Der Vorleser, Bernhard Schlink
Form:
Bei dem Vorleser handelt es sich um einen dreiteiligen Rückblick auf das Leben des Ich–Erzählers Michael Berg.
Das Buch ist in drei Teile unterteilt, die jeweils in Kapitel gegliedert sind.
Inhalt:
Im ersten Teil lernt der 15jährige Michael Berg die 21 Jahre ältere Hanna Schmitz kennen. Er verfällt ihr total und beginnt einen Beziehung mit ihr.
Die Beziehung besteht im Wesentlichem aus einem Ritual: Michael liest Hanna vor, dann baden sie und schlafen schließlich miteinander.
Langsam entwickelt Michael Freundschaften zu Gleichaltrigen, vor denen er Hanna aber verheimlicht. Als Hanna dann eines Tages im Schwimmbad erscheint, wo Michael sich mit seinen Freunden amüsiert, ignoriert er sie.
Am nächsten Tag ist sie verschwunden. Michael macht sich für ihr Verschwinden verantwortlich und kommt nur schwer über die abrupte Trennung hinweg.
Im zweiten Teil befindet Michael sich im Jurastudium. Als er einen Prozess besucht, in dem es um die Verurteilung von Aufseherinnen in den Konzentrationslagern Auschwitz und Krakau geht, sieht er Hanna auf der Anklagebank wieder. Ihm wird klar, dass er eine Verbrecherin geliebt hat. Trotzdem er das weiß, kann er sie nicht verachten.
Dann kombiniert er aus vielen Detail aus dem Prozess und aus früheren Zeiten, dass Hanna Analphabetin ist. Sie schämt sich dafür so sehr, dass sie in dem Prozess zugibt ein Protokoll geschrieben zu haben, nur um nicht enttarnt zu werden. Michael überlegt kurz, ob er dem Richter von Hannas Analphabetismus berichten soll – zieht es dann aber vor, sich nicht einzumischen.
Hanna wird zu lebenslanger Haft verurteilt.
Im dritten Teil ist Michael Rechtshistoriker. Beziehungen mit Frauen und seine scheiterten allesamt daran, dass Michael alle Partnerinnen mit Hanna verglichen hat und keine dem Vergleicht standhalten konnte.
Er kann sich nicht von ihr lösen und beginnt, ihr Kassetten zu schicken, auf denen er ihr vorliest. Das geht über Jahre und hin und wieder kommt eine kurze Antwort von Hanna zurück – sie hat nämlich im Gefängnis lesen und schreiben gelernt.
Als die Entlassung naht, wird Michael von der Gefängnisleiterin gebeten, Hanna bei ihrer Resozialisierung zu unterstützen. Er besucht sie am Tag vor der Entlassung und bemerkt, dass Hanna sich aufgegeben hat.
In ihrer letzten Nacht im Gefängnis erhängt sie sich.
Entwicklung des Protagonist Michael Berg:
Im ersten Teil ist Michael ein pubertierender, unsicherer und unerfahrener Junge, der Hanna sich auf Hanna fixiert und ihr hörig wird. Bei Meinungsverschiedenheiten gibt er sofort nach und erniedrigt sich. Durch den Umgang mit Gleichaltrigen gewinnt er langsam an Selbstvertrauen.
Im zweiten Teil gibt Michael sich aus Angst vor neuen Verletzungen kalt und arrogant. Er ist nicht in der Lagen, noch mal so intensiv zu lieben und hat mehrere lieblose Beziehungen.
Als er im Prozess mit Hannas Verbrechen konfrontiert wird, befindet er sich in einem Zwiespalt: einerseits will er sie verurteilen – andererseits aber auch verstehen.
Auch im dritten Teil kann er sich nicht von ihr lösen: Er fühlt sich für sie verantwortlich und schickt ihr Kassetten.
Als sie dann schließlich Selbstmord begeht, ist er am Boden zerstört.
Hanna hat sein ganzes Leben beeinflusst, größtenteils sogar dominiert. Zwar war nachdem sie die Stadt verlassen hatte, die Liebe weg, aber trotzdem war sie ständig präsent.
Entwicklung von Hanna Schmitz:
Bei Hanna Schmitz handelt es sich um einen schwer nachvollziehbaren Charakter. Dass sie mit dem 15jährigen Michael eine Beziehung eingegangen ist, zeigt ihre Gleichgültigkeit gegenüber den gesellschaftlichen Normen. Sie handelte immer nach bestem Gewissen und hatte bestimmt nicht die Absicht, sich Michael zu unterwerfen. Sie hat ihn wirklich geliebt.
Meiner Meinung nach handelte sie auch als Aufseherin der Nazis nicht bösartig. Für sie war es immer am wichtigsten, ihre Lese- und Schreibschwäche zu verbergen. Deshalb ergriff sie die Möglichkeit, als Aufseherin zu arbeiten, wo sie nirgendwo lesen oder schreiben musste.
Durch den Analphabetismus lebte sie in ihrer eigenen Welt und hatte einen sehr beschränkten Horizont. Wahrscheinlich konnte sie das Ausmaß ihres Tun gar nicht wirklich abschätzen.
