Inhalt
1 EINLEITUNG
2 IMPLIZITE PERSÖNLICHKEITSTHEORIEN
2.1 Definition
2.2 Die Rolle in der Personenwahrnehmung
2.3 Vereinfachung der Wahrnehmung
2.4 Der Erfahrungsschatz als Entstehungsgrundlage
3 STEREOTYPE ALS BESONDERE FORM EINER IMPLIZITEN PERSÖNLICHKEITSTHEORIE
4 STEREOTYP ALS AUSLÖSER EINER SICH-SELBST-ERFÜLLENDEN PROPHEZEIUNG
5 SCHLUSSBEMERKUNG
6 LITERATURVERZEICHNIS
1 Einleitung
Diese Hausarbeit entstand im Rahmen der Veranstaltung Grundseminar zu Fragen der Erziehung und Sozialisation: Einführung in ausgewählte Themen der Sozialpsychologie. Zusätzlich hielt ich am 19.11.2002 eine Moderation während des Seminars zu dem Thema dieser Hausarbeit.
Ich habe das Thema ,,Implizite Persönlichkeitstheorien: Die Rolle von Erwartungen in der Personenwahrnehmung" gewählt. Zunächst hatte ich keine Ahnung, was mich bei diesem Thema erwartet. die Begriffe Persönlichkeitstheorien und Personenwahrnehmung sprachen mich an, und waren der Auslöser für meine Wahl. Angenehm überrascht war ich, als ich herausfand, dass diese beiden Begriffe für mein Thema von besonderer Bedeutung sind.
Die drei Abschnitte dieser Arbeit sind implizite Persönlichkeitstheorien, Stereotype als besondere Form des ersteren und als Folge daraus die sich-selbst-erfüllende Prophezeiung. Ich versuche ein möglichst umfassendes Bild dieser drei Unterthemen darzustellen. Dabei werde ich jedoch nicht auf alle Versuche und Experimente eingehen können, die in Zusammenhang mit diesen Themen durchgeführt wurden.
Diese Hausarbeit richtet sich vor allem an Studenten, die sich für ausgewählte Themen der Sozialpsychologie interessieren. Sie soll als Anregung dienen, das eigene Verhalten zu überprüfen, aber auch Interesse wecken für die Sozialpsychologie als Ganzes.
2 Implizite Persönlichkeitstheorien
In diesem Abschnitt möchte ich den Fachbegriff erklären mit Hilfe von Definitionen. Die Auswirkungen auf die Personenwahrnehmung werde ich anhand einiger Beispiele beschreiben. Weiterhin möchte ich darauf eingehen, wie implizite Persönlichkeitstheorien entstehen. Die Entstehungsgeschichte dieses Begriffes lasse ich allerdings unberücksichtigt.
2.1 Definition
Der Begriff, das Thema dieser Hausarbeit, besteht aus mehreren Wörtern mit jeweils eigenen Bedeutungen. Ich möchte mich diesem Fachbegriff nähern, in dem ich zunächst die einzelnen Wörter definiere.
Implizit: Es ist eine Bezeichnung für etwas, das nicht ausdrücklich oder direkt feststellbar ist, das jedoch miteingeschlossen oder als vorhanden anzunehmen ist.
Persönlichkeit: (von persona, lat. Maske) Ganz allgemein ist es eine umfassende Beschreibung für die individuellen Eigenschaften und Merkmale eines Menschen. In den unterschiedlichen Persönlichkeitstheorien gibt es verschiedene Definitionsansätze.
Theorie: (aus dem Griechischen, Schau, Betrachtung) Dieses Wort steht für eine durch
Denkprozesse gewonnene Erkenntnis bzw. Erklärung von Zusammenhängen aus denen ggf. Gesetze abgeleitet werden können. Voraussetzungen sind Hypothesen, die verifiziert und systematisiert werden können.
Hieraus abgeleitet kann man also sagen, dass eine implizite Persönlichkeitstheorie
Zusammenhänge von menschlichen Merkmalen erklärt, die nicht ausdrücklich feststellbar sind.
Ein Vergleich mit Definitionen aus Fachbüchern ergibt, dass diese einfache Aussage einen Teil dessen, was sich hinter diesem Fachbegriff verbirgt, beschreibt.
