Inhalt
1. Die Kurzgeschichte
1.1. Entstehung
1.2. Merkmale
1.3. Unterricht
2. Unterrichtseinheit
2.1. Der gefährdete Mensch
2.1.1. Hans Bender: „Die Wölfe kommen zurück“
2.1.2. Elisabeth Langgässer: „Saisonbeginn“
2.2. Die Macht des Gewissens
2.2.1. Georg Britting: „Brudermord im Altwasser“
2.2.2. Günter Eich: „Züge im Nebel“
3. Fazit
4. Quellen
1. Die Kurzgeschichte
1.Die Kurzgeschichte
1.1. Entstehung
Die Bezeichnung „Kurzgeschichte“ taucht in der deutschen Literatur erstmals Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts auf und leitet sich aus der Übersetzung des englischen Begriffs „short story“ ab. Das Problem hierbei besteht darin, dass nicht jede kurze Geschichte eine Kurzgeschichte ist, so dass man den bestehenden Namen vielleicht besser als Analogiebildung zu den der Poetik entlehnten Begriffen „Kurzvers“ und „Kurzzeile“ ansehen sollte.[1]
Die ersten und damit ältesten Kurzgeschichten in deutscher Sprache stammen von Heinrich von Kleist („Das Bettelweib von Locarno“) und E.T.A Hoffmann („Ritter Gluck“) und wurden bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts verfasst und veröffentlicht. Diese Form der Ausdrucksweise deutscher Autoren kam mit der Zeit des Nachnaturalismus von 1920 - 1930 erneut und diesmal richtig in Mode. Lassen sich bei Hoffmann und Kleist nur wenige Kurzgeschichten finden, so erlebte diese immer noch neue literarische Gattung in der Weimarer Republik eine Blütezeit, die sich auch an der Anzahl der veröffentlichten Geschichten festmachen lässt. Die bedeutendsten Vertreter dieser Epoche sind Paul Ernst, Wilhelm Schäfer, Wilhelm Schmidtbonn und Hans Franck.[2]
Die Hochzeit der deutschen Kurzgeschichte war jedoch die Zeit direkt nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Mitte der sechziger Jahre, die aufgrund ihrer Hoffnungslosigkeit und den schrecklichen Erfahrungen der meisten Autoren während des Krieges nach „einer atemlos heruntergeschriebenen, keuchend kurzen, misstrauisch kargen Mitteilungsform“[3], also einer neuen Form des literarischen Ausdrucks, verlangte. Dieser manifestierte sich in der einfachen Sprache in der für Ästhetisierungen kein Platz blieb.
Der zweite Grund für diese aus der Verzweiflung erwachsenen Kreativität war die Möglichkeit, die Werke ausländische Autoren kennenzulernen, die nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches wieder erhältlich waren, wobei vor allem Hemingways „49 stories“ als Einfluss zu nennen ist.
1.2. Merkmale
Es gibt „keine Kurzgeschichte, sondern nur Kurzgeschichten.“[4] Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass eine genaue Definition dieser literarischen Form aufgrund der zahlreichen Merkmale, von denen sich immer nur einige wenige in unterschiedlichen Kurzgeschichten finden lassen, nicht möglich ist. Diese Anzahl von Merkmalen muss als Definitionsersatz gesehen werden.
Das erste Merkmal ist die Kürze, die allen Geschichten im Vergleich zu Erzählungen oder anderen Gattungen eigen ist, die sich auch in der inhaltlichen Dichte manifestiert. Es gibt weder Haupt-, Neben- noch Gegenhandlung, so dass der Inhalt häufig auf eine Momentaufnahme reduziert wird.
Ein weiteres Merkmal ist die häufige Simultaneität der Handlung, die beispielsweise durch den Wechsel der Erzählperspektive ausgedrückt werden kann, um die verschiedenen Wirklichkeits- und Bewusstseinsebenen deutlich zu machen.
Ein offener Anfang und ein offenes Ende, das unvermittelte Einblenden in ein häufig alltägliches Augenblicksgeschehen, sind weitere Merkmale, die das Wesen der Kurzgeschichte ausmachen. Das offene Ende kann häufig als Frage verstanden werden, die der Leser beantworten muss.
