Stellen Sie sich vor, Sie könnten die festgefahrenen Gleise des traditionellen Unterrichts verlassen und Ihre Schüler auf eine entdeckungsreiche Reise schicken, bei der sie nicht nur Wissen erwerben, sondern auch aktiv gestalten, reflektieren und ihre eigene Stimme finden. Dieses Buch ist Ihr Kompass auf dieser Reise, ein unverzichtbarer Leitfaden für Lehrkräfte, die den handlungsorientierten Unterricht im Fach Politik neu denken und lebendig gestalten möchten. Es beginnt mit einer fesselnden historischen Erkundungstour, die die Wurzeln der Handlungsorientierung von Comenius bis zur Reformpädagogik der Weimarer Republik freilegt und die Kontinuität des Strebens nach einer ganzheitlichen Bildung aufzeigt. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit dem Begriff des Handelns selbst – was bedeutet es, wirklich zu handeln, und wie können wir diese Essenz in den Unterricht integrieren? Die Darstellung beleuchtet die vielfältigen Perspektiven namhafter Didaktiker wie Meyer, Schiele und Gagel und lotet die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Ansätze aus, um Ihnen ein differenziertes Bild der Möglichkeiten und Herausforderungen zu vermitteln. Ein besonderes Augenmerk gilt der spielerischen Methode im Politikunterricht, insbesondere dem Rollenspiel. Das Buch analysiert detailliert, wie Rollenspiele effektiv in den Unterricht integriert werden können, um Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, komplexe politische und soziale Zusammenhänge zu erfahren, Empathie zu entwickeln und ihre eigenen Standpunkte zu reflektieren. Es werden praxisnahe Anleitungen zur Planung, Durchführung und Auswertung von Rollenspielen gegeben, wobei auch auf die potenziellen Fallstricke und Grenzen dieser Methode hingewiesen wird. Abschließend werden innovative Ansätze wie das "Lernen zur Selbstaufklärung" vorgestellt, die den Schüler als Subjekt in den Mittelpunkt rücken und die Bedeutung der Lebenswelt der Lernenden für einen authentischen und relevanten Politikunterricht hervorheben. Dieses Buch ist mehr als nur eine theoretische Abhandlung; es ist ein praktischer Werkzeugkasten für Lehrkräfte, die ihren Unterricht transformieren und ihren Schülern die Fähigkeiten vermitteln möchten, die sie für eine aktive und verantwortungsbewusste Teilnahme an der Gesellschaft benötigen. Es ermutigt, Konventionen zu hinterfragen, neue Wege zu beschreiten und den Politikunterricht zu einem Ort der Begegnung, des Dialogs und der persönlichen Entfaltung zu machen, ein Schlüssel zur Förderung politischer Kompetenz und mündiger Bürger.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Ein kurzer historischer Abriß
3. Was kann Handlungsorientierung bedeuten ?
3.2 Handlungsorientierung: Gemeinsamkeiten und Abweichungen verschiedener Didaktiker
4. Spielen als Methode im handlungsorientierten Politikunterricht
4.1 Was bedeutet eigentlich „Spielen“ ?
4.2. Das Rollenspiel im Politikunterricht
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Thema dieser Arbeit lautet „Handlungsorientierung“. Den Anfang soll eine allgemeine Bearbeitung des Themas bilden. Hierbei wird der Verfasser zuerst kurz auf die historische Dimension von „Handlungsorientierung“ eingehen. Skizziert werden sollen dabei die Ursprünge und der historische Kontext von Handlungsorientierung. Daran anschließend soll der Vergleich verschiedener Vertreter und ihrer Ansätze Aufschluß über die wesentlichen Merkmale ( Ziele, Methoden, Unsicherheiten) geben. Wiederum begründet hier die Einbettung der Diskussion in den gegenwärtigen gesellschaftlichen Kontext auch den historischen Vergleich. Auch hier wird der „Wendekreis der Diskussion“ die Frage nach dem Verhältnis von Inhalt und Methode sein. Gleichfalls Gegenstand einer solchen Diskussion müssen die Voraussetzungen der Schüler sein. Das zugrunde gelegte Weltbild/Menschenbild(Emanzipation, Aufklärung usw.) dieser Ansätze und der gesellschaftliche Kontext(Informationsgesellschaft versus „Lernunwelt“) bestimmen häufig Anspruch und Voraussetzung vom Lernenden. Darin mündet eben auch die Frage nach dem „Wie ?“ der Methode und der daraus resultierenden Erfahrung mit den Lerninhalten.
Diesem sehr ausführlichem Teil folgt ein Kapitel, in welchem sich der Autor mit der Methode des Rollenspiels befaßt. Welche Chancen bietet diese Methode, aber auch welche Unsicherheiten und Defizite können bei der Anwendung einer solchen offenen Methode auftreten ?
Den Abschluß dieser Arbeit bildet das Schlußwort, welches der Autor dazu benutzt , das Gesagte zusammenfügend zu bewerten.
2. Ein kurzer historischer Abriß
Der Begriff „Handlungsorientierung“ wurzelt in unserer Zeit. Jedoch gibt es bedeutende Vordenker dieses Konzeptes, bzw. zu den Konzepten der Handlungsorientierung. Hilbert Meyer verfolgt diese „Theorietradition“ bis in das 17. Jahrhundert zurück und betont in diesem Zusammenhang insbesondere Johann Amos Comenius (1592-1670) als wichtigen Vordenker. In Ergänzung zur sprachlichen unterstreicht Comenius die Notwendigkeit der praktischen Wissensaneignung (Meyer 1991, S.346). Hibert Meyer bewertet diese praktische Ergänzung noch als „...mechanistisch gedachtes Verknüpfen der einzelnen Sinnestätigkeiten...“(Meyer 1991, S.346). Von Comenius ausgehend zieht Meyer den Bogen von Jean JacquesRousseaus „ganzheitlichem Bildungsideal“ bis zu Pestalozzis Ausspruch des Lernens mit „Kopf, Herz und Hand“ (Meyer 1991, S.346). Beide Vordenker deuten in ihren Ausführungen schon die wesentlichen Merkmale „moderner“ Handlungsorientierung für Lernprozesse an. Herbert Gudjons sieht die „Wurzeln des handlungsorientierten Unterrichts“ in den Industrieschulen des 18.Jahrhunderts (Gudjons 1997, S.21).