Implizite Persönlichkeitstheorien:
1. ,,Von BRUNER eingeführte, von Cronbach systematisierte Bezeichnung für das ungewollte Zurückgreifen auf vorgefasste Meinungen über die Bedeutung und den Zusammenhang von Persönlichkeitsmerkmalen bzw. -eigenschaften bei der Beurteilung von Mitmenschen. Dadurch entsteht ggf. eine Tendenz zur Verfälschung bzw. mangelnden Berücksichtigung differenzierter Beurteilungsgesichtspunkte."(W.D. Fröhlich, 2000)
oder
2. ,,Der Begriff stammt von CRONBACH (1955) und bezeichnet das interdependente System der Erwartungen (,,Theorien"), die jeder Beobachter über typische Kombinationen von Persönlichkeitseigenschaften anderer Personen entwickelt." (Fischer und Wiswede, 2002)
Ich möchte noch einmal herausstellen, dass jeder Mensch implizite Persönlichkeitstheorien besitzt und benutzt. Wie in 1. angedeutet, stellen unsere Theorien und die dazugehörigen
Erwartungen jedoch nicht immer die Wahrheit dar, und verleiten oft auch zu Fehlurteilen über andere Menschen. Wir versuchen Verhaltensweisen vorherzusagen mit Hilfe der Beziehungen von menschlichen Eigenschaften, die jeder einzelne für richtig ansieht, solange sie ihm nicht widerlegt werden.
Unter dem Punkt 2.4 werde ich zeigen, dass jeder Mensch andere Theorien besitzt, und dass diese auch veränderlich sind. Wir können also nicht immer davon ausgehen, dass unsere Erwartungen bezüglich einer Person auch wirklich zutreffen.
2.2 Die Rolle in der Personenwahrnehmung
Implizite Persönlichkeitstheorien haben einen großen Einfluss auf die Personenwahrnehmung und werden auf der anderen Seite auch wieder von dieser beeinflusst. Trifft man auf eine Person, so nimmt man sie natürlich zuerst einmal wahr, jedoch ist der Teil dessen, was aufgenommen wird eher gering und wird zusätzlich durch die eigene implizite Persönlichkeitstheorie beeinflusst.
Die Fähigkeit andere Menschen richtig wahrzunehmen ist sehr wichtig für uns. Probleme bei der Personenwahrnehmung führen schnell zu unpassender Kommunikation, die verwirrend auf andere wirkt. Dieses kann schließlich zur sozialen Isolation führen. Es muss aber nicht so weit kommen, denn wir sind alle in der Lage Personen wahrzunehmen und zu beurteilen. Jede soziale Begegnung hinterlässt einen bestimmten Eindruck von einer Person aufgrund dessen wir uns ein Urteil bilden oder sogar Vorhersagen über zukünftiges Verhalten treffen.
Die Schwierigkeit in der Personenwahrnehmung liegt darin, dass sie auf dem Erschließen von verborgenen Eigenschaften beruht. Im Gegensatz dazu bezieht sich die Objektwahrnehmung auf Oberflächlichkeiten, die leichter zu bezeichnen sind. Wenn ich jemanden treffe, fällt es mir nicht schwer, sein Aussehen zu beschreiben. Das geht in ein paar Minuten. Um seinen Charakter darzustellen brauche ich ein wenig mehr Zeit.
Wie eine Person wahrgenommen wird hängt vor allem von der Situation ab. Dabei spielt die eigene Gefühlslage eine große Rolle, sowie die Handlung der beobachteten Person und die Erwartungen an diese Person. Seymour und Norma Feshbach stellten 1963 in einem Versuch fest, das Menschen unter dem Einfluss von Angst oder Bedrohung die anhand von Fotos zu beurteilenden Männer und Jungen auch eher als unglücklich , böse, oder sogar böswillig einschätzten. Sie übertrugen also ihre eigene Gefühlslage auf das Gegenüber.
Es handelt sich um eine stimmungsinduzierte Wahrnehmungsverzerrung.
Erwartungen als Teil einer impliziten Persönlichkeitstheorie können auch Wahrnehmungsverzerrungen verursachen. Wird man einer Person vorgestellt, die als sehr freundlich und unterhaltsam beschrieben wurde, dann wird man in dem Gespräch auf Dinge achten, die diese Beschreibung unterstützen. Aussprüche und Handlungen der Person bleiben oft unberücksichtigt, wenn sie die diesen Erwartungen widersprechen.