Die Tatsache, dass die Protagonisten meist alltäglich, häufig sogar Außenseiter, sind, wird durch die vielschichtige Mehrdeutigkeit der meisten Texte aufgewogen, die vom Rezipienten das Lesen zwischen den Zeilen verlangt, um die Bedeutung zu erschließen. Man könnte also sagen, dass die meisten Autoren eine vom Leser zunächst als beiläufig empfundene Symbolik installieren, deren Wichtigkeit erst bei genauerem Hinsehen deutlich wird.
Kurzgeschichten versuchen also durch ein Minimum an Text ein Maximum an Aussage zu erreichen, wobei die bereits angesprochene Dichte und Offenheit die Leser dazu sensibilisieren sollen, ihren eigenen Wahrnehmungs-, Urteils- und Kommunikationsfähigkeiten zu trauen, um den hinter der Oberflächenstruktur verborgenen Sinn einer Kurzgeschichte zu erfassen.
1.3. Unterricht
Die Gründe dafür, warum Kurzgeschichten Einzug in den Lehrplan aller Schulformen gefunden haben, sind vielfältig. Zunächst einmal ist es die offensichtliche Kürze der Geschichten, die es häufig möglich macht, sie in einer Doppelstunde abschließend zu behandeln.
Trotz dieser Kürze aber sind sie aufgrund der bereits erwähnten Merkmale der Dichte und der unter der scheinbar simplen Oberflächenstruktur verborgenen Tiefenstruktur hervorragend geeignet, den Zusammenhang zwischen Form und Inhalt zu verdeutlichen, und den Schülern erste Interpretationstechniken aufzuzeigen.
Darüber hinaus haben die meisten Kurzgeschichten aufgrund der Tatsache, dass sie vom wahren Leben erzählen, einen Bezug zum Schüler, der Interesse am Deutschunterricht wecken kann. Auch regen sie die Schüler an, über die Bedeutung des scheinbar Unscheinbaren nachzudenken.
2. Unterrichtseinheit
Die nun folgende Unterrichtseinheit soll die eben angesprochenen Vorteile von Kurzgeschichten für den Deutschunterricht exemplarisch verdeutlichen. Ich werde mich hierbei auf vier Texte beschränken, von denen sich die ersten beiden unter dem Thema „Der gefährdete Mensch“ zusammenfassen lassen. Die anderen beiden beschäftigen sich mit der „Macht des Gewissens“[5]. Ich habe die Geschichten „Die Wölfe kommen zurück“ von Hans Bender und „Saisonbeginn“ von Elisabeth Langgässer ausgewählt, da es vielleicht aufgrund der ähnlichen Thematik möglich sein könnte, stilistische Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen. Dasselbe gilt für Georg Brittings Kurzgeschichte „Brudermord im Altwasser“ und Günter Eichs „Züge im Nebel“.
2.Unterrichtseinheit
„Der gefährdete Mensch“ zusammenfassen lassen. Die anderen beiden beschäftigen sich mit der „Macht des Gewissens“ . Ich habe die Geschichten „Die Wölfe kommen zurück“ von Hans Bender und „Saisonbeginn“ von Elisabeth Langgässer ausgewählt, da es vielleicht aufgrund der ähnlichen Thematik möglich sein könnte, stilistische Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen. Dasselbe gilt für Georg Brittings Kurzgeschichte „Brudermord im Altwasser“ und Günter Eichs „Züge im Nebel“.
2.1. Der gefährdete Mensch
2.1.1. Hans Bender: „Die Wölfe kommen zurück “
Der erste Schritt bei der Behandlung dieser Kurzgeschichte im Unterricht besteht in der Klärung von den Schülern wahrscheinlich unbekannten Begriffen. Diese sind hier die russische Längeneinheit „Werst“, die Bezeichnung des Gemeindevorstehers als „Starost“, „Kolchos“ als die russische Abkürzung für Kollektivwirtschaft und schließlich „Samogonka“, der Name eines russischen Schnapses.
