problem der Arbeitslosigkeit hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Rentenversicherung. Da Arbeitslose nicht sozialversicherungspflichtig sind, scheiden sie als Beitragszahler aus. Erhöhte Arbeitslosigkeit verursacht deshalb erhebliche Einnahmedefizite. Zusätzlich macht der Staat Verluste durch die steigende Zahl von Empfängern von Arbeitslosenhilfe. Ist der Staat in seiner finanziellen Handlungsfreiheit vermehrt eingeschränkt, ist ein „Unter-die-Arme-greifen“ mittels Bundeszuschuss kann seitens der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr erwartet werden.

5. Bisherige Lösungsversuche

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Graphik zeigt, welch hohen Betrag das Sozialbudget des Sozialstaates BRD im Verhältnis zur gesamten Wertschöpfung einnimmt und eingenommen hat. Auffällig ist sind hierbei die jährlichen Veränderungsraten des Sozialbudgets im Vergleich zur BIP- Veränderung. Während den frühen siebziger Jahren stieg das Sozialbudget erheblich schneller als das BIP. Ab 1982 kehrte sich dieser Trend jedoch um.

Da den größte Teil des Sozialbudgets die Altersversorgung darstellt, kann man diese Beobachtungen auf die Entwicklung der Rentenversicherung übertragen. In den frühen Jahren der Bundesrepublik war es Aufgrund des enormen Wirtschaftswachstums möglich die Leistungen der sozialen Sicherungssysteme immer weiter auszubauen, wie auch in Kapitel zwei („Historische Entwicklung des Rentensystems“) zu sehen ist. Der letzte markante Ausbau der Leistungen der Rentenversicherung erfolgte mit der Rentenreform von 1972 (flexible Altersgrenze ab 63; Altersrente für Schwerbehinderte ab 60).

Diese führten jedoch zu einem sprunghaften Anstieg der Ausgaben. Zusätzlich mussten durch einen hohen Beschäftigungsrückgang bis 1976 und steigende Lohnzuwachsraten hohe Einnahmeverluste in Kauf genommen werden. Man begann nun erstmals über Leistungseinschränkungen nachzudenken. In den folgenden Jahrzehnten verschärften sich die Finanzprobleme durch den fortschreitenden demographischen Wandel. Die einzigen Instrumente, die eine unmittelbare Auswirkung auf die Ausgaben bzw. Einnahmen haben, sind Leistungsveränderungen und die Steuerung des Beitragssatzes. Daraufhin wurde versucht mit weiteren Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen entgegenzusteuern und eine ausgeglichene Bilanz zu erreichen. Doch der Effekt der von diesen kleineren Korrekturen ausging war zu gering um die Lücken zu schließen.

Schließlich sollte mit der Rentenreform im Jahre 1992 eine langfristige Stabilisierung der finanziellen Situation bewirkt werden.

Die Rentenreform 1992

- Nettoanpassung der Renten
- Erhöhung des Beitragssatzes auf 21,4% bis 2010
- Einführung von Rentenabschlägen von 0,3% pro Monat bei vorzeitigem Altersrentenbeginn
- Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch eine stufenweise Anhebung der Altersgrenze
- Neuordnung der beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten
- Anhebung des Bundeszuschusses
- Ausbau familienbezogener Elemente
- Ausweitung der Rente nach Mindesteinkommen

Damit trotz diesen erheblichen Sparmaßnahmen den sozial schwächer Gestellten ein unwürdiges Leben und materielle Not erspart bleiben sollte, waren mit den letzten beiden Punkten in dieser Reform auch Umverteilungskomponenten enthalten. Nachdem im Jahr 1996 der Beitrag zur Pflegeversicherung auch für Rentner eingeführt wurde, verringerte sich der Rentenzahlbetrag erneut. Da man einen verstärkten Anstieg des Beitragssatzes verhindern wollte, wurden wiederum die Leistungskürzungen geplant. Man wollte mit der Einführung eines demographischen Faktors das Rentenniveau von 70 % auf 64 % bis zum Jahr 2030 absenken.

Durch den Regierungswechsel 1998 wurden diese Reformen ausgesetzt. Die Bundesregierung versuchte andere Lösungen zu finden, was der Rentenversicherung im Jahr 2000 zusätzliche Ausgaben in Höhe ca. 4,6 Milliarden DM einbrachte.