Mit einigem Abstand zu diesen Ansätzen steht der materialistische Ansatz von Karl Marx. Die Trennung von Kopf- und Handarbeit schränkt die „allseitige Entfaltung“ des Individuums ein, was insbesondere für die handarbeitenden Bevölkerungsteile gilt. Anknüpfend an dem Ideengerüst von Marx entwickelte sich eine eigene Schule (vgl. Meyer 1991, S.347).[1] Die Reformpädagogik der 20er Jahre dieses Jahrhunderts bildet das eigentliche gedankliche (z.T. sehr heterogene und damit strittige Grundgerüst) der Handlungsorientierung.[2] Die „Arbeitschulbewegung“ in der Weimarer Republik, die sich mit dem Namen Georg Kerschensteiner verbindet, gehört ebenso dazu wie auch die „Projektmethode“ JohnDeweys wegweisend für die späteren Konzeptionen waren. Versucht wurde mit solchen Ansätzen, Lernende aktiv-praktisch und damit einhergehend ganzheitlich am Lernprozeß zu beteiligen. Den Schülern damit auch innerhalb der Institution Schule ein Forum zur Partizpation anzubieten und diesen mit den Lehrkräften auszugestalten gilt als ein weiteres Anliegen dieser Bewegung. Erkennbar in dieser Bewegung sind Forderungen und Konzepte gegen schulische-gesellschaftliche Mißstände, die ebenso neueren Datums sein könnten. Auf einem anderen Gebiet nahmen die psychologischen/pädagogischen Forschungen Piagets gleichfalls großen Einfluß auf die Ausgestaltung von Lernprozessen (Kognitions-und Entwicklungs-psychologie) (Meyer 1991, S.298)[3].. Die kindliche Entwicklung wurde in bezug auf Sprache und Denkvermögen, dem räumlichen und zeitlichen Vorstellungsvermögen untersucht. Für die Didaktik ergaben sich daraus völlig neue Aufschlüsse(Böhn 1988, S.466). Im folgenden Kapitel verfolgt der Autor diese Ideen weiter und behandelt neuere Konzeptionen von Handlungsorientierung im Unterricht. Es zeigt sich erneut die Spannbreite dieses Ansatzes. Welches Menschenbild geht welchem Konzept voraus ? Wo setze ich an, um den Unterricht handlungsorientiert zu gestalten ? Dies sind nur einig Fragen die sich vor dem Hintergrund geschichtlicher Vorläufer bei der Behandlung aktueller Probleme mit neueren Ansätzen ergeben.
3. Was kann Handlungsorientierung bedeuten ?
3.1 Was bedeutet „Handeln“
Die eigentliche „Fragestellung zur Klärung der Frage“ nach dem Wesen von Handlungsorientierung sollte sich zuerst auf die Handlung an sich reduzieren. „Was bedeutet eigentlich Handeln und welche Annahmen liegen diesem Begriff zugrunde? Tilmann Grammes definiert das „Handeln“ in Anlehnung an eine Definition Max Webers als menschliches Verhalten, mit welchem der/die Handelnden einen subjektiven Sinn verbinden(Grammes 1997, S11)[4]. Grammes verweist danach auch auf den Umstand einer fehlenden Zieldefinition und kommt zu dem Schluß, daß Handeln „soziologisch gesehen“ eigentlich alles sein könne. Zu unterscheiden wären demzufolge zwei Merkmale von Handlungeigenschaften. Die „äußere Aktivität“(Tat) und das „gedankliche Probehandeln“ bilden nach Grammes die Struktur unserer Handlungen(Grammes1997, S.11). Sehr viel deutlicher bringt diesen Gedanken Paul Ackermann zum Ausdruck. „Handeln wird im Gegensatz zum bloß reaktiven Verhalten dadurch bestimmt, daß es für den Handelnden selbst bewußt ist, von ihm selbst kontrolliert und mit Sinn versehen wird“(Ackermann 1998, S.28). Das Bewußtsein des Handelnden über den Sinn seines Handelns und die Möglichkeit der Steuerung seiner Handlung unterscheiden diese von der bloßen Reaktion. Ackermann entwirft mit diesem Verständnis vom menschlichen Handeln ein Autonomiepostulat. Der Mensch handelt bewußt; er trägt damit auch formal die Verantwortung für sein Tun(Ackermann 1998, S.28ff). Im Verlauf dieser Arbeit wird der problematische, aber unersetzbare Transfer einer solchen Grundposition in die Institution Schule und damit in den Unterricht ein wesentlicher Diskussionspunkt sein. Dieser soll an dieser Stelle nur mit einer Arbeitsthese angedeutet werden.
Inwieweit relativiert sich schulisches und damit (inszeniertes) selbstgesteuert gedachtes Handeln durch eine Umwelt, in der in zunehmendem Maße unser Handeln in seinen Folgen und Wirkungen unsichtbar oder nur sekundär durch z.B. mediale Verarbeitung sichtbar wird. [5]
Letztlich kristallisieren sich darin auch die spannungsvollen Problematiken zwischen Methodik und Inhalten, Umwelt und Lernwelt, Individuum(Subjekt) und gesellschaftlichen Ansprüchen heraus. Deutlich erkennbare historische Bezüge sind in einer solchen Diskussion unschwer zu erkennen, wenn man nur an die Anliegen der verschiedenen Reformpädagogen erinnert. Handeln im Unterricht bedeutet somit nicht bloße Aktion und sinnentleerte Tätigkeit. Das Handeln im Unterricht muß methodisch, inhaltlich emotional für die Lernenden eingebettet sein(Schiele 1998, S.8). In welcher Weise dies geschieht und welche z.T. sehr unterschiedlichen Standpunkte verschiedene Didaktiker dabei vertreten, soll Thema des folgenden Unterkapitels sein.