Rückschlüsse von einer Tatsache oder Handlung auf wahrscheinliche Eigenschaften entstehen oft auch oft im Zusammenhang mit dem Aussehen und Auftreten einer Person.
Da ich für einige Zeit bei einer Bank gearbeitet habe, war ich in der Lage ein Beispiel hiefür zu beobachten. Die Kunden bevorzugten in der Regel einen Berater, der sich gut kleidete, also einen Anzug trug, wenn es ihnen um ernste Angelegenheiten ging, und sie die zur Wahl stehenden Berater persönlich nicht kannten. Sie schlossen von der guten Kleidung auf einen kompetenten Berater. Obwohl die Kleidung ja an sich gar nichts über die Qualifikation des Mitarbeiters aussagt.
Bestätigung für meine Beobachtung bekam ich von einem Ausbilder bei der Bank, der Farb- und Stilberatungsseminare für die Mitarbeiter organisierte, mit der Begründung, dass gepflegtes Auftreten und gute Kleidung von einem Bankangestellten erwartet würden.
2.3 Vereinfachung der Wahrnehmung
Unsere Wahrnehmung ist beschränkt durch unsere kognitiven Kapazitäten. Somit können wir gar nicht alle Einzelheiten einer Person wahrnehmen. Die Auswahl der Eigenschaften, die zur Urteilsbildung herangezogen werden, wird wesentlich durch unsere impliziten Persönlichkeitstheorien bestimmt. Um die Wahrnehmung zu vereinfachen bilden sich fixe Kategorien, nach denen wir Menschen einzuordnen versuchen. In der kognitiven Psychologie wird dies bestätigt, als ein Prozess ständiger Bildung von Schemata der menschlichen Umwelt.
Mehrere Merkmale werden einer Kategorie zugeordnet, das bedeutet sie stehen in enger Beziehung zueinander. Jemand der ein sehr höfliches Verhalten zeigt, wird oft auch gleichzeitig als freundlich und charmant bezeichnet. Diese drei Eigenschaften stehen also in enger Beziehung zueinander. Eine Art ,,psychologischen Landkarte" (vgl. Forgas, 1999, S. 41) veranschaulicht den Zusammenhang dieser Merkmalsbeziehungen.
Rosenberg, Nelson und Vivekananthan analysierten die impliziten Persönlichkeitstheorien von Universitätsstudenten und entwarfen diese Graphik:
(Graphik aus einem Buch von Fischer und Wiswede)
Die Merkmale in dieser Darstellung sind an Achsen ausgerichtet, die bestimmte Dimensionen beschreiben wie gut -schlecht, oder stark -schwach. Das unterstreicht die Einordnung von Menschen in Kategorien. Wir versuchen zum Beispiel einzuschätzen wie stark oder wie schwach unser Gegenüber ist.
Dabei bewerten wir nur selten mit dem Extremwert stark sondern entwickeln unterschiedliche Stufen von stark, um auszudrücken ,,wie viel" die Person von dieser Eigenschaft besitzt.
Bond und Forgas untersuchten 1984 die Wahrnehmungsurteile von Chinesen und Australiern aus Hongkong. Sie ste llten eine universelle Rolle der Dimensionen: Extraversion, Freundlichkeit, Gewissenhaftigkeit und emotionale Stabilität in den impliziten Persönlichkeitstheorien fest. Jedoch besitzen diese Persönlichkeitsmerkmale einen unterschiedlichen Wert in den Kulturen (vgl. Forgas 1999, S. 44). Die Vermutung liegt nahe, dass Menschen des gleichen Kulturkreises ähnliche Kategorien zur Beurteilung von Menschen heranziehen.
2.4 Der Erfahrungsschatz als Entstehungsgrundlage
Wenn wir eine Person beurteilen sollen, die uns gut bekannt ist, dann fällt das Ergebnis genauer aus, als bei einem Unbekannten. Das liegt wohl vor allem daran, dass wir über mehr Erfahrungen mit dem vertrauten Menschen verfügen.
Diese Erfahrungen begründen aber nicht unbedingt nur auf dem eigenen Erleben. Dinge, die uns über unseren Bekannten erzählt wurden, gehören genauso zu unserem Wissen über diese Person.
Unser Erfahrungsschatz wird von jüngster Kindheit an geprägt. Im Laufe der Sozialisation eignen wir uns Schemata und implizites Wissen über unsere Mitmenschen an. Das kulturelle Umfeld, die Familie und Freunde beeinflussen uns bei der Erfahrungsbildung.