6. Aktuelle Problematik

Angesichts der eben dargestellten Entwicklung ist man sich mittlerweile einig darüber, dass eine grundlegende Änderung der Struktur der gesetzlichen Rentenversicherung notwendig ist. Es ist weder hinnehmbar, dass das Rentenniveau weiter absinkt, noch dass der Beitragssatz sich erhöht. Würde, ungeachtet der Bevölkerungsentwicklung, der derzeitige Beitragssatz beibehalten, würde das Rentenniveau bis 2030 von derzeit ca. 70 % auf 54 % sinken. Bei festgeschriebenem Rentenniveau dagegen stiege der Beitragssatz um ein etliches. Ein ständig steigender Beitragssatz führt wiederum zu steigenden Lohnnebenkosten, der Faktor Arbeit verteuert sich. Somit würde das Wirtschaftswachstum verhindert und die Arbeitslosigkeit nähme deutlich zu.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: basiert auf Werten aus der Homepage der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA)

Selbst wenn es gelingen würde, die Arbeitslosigkeit zu überwinden, könnten die ständig wachsenden Kosten der Rentenversicherung nicht aufgefangen werden. Auch mit der Einführung einer generellen Versicherungspflicht, das heißt auch für Beamte oder sämtliche Selbständige, wäre das Problem nicht gelöst. Vorerst wäre zwar die Zahl der Beitragszahler sprunghaft gestiegen, langfristig gesehen aber erhöht sich auch die Zahl der späteren Rentenempfänger. Vieldiskutiert sind auch Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Entweder könnten die, in Deutschland sehr langen, Ausbildungszeiten verkürzt werden. Das hätte auf der einen Seite durch eine früheres Eintreten ins Erwerbsleben höhere Beitragseinnahmen zu folge, würde aber zeitversetzt zu höheren Ausgaben aufgrund der resultierenden höheren Rentenansprüche führen. Oder man bekommt zusätzliche Einnahmen aufgrund einer Anhebung des Renteneintrittsalters. Auch hier erhöhen sich die Rentenansprüche, wegen der längeren Beitragszeit, aber gleichzeitig verkürzt sich die Rentenbezugsdauer. Im direkten Vergleich scheint eine Anhebung des Rentenalters also die bessere Variante zu sein. Da beide Ansätze eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit vornehmen, ziehen sie dennoch weitere Probleme mit sich, weil dadurch für das gleiche in der BRD anfallende Arbeitsvolumen weniger Menschen benötigt werden. Das ohnehin schon akute Problem der Arbeitslosigkeit würde so verschärft, was wiederum die anderen sozialen Sicherungskräfte auffangen müssten.

Eines steht fest: So wie es war, wird es nicht mehr, so wie es ist, kann es nicht bleiben.

7. Aktuelle Lösungsvorschläge

7.1 Ziele der neuesten Rentenreform 2001

Vor dem Hintergrund der dargestellten Problematik hat die jetzige Bundesregierung die vorerst letzte Rentenreform durchgesetzt. Sie trat am 1. Januar 2002 in Kraft. Die folgenden Statements bezüglich der Zielsetzung stammen aus der Zeit vor der notwendigen Zustimmung des Bundesrates, die erst am ?.?.2001 erfolgte.

„ Wir wollen nicht alles anders machen, aber vieles ein bisschen besser “

Gerhard Schröder, Bundeskanzler

„...die Grundlagen des bisherigen Rentensystems stimmen schon lange nicht mehr. Die

Menschen leben immer länger, die Geburtenrate geht zurück, der Anteilälterer Menschen steigt. Deshalb haben wir gehandelt. Am 25. November 2000 hat die Bundesregierung den Entwurf zum Altersvermögensgesetz beschlossen. (...) ...der Rahmen der Reform steht. Sicher und fest. Darauf können sie sich verlassen. (...) Die Ziele sind:

1. Eigenvorsorge stärken.
2. Beitragssätze langfristig stabilisieren.
3. Die Alterssicherung der Frauen und kindbezogene Leistungen verbessern.
4. Die Hinterbliebenenversorgung reformieren.
5. Verschämte Altersarmut vermeiden.
6. Erwerbsgeminderte stützen.

Ziele, mit denen wir vor allem eins erreichen wollen: Gerechtigkeit zwischen den Generationen

Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung

Die gesetzliche Rentenversicherung wird auch weiterhin bestehen bleiben, wenn auch die Renten langsamer steigen werden als die Löhne, das Rentenniveau also unweigerlich etwas absinken wird. Unter Berücksichtigung der Reformen werden sich nach derzeitigen Prognosen der Regierung Beitragssatz und Rentenniveau in den nächsten 30 Jahren wie in der unteren Graphik entwickeln.

Um trotz des geringeren Jan Seuring 18.12.2002 Rentenniveaus für einen angemessenen Lebensstandart im Alter zu sorgen, wird versucht neben der gesetzlichen Rentenversicherung noch ein zweites Standbein in Form von zusätzlicher privater oder betrieblicher Altersvorsorge aufzubauen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7.2 Stärkung der Privaten Altersvorsorge

Zunächst will ich die verschiedenen Anlageformen erläutern.

7.2.1 Banksparpläne

Ein Banksparplan besteht aus dem langfristigen Ansparen von Guthaben mit festgelegter Verzinsung. Bei Banksparplänen besteht nur ein sehr geringes Risiko. Allerdings wachsen die Erträge auch nur langsam.