3.2 Handlungsorientierung: Gemeinsamkeiten und Abweichungen verschiedener Didaktiker
Hilbert Meyer definiert in seinem 1994 in sechster Auflage erschienen Buch „UnterrichtsMethoden I: Theorieband“ Handlungsorientierung im Unterricht wie folgt. „Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Organisation des Unterrichtsprozesses leiten, so daß Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden können“(Meyer 1994, S.214). Der Lernprozeß soll nach dieser Definition in Zusammenarbeit mit den Lernenden gestaltet werden. Die Lernenden sollen aktiv, nicht nur rezeptiv-passiv am Unterricht und dessen Ablauf, z.B Inhaltauswahl teilhaben. Siegfried Schiele führt diesen Gedanken noch deutlicher aus. „Handlungsorientierter Unterricht will, wie der Konstruktivismus- aktives und selbstgesteuertes Handeln anbahnen und die Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen Erkennen und Handeln führen“(Schiele 1998, S.5). Jedoch verweist Schiele ausdrücklich darauf, Handlungsorientierung nicht mit „Autonomen Lernen“ gleichzustellen (Schiele 1998, S.6). Ebenso wie Hilbert Meyer sieht er die Zusammenarbeit zwischen Lehrer und Lernenden als unabdingbaren Bestandteil von Handlungsorientierung an. Schiele spitzt die Rolle des Lehrenden jedoch auf die des „Lern-Beraters“ zu und schafft dadurch enorme Freiräume für den Lehrenden und Lernenden(Schiele 1998, S.7).[6]
Die Frage nach den Erfolgschancen von Handlungsorientierung im Unterricht entzündet die Diskussion um die besseren Konzepte und die Grenzen sinnvoller Anwendung handlungsorientierter Methoden[7]. Die Beziehung zwischen Inhalt und Lern/Lehrmethode kennzeichnet dabei sehr schön die Streitlinien.
Inwieweit passen bestimmte Methoden zu bestimmten Inhalten und Themen? Gehe ich bei der Planung des Unterrichts von der Methodik oder vom Inhalt aus ? [8]
Für den Lehrer bedeutet die immanente Spannung zwischen Inhalt und Methodik eine Verlagerung von Kompetenzen. Gotthard Breit beschreibt diesen Sachverhalt. „Im handlungsorientierten Politikunterricht kommt es demnach vorrangig auf methodische Fähigkeiten der Lehrerinnen und Lehrer an.“ Die „fachlich- inhaltliche Kompetenz“ gerät dadurch ein Stück in den Hintergrund(Breit 1998, S.117). Doch die Gefahr lauert auch auf der anderen Seite. „Das Politische darf...nicht im Methodischen untergehen“(Schiele 1998). Die Überbetonung der Methodik verdrängt das Politische aus dem Unterricht und konterkariert damit zugleich die angestrebten bildungspolitischen Ziele. Neben der Einschränkung politischer Inhalte verhindert eine zu starke und einseitige Betonung handlungsorientierter Methoden auch individuelle, bzw. interaktive Lernprozesse. Walter Gagels Kritik zielt auf diesen Umstand. „Der Lattenzaun der Methoden verbirgt nicht nur das Denken, sondern auch die Frage nach seinem Ursprung, also das Problem, den gewichtigen Anlaß für Suchen und Forschen“(Gagel 1998, S.136). Das aufgeführte Zitat nennt den gewichtigen Begriff des „Problems“ als Anstoß für die Lernenden. Handeln darf nach Gagel nicht das Denken verdrängen. Das Prinzip der „Problematisierung“ ermöglicht die ganzheitliche Auseinandersetzung des Lernenden mit einem Lernobjekt. Dem Lehrenden kommt in solchen Lernprozessen eine Schlüsselrolle zu. Nach Gagel müssen Lehrende in der Lage sein, Probleme den Schülern zu „vergegenwärtigen“(Gagel 1998, S.140). Die Lehrenden müssen Betroffenheit beim Schüler erzeugen, so daß ein „Hineindenken“ in ein Problem möglich wird. Nach Gagel folgt der Durchdringung des Problems eine „Bedürfnisspannung“, „...die zur Suche nach einem Lösungsweg drängt“(Gagel 1998, S.140).[9] Problemorientierung bietet für den Schüler die Lernchance, „...Gedanken durch praktische Anwendung zu erproben, ihren Sinn und ihren Wert selbstständig zu entdecken“(Gagel 1998, S.141). Gagel betont dabei die Notwendigkeit der Entwicklung von „Handlungsplänen“, welche eine Form des „Vor-Denkens des Handelns“ darstellen(Gagel 1998, S.140). So wird das eigentliche Tun nicht zum Ziel des Unterrichts, sondern die Sinnfrage darüber. Siegfried Schiele spricht sich ebenfalls für eine Problemorientierung aus. „Die Lösung eines Problems kann im Unterricht zu einem Prozeß werden, der nach der inneren Logik der Sache selbst abläuft. Die Inhalte bringen gleichsam die Methoden hervor“(Schiele 1998, S.10). Jedoch sieht dieser keinen Widerspruch zwischen Handlungs- und Problemorientierung. „Handlungsorientierter Unterricht dient dazu, politische Probleme auf eine besondere Art und Weise anzugehen(Schiele 1998, S.11). Frank Nonnenmacher und Volker Nitzschke erweitern das Spektrum der handlungsorientierten Ansätze. Sie rücken das Subjekt Schüler in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Ihr Konzept lautet „Lernen zur Selbstaufklärung“. Somit wählen sie auch eine spezielle Herangehensweise an das „Politische“ im Politikunterricht (Nitzschke /Nonnenmacher 1995, S.227).
„Methoden- und handlungsorientierter Unterricht bedeutet, daß- ausgehend von den Erfahrungen, Deutungsgewohnheiten, Wertmustern der Schülerinnen und Schüler- die Welt erkundend bearbeitet wird“(Nitzschke/Nonnenmacher 1995, S.230). Die Lebenswelt der Schüler wird Ausgangspunkt und Gegenstand des Unterrichts, d.h. Politikunterricht dient dazu, undifferenziertes Alltagswissen und deren alltagstheoretische Erklärungen zu systematisieren. Beide Autoren weisen jedoch darauf hin, daß die Inhalte eines solchen Politikunterrichts nicht zwangsläufig politischer Natur sein müssen, sondern häufig sogar im Gegensatz zu den „Politischen Qualifikationen“ stünden(Nitzschke/Nonnenmacher 1995, S.229). „Methoden- und handlungsorientierter Unterricht fragt stärker als der bloß intellektuell-kritische politische Unterricht nach den konkreten Erscheinungsformen der Konflikte vor Ort und nach den Zugriffsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler“(Nitzschke /Nonnenmacher 1995, S.236). Die Schüler sollen in ihren eigenen Umwelten Probleme erkennen und Fragestellungen entwickeln. Die Rolle des Lehrenden ist die des Ratgebers/der Ratgeberin, welche moderierend-zurückhaltend den Lernprozeß begleiten(Nitzschke/Nonnenmacher 1995, S.235). Die Lehrenden sind Begleiter im Lernprozeß und setzen in diesem Akzente, verweisen auf Schwierigkeiten, leiten Arbeitschritte an, d.h. neben ihren Funktionen als Moderatoren kooperieren die Lehrenden mit den Schülern(Nitzschke/Nonnemacher 1995,S.232). Gleichzeitig werden durch entsprechende Arbeitsweisen(z.B. Gruppenarbeit) sozial- und kommunikative Fähigkeiten im Lernprozeß geschult. Dabei ist die politische Komponente viel bedeutender, weil gerade auch die Zusammenarbeit zwischen den Schülern in der Gruppe, im Plenum und mit den Lehrenden nach pluralistisch-demokratischen Regeln ablaufen sollen. Meinungen von Minderheiten müssen ebenso erkennbar und vertretbar bleiben, wie sie in den Produkten und Ergebnissen der Lernprozesse wiederzufinden sein müssen (Überwältigungsverbot). Damit korrespondierend gewinnt die Reflexion von Handlungswissen zentrale Bedeutung.