In diesem Zusammenhang treten auch oft Aussprüche auf wie ,,Das habe ich ja schon immer gesagt/gewusst!". Menschen neigen dazu ihre Wissensstrukturen und Vorstellungen durch solche Äußerungen zu bestätigen. Nach Bierhoff(2002, S.99) deutet dies auf die Tendenz hin, neue Ereignisse auf der Grundlage von den angeeigneten Schemata und Erwartungen zu interpretieren.
Da jeder Mensch unterschiedliche Erfahrungen macht, sehen auch die impliziten Persönlichkeitstheorien anders aus. Wenn wir versuchen uns anhand von Merkmalen ein Bild über eine Person zu machen, dann füllen wir die Wissenslücken mit unseren Erfahrungen und den daraus abgeleiteten Erwartungen. Es ist ja gar nicht möglich, alles über einen Mitmenschen zu wissen. Woran sollen wir dann aber unser Verhalten gegenüber anderen ausrichten? Wir orientieren uns natürlich an dem gespeicherten Wissen von ähnlichen Situationen, die wir entweder selbst erlebt haben oder von denen uns mitgeteilt wurde.
Um der eigenen impliziten Persönlichkeitstheorie auf die Spur zu kommen, ist es hilfreich sich einige Urteile über Mitmenschen vor Augen zu führen. Je häufiger zwei Merkmale bei Beschreibung von Personen auftreten, um so enger sind sie miteinander verbunden. Auch wenn man einen Blick auf die Merkmale selbst wirft, ist es schnell zu erkennen, dass wir nach bestimmten Merkmalen urteilen.
Eine Untersuchung von Rosenberg und Jones im Jahre 1972 ( siehe Forgas, 1999, S. 41) über den amerikanischen Schriftsteller Theodor Dreiser zeigte dessen Menschenbild anhand des von ihm verfassten Romans ,, A Gallery of Women". Mit Hilfe einer bestimmten Technik errechneten sie die Häufigkeit des gemeinsamen Vorkommens von Adjektiven bei Personenbeschreibungen. Die Assoziation der Wörter wurde ermittelt. Diese Analyse ergab, dass Dreiser Menschen entlang zweier Dimensionen unterschied: männlich (hart) - weiblich (weich) und passt sich an - passt sich nicht an.
Die Einbeziehung von Dreiers Lebensgeschichte ergab, dass seine Beziehung zu Frauen und der Kampf gegen Konformität sein Leben bestimmten.
Seine Erfahrungen sind also die Grundlage seiner impliziten Persönlichkeitstheorie. Im Laufe des Lebens sammelt der Mensch viele unterschiedliche Erfahrungen. Diese führen dazu, dass sich auch das Menschenbild verändert. Eine neue Erfahrung wirkt sich also auf die impliziten Persönlichkeitstheorien aus. Durch Begegnungen mit anderen Menschen lassen sich Vorurteile abbauen. Neue Beziehungen von Merkmalen werden geknüpft. So wie wir uns entwickeln, entwickeln sich auch unsere impliziten Persönlichkeitstheorien.
3 Stereotype als besondere Form einer impliziten Persönlichkeitstheorie
Eine wic htige Rolle nehmen Typen insbesondere Stereotypen bei der Betrachtung von impliziten Persönlichkeitstheorien ein. In diesem Bereich wurde viel geforscht und entdeckt.
Ich möchte darstellen, warum sie so besonders sind und welche Auswirkungen sie im Alltag haben.
Dieses Bild zeigt zwei Menschen und ihre Gedanken über den anderen. Auffällig ist dabei, dass keiner der beiden etwas über das, was er sehen kann urteilt, sondern nur an Merkmale denkt, die nicht offensichtlich sind. Das heißt also, sie greifen auf ihre impliziten Persönlichkeitstheorien zurück, von denen wir wissen, dass sie auf Erfahrungen beruhen. Die Meinung der beiden über den anderen muss nicht unbedingt die Realität widerspiegeln.
Interessant ist das Aussehen der beiden Figuren. In Verbindung mit den beschriebenen Merkmalen ergibt sich für beide ein ganzes Merkmalbündel. Durch diese Häufung von Eigenschaften stellen beide einen bestimmten Typ dar.
Wenn dieser Typ weithin als anerkannt gilt, dann handelt es sich um einen Stereotyp. Dieser umfasst mehrere Merkmale, die auf eine größere menschliche Gruppe bezogen werden und von anderen Mitmenschen geteilt werden.