7.2.2 Private Rentenversicherungen

Die private Rentenversicherung ist eine Kapitalanlage im Rahmen einer Versicherung. Die Beiträge werden dabei in der Regel mit einer garantierten Mindestverzinsung angelegt. Hinzu können so genannte Überschussbeteiligungen kommen. Diese werden immer dann den Anlegern gutgeschrieben, wenn die Erträge des Anbieters eine bestimmte Höhe überschreiten. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Verträge sind vielfältig. Optional kann die Versicherung auch Leistungsgewährung bei Tod oder Berufsunfähigkeit enthalten. Logischerweise führt ein größerer Versicherungsumfang auch zu höheren Beiträgen. Bei privaten Rentenversicherungen handelt es sich im Allgemeinen um eine Vorsorge mit eher geringem Risiko und mittleren Ertragschancen.

7.2.3 Wertpapiere und Investmentfonds

Einzelne Aktienanlagen sind für die Altersvorsorge eher ungeeignet. Da man ständig flexibel reagieren und sich entscheiden muss, nicht zu kaufen, zu halten oder zu verkaufen, erfordert dies vom Einzelnen viel Zeit, Wissen und Erfahrung.

Wesentlich besser geeignet, Vorsorge zu treffen, sind dagegen Investmentfonds. Die Kapitalanlagegesellschaft bildet dabei aus zahlreichen ausgewählten Wertpapieren und Aktien einen Fonds. Die Auswahl der Papiere erfolgt durch Experten nach dem Prinzip der gesunden Ertrags- und Risikomischung. Dies bedeutet, die Papiere sollen sich hinsichtlich Ertragschancen und eventueller Risiken so ergänzen, dass der Anleger gute Erträge bei möglichst hoher Sicherheit erzielt. Das Fondsvermögen, welches aus Wertpapieren und Guthaben besteht, teilt die Investmentgesellschaft in viele Anteile auf und gibt darüber Anteilsscheine, sogenannte Zertifikate, aus.

Mit dem Kauf eines solchen Investmentzertifikats erwirbt der Anleger somit einen bestimmten Teil am Fondsvermögen, also an den Aktien und festverzinslichen Wertpapieren die sich im Fonds befinden, an ihrem Wert, den laufenden Erträgen und den realisierten Kursgewinnen.

Die meisten Investmentfonds schütten einmal jährlich die Erträge für das abgelaufene Geschäftsjahr aus. Diese Erträge setzen sich zusammen aus den vereinnahmten Zinsen und Dividenden und gegebenenfalls Gewinnen aus dem Verkauf von Wertpapieren. Die Anleger können ihre Erträge entweder in bar erhalten oder gleich bei der Ausschüttung zusätzliche Investmentanteile kaufen.

Je nach Zusammensetzung des Fondsvermögens unterscheidet man:

Aktienfonds:

Sie setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Aktien zusammen. Man unterscheidet deutsche und internationale Aktienfonds.

Rentenfonds:

Bestehend aus zahlreichen festverzinslichen Wertpapieren verschiedener Art mit unterschiedlichen Zinssätzen und Laufzeiten unterscheidet man auch hierbei nach dem Anlageschwerpunkt in deutsche und internationale Rentenfonds.

Gemischte Fonds:

Die Investmentgesellschaft investiert das Geld ihrer Kunden in Aktien und festverzinsliche Wertpapiere. Nach aktueller Markteinschätzung kann der Anteil der Aktien beziehungsweise Wertpapiere am Fondsvermögen schwanken.

Geldmarktfonds:

Das Geld der Anleger wird in Geldmarktpapieren oder einlagengesicherten Bankguthaben zu Konditionen angelegt, die sonst nur Großanleger erhalten.

Altersvorsorge-Sondervermögen (AS-Fonds):

Mit dem am 1. April 1998 in Kraft getretenen 3. Finanzmarktförderungsgesetz ermöglicht der Gesetzgeber die Ergänzung der bestehenden Altersvorsorge durch diese Fondsart. AS-Fonds sind speziell auf die Altersvorsorge ausgerichtete Investmentfonds mit einer Mischung aus Aktien, Immobilien und Rentenwerten. Die Laufzeit eines AS-Sparplanes ist auf mindestens 18 Jahre festgelegt, das Gesetz sieht jedoch schon ein früheres Ende vor, wenn der Anleger 60 Jahre alt geworden ist. Im Gegensatz zu den meisten andern Fonds gibt es keine jährliche Ausschüttung. Alle erwirtschafteten Erträge, also Dividenden, Zinseszahlungen und Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren bleiben im Fonds.

Die Unterstützung der oben genannten Anlageformen als zusätzliche Altersvorsorgung bildet den wichtigsten Teil der Rentenreform. Vorraussetzung ist allerdings, dass der zu fördernde Vertrag bestimmte Kriterien erfüllt:

- Die Leistungen dürfen erst mit Beginn einer Altersrente oder ab dem 60. Lebensjahr ausgezahlt werden.
- Um spekulative Anlagen zu verhindern, muss garantiert sein, dass auch mindestens der eingezahlte Betrag wieder ausgezahlt wird.
- Die Zahlungen müssen in Form einer monatlichen Rente geschehen, also bis ins hohe Alter absichern.