Gotthart Breit formuliert in seinem 1998 erschienen Beitrag „Handlungsorientierung aus fachdidaktischer Sicht“ drei Möglichkeiten der Vorbereitung auf politisches Handeln(Breit 1998, S.101ff). „Reales Handeln“(Praktika, Schülerzeitung...), „Simulatives Handeln“(Rollenspiele...) und „Produktives Gestalten“(Tabelle, Schaubild...) bereiten den Lernenden auf politisches Handeln vor. Ersteres fordern auch Nonnenmacher und Nitzschke für den Unterricht an Schulen. Schüler müssen in schülernaher Umwelt(Stadtteil, Gemeinde...) handelnd lernen.[10] Dies ist in seiner Bedeutung für den Schüler sicherlich wertvoll, jedoch nach Breit zu eng begrenzt. Politische Abläufe auf Landes- und Bundesebene geraten hierbei sehr schnell aus dem Blick. Gutgemeintes Engagement auf lokaler Ebene führt sehr schnell zur „Horizontverengung“ beim Lernenden(Breit 1998, S.107). Gleichfalls kritisch beurteilt Gotthard Breit „simulatives Handeln“ im Unterricht. Komplexe Politik wird auf ein Verständigungsmaß reduziert(was gleichfalls auch für die Produkte handlungsorientierten Unterrichts (Schaubild, Wandzeitungen usw.) zutrifft..Diese Verständigungsmaß gleicht nicht zu selten einer Verfälschung(Breit 1998, S. 107). Simulative Handlungsprozesse spiegeln nicht mehr die schwierige Konsens- oder Ergebnisfindung wider, sondern Einigung wird sehr schnell in greifbaren Lösungen innerhalb des Klassenverbandes gefunden. Das Ideal schlägt hier die Realität um den Preis möglicher Frustreaktionen bei Jugendlichen, wenn diese an die hartnäckige Politikwirklichkeit geraten(Breit 1998, S.108). Tilmann Grammes diskutiert in seinem 1997 erschienen Buch „Handlungsorientierung im Politikunterricht“ diese Thematik. Handlungsorientierte Methoden bieten neben ihren vorzüglichen Vorteilen auch Nachteile. „Unterrichtsmethoden sollen Maß an den Dingen nehmen, statt sich zum Maß aller Dinge zu machen“(Grammes 1997, S.25). Grammes betont die Effektivität eines „konstitutiven Methodenbegriffs“ für den Politikunterricht. Gegenstände in der Politik(Grammes sieht Politik als Prinzip und somit fächerübergreifend) müssen durch ihre Genese verstanden werden. Eine politische Entscheidung wird somit zu einem Entscheidungsprozeß und das politische System (beispielhaft) definiert als Ort der Kommunikation(Grammes 1997, S.28). Die Reflexion darüber, daß Politik mitgedacht (vorausgedacht) und mitgestaltet wird und nicht einfach „Ist-Zustand“ bedeutet, fördert ein Herauskommen aus einem passiven Vorverständnis von Politik. Grammes charakterisiert Schüleraktivität im handlungsorientierten Unterricht als „orginale Begegnung“, d.h. sie allein birgt den Charakter von „Authentizität“ (Grammes 1997, S.30). „So könnte Schüleraktivität verstanden werden als Sich-Bewegen(Motivation) der Lernenden in die Interessenlagen der anderen, um darin Positionen zu beziehen, einen Standpunkt auszuprobieren“(Grammes 1997, S.40). Grammes bezeichnet einen solchen Unterricht als „Mehrperspektvischen Unterricht“. Die Lernenden schlüpfen versuchsweise in eine andere Rolle, lernen diese Position aus einer Binnenperspektive kennen und setzen sich mit dieser auseinander. Diesen Erfahrungen und neu gewonnenen Wissensbeständen gilt nun die Aufmerksamkeit, da sie entscheidend für den weiteren Unterrichtsverlauf sind. „Die Strukturierung der Auseinandersetzung der Schüler mit dem Sinn, den sie selbst konstituiert haben, ist die Gelenkstelle für die Entstehung von neuen Kompetenzen im Bildungsprozeß“(Grammes 1997, S.40)[11].
Grammes unterstreicht die Unverzichtbarkeit einer „Strukturierung der Auseinandersetzung“ mit den erzeugten Selbstbildern der Lernenenden. Man kann diesen Prozeß auch als Reflexion oder Bewußtmachen bezeichnen. Grammes unterstreicht dabei die über die rein inhaltliche Ebene der Reflexion hinaus notwendige Selbstreflexion der Schüler.
Der begrifflichen Definition ablehnend gegenüberstehend, tauscht Sibylle Reinhardt die Bezeichnung Handlungsorientierung(die sie als unscharf charakterisiert) gegen „Lernen in Interaktion“ aus(1998, S.162).