Das Ziel der Stunde soll die Interpretation der Kurzgeschichte durch die Schüler sein, wobei die vier größeren Abschnitte erkannt werden sollen, in die sie sich gliedert, bevor die beiden Haupthandlungsstränge der wachsenden Freundschaft zwischen dem Kriegsgefangenen und dem Starost und der wachsenden Bedrohung durch die Wölfe näher betrachtet werden soll, um schließlich zu einer Deutung der Geschichte vor dem Hintergrund des letzten Satzes zu gelangen. Darüber hinaus sollen die typische Merkmale von Kurzgeschichten aufgezeigt werden.
Ich würde den Text zunächst vorlesen, um hoffentlich Interesse für den Inhalt zu wecken, bevor ich allgemein nach Meinungen fragen würde. Danach würde ich den Inhalt der Geschichte von den Schülern wiedergeben lassen, um schließlich zu der Frage zu gelangen, wie die Schüler den Text unterteilen würden.
Ich selbst würde ihn in vier Teile gliedern, die inhaltlich eng miteinander verknüpft sind, aber durch die bereits vergangene Zeit und die unterschiedlichen Orte, an denen sie spielen, einen unterschiedlichen Charakter haben. Der erste Teil ist eine Augenblicksaufnahme der Ankunft der deutschen Kriegsgefangenen in Krasno Scheri, der zweite beschreibt die Arbeit der Gefangenen auf den Feldern, der dritte den Alltag von Maxim bei der Familie des Starosts, und der vierte stellt, wie es am Ende von Kurzgeschichten meist der Fall ist, den Höhepunkt dar, der hier die Rettung der Kinder vor dem zurückkehrenden Zug der Wölfe ist.
Nach dieser rein formalen Gliederung des Textes würde ich auf den Inhalt der einzelnen Abschnitte eingehen und nach der Entwicklung der Beziehung zwischen Maxim und dem Starost fragen. Die Schüler sollen anhand der Zustandsbeschreibung der Beziehung zwischen beiden Männern in den vier Teilen eine Entwicklung erkennen, die darin besteht, dass das Misstrauen des Starosts gegenüber seinem Gefangenen langsam schwindet. Weiterführend könnte man außerdem auf die Beziehung eingehen, die der Gefangene zu den Kindern des Hauses hat.
Die immer größer werdende Zuneigung der Hauptpersonen, die im letzten Bild des Textes in der körperlichen Nähe gipfelt, steht wie bereits erwähnt der wachsenden Gefahr gegenüber, die von der Rückkehr der Wölfe ausgeht. Diese Bedrohung lässt sich an der Wiederholung des Wortes „Wolf“ in der Geschichte verdeutlichen. Zunächst ist von Wolfsspuren die Rede, bevor ein einzelner Wolf gesichtet wird, der jedoch nur die Vorhut für das Rudel am Ende der Geschichte darstellt.
Außerdem wäre es sicherlich sinnvoll, die Frage nach dem Symbol des Wolfes vor dem Hintergrund des Krieges zu stellen, da mit ihm ja das Bild des gerade beendeten Krieges wiederkehrt. Vor diesem Hintergrund wird auch die Bedeutung des letzten Satzes der Geschichte klarer: Die Menschen sind dazu aufgefordert, den Frieden durch gemeinsame Anstrengungen zu bewahren, da die Bedrohung durch einen neuen Krieg allgegenwärtig ist.
Da ich davon ausgehe, dass den Schülern die Merkmale von Kurzgeschichten aus vorherigen Stunden bekannt sind, würde ich nun nach typischen Merkmalen dieses bestimmten Textes fragen. Der erste Punkt ist natürlich die Kürze, aber auch die Tendenz, Momentaufnahmen zu beschreiben, statt jedes Detail in epischer Breite auszuwälzen. Auch lassen sich ein offener Anfang und ein offenes Ende finden, die eine oberflächliche Handlung einrahmen, unter der sich eine tieferliegende Ebene befindet, die sich den Schülern erst bei genauerem Hinsehen erschließt.