Wenn das der Fall ist kann jeder Versicherte einen bestimmten Prozentsatz (für die volle

staatliche Zulage jedoch einen gesetzlich festgelegten Mindestbetrag) seines Einkommens in eine Alterssicherungsanlage seiner Wahl als freiwilligen Beitrag für eine private Altersvorsorge einzahlen. Der Mindesteigenaufwand zur privaten Altersvorsorge beträgt in den Jahren 2002 und 2003 jeweils 1 % des rentenversicherungspflichtigen Einkommens. Dieser Prozentsatz erhöht sich fortlaufend alle 2 Jahre um 1 %, bis er im Jahre 2008 bei 4 % festegeschrieben wird.

Wer den vollen Sparbeitrag aufbringt, kann jährlich mit folgenden Höchstzulagen vom Staat rechnen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: „Rund um die neue Rente. Ihre Fragen - unsere Antworten.“ eine Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung; S.5

Dazu kommt noch, dass man die Aufwendungen (Zulage plus Eigenbetrag) für die Altersvorsorge von der Steuer absetzen kann. Das lohnt sich dann, wenn die Steuerersparnis die Höhe der Zulage übersteigt. Dies funktioniert nach dem Verfahren des sogenannten „Sonderausgabenabzugs“.

Zwar sind die Riester-Fonds als Altersvorsorge sehr bequem, weil der Kunde den Fonds- Managern weitgehend die Sorge um sein Geld überlassen kann, doch das Kapital ist in diesen Fonds bis zum 60. oder 65. Lebensjahr fest gebunden.

Auf Veränderungen in der privaten Lebenssituation wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit kann diese Anlageform nicht flexibel reagieren. Ein Aussteigen aus dem Fonds bedeutet, dass die komplette staatliche Förderung zurückgezahlt werden muss. Auch Zinserträge müssen dann nachträglich noch versteuert werden.

7.3 Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge

Die betriebliche Altersvorsorge hat in deutschen Unternehmen eine lange Tradition, die noch ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Jedoch lag die Entscheidung, ob ein Betrieb seinen Beschäftigten eine Altersvorsorge anbietet, allein beim Arbeitgeber. Deshalb konnte sie sich meist nur in Großbetrieben etablieren.

Die entscheidende Neuerung der Rentenreform ist der individuelle Rechtsanspruch eines jeden Arbeitnehmers, Teile des Lohnes in eine betriebliche Altersvorsorge einzuzahlen. Diese so erworbenen Ansprüche gehen auch bei einem eventuellen Betriebswechsel nicht verloren. Auch die betriebliche Altersvorsorge kann nach dem zuvor dargestellten Prinzip staatlich gefördert werden.

Auch hier gibt es verschiedene Anlageformen:

Direktversicherung:

Die Direktversicherung ist eine besondere Form der Versicherung. Hier schließt der Arbeitgeber für seine Beschäftigten einen Gruppenvertrag ab. Die Beiträge werden vom Lohn bzw. Gehalt abgeführt.

Pensionskasse:

Die Pensionskasse ist eine versicherungsähnliche Versorgungseinrichtung. Hier sind die Arbeitnehmer selbst Mitglied und leisten Beiträge. Bis zu 35 % der Gelder können dabei in Aktien angelegt werden.

Pensionsfonds:

Der Pensionsfond hat im Unterschied zu Pensionskasse größere Freiheiten bei der Anlage des Kapitals. Bis zu 100 % des Geldes der Versicherten können in Aktien angelegt werden. Das bedeutet hohe Renditechancen, aber auch ein höheres Risiko. Für die Erfüllung der Versorgungszusage haften letztlich die Arbeitgeber. Ist dieser nicht leistungsfähig, übernimmt der Pensions-Sicherungs-Verein die Haftung für die Versorgungszusage.

Schematische Darstellung der verschiedenen Funktionsprinzipien der Entgeldumwandlung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: „Die betriebliche Altersvorsorge“ eine Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung; S.8

7.4 Weiterer Inhalt der Reform

Ab dem 1.1.2003 bekommt der gesetzlich Versicherte regelmäßig Informationen über den Stand seiner erlangten Entgeldpunkte und den daraus resultierenden voraussichtlichen Rentenansprüchen zugeschickt. Der Bürger wird so mehr über eventuelle Versorgungslücken informiert. Dadurch wird eine stärkere Inanspruchnahme der zusätzlichen Vorsorgearten erhofft.

Außerdem ist eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze um ca.13 % geplant, was einen stärkeren Umverteilungseffekt des Rentensystems zur Folge hätte.