„Lernen in Interaktion ist eher affektbetont und am unmittelbaren Bedürfnis orientiert, das eigene Ich ist stark involviert, die eigene Welt und ihre Umgebung sind wichtig, das Wir der Gruppe ist Wert in sich, viele thematische Aspekte sind zugelassen- der Prozeß ist ganzheitlich, wirklichkeitsnah und demokratisch(Reinhardt 1998, S.167-168). Gleichfalls lehnt Reinhardt zu starken lehrerzentrierten Unterricht ab und fordert mehr schülerorientierte Handlungsoptionen für den Politikunterricht. Sie geht dabei aber von einer „anderen“ Vorstellung der Beziehung von Handlung und Theorie aus. Die undankbare Auflösung des Gegensatzes von Theorie und Praxis in der Didaktik beraube den Lehrenden der möglichen Differenzierungen von „Lernstrategien“(Reinhardt 1998, S.162). Denkprozesse anzuregen durch unterschiedlich gewählte Schwerpunkte sind für Reinhardt wesentliches Instrument didaktischer Ausgestaltung von Lernprozessen. Ein wissenschaftlich-theoretischer Text kann in seiner Bearbeitung ebenso lebendig sein und „praktischen Sinn“ erreichen. Daneben ermöglicht auch das Praktische Ansätze zur Theoriebildung(Reinhardt 1998, S.162). Reinhardt setzt zu Beginn jeglicher Unterrichtsplanung auf eine „Bedingungsanalyse als Kriterium“ zur Klärung der Lernbedürfnisse unterschiedlicher Lerngruppen. Eine Vorwegnahme durch Beschränkung auf einen Aspekt, eine Methode oder ein Prinzip würde die Bedürfnispluralität von Lerngruppen eindeutig verneinen(Reinhardt 1998, S.163-164).[12]
Im folgenden Kapitel wird nun einführend das „Spielen“ im Unterricht als handlungsorientierte Methode untersucht. Davon ausgehend thematisiert der Autor die Methode des Rollenspiels im Unterricht.
4. Spielen als Methode im handlungsorientierten Politikunterricht
4.1 Was bedeutet eigentlich „Spielen“ ?
In diesem kleinen Unterkapitel soll der Bedeutung des Spiels nachgegangen werden. Ein Spiel ist „... eine spontane Aktivität, die ihren Zweck in sich trägt und nicht(wie etwa die Arbeit) um eines fremden Zwecks willen erfolgt. Jede menschliche Tätigkeit kann Spielcharakter annehmen, wenn sie dementsprechend des bloßen Gefallens bzw. der Lust und Freude wegen ausgeführt wird;...“(Böhm 1988, S.556). Hilbert Meyer nennt in seinem Buch“UnterrichtsMethoden II: Praxisband in Anlehnung an Hans Scheuerl weitere Merkmale des Spiels(Meyer 1997, S.342).
1. Spielen erfordert einen freien Raum, weil es selbst frei von Zwecken ist.
2. Spielen ist in sich zielgerichtet.
3. Spielen findet in einer Scheinwelt statt.
4. Spielabläufe sind mehrdeutig und offen.
5. Spielen schafft eine handelnde Auseinandersetzung mit den Mitspielern oder dem Spielobjekt.
6. Spielen erfordert die Anerkennung von Spielregeln.
7. Im Spielen müssen gleiche Rechte und Gewinn- oder Beteiligungs- chancen für alle Mitspieler bestehen...
8. Spiele erfülle sich in der Gegenwart.
9. Spielen macht Spaß...
Meyer betont insbesondere den ersten Punkt (Böhm unterstreicht ebenfalls diesen); die „Zweckfreiheit“ des Spiels in seiner ursprünglichen Form ist konstituierend. Man spielt, um zu spielen und der Sinn des Spiels liegt in seiner Ausführung(Meyer 1997, S.342-343). In der heutigen Zeit sind diese Grundsätze nicht aufgehoben, jedoch wesentlich überformt. „Spielen erhält unter den heute vorherrschenden Verhältnissen „...eine immer stärkere kompensatorische Funktion Es hilft, fremdbestimmte Arbeit länger zu ertragen“(Meyer 1997, S.343). Des weiteren führt Meyer die zunehmende „Kommerzialisierung“ und „Wettkampforientierung“ als überformende Merkmale auf(Meyer 1997, S.344). Entscheidet sich der Lehrer oder die Lehrerin im Unterricht das Spiel als Methode zu verwenden, so müssen sie diese gesellschaftlichen Ausprägungen berücksichtigen. Beispielsweise verlieren nicht-wettkampforientierte Spiele sehr schnell an Attraktivität, da Kinder und Jugendliche die Anreize des „Spielen um des Spielen willens“ kaum wahrnehmen und in unserer Leistungsgesellschaft selten kennengelernt haben. Jedoch muß dabei auch klar sein, daß auch Spielen im Unterricht nicht zweckfrei bleibt, sondern Ziele verfolgt(Meyer 1997, S. 344).[13] Und trotzdem sollten sich die Lehrenden für eine Auflockerung, d.h. stärkere Handlungsorientierung im Unterricht einsetzen(Meyer 1997, S.346).
Spielende Kinder und Heranwachsende können sich in dieser Form in die Welt der Erwachsenen wagen und diese ausprobieren. Spielen ist eine ganzheitliche Erfahrung, die Selbstständigkeit fördert und damit sehr gut in den handlungsorienzierten Unterricht paßt. So ermöglichen Spielmethoden das Einüben und die Vertiefung gelernter Inhalte. Das relativ freie Spiel ermöglicht zudem eine Abkehr von der dominanten Lehrerrolle(Meyer 1997, S.343-344).[14] Hilbert Meyer unterscheidet drei wesentliche Klassen von Spieltypen, Interaktionsspiele, Simulationsspiele und Szenisches Spiel(Meyer 1997, S.348-349). Die Klasse der Simulationspiele beinhaltet das Rollen- und das Planspiel als wesentliche Spielformen für den handlungsorientierten Unterricht. Das Rollenspiel wird nun Gegenstand der Betrachtung im folgenden Kapitel sein.
4.2. Das Rollenspiel im Politikunterricht
„Die Aufgabe von Unterrichtsmethoden ist es, die optimalen Bedingungen für die Begegnung von Lernenden und Sache(Probleme usw.) herzustellen“(Ackermann u.a. 1995, S.141-142). Das Rollenspiel als Methode im Politikunterricht wird häufig im Zusammenhang mit der Forderung nach mehr Handlungsorientierung verlangt. Doch was steckt hinter dieser Forderung? Politik läßt sich nicht nur vom Blatt lernen, sondern soll auch das Verhalten beeinflussen. Die Schüler müssen schon im Unterricht Politik(„Politik als Prinzip und nicht als Fach“(Grammes 1997, S.25ff) betreiben dürfen und Verhaltensweisen und Verhaltensregeln erlernen und respektieren. Demokratisches Verständnis(insbesondere das inhaltliche Verständnis) und nach demokratischen Grundsätzen orientiertes Verhalten(also Handeln) ist nicht durch lehrerzentrierten, autoritär gestalteten Unterricht schulbar.[15] Die Lehrerrolle ändert sich und sollte mit den demokratischen Aufgaben und Ansätzen gleichziehen.