2.1.2. Elisabeth Langgässer: „Saisonbeginn“
Ich würde die Lektüre dieser Kurzgeschichte, die aufgrund des Schlusssatzes und ihrer durch ihn entstehenden sprachlichen Transparenz mindestens zweimal gelesen werden muss, als Hausaufgabe erledigen lassen. Den letzten Satz, die Inschrift des Schildes, würde ich ihnen vorenthalten, damit sie sich überlegen können, was ihrer Meinung nach auf dem Schild stehen könnte.
Zu Beginn der nächsten Stunde würde ich die Schüler auffordern, ihre Ideen zur Beschriftung des Schildes zu äußern, um ihnen dann den richtigen Schlusssatz des Textes zu geben, damit sie ihn vor dem Hintergrund des neu entstandenen Blickwinkels noch einmal lesen können. Man könnte zuvor außerdem auf die Biographie der Autorin eingehen, die als Halbjüdin Publikationsverbot erhielt und zur Zwangsarbeit verpflichtet wurde.
Nach der erneuten Lektüre des Textes würde ich auf eventuell neu entstandene Fragen eingehen, um dann auf die Doppeldeutigkeit der Überschrift hinzuweisen und zu fragen, worin diese besteht (Touristenvetrkehr – „Nürnberger Rassengesetze“). Auch im eigentlichen Text lassen sich weitere doppeldeutige Stellen finden, die die Schüler finden können. So haben die Männer Hammer und Nägel dabei, um das neue Schild aufzustellen, was an die Kreuzigung Jesu erinnert, dem darüber hinaus auch noch in unmittelbarer Nähe mit einem Holzkreuz gedacht wird, auf dem wie üblich I.N.R.I zu lesen ist.
Dies führt zu der paradoxen Situation, dass die drei Männer quasi vor den Augen des Königs der Juden, der von den Christen angebetet wird, ein Schild aufstellen, das Juden aus ihrer Gemeinde fernhalten soll. Des weiteren sind Parallelen zwischen dem Aufstellen des Schildes, der Kreuzigung und dem beginnenden systematischen Mord an den deutschen Juden durch die Nationalsozialisten zu erkennen.
Danach kann auf den Kontrast zwischen der Naturbeschreibung vom Beginn der Geschichte und dem Schlusssatzes eingegangen werden, der die zunächst dargestellte heile Welt demaskiert. Welche sprachlichen Mittel werden eingesetzt, um diese heile Welt zu beschreiben? Wie ist der Gebrauch dieser sprachlichen Mittel vor dem Hintergrund des Schlusssatzes zu werten?
Außerdem sollte noch auf das Verhalten der handelnden Personen eingegangen werden, da diese sicherlich einen Querschnitt durch die deutsche Bevölkerung darstellen sollen, um zu erklären, warum es keinen Widerstand gegen die Politik der Nazis gab. Hier gibt es zum einen die drei Arbeiter, die „nur“ ihren Befehl ausführen, wobei ihnen von Kindern geholfen wird, die den Sinn des Schildes noch nicht erfassen können, zum anderen aber auch die Nonnen, denen klar ist, wohin eine solche Politik führen Kann, was durch ihre beschriebene Unsicherheit zum Ausdruck kommt.
Darüber hinaus gibt es die ganz normalen Männer, von denen einige lachen, einige den Kopf schütteln und die meisten gleichgültig bleiben, woraus hervorgeht, dass viele von ihnen vielleicht dachten, dass es so schlimm wohl nicht kommen werde, wie von den Nazis propagiert. Interessant ist das Verhalten der Frauen, die zwar das Schild studieren, sich jedoch nicht äußern, womit sie das gewünschte Frauenbild der Nazis bedienen, nach dem die Frau für das Instandhalten des Hauses und die Erziehung der Kinder verantwortlich ist.
Auch hier kann erneut auf das Wesen der Kurzgeschichte eingegangen werden, auf einen Höhepunkt am Ende vor der Kulisse des Alltäglichen hinzuarbeiten. Auch handelt es sich erneut um eine Momentaufnahme, auf deren Mehrdeutigkeit schon ausreichend verwiesen worden ist.