8. Modelle der Altersversorgung in anderen Staaten

8.1 Die USA

In den USA gibt es wie in Deutschland eine umlagefinanzierte staatliche Rentenversicherung, jedoch mit dem erheblichen unterschied, dass das Niveau der gesetzlichen Rente derzeit bei 43 Prozent des letzten Lohns liegt und bis zum Jahr 2030 auf nur noch 37 Prozent sinken soll. Alleine kann sie den meisten US-Bürgern keine ausreichende Absicherung bieten. Mehr als die Hälfte der Alterseinkünfte in den USA stammen aus privater und betrieblicher Vorsorge. Betriebspensionen werden schon seit zwei Jahrzehnten steuerlich gefördert und sind deshalb eine sehr verbreitete Altersvorsorge. Im Rahmen des 401-(k)-Plans, benannt nach der entsprechenden Vorschrift im Steuerrecht, können Arbeitnehmer bis zu 11.000 Dollar oder maximal 15 Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens pro Jahr steuerfrei in den Pensionsfonds zahlen. Einige Arbeitgeber leisten für ihre Beschäftigten einen zusätzlichen Beitrag. Außerhalb der Betriebsrente gibt es als ebenfalls steuerlich gefördertes System die so genannten Individual Retirement Accounts (IRA) als individuelle Form der Vorsorge. Für die Altersvorsorge gibt es eine breite Palette von Fonds, vom konservativen Modell mit festgelegter Höhe der Auszahlungen bis zu risikoreichen Anlagen. Beim beliebten 401-(k)- Modell fließt das Geld in einen offenen Pensionsfonds, die Rentenhöhe richtet sich also nach der Performance. Kein Wunder also, dass die derzeitigen Turbulenzen an den Finanzmärkten Erschütterungen quer durch die US-Gesellschaft auslösen. Hinzu kommt, dass das staatliche Rentensystem, gebeutelt durch die gleichen gesellschaftlichen Wandlungsprozesse wie in Deutschland, vom Kollaps bedroht ist: Nach einem Regierungsbericht vom März werden die Reserven der gesetzlichen Rentenkasse bis zum Jahr 2041 aufgebraucht sein. „Älter am Arbeitsplatz werden als bislang geplant“ lautet die Notlösung, über die derzeit viele Amerikaner nachdenken müssen. Ein gesetzliches Rentenalter gibt es in den Vereinigten Staaten im Gegensatz zu Deutschland nicht.

Auch ein Kommentar des US-Magazins „Time“ spendet nur wenig Trost: „In der gesamten Geschichte der Menschheit haben die Leute immer im letzten Drittel ihres Lebens gearbeitet, außer in den vergangenen Jahrzehnten.“ J

8.2 Die Schweiz

Finanzexperten sprechen von der Schweiz als das Land mit dem besten Rentensystem. So zahlen die Schweizer nur halb so hohe Beiträge wie die deutschen Beitragszahler, die durchschnittliche Staatsrente unterscheidet sich in ihrer Höhe jedoch nur unwesentlich. Es bestehen dennoch gewaltige Unterschiede: Jeder, der in der Schweiz lebt ist verpflichtet in die gesetzliche Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) einzuzahlen. Der Mindestbetrag für Menschen, die kein eigenes Einkommen haben, liegt von 2003 an bei 288 €. Abhängig Beschäftigte und ihre Arbeitgeber zahlen je 4,2 % des Einkommens, Selbstständige 7,8 %.

Das Äquivalenzprinzip ist nicht so ausgeprägt wie in Deutschland. Es gibt keine Beitragsbemessungsgrenze. Wer viel verdient bekommt deshalb keine Rente, die seinen Beiträgen entspricht. Die monatlichen Renten sind dagegen nach oben und unten begrenzt. Wer mehr als 17.137 € verdient muss sich mit zwischen 3,5 und 9 % seines Einkommens zusätzlich noch an einer betrieblichen Vorsorge beteiligen. Die Arbeitgeber geben auch einen (meist geringeren) Anteil hinzu. Freiwillig können die Schweizer auch auf die dritte Säule setzen: die private Vorsorge. Sie wird ähnlich wie in Deutschland steuerlich gefördert und auch stark genutzt. Scheinbar wurde hier das richtige Mischverhältnis aus staatlicher und privater Vorsorge getroffen; die Schweizer Altersrente setzt sich aus 42 % staatlicher Grundsicherung, 32 % obligatorischer Zusatzversicherung und 26 % freiwilliger Vorsorge zusammen.

Doch auch die Schweiz steht nicht ohne Probleme dar. Weil die betrieblichen Pensionskassen das Geld zu großen Teilen in Pensionsfonds angelegt haben, wurde diese, ähnlich wie in den USA, durch den Kursrutsch an den Börsen stark getroffen. Deshalb war die Schweizer Regierung gezwungen, die seit 1985 festgeschriebene Mindestverzinsung des Kapitals von vier auf 3,25 % vom 1. Januar 2003 an zu senken. Sollten die Zinsen längere Zeit auf diesem Niveau verharren, würde das für die 25-35-jährigen eine Rentenkürzung um bis zu 15 % bedeuten.