Zuerst soll aber das Rollenspiel als Methode erläutert werden, um danach auch die Möglichkeiten in bezug auf die Ausgestaltung zu beschreiben.
Was ist eigentlich ein Rollenspiel und was sollten die Lehrenden bei der Planung/Vorbereitung beachten?
Das Rollenspiel kann unabhängig vom Fach als „Klein- oder Großmethode“ verwendet werden(Massing 1995b, S.1). Als Kleinmethode dient sie häufig als Einstieg in ein Stundenthema und/oder einer Unterrichtsreihe. „Als Großmethode soll das Rollenspiel die gesamte Unterrichtseinheit tragen“(Massing 1995b, S.1).[16] Massing unterteilt den Ablauf des Rollenspiels in fünf Phasen[17], welche der/die Lehrende bei der Planung berücksichtigen muß(Massing 1995b, S.2).
„Das Rollenspiel ist eine komplexe Methodenkonzeption zur Aneignung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Schüler/innen stellen typisches Rollenverhalten in realistischen Situationen dar, indem sie sich in das Denken, Fühlen und Handeln anderer hineinversetzen“(Ackermann u.a. 1995, S.142). Diese „realistischen Situationen“ werden jedoch nur simuliert. „Rollenspiele simulieren dabei gesellschaftlich-politische Wirklichkeit, sie sind nicht mit dieser Wirklichkeit identisch. Sie haben Modellcharakter...“(Massing 1995a, S.1). Der Lehrer/die Lehrerin entwirft mit dem Rollenspiel eine Welt, reduziert didaktisch Informationen(Rollenkarten) und paßt z.B. den Ablauf eines Streitgesprächs zeitlichen Bedingungen(Stundentakt) an. Die „Komplexität der sozialen Wirklichkeit“ wird auf ein verständliches Maß verkürzt(Massing 1995a, S.1).
Sind die Lernenden erst dadurch in der Lage, diese Wirklichkeit zu verstehen und zu handeln?
Schüler und Schülerinnen dürfen das Rollenspiel nicht gegen die Wirklichkeit eintauschen und damit zur Wirklichkeit erklären. Das Rollenspiel bedarf somit entsprechender Phasen der Aufklärung(Objektivierung) über das Tun und des verwendeten methodischen Konzeptes.
Die Rollen im Rollenspiel sind typischer Natur und ihre Träger typische Personen.[18] „Soziale Rollen bezeichnen Ansprüche der Gesellschaft an die Träger von Positionen“(Dahrendorf, in Massing 1995a, S.1). In diese Welt versetzen sich die Lernenden und sie spielen fremde Rollen. Diese Rollen können in ihrem lebensweltlichen Bezug für die Lernenden näher oder formalisierter, d.h. entfernter sein. Greife ich ein Streitgespräch zwischen Eltern und Kind auf und gestalte diese Situation zu einem Rollenspiel, so sind diese Rollen relativ leicht verständlich. Anders liegt der Fall bei sehr formalisierten Rollen. Dem Verhalten eines Richters, eines Polizisten oder Beamten sind sehr enge Grenzen gesetzt und wirken vielleicht auch aus Schülersicht abstrakt. Massing betont diese Differenz zwischen Rollen aus dem Nahbereich(Lebenswelt der Schüler) und abstrakten Rollen als Steigerung. Diese Steigerung kennzeichnet zudem „...den Übergang von der Lebenshilfe und dem sozialen Lernen zum politischen Lernen“(Massing 1995a, S.2).
Die Erarbeitung formalisierter Rollen durch den Lernenden benötigt mehr Vorbereitungszeit. Der Lehrer/die Lehrerin wird daher den Lernenden Rollenkarten mit „detaillierten“ Angaben geben müssen(Massing 1995a, S.2).
Ebenso bedeutsam ist die Rollenaufteilung, welche mit einer klaren Zielaussage(die Rolle sollte in ihren Vorgaben eindeutig und verständlich für die Beteiligten sein) verbunden wird. Die Rollen sollen nun Arbeitsgruppen gemeinsam erschließen. Hilfestellung bei der Erarbeitung bieten die schon genannten präzisen Rollenkarten, die „ausgewähltes“ und zielgerichtetes Material enthalten(Massing 1995b, S.1). Diese geben die Richtungen der Rollen inhaltlich vor, lassen den Arbeitsgruppen aber noch genügend „Spielraum“ zur Ausgestaltung (Massing 1995a, S.3). Die (freiwilligen) Rollenspieler gilt es, innerhalb der Arbeitsgruppen auszuwählen. Daneben wird ein Teil der Klasse den Beobachterstatus erhalten, welcher ebenfalls konkrete („klare“)Aufgaben erfordert. Die Beobachteraufgaben sind für die spätere Auswertungsphase („inhaltliche Anknüpfungspunkte“) enorm wichtig. Sie können darin liegen, daß bestimmte Beobachter einen Rollenspieler beobachten, dessen Argumente und/oder die Art der Darstellungen festhalten(Massing 1995b, S.3). In dieser Auswertungsphase müssen die Lehrenden schon darauf vorbereitet sein, den Schauspielern Möglichkeiten zur „Rollendistanzierung“ zu gewähren. Das Sprechen über das Rollenspiel kann nach Massing bei dieser Distanzierung helfen. Diesen Abschnitt muß im Stundenverlauf trotz knapper 45 Minuten eingeplant werden(Massing 1995b, S.3).
Der Vorbereitung des Rollenspiels kommt insgesamt eine entscheidende Bedeutung für den späteren Verlauf und dessen Auswertung zu.[19]
Was kann ein Rollenspiel im Unterricht leisten ?