Als sie dann im Gefängnis lesen und schreiben lernt, bestellt sie sich Literatur über den Nationalsozialismus und die Judenvernichtung. Sie wird sich langsam bewusst, welche Dimensionen die Judenvernichtung hatte.
Die Einsamkeit und das Bewusstsein dieser Schuld führen zum Selbstmord.
Rezension:
Ich finde den Roman sehr lesenswert. Es gibt keine langweiligen Passagen, nichts wird unnötig in die Länge gezogen.
Außerdem fand ich die Art, mit der Schlink die nationalsozialistische Schuld behandelt, sehr interessant. Das Vorurteil, bei NS-Tätern könne es sich nur um kaltblütige Monster handeln, wird mit Hannas Charakter widerlegt. Es gab nicht nur stereotype Judenhasser sondern auch Einzelschicksale, die mehr oder weniger gewollt in ihre NS-Berufe gerutscht sind. Ich selbst hab auch hin und her überlegt, ob man Hanna verurteilen sollte oder ob man wegen der Schreib- und Leseschwäche ein wenig Nachsicht haben könnte.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in "Der Vorleser" von Bernhard Schlink?
Der Roman "Der Vorleser" erzählt die Geschichte von Michael Berg, der als 15-Jähriger eine Beziehung mit der älteren Hanna Schmitz beginnt. Die Beziehung basiert auf Vorlesen, Baden und Sex. Hanna verschwindet eines Tages, und Michael findet sie Jahre später als Angeklagte in einem Prozess gegen ehemalige KZ-Aufseherinnen wieder. Er erkennt, dass Hanna Analphabetin ist und dies im Prozess zu verbergen versucht, was zu ihrer Verurteilung führt. Nach ihrer Haftentlassung begeht Hanna Selbstmord.
Wie ist das Buch aufgebaut?
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil beschreibt die Beziehung zwischen Michael und Hanna, der zweite Teil den Prozess und der dritte Teil Michaels Leben nach dem Prozess und seine Bemühungen, Hanna zu helfen.
Wer ist Michael Berg?
Michael Berg ist der Ich-Erzähler des Romans. Er ist zunächst ein unsicherer Jugendlicher, der von Hanna dominiert wird. Später, als Erwachsener, ist er geprägt von der Beziehung zu Hanna und unfähig, sich auf neue Beziehungen einzulassen. Er fühlt sich für Hanna verantwortlich und versucht, ihr zu helfen, aber er kann sich nie vollständig von ihr lösen.
Wer ist Hanna Schmitz?
Hanna Schmitz ist eine rätselhafte Figur. Sie geht eine Beziehung mit dem jungen Michael ein, verschwindet dann und wird später als KZ-Aufseherin verurteilt. Es stellt sich heraus, dass sie Analphabetin ist und dies aus Scham verheimlicht. Im Gefängnis lernt sie lesen und schreiben und setzt sich mit ihrer Vergangenheit auseinander. Schließlich begeht sie Selbstmord.
Warum hat Hanna Michael verlassen?
Hanna hat Michael verlassen, ohne eine Erklärung zu geben. Es wird angedeutet, dass es mit ihrer Scham über ihren Analphabetismus zusammenhängt, da sie im Schwimmbad, wo Michael sich mit Freunden amüsierte, ignoriert wurde.
Welche Rolle spielt der Analphabetismus in der Geschichte?
Der Analphabetismus ist ein zentrales Thema des Romans. Hanna schämt sich dafür und versucht, ihn zu verbergen. Dies führt dazu, dass sie Entscheidungen trifft, die ihr Leben und das Leben anderer Menschen beeinflussen. Es ist auch ein Grund für ihre Verurteilung, da sie lieber zugibt, ein Protokoll geschrieben zu haben, als ihren Analphabetismus preiszugeben.
Wie beeinflusst Hanna Michaels Leben?
Hanna beeinflusst Michaels Leben nachhaltig. Er kann sich nicht von ihr lösen und vergleicht alle seine Partnerinnen mit ihr. Er fühlt sich für sie verantwortlich und versucht, ihr zu helfen, aber er kann ihr nicht wirklich nahe sein.
Warum schickt Michael Hanna Kassetten?
Michael schickt Hanna Kassetten, auf denen er ihr vorliest, um ihr zu helfen, sich im Gefängnis zurechtzufinden und ihr die Möglichkeit zu geben, sich mit Literatur auseinanderzusetzen. Es ist auch ein Versuch, seine Schuldgefühle zu lindern und eine Verbindung zu ihr aufrechtzuerhalten.
Warum begeht Hanna Selbstmord?
Hanna begeht Selbstmord, weil sie sich mit ihrer Schuld auseinandergesetzt hat und nicht mit der Last ihrer Vergangenheit leben kann. Sie ist einsam und hat sich aufgegeben.
Welche Botschaft hat der Roman?
Der Roman behandelt die Themen Schuld, Verantwortung, Vergangenheitsbewältigung und die Schwierigkeit, mit der Vergangenheit umzugehen. Er regt zum Nachdenken über die Frage an, wie man mit der Schuld der NS-Zeit umgehen soll und wie man Menschen verurteilen kann, die in dieser Zeit Verbrechen begangen haben.
- Quote paper
- Hanna Heller (Author), 2003, Schlink, Bernhard - Der Vorleser - Inhalt - Protagonisten - Rezension, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107901