8.3 Schweden und Niederlande

Auch Schweden und die Niederlande werden oft als Vorbilder genannt. Beide Länder gingen auch den Weg in Richtung Mehr-Säulen-System. Zuletzt Schweden, die 1999 eine obligatorische Zusatzversicherung einführten. In beiden Ländern konnte durch die Reformen eine deutliche Verbesserung des Rentenniveaus im Verhältnis zu den Beiträgen beobachtet werden.

9. Diskussion der verschiedenen Lösungsansätze

9.1 Parteipolitische Diskussion

Die Regierungsparteien SPD und Grüne sprechen natürlich in positiver Weise von den von ihnen durchgesetzten Reformen. Die gesetzliche Rentenversicherung würde weiterhin als wichtigster Bestandteil der Altersvorsorge bestehen bleiben und durch den Aufbau einer zweiten Säule in Form der geförderten privaten Zusatzversorgung lediglich so ergänzt, dass ein angemessener Lebensstandart im Alter garantiert sei. So würden die Vorteile beider Systeme erfolgreich ergänzt, die Fähigkeit des umlagefinanzierten Verfahrens auch wirtschaftliche Krisen und gesellschaftliche Umbrüche zu überwinden einerseits und die Möglichkeit einer privaten Vorsorge dem Verlangen der Bürger nach mehr Eigenverantwortung und Ausrichtung nach individuellen Bedürfnissen nachzukommen andererseits. Zugleich wäre eine weitgehende Stabilität des Beitragssatzes bei nur geringfügigem Absinken des Rentenniveaus gesichert (siehe Prognosen bis 2030). Sollte es dennoch eine Erhöhung abzeichnen, so wäre der Staat per Gesetz zum Eingreifen verpflichtet. Die praktische Umsetzung sei auch gelungen, da sich die sogenannte „Riester-Rente“ wirklich für meisten Bürger lohnen würde, was man an der bisherigen hohen Inanspruchnahme belegen könnte. Auch aus sozialen Gesichtspunkten sei sie gelungen, da Familien mit Kindern die ja in der Regel finanziell schlechter dastehen gezielt gefördert werden. Dennoch sieht die Bundesregierung die Reform der sozialen Sicherungssysteme als noch längst nicht beendet an. Deshalb hat sie eine Kommission unter der Führung des Wirtschaftsweisen (Mitglied des Sachverständigenrates) Bert Rürup ins Leben gerufen, die den Auftrag hat, bis zum Herbst des nächsten Jahres umfassende und umsetzbare Vorschläge zur langfristigen Finanzierung und Umgestaltung bei Rente, Pflege und Gesundheit vorzulegen.

Die Opposition sieht dies jedoch nicht ganz so optimistisch. Die Prognosen der Regierung würden auf unrealistischen Annahmen über die Entwicklung von Wirtschaft und Bevölkerung beruhen und außerdem die zusätzlichen Ausgaben für die private Vorsorge nicht berücksichtigen. Deshalb würden weder Beitragssatz noch Rentenniveau stabil gehalten werden können. Die CDU und vor allem die PDS weisen, entgegen den Aussagen der Regierung, auf soziale Missstände hin. Durch den Steuervorteil der durch das System der Sonderausgabenabzüge entsteht werden vor allem Besserverdiener bevorzugt. Neben den Geringverdienern werden auch Frauen benachteiligt. Um in der privaten Altersvorsorge gleiche Leistungen wie Männer zu erhalten, müssen Frauen aufgrund der höheren Lebenserwartung zukünftig auch höhere Versicherungsbeiträge entrichten. Die PDS geht noch weiter. Die Beitragsbemessungsgrenze müsse verdoppelt werden, um die Besserverdienenden mehr zu beteiligen. Zu dem werde der Arbeitnehmernehmer zu stark belastet. Geht man von den Angaben der Regierung aus, müsste ein Beschäftigter die 9,55 % der gesetzlichen Rentenversicherung plus mindestens 4 % in eine private Vorsorge investieren, um auch die Höchstzulage zu erhalten und sich somit einen angemessenen Lebensstandart im Alter leisten zu können. Das heißt er muss künftig mindestens 13,5 % aufwenden, wobei weiterhin nur noch 9,55 % vom Arbeitgeber gezahlt werden - eine Umverteilung zu Ungunsten des Arbeitnehmers. Deshalb fordert die PDS eine obligatorische betriebliche Vorsorge, wie anderen Ländern wie zum Beispiel der Schweiz bereits vorhanden, in der die Arbeitgeber paritätisch beteiligt werden. Außerdem soll durch verstärkten Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und eine Ausweitung der Versicherungspflicht auf alle Arten der Erwerbseinkommen die Zahl der Beitragszahler deutlich erhöht werden. Die FDP hingegen ist, treu nach ihren Prinzipien, für eine Rückführung der staatlichen Kontrollen und Regelungen bezüglich der Kriterien für private Vorsorge. Jeder soll frei entscheiden können wie er seinen Vertrag ausgestaltet, auch Pensionsfonds und Immobilienanlagen müssen in größerem Maße erlaubt sein. Durch die Einführung eines demographischen Faktors soll sich die ältere Generation im Sinne der Generationengerechtigkeit stärker an den Kosten beteiligen.