Diese Frage mag seltsam klingen, gehört jedoch in die Diskussion über die Effizienz handlungsorientierter Methoden hinein. Das Rollenspiel kommt im Unterricht als Groß- und Kleinmethode vor. Die Teilnehmer üben dort erlernte Fähigkeiten, z.B. Darstellung der eigenen Meinung als rhetorischen Fähigkeiten. Schüler übernehmen in diesem Spiel Rollen und gewinnen einen Eindruck. Dieser Eindruck bezieht sich nicht nur auf die eigentliche Handlung, sondern erweitert sich durch die inhaltliche Ausgestaltung. Soziale, politische und ökonomische Verhältnisse sind fester Bestandteil des Rollenspiels und bedingen gezielte inhaltliche Fragestellungen, was insbesondere für den Politikunterricht gilt. So erfahren Schüler „Verhaltensmuster“ im Kontext gesellschaftlicher Bedingungen und reflektieren diese aus ihrer angenommenen Perspektive. Kritische Bearbeitung erfolgt nicht zuletzt aus der Spannung zwischen den verschiedenen Rollen und aufgrund eigener Differenzen gegenüber der übernommenen Rolle. Handlungen innerhalb eines Rollengefüges sind nicht frei, sondern ausgerichtet auf das Rollenprofil der jeweiligen Rolle. Das Verständnis oder die Ablehnung gegenüber Rollen ist Bestandteil einer Diskussion. Dort setzen sich die Schüler und Lehrenden zusammen und tauschen Erfahrungen aus; sie üben Kritik und Zustimmung aus. Schüler entwickeln durch das Rollenspiel „soziale Handlungskompetenzen“ lautet eine positive These(Meyer 1997, S.362). Wissen soll das Handeln beeinflussen, wer etwas weiß wird schwerlich wider besseren Wissens das Gegenteil tun. Wissen ermittelt sich im Rollenspiel durch gemachte Erfahrungen, Reflexion über diese Erfahrungen und der inhaltlichen Auseinandersetzung. Diese emotionale und inhaltliche Auseinandersetzung über das eigene, wenn auch gespielte Verhalten(auch der Gegensatz zum eigenen Denken und Handeln thematisiert sich in der Auseinandersetzung) bildet Erfahrungswissen und baut z.B Ängste ab. Auf der abstrakten Ebene werden Normen, Gesetze, Sitten und Traditionen als verhaltenbestimmende Faktoren der Rollen thematisiert und hinterfragt. Das Rollenspiel eignet sich somit für den politischen Unterricht, wenn es die genannten Ansprüche auch in der Anwendung erfüllt. Die genaue Auswahl des Lerngegenstandes bezüglich seiner Eignung sind unabdingbare Notwendigkeit. „Nur dann,wenn die im Rollenspiel vermittelten oder neu erarbeiteten Normen inhaltlich zu rechtfertigen sind, ist auch die Methode des Rollenspiels legitimiert“(Meyer 1997,S.362).
Literaturverzeichnis
Ackermann, P. u.a. 1995. Politikdidaktik kurzgefaßt. Planungsfragen für den Politikunterricht. Bonn.
Ackermann, P. 1998: Die Bürgerrolle in der Demokratie als Bezugsrahmen für die politische Bildung. In: Breit, G.; Schiele, S.(Hg.) 1998: Handlungsorientierung im Politikunterricht. Bonn. S. 13-35.
Böhm, W. 1988: Wörterbuch der Pädagogik. 13. Aufl. Stuttgart.
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[...]
[1] vgl. Gudjons 1997, S.40-67 und Meyer, H. 1994, S.186-189.
[2] Peter Weinbrenner betont dazu noch die Bedeutung der Industriesoziologie als Ursprung der Handlungsorientierung. In: Breit, G.; Schiele,S. 1998: Handlungsorientierung im Politikunterricht. Bonn. S.203-214.
[3] vgl.: Mietzel, G. 1994: Wege in die Psychologie. 7.Aufl. Stuttgart
[4] nach Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft § 1
[5] vgl. dazu: Herbert Gudjons 1997: Handlungsorientiert lehren und lernen. Schüleraktivierung Selbsttätigkeit Projektarbeit. 5. Aufl. Bad Heilbrunn. Hier besonders Kapitel 1.1 >>Das allmähliche Verschwinden der Wirklichkeit<< und die Schrumpfung von Handlungsmöglichkeiten.
[6] Vgl.: Sibylle Reinhardt Ausführungen über die Lehrerrolle. „Der Lehrer ist als Berater auch Weichensteller, als Beurteiler von Leistungen auch distanzierter Beobachter, als Arrangeur von Unterricht auch Vorentscheidener, als Pädagoge auch Schützer vor Grenzüberschreitungen, als Experte für Sache und Prozesse auch Antreiber.(1998, S.268)
[7] Vgl.: H. Gudjons drei Bgründungsebenen für den handlungsorientierten Unterricht. 1) sozialtheoretische B. 2) anthropologisch-lernpsychologische B. 3)didaktisch-methodische B.(Gudjons 1997, S.61ff)
[8] Vgl. dazu. Massing, Peter 1995: Rollenspiel. In: Wochenschau Nr.3/4, S.2. Massing beschreibt dort die Notwendigkeit des Wissens um die Bedeutung des Implikationszusammenhangs.
[9] Gagel betont in seinen Ausführungen den Bezug zum Pragmatismus. „Erkenntnis wird im Pragmatismus als Lebensfunktion verstanden“(Gagel 1998, S.136). Erkenntnisgewinn durch Problemorientierung des Unterrichts dürfte danach einen direkten Bezug zur Lebenswelt des Schülers aufweisen, eine Forderung, der auch Herbert Gudjons Nachdruck verleiht(vgl. Gudjons 1997, S.29ff)
[10] Lernorte und Lerngegenstände sollen aus der „Wirklichkeit“ stammen, nicht zukunftsbetont, sondern gegenwärtige Bedeutung haben. Dadurch sind diese sinnstiftend und motivieren den Lernenden. Vgl.:Gudjons 1997, S.62)
[11] vgl. dazu auch die Ausführungen H. Gudjons über den erfahrungsbezogenen Unterricht. Gudjons betont hier die Relevanz der Auseinandersetzung mit den gemachten Erlebnissen und deren Interpretation. Dabei betont Gudjons auch die Notwendigkeit neuer Perspektiven für die Lernenden.(Gudjons 1997, S.30ff)
[12] Anmerkung: Letztlich weist Reinhardt auf das Grundrecht der Chancengleichheit hin. Mit welchen Methoden erreiche ich welche Schüler ? Die unterschiedlichen Fähigkeiten(z.B. sprachliche oder soziale Kompetenz) und Ansprüche an die Lernwelt sind nicht zuletzt soziale Aspekte. Diesen Erfordernissen muß der Lehrende auch durch unterschiedliche methodische und inhaltliche Schwerpunkte aufgreifen. Nicht von ungefähr spricht Reinhardt in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit einer Sozialanalyse.(1998, S.167)
[13] vgl.: Eine kurze prägnante Darstellung verschiedener Interpretationsansätze und Nennung literarischer Quellen findet sich in: Böhm, W. 1988: Wörterbuch der Pädagogik.13. Aufl. Stuttgart. S.556-558.