Ich habe vorher schon einmal das Vorurteil erwähnt. Der Stereotyp ist eine komplexe Form des Vorurteils. Das Vorurteil steht für eine Einstellung gegenüber bestimmten Personen, wogegen der Stereotyp eher eine Überzeugung darstellt.
Im Wörterbuch der Psychologie( W.D: Fröhlich, 2000, S. 418) wird dieser Begriff W. LIPPMANN zugeschrieben, der in seiner Schrift ,,Public opinion" von 1922 den Stereotyp als ,,Tendenz , das Denken über andere Menschen und Gruppen so ökonomisch wie möglich zu halten" bezeichnet.
Dies ist ein Hinweis darauf, das die Einteilung in Menschentypen unsere Wahrnehmung vereinfacht. Aber auch unsere Kommunikation wird durch die Verwendung von Typen erleichtert. Wenn ich über einen Punk spreche, dann existiert ein bestimmtes Bild das mit dieser Person verbunden ist. Die rechte Figur in meiner Skizze entspricht äußerlich diesem Typ und auch seine Ansichten über das Gegenüber sind typisch für einen Punk. Ich kann also einfach über einen Typ sprechen und mir weitere Einzelheiten seiner Person ersparen mit der Gewissheit, dass jeder weiß wovon ich rede.
Das Gegenteil von Stereotypen besteht darin, die einzelne Person und ihre spezifischen
Merkmal zu würdigen. Das heißt also, wenn ich jemanden beurteile, dann greife ich entweder auf einen Stereotyp zurück oder ich beschreibe seine Einzelinformationen.
Empirische Untersuchungen zeigen, dass Stereotype im normalen Alltagsleben eine nicht so große Bedeutung haben (vgl. Bierhoff, 2002, S.96). Unter normalen Standardvoraussetzungen wird eher die Einzelinformation einer Person gewertet.
Wie kommt es aber, dass uns gewisse Stereotypen bekannt sind, und unter welchen Umständen kommen sie zur Anwendung?
Stereotype werden gelernt, und das schon von frühester Kindheit an. Kindergarten- und Schulkindern sind bereits alle gängigen Vorurteile gegenüber Ausländern bekannt. Ein Stereotyp wird durch Kommunikation verbreitet. Die automatische Bereitstellung kultureller Gegebenheiten, wie Stereotypen über verschiedene Personengruppen, lassen sich kaum vermeiden. Wir kennen Stereotypen über ethnische Gruppen, Berufsgruppen, Altersgruppen usw. Sie sind ein Teil unserer impliziten Persönlichkeitstheorien.
Spezielle Bedingungen, die das Auftreten automatischer Prozesse begünstigen, lassen uns auf Stereotypen zurückgreifen. Wenn also unsere kognitiven Kapazitäten schon zu einem großen Teil in Anspruch genommen sind, dann bleibt nicht mehr viel übrig, um sich noch auf eine Person mit all ihren Einzelheit zu konzentrieren. Ein Beispiel wäre, wenn wir mit einer Aufgabe beschäftigt sind und wir werden angesprochen. Dann fällt es uns schwer sich auf diese Person einzulassen. Nachher werden wir sagen das uns so ein ,,Typ", z.B. ein ,,Rentner", genervt hätte.
Ein weiteres Problem von Stereotypen liegt in der selektiven Wahrnehmung. Wir nehmen bestätigende Eigenschaften eher wahr als andere. Das ist wohl ein Grund dafür, dass gewisse Stereotype nie aussterben.
Nach Bierhoff (2002, S. 102) gibt es zwei Verarbeitungsschritte des Stereotypes:
1. Aktivierung: äußere Erscheinung einer Person/Gruppe oder Ausspruch
2. Anwendung: auf die konkrete Person/Gruppe
Der erste Schritt ist unvermeidbar. Ein Stereotyp aktiviert automatisch eine bestimmte
Erwartungshaltung. Willentlich lässt sich das nicht vermeiden. Durch unseren Willen können wir je doch unser Verhalten beeinflussen. Wenn wir zum Beispiel einen Stereotyp bewusst umstellen und somit eine Gegenposition beziehen. Oder wie Bierhoff (2002, S.103 bis 104) sagt: ,,Wenn jemand von Vorurteilsfreiheit und Gerechtigkeit überzeugt ist, wird er oder sie die Anwendung des Stereotyps vermeiden, so dass das Verhalten vorurteilsfrei ist."