9.2 Position des Sachverständigenrates

Grundsätzlich begrüßt der Sachverständigenrat den Weg hin zu einem mischfinanzierten System. Die praktizierten Reformen wären jedoch intergenerativ ungerecht. Die Jüngeren würden benachteiligt, weil diese im Vergleich zu heute höheren Beiträgen ein deutlich niedrigeres Rentenniveau zu erwarten hätten. Rentner und rentennahe Jahrgänge hätten im Gegensatz dazu keine oder nur geringe Möglichkeiten durch Eigenvorsorge Leistungsrücknahmen bei den Renten zu kompensieren. Dies könne den Nachteil der jungen Generation jedoch nicht ausgleichen. Deshalb fordert der Sachverständigenrat wie auch die FDP die Einführung eines demographischen Faktors.

Weiterhin wird kritisiert, dass in der Reform keinerlei Ansätze zur Erhöhung des Renteneintrittsalters zu finden wären. Da eine mittel- und langfristige Entspannung auf dem Arbeitsmarkt wahrscheinlich wäre Element der gleitenden Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters bis auf 67 Jahre enthalten sein müssen.

Vorhersehbarkeit und Stetigkeit werden als zentrale rentenpolitische Ziele angesehen. Auch für die aktuelle Reform wird die Erfüllung dieses Zieles angezweifelt. Der Rat bedauert eine zu geringe Förderung der betrieblichen Altersvorsorge, denn sie hätte momentan noch bedeutende Vorzüge gegenüber der privaten Vorsorge. Erstens könne die betriebliche Vorsorge aufgrund des geringen Verwaltungsaufwandes ein besseres Preis- Leistungsverhältnis bieten. Zweitens würden Frauen hier gleich behandelt. Und drittens würden die Kapitalmarktrisiken vom Versicherten auf die Pensionskassen verlagert.

10. Eigene Stellungnahme

Der Hauptgrund für die missliche Lage unseres Rentensystems, nämlich die generelle Verlängerung des Lebensalters aufgrund des technischen und vor allem medizinischen Fortschritts, sollte grundsätzlich als eine erfreuliche Nachricht verstanden werden. Da auch das Renteneintrittsalter (zumindest vorerst) wegen der momentan prekären Lage am Arbeitsmarkt nicht erhöht werden kann, ist eine Verbesserung der finanziellen Situation der gesetzlichen Rentenversicherung ohne drastische Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen nicht in Sicht. Das heißt, der Bürger muss als Preis für die höhere Lebenserwartung mehr in seine Vorsorge investieren, wenn er einen angemessenen Lebensstandard auch im Alter halten will.

Das dieser Ausbau an Vorsorge durch den Aufbau einer starken zweiten und dritten Säule erfolgt sehe ich als richtig an, denn so kann man die Vorteile der verschiedenen Systeme nutzen und die Risiken in Grenzen halten. Die nachteiligen Konsequenzen einer zu einseitigen Ausrichtung kann man sehr gut anhand des Vergleichs verschiedener Staaten erkennen. In den USA macht die gesetzliche Rentenversicherung nur einen Bruchteil der Gesamtversorgung aus. Den Amerikanern wurde die völlige Entscheidungsfreiheit über ihren Weg der Vorsorge gelassen, was dazu führte, dass sie überwiegend in Pensionsfonds mit hohem Aktienanteil investierten. Diese versprechen zwar eine hohe Rendite, weil sie die Anleger in hohem Maße an der Wohlstandsentwicklung Teil haben lassen, bergen aber ein großes Risiko aufgrund der Krisenanfälligkeit der Finanzmärkte. Genau diesen Nachteil haben die Amerikaner jetzt zu spüren bekommen und sehen einen großen Teil ihres erarbeiteten Kapitals vernichtet. Im Gegensatz dazu steht das alte System der Bundesrepublik, in dem die gesetzliche Rentenversicherung noch 85 % der Vorsorge ausmacht. Das auch dieses System allein keine Lösung darstellt, sollte im Laufe dieser Arbeit klar geworden sein. Die Kombination der verschiedenen Vorsorgearten bietet jedoch eine gute Mischung aus Stabilität und Finanzierbarkeit, verpflichtende sozialer Absicherung und Eigenverantwortung. Das dies funktionieren kann beweist das Beispiel der Schweiz.