[14] Vgl. H. Gudjons Ausführungen. In: siehe Anm. 5. S.109-110.
[15] Stuckenhoff betont die Effizienz handlungsorientierter Methoden und insbesondere die des Rollespiels. „Man kann zum Einsatz von Spiel/Rollenspiel in der Schule positiv oder negativ stehen, eine Tatsache läßt sich nicht wegdiskutieren: Versuche über größere Zeiträume haben eindeutig ergeben, daß im Rollenspiel vermittelte Inhalte ungleich intensiver und nachhaltiger verinnerlicht werden als das bei irgendeiner anderen Methode der Fall ist“(Stuckenhoff 1978, S.44)
[16] Anm. Fachbezogene Anwendungsbeispiele finden sich bei Stuckenhoff 1978, S. 61ff.
[17] 1. Einstiegsphase(Bedingungsanalyse) 2. Informationsphase(Informationserarbeitung) 3.Anwendungsphase(Informationsverarbeitung) 4.Problematisierungsphase 5.Meta-kommunikation(Massing 1995b,S.2)
[18] Zur den Definitionen sozialer Rollen siehe: Reinhardt 1997, S.109ff; Meyer 1997, S.359 ff.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Das Thema dieser Arbeit ist "Handlungsorientierung". Die Arbeit befasst sich mit der historischen Dimension, den verschiedenen Vertretern und deren Ansätzen, den wesentlichen Merkmalen (Ziele, Methoden, Unsicherheiten) sowie den Voraussetzungen der Schüler.
Was ist der historische Abriss des Begriffs "Handlungsorientierung"?
Der Begriff "Handlungsorientierung" wurzelt in der heutigen Zeit, hat aber bedeutende Vordenker wie Johann Amos Comenius, Jean Jacques Rousseau und Pestalozzi. Die Reformpädagogik der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts bildet das eigentliche gedankliche Grundgerüst der Handlungsorientierung.
Was bedeutet "Handeln" im Kontext der Handlungsorientierung?
Handeln bedeutet menschliches Verhalten, mit dem der Handelnde einen subjektiven Sinn verbindet. Es wird im Gegensatz zum bloß reaktiven Verhalten dadurch bestimmt, dass es für den Handelnden selbst bewusst ist, von ihm selbst kontrolliert und mit Sinn versehen wird.
Wie definiert Hilbert Meyer Handlungsorientierung im Unterricht?
Hilbert Meyer definiert handlungsorientierten Unterricht als einen ganzheitlichen und schüleraktiven Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Organisation des Unterrichtsprozesses leiten, so dass Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden können.
Was ist die Rolle des Lehrers im handlungsorientierten Unterricht?
Die Rolle des Lehrenden verschiebt sich zum "Lern-Berater". Einige Didaktiker betonen die methodischen Fähigkeiten der Lehrer, während die fachlich-inhaltliche Kompetenz in den Hintergrund tritt.
Welche Kritik gibt es an der Handlungsorientierung im Unterricht?
Die Kritik richtet sich gegen die Überbetonung der Methodik, die das Politische aus dem Unterricht verdrängt. Es wird auch bemängelt, dass der "Lattenzaun der Methoden" das Denken und die Frage nach seinem Ursprung verbirgt.
Was bedeutet "Lernen zur Selbstaufklärung"?
"Lernen zur Selbstaufklärung" ist ein Konzept, das das Subjekt Schüler in den Mittelpunkt der Überlegungen rückt. Die Lebenswelt der Schüler wird Ausgangspunkt und Gegenstand des Unterrichts.
Welche Möglichkeiten der Vorbereitung auf politisches Handeln gibt es?
Es gibt drei Möglichkeiten: "Reales Handeln" (Praktika, Schülerzeitung), "Simulatives Handeln" (Rollenspiele) und "Produktives Gestalten" (Tabelle, Schaubild).
Was sind die Vor- und Nachteile von Rollenspielen im Unterricht?
Rollenspiele ermöglichen das Einüben und die Vertiefung gelernter Inhalte, aber die Komplexität der sozialen Wirklichkeit wird auf ein verständliches Maß verkürzt. Schüler und Schülerinnen dürfen das Rollenspiel nicht gegen die Wirklichkeit eintauschen.
Welche Phasen hat ein Rollenspiel?
Ein Rollenspiel hat fünf Phasen: Einstiegsphase (Bedingungsanalyse), Informationsphase (Informationserarbeitung), Anwendungsphase (Informationsverarbeitung), Problematisierungsphase und Meta-kommunikation.
Was kann ein Rollenspiel im Unterricht leisten?
Das Rollenspiel kann im Unterricht als Groß- und Kleinmethode vorkommen. Die Teilnehmer üben dort erlernte Fähigkeiten, z.B. Darstellung der eigenen Meinung als rhetorischen Fähigkeiten. Soziale, politische und ökonomische Verhältnisse sind fester Bestandteil des Rollenspiels und bedingen gezielte inhaltliche Fragestellungen, was insbesondere für den Politikunterricht gilt.
Was bedeutet "Spielen" und welche Merkmale hat es?
Spielen ist eine spontane Aktivität, die ihren Zweck in sich trägt und nicht um eines fremden Zwecks willen erfolgt. Spielen erfordert einen freien Raum, ist in sich zielgerichtet, findet in einer Scheinwelt statt, Spielabläufe sind mehrdeutig und offen, es schafft eine handelnde Auseinandersetzung, erfordert die Anerkennung von Spielregeln, gleiche Rechte und Gewinn- oder Beteiligungschancen, erfüllt sich in der Gegenwart und macht Spaß.
Was sind die wichtigsten zitierten Werke in diesem Text?
Ackermann, P. u.a. 1995. Politikdidaktik kurzgefaßt. Planungsfragen für den Politikunterricht. Bonn.
Meyer, H. 1994: UnterrichtsMethoden I: Theorieband. 6. Aufl. Frankfurt a.M..
Meyer, H. 1997: UnterrichtsMethoden II: Praxisband. 2 Aufl. Frankfurt a.M.
Grammes, T. 1997: Handlungsorientierung im Politikunterrich. Hannover.
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- Ansgar Deekeling (Author), 2003, Handlungsorientierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107632