Die Klassifizierung, die Stereotypen zugrunde liegt, ist bei näherer, intensiver Beschäftigung mit einer Person nur schwer aufrecht zu erhalten. Niemand mag es gerne, wenn er in eine Schublade gesteckt wird.
Wir treffen nur selten auf Menschen, von denen wir sagen, sie seien der typische Ausländer, Student oder Lehrer usw. Solche Menschen verkörpern einen Prototypen, also jemand, der in reinster Form alle Merkmale eines Stereotyps oder Typs erfüllt.
4 Stereotyp als Auslöser einer sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung
Ein Stereotyp geht einher mit einer bestimmten Erwartungshaltung. Die sich-selbst-erfüllende Prophezeiung ist eine Folge dieser Erwartungshaltung. In diesem letzten Abschnitt möchte ich den Prozess der sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung verdeutlichen mit Hilfe einiger Beispiele. Viele alltägliche Vorgänge lassen sich mit dem Wissen über diesen Prozess erklären.
Der Begriff sich-selbst-erfüllende Prophezeiung, oder auch self-fullfilling prophecy , wurde 1957 von MERTON geprägt. In diesem Zusammenhang sieht er "Prozesse der Bestätigung von Erwartungen, wenn das was man für wahrscheinlich hält, auch eintritt." (Bierhoff, 1998, S. 198)
Jeder der etwas erwartet, wie zum Beispiel ein bestimmtes Verhalten einer Person, hofft darauf, dass es wie erwartet eintritt. Das eigene Handeln wird diese Erwartung unterstreichen und beeinflußt das Verhalten der Zielperson. Tritt das erwartete Ereignis ein, so bekommt die Erwartung eine Bestätigung. Die Erfüllung der Erwartungsbestätigung wird durch die Erwartung selbst bedingt.
Andere Begriffe für Erwartungsbestätigung, die in der Fachliteratur gebraucht werden, sind Verhaltensbestätigung und Pymaglion-Effekt.
Wie kommt es nun zu diesen Erwartungen, die sich selbst bestätigen?
Erwartungen, die sich auf zukünftiges Verhalten einer Person beziehen, entspringen unseren impliziten Persönlichkeitstheorien. Dabei haben wir festgestellt, dass unsere Theorien korrekt wie auch inkorrekt sein können. Die inkorrekten entstehen durch verzerrte Wahrnehmung. Sich-selbst-erfüllende Prophezeiungen beruhen auf falsch wahrgenommenen Situationen und führen dazu, dass die nicht zutreffende Erwartung trotzdem eintritt. Eine verzerrte Wahrnehmung ist zum Beispiel die Aktivierung eines Stereotyps. Wir haben die Person nicht in ihren Einzelheiten zu erkennen versucht, sondern haben eine Klassifizierung vorgenommen, welche die Person nicht zutreffend beschreibt. Aufgrund dessen wird eine falsche Erwartung ausgelöst, die unser Verhalten beeinflußt.
Der Kreis schließt sich, wenn man bedenkt, dass Erwartungen, also unsere impliziten Persönlichkeitstheorien, die Wahrnehmung und Interpretation einer Situation bestimmen.
Viele ausführliche Untersuchungen dieses Zusammenhangs beschäftigen sich mit der Leistungserwartung von Lehrern gegenüber Schülern. Ich möchte an dieser Stelle ein anderes Beispiel erwähnen bei dem es um den Stereotyp Attraktivität handelt. Attraktive Menschen werden oft als offener und gesprächiger angesehen als nicht so sehr attraktive.
Snyder, Tanke & Berscheid haben 1977 einen Versuch durchgeführt in Bezug auf diesen Stereotyp (aus Bierhoff, 1998, S.203 ff.)
Eine Gruppe von Männer bekam bei diesem Experiment das Foto von einer physisch attraktiven Frau gezeigt mit dem Hinweis, dass sie ein Telefongespräch mit dieser fremden Frau führen werden. Eine andere Gruppe sah das Bild einer unattraktiven Frau. Die 10minütigen Telefongespräche wurden aufgezeichnet. Die Frauen am anderen Ende der Leitung wußten nichts von dem Foto und die Männer konnten nicht erkennen, dass ihre Gesprächspartnerin nicht die fotografierte Person war.