Es bietet sich hier außerdem ebenso die Möglichkeit die Problematik auf die heutige Zeit und somit die Welt der Schüler zu übertragen wie bei Benders Geschichte, da die angesprochene Problematik eigentlich immer aktuell ist. War es in der ersten Geschichte der Zusammenhalt der Menschen, der die Bedrohung des Krieges überwinden kann, so geht es hier darum die Schüler zum Hinschauen zu animieren, um aktueller Intoleranz und Rassismus kritisch und offensiv zu begegnen.
2.2. Die Macht des Gewissens
2.2.1. Georg Britting: „Brudermord im Altwasser“
Diese Geschichte unterscheidet sich von den beiden vorangegangenen durch die gänzlich unpolitische Thematik. Hier geht es nicht um die Gefährdung des Menschen bzw. der Menschheit, sondern um die Macht des Gewissens, wobei unter allen Umständen auf die Wirkung der vom Autor gewählten sprachlichen Bilder eingegangen werden muss.
Ich würde den Text zunächst vorlesen, um die gelungenen sprachlichen Kompositionen auf die Schüler wirken zu lassen. Danach würde ich sie auffordern, den Inhalt der Geschichte kurz mündlich zusammenzufassen, um dann näher auf ihn einzugehen. Auch diese Kurzgeschichte lässt sich inhaltlich in verschiedene Teile zerlegen. Die zweite Aufgabe wäre also, sie inhaltlich zu gliedern.
Der erste Teil beschreibt den Ort der Handlung, der zweite charakterisiert die drei Protagonisten, die drei Hofberger Buben, wobei bereits auszumachen ist, dass der Jüngste wohl das Schwächste Glied der Kette darstellt, da er derjenige ist, der häufig den Streichen seiner Brüder ausgeliefert ist. Der dritte Teil führt in die eigentlich relevante Handlung ein. Hier wird beschrieben, wie sie ein Boot finden, was später ja noch von großer Bedeutung sein soll. Der vierte Teil stellt den Höhepunkt der Erzählung mit dem Tod des kleinsten Bruders dar, bevor der fünfte Teil sich mit dem Heimweg der Jungen ohne ihren Bruder befasst.
Diese zwar interessante, jedoch nicht außergewöhnliche Handlung wird von sprachgewaltigen Bildern und Symbolen getragen, an denen deutlich wird, wie Inhalt und Stil miteinander korrespondieren können. Hier würde die Aufforderung an die Schüler stehen, der Klasse ihre Eindrücke von der Stimmung des ersten Absatzes mitzuteilen. Die sich anschließende Frage wäre, wodurch diese Stimmung erreicht wird. Hier sollten die durchweg negativen Naturbeschreibungen genannt werden, die sich hier zahlreich finden lassen und die bedrohliche Atmosphäre ausmachen, die sich durch den gesamten Text zieht. Beispiele sind: „Grünschwarze Tümpel“, „der Wind wird verschluckt“, „ein Geruch wie Fäulnis und Kot und Tod“ und „ein Raubtier mit [...] bösen Augen“.
Dieser Atmosphäre steht das Verhalten der Buben im zweiten Teil der Geschichte gegenüber, die sich in dieses bedrohliche Bild nahtlos einzufügen scheinen, was an den Beschreibungen ihrer Handlungen deutlich wird. Die Schüler sollten an dieser Stelle der Stunde die Sätze aufschreiben, die Aufschluss über das Verhalten der Jungen bringen. Die gesuchten Ausdrücke sind: „wild, roh, ungezähmt, verschwiegen, skrupellos.“ Interessant könnte die Frage nach der möglichen Beeinflussung der Jungen durch die äußeren bedrohlichen Natureinflüsse sein. Verhalten sich die Buben so, weil sie von einer bedrohlichen Natur umgeben sind?