Die allgemeine Meinung, die aktuelle Reform und „Riester-Rente“ sei ein Schritt in die richtige Richtung kann ich teilen. Aber die praktische Umsetzung hat sicherlich noch einige Defizite. Auch ich sehe die optimistischen Prognosen der Regierung bezüglich der Beitragsentwicklung und des Rentenniveaus mit Skepsis. Es kommt mir so vor, als wolle die Regierung vor den Bürgern die Tatsache vertuschen, dass die Aufwand für eine zukünftige Altersversorgung definitiv größer wird.

Aus sozialen Gesichtspunkten ist die Reform auch verbesserungswürdig. Es wird zwar durch die Grundzulagen und Extrazulagen für Familien mit Kindern versucht finanziell schlechter gestellten bei der Vorsorge zu helfen, durch die Regelung der Sonderausgabenabzüge profitieren dennoch die Besserverdienenden. Was die Benachteiligung der Frauen bei der privaten Vorsorge betrifft, sollte eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die eine Gleichstellung garantiert, auch wenn das vielleicht die Kosten der Männer erhöht. Die Meinung des Sachverständigenrates teile ich in vielen Punkten. Beitrags- und Rentenniveaustabilität ist sind wichtig, um eine notwendige Planungssicherheit für den Bürger zu gewährleisten. Auch den verstärkten Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge sehe ich aus den vom Rat genannten Gründen als wünschenswert an. In den europäischen Vorzeigesystemen der Schweiz, Niederlande oder Schweden ist diese sogar für einen Großteil der Bevölkerung verpflichtend. Als vor einigen Jahren hierzulande Walter Riester diesen Vorschlag einer obligatorischen betrieblichen Versicherung machte, wurde er jedoch von der Presse verteufelt. Ich denke jedoch, dass solch ein Versicherungszwang bis zu einen gewissen Mindestabsicherung sinnvoll ist. Denn wozu zu große Wahlfreiheit bei den teils unerfahrenen und risikolustigen Bürgern führten kann, sieht man am Beispiel der USA. So verhindert der Staat Altersarmut und eventuell sogar zusätzliche Ausgaben in Form von Sozialhilfe. Inwieweit ein Rentensystem Umverteilungswirkung haben soll ist schwer zu beurteilen. Einerseits muss jedem eine Mindestrente gesichert sein vor allem Menschen mit geminderter Erwerbsfähigkeit, Hinterbliebenen und Familien mit Kindern, deren Erziehungsarbeit gewürdigt werden muss. Andererseits ist auch das Äquivalenzprinzip (wer viel einzahlt bekommt auch entsprechend viel an Rente) gerechtfertigt. Wieso sollte ein hart Arbeitender einen faulen Niedrigverdiener unterstützen, der dann auf Kosten Gemeinwohls lebt unterstützen? Wie so oft kann man schwer zwischen Hilfsbedürftigen und „Schwarzen Schafen trennen. Deshalb ist eine gewisse Mehrbeteiligung der Besserverdienenden notwendig.

11. Literaturverzeichnis / Quellenangabe

Literatur:

„Handbuch Wirtschaft - So nutzt man den Wirtschafts- und Finanzteil einer Tageszeitung“ von Jürgen Jeske und Hans D. Barbier

„Rund um die neue Rente. Ihre Fragen - unsere Antworten.“ eine Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung

„Die betriebliche Altersvorsorge“ eine Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung

Auszug aus dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates 2001/2002 „Die Gesetzliche Rentenversicherung: Vor einer durchgreifenden Reform“

Internet:

www.wissen.de (Internetlexikon)

www.rente.com

(→ „Die Parteien zur Rente und Altersvorsorge“)

www.gesichertesleben.de/archiv/rente

www.hausarbeiten.de

(→ „Notwendigkeit einer Rentenreform unter Berücksichtigung des demografischen Faktors“ von Juliane Nietsch; „Die gesetzliche Rentenversicherung“ von Marisa Schier; „Die private Vorsorge - Eine Ergänzung zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung“ von Michael Wirbel)

Zeitung und Zeitschriften:

Die Welt (29.7.2002) „US-Bürger müssen jetzt länger für die Rente arbeiten“

Financial Times Deutschland (17.4.2000) „Beim Rentensystem kann Deutschland von den Nachbarn lernen“ von Cordula Tutt

Frankfurter Rundschau (22.11.2002; Seite 9) „Rentenkonzept mit Löchern“ von Katharina Sperber

Sonstiges:

Elektronisches Lexikon „Microsoft Lexirom“

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Zukunft der Altersversorgung in der BRD
Note
13
Autor
Jahr
2002
Seiten
28
Katalognummer
V108149
ISBN (eBook)
9783640063529
Dateigröße
1152 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine umfassende Halbjahres-Hausarbeit im Rahmen des Wirtschafts-LKs.
Schlagworte
Zukunft, Altersversorgung
Arbeit zitieren
Jan Seuring (Autor:in), 2002, Die Zukunft der Altersversorgung in der BRD, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108149

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