Im dritten Teil der Geschichte wird diese Möglichkeit der Beeinflussung noch deutlicher als zuvor, da die Sprache noch bedrohlichere Dimensionen annimmt als vorher. So ist der Wasserspiegel hier schwarz und nicht mehr grünschwarz. Die Aufgabe der Schüler würde darin bestehen, die Steigerung der Bedrohlichkeit der Sprache zu erfassen, die zum grausamen Höhepunkt im vierten Teil führt, in dem der jüngste Bub aufgrund eines erneuten Streiches seiner Brüder über Bord geht und ertrinkt. Hier ist es wichtig, dass die Schüler den sprachlichen Aufbau diese Höhepunktes realisieren, da dieser für die Spannung des Lesers verantwortlich ist.
Britting arbeitet hier mit einem parataktischem Satzbau, indem er neun kurze Sätze benutzt, die mit der Konjunktion „und“ verbunden werden, um die Hektik und die Atemlosigkeit dieses Augenblicks einzufangen. Nachdem die Endgültigkeit durch die zwei Worte „nie mehr“ am Ende dieser Satzreihe deutlich gemacht wird, herrscht erneut bedrohliche Stille, bevor die erneute Hektik der beiden Brüder auf dem Heimweg noch einmal durch eine parataktische Passage ausgedrückt wird.
Nach der Untersuchung der Parallelität zwischen sprachlichem Ausdruck und Inhalt, kann nun auf den Inhalt der Geschichte eingegangen werden. Zunächst würde ich danach fragen, warum keiner der Jungen versucht hat, seinen Bruder zu retten, um dann aufgrund der Möglichkeiten, die der Schluss bietet, die Aufgabe zu stellen, den Text zu Hause unter Berücksichtigung der eigenen Schuld weiterzuschreiben. Was erzählen die Brüder den Eltern? Wie reagieren die Eltern? Eine weitere interessante Aufgabe wäre, den Text aus Sicht des jüngsten Bruders weiterzuerzählen, der gar nicht gestorben ist und nur so getan hat, um den beiden älteren Brüdern einen Streich zu spielen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Text trotz seiner Kürze mannigfaltige Möglichkeiten bietet, ihn in der Schule zu behandeln, da sowohl anschaulich auf die sprachliche Ebene eingegangen werden kann als auch auf die inhaltliche, zu der die Schüler aufgrund des Alters der Protagonisten eine Beziehung aufbauen können. Auch bietet er aufgrund seines offenen Endes zahlreiche Möglichkeiten, Diskussionen über Schuld und Gewissen zu führen, die weit über die eigentliche Geschichte hinausgehen.
2.2.2. Günter Eich: „Züge im Nebel“
Die Kurzgeschichte „Züge im Nebel“ eignet sich in zweierlei Hinsicht als Fortsetzung für die zuvor behandelten Texte. Erstens steht sie unter chronologischen Gesichtspunkten in einer Reihe mit den zwei zuerst behandelten Erzählungen – „Saisonbeginn“ spielt zur Zeit des Nationalsozialismus vor dem Krieg, „Die Wölfe kommen zurück“ während des Krieges und „Züge im Nebel“ unmittelbar nach dem Krieg – und zweitens lassen sich an ihr wie in „Brudermord im Altwasser“ sprachliche Besonderheiten der Kurzgeschichte aufzeigen. Wird in Brittings Geschichte die Sprache quasi überhöht, so benutzt der Ich-Erzähler der vorliegenden Geschichte absichtlich die Umgangssprache, um seine Geschichte zu erzählen.
Ich würde die Schüler die Geschichte aufgrund ihrer Länge zu Hause lesen und Fragen zum Inhalt und damit zum besseren Verständnis des Inhalts in Stichworten beantworten lassen. Diese Fragen könnten lauten:
- Wer erzählt die Geschichte?
- Wem erzählt er sie?
- Wann spielt die Geschichte?
- Wo spielt sie?
- Welche Personen treten auf?
- Welches ist das wichtigste Ereignis?
- Was wird aus dem Erzähler der Geschichte?
Durch das Anwenden dieser zeitsparenden Methode bleibt während des Unterrichts mehr Zeit für die sicherlich nötige Diskussion des Textes auch vor dem Hintergrund von Verständnisproblemen der Schüler, denen die Problematik der materiellen Not der Nachkriegsjahre sicherlich fremd ist. Es könnten Zeitungsartikel aus der Nachkriegszeit herangezogen werden, um diese besondere Situation zu verdeutlichen.
Zunächst müssen also Verständnisfragen geklärt werden. Danach würde ich, da die inhaltlichen Zusammenhänge von den Schülern ja bereits in Eigenregie erarbeitet worden sind, in die Diskussion einsteigen, indem ich nach der Sprache und der Darstellungsweise fragen würde. Nachdem die Schüler hier also hoffentlich Beispiele für die mit der Notsituation korrespondierende Umgangssprache genannt haben, würde ich mich dem eigentlichen Inhalt der Geschichte zuwenden, um die von den Schülern geleistete Vorarbeit mit weiteren Fragen auszuweiten, wobei das Verhältnis der beiden Brüder im Vordergrund stehen würde.
Zuvor könnte man außerdem erneut auf die Struktur der Geschichte eingehen und sie in verschiedene Teile gliedern. Da dies jedoch in den vorherigen Texten bereits zweimal geschehen ist, würde ich es hier nicht noch einmal tun, da das Prinzip dieser Einteilungen bereits klar geworden sein sollte.
Das Verhältnis der beiden Brüder ist insofern interessant, als sie sich zufällig wiedertreffen, nachdem sie jahrelang getrennt waren. Emil Patoka war, ohne es zu wissen, seit frühester Kindheit das Vorbild von Gustav. Er repräsentierte für ihn das Gute. Diese Tatsache kehrt sich am Ende der Geschichte jedoch ins Gegenteil, da nun Gustav als Polizist das Gute repräsentiert und gerade deswegen zutiefst enttäuscht ist, als er seinen von ihm verehrten Bruder wiedertrifft, der inzwischen zu einem Dieb geworden ist und somit das Böse repräsentiert.
Um diesen Zwiespalt zu erkennen, würde ich die Schüler auffordern, Textstellen zu nennen, in denen das frühere Verhältnis der Brüder beschrieben wird, um sie dann mit Textstellen zum Verhältnis nach ihrem Wiedersehen zu vergleichen. Daran anschließen könnte die Frage nach den Umständen der damaligen Zeit. Ist Emils Verhalten vor diesem Hintergrund zu rechtfertigen? Die Antwort auf diese Frage, die gleichzeitig die Intention des Autors ist, lässt sich im letzten Absatz finden, der aufgrund von Emils Verzweiflung deutlich macht, dass eine Relativierung von Moral und Ehrlichkeit nach Meinung des Autors durch keine noch so dramatische Notsituation zu rechtfertigen ist. Es wäre interessant herauszufinden, welche Meinung die Schüler zu dieser Aussage haben.
Wenn von den Schülern bisher noch nicht auf den Nebel eingegangen worden ist, der sich als Grundmotiv durch den gesamten Text zieht, so könnte dies an dieser Stelle geschehen. Er symbolisiert sowohl das vermeintliche Verwischen von Recht und Unrecht als auch das am Ende der Geschichte getrübte Verhältnis der Brüder. Nichts scheint klar zu sein und doch macht der Autor im letzten Absatz seine klaren Moralvorstellungen deutlich. Der Nebel könnte also auch die Anstrengung darstellen, die nötig war, sich zu dieser sicherlich nicht von allen geteilten Moralvorstellung zu gelangen.
Als weiterführende Aufgaben könnten das Verfassen imaginärer Lebensläufe beider Brüder nach ihrer Begegnung zur Festigung des Verständnisses dieser Geschichte beitragen. Auch könnte ein Lebenslauf Emils vor ihrer Begegnung vor dem Hintergrund seiner Entscheidung Polizist zu werden in Betracht gezogen werden. Ein weiterer Denkanstoß könnte darin bestehen, die Schüler zu fragen, ob sie ihrem Bruder verzeihen würden, wenn sie herausfänden, dass er nicht nach den eigenen Moralvorstellungen handelte.
3. Fazit
Obwohl drei der vier Texte („Die Wölfe kommen zurück“, „Saisonbeginn“ und „Züge im Nebel“) an einen zeitlichen Kontext gebunden sind, was damit zusammenhängt, dass die Hochzeit der deutschen Kurzgeschichte in die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg fällt, so lassen sie sich meiner Meinung nach immer noch gut für den Deutschunterricht verwenden, da sie größtenteils allgemeingültige Wert- und Moralvorstellungen vermitteln, die auch heute noch Bestand haben. Um einen Text sprachlich zu untersuchen, ist es sowieso einigermaßen irrelevant wie alt er ist. Zumindest ist dies bei den behandelten Kurzgeschichten der Fall, die alle nach 1945 entstanden sind.
An allen vieren lassen sich mehr oder weniger gut die typischen Merkmale einer Kurzgeschichte aufzeigen, so dass die Schüler nach dem Ende dieser Unterrichtseinheit in der Lage sind, Kurzgeschichten als solche zu erkennen, was ihnen sicherlich auch bei der Interpretation von weiteren Kurzgeschichten hilft, mit denen sie in ihrer weiteren Schullaufbahn sicherlich zu tun haben werden.
Auch bieten eigentlich alle vier Erzählungen die Möglichkeit eigene Erfahrungen und Meinungen in das Unterrichtsgespräch einzubringen, was den Unterricht durch einen mehr oder weniger direkten Bezug der Schüler zum Geschehen in diesen Kurzgeschichten interessanter macht.
Ich denke, dass sich die Texte gut dazu eignen, sie zum Unterrichtsgegenstand in der 10. Klasse zu machen, da sie weder zu schwierig noch zu leicht sind, so dass an ihnen neben den Merkmalen für Kurzgeschichten auch der Zusammenhang zwischen Form, Sprache und Inhalt zum Ausdruck kommt. Das Erkennen dieser Beziehung ist beim Interpretieren von Texten unerlässlich.
Alles in allem könnte mit dieser Unterrichtseinheit also eine gute Grundlage für die Arbeit in der Oberstufe geschaffen werden, in der es in allen Fächern mehr und mehr auf interpretatorische Fähigkeiten ankommt.
4. Quellen
- Baurmann, Jürgen: Umgang mit Texten: Der didaktische Rahmen. In: Praxis Deutsch XIII, Velber, 1986. S.14-17
- Burger, Gerda: Methoden und Beispiele der Kurzgeschichteninterpretation. Hollfeld, 1977
- Doderer, Klaus: Die Kurzgeschichte in Deutschland. Darmstadt, 1972
- Hohensee, Kerstin; Korth-Seredszun, Elke: Kurzgeschichte und Impulsgebung. In: Deutschunterricht, Berlin 50, 1997. S.411-418
- Nentwig, Paul: Die moderne Kurzgeschichte im Unterricht. Aachen, 1990.
- Spinner, Kaspar, H.: Wie Schüler kurze Geschichten verstehen und was daraus zu folgern ist. In: Praxis Deutsch XIII, Velber, 1986. S.9-14
- Spinner, Kaspar, H.: Produktionsaufgaben zu Kurz- und Kürzestgeschichten. In: Praxis Deutsch XIII, Velber, 1986. S.55-59
- Spinner, Kaspar, H.: Was ist eine Kurzgeschichte?. In: Praxis Sprache XIII, Velber, 1986, S.63-68
- Thiemermann, Franz-Josef: Kurzgeschichten im Deutschunterricht. Bochum, 1971
- Ulrich, Winfried (Hrsg.): Arbeitstexte für den Unterricht. Deutsche Kurzgeschichten. Stuttgart, 1973
[...]
[1] vgl. Nentwig (1990:7)
[2] vgl. Nentwig (1990:8)
[3] Wolfdietrich Schnurre zitiert nach Nentwig (1990:9)
[4] Ruth J. Kilchenmann zitiert nach Ulrich (Hrsg.) (1973:4)
[5] vgl. Nentwig (1990:5f)
- Arbeit zitieren
- Oliver Buchholz (Autor:in), 2001, Planung einer Unterrichtseinheit zum Thema Kurzgeschichte in der Sek I, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107624
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