Die Stimmen des Mannes und der Frau wurden auf verschiedenen Tonspuren aufgezeichnet und später getrennt analysiert. Bei der Auswertung fiel auf, dass die Männer, die glaubten mit der attraktiven Frau zu sprechen, sich im Gespräch interessierter, extravertierter, humorvoller und sozial gewandter zeigten als die Männer der anderen Gruppe. Weiterhin zeigten die Frauen bei den Gesprächen unterschiedliches Verhalten. Die Frauen, die mit Männern sprachen die sie für attraktiv hielten, wurden von neutralen Beurteilern ihrer Tonspur als anregender, persönlicher und zufriedener angesehen. Das Verhalten dieser Frauen ist eine Erwartungsbestätigung zu dem Stereotyp Attraktivität, der bei den Männern ausgelöst wurde.
Es ist offensichtlich, dass die Männer von einer falschen Erwartung geführt wurden. Sie handelten so, als ob ihre Erwartung richtig wäre. Durch dieses Verhalten, lösten sie bei den Frauen ein entsprechendes Gegenverhalten aus. Die Erwartung der Männer wurde durch das Verhalten der Gesprächspartnerin bestätigt. Die Frauen wurden für attraktiver gehalten und fühlten sie sich auch attraktiver als zuvor.
Personen, die einer Erwartung entsprechend reagieren, ändern unter Umständen ihr Selbstkonzept. Das heißt ihr Selbstbildnis wird durch die soziale Interaktion gesteuert. Beispiele dafür sind: Kinder, denen gesagt wurde, sie seien sauber und ordentlich, warfen weniger Müll weg. Das fanden 1975 Miller, Brickmann & Bolen heraus. Weiterhin bestätigten Grusec, Kuczyniski, Rushton & Simutis 1978, dass, Kinder sich altruistischer verhielten, sobald sie darauf aufmerksam gemacht wurden, dass Helfen Spaß mache. ( aus Bierhoff, 1998, S.201)
Diese Änderung des Selbstkonzepts beeinflußt nicht nur die aktuelle Situation sondern kann auch zukünftige Handlungen einer Person lenken.
Die Anwendung eines Labels, wie sauber, ordentlich oder hilfsbereit, auf eine Zielperson zeigt, welche Erwartung der Person entgegengebracht wird. Bei entsprechender Handlung bestätigt und verfestigt sich die Erwartung. Die Rolle des Erwartenden als Stimulusperson wird meist unterschätzt. Schließlich wurde das Verhalten nur durch den Erwartenden hervorgerufen. Seine Einschätzung und dazu das Label waren der Reiz für das bestätigende Verhalten.
Sich-selbst-erfüllende Prophezeiungen treten vor allem dann auf, wenn das erwartete Verhalten leicht zu beeinflussen ist. Bei sozialer Interaktion gibt es andere Faktoren, die das Verhalten der Personen mehr beeinflussen können als die Erwartungsbestätigung.
5 Schlussbemerkung
Meine Ausführungen zeigen, dass unser soziales Verhalten durch unsere impliziten Persönlichkeitstheorien geformt wird. Das macht sie so wichtig und interessant für unser soziales Leben. Das Problem dabei ist, dass diese beschriebenen Vorgänge unmerklich und unbewusst stattfinden. Nur durch Selbstrefflektion ist es möglich diesen Dingen auf die Spur zu kommen. Ich hoffe, dass ich mit dieser Arbeit den Leser angeregt habe, sich selbst einmal zu testen.
Wie ich auch gezeigt habe, sind unsere impliziten Persönlichkeitstheorien und das dadurch entstehende Verhalten kein starres Gefüge. Beides ist veränderlich. Erfahrungen zu sammeln durch eigenes Probieren oder den Austausch mit anderen ist eine gute Möglichkeit seine Persönlichkeitstheorien zu erweitern. Wir wissen jetzt, dass wir implizite Persönlichkeitstheorien besitzen und was es nützt oder schadet. Das Anwenden dieses Wissens bleibt dir, lieber Leser, überlassen.
6 Literaturverzeichnis
Folgende Quellen habe ich für diese Ausarbeitung benutzt:
Forgas, Joseph P. (1999). Soziale Interaktion und Kommunikation. Eine Einf ü hrung in die Sozialpsychologie. 4. Auflage Weinheim [u.a.]: Beltz Verlag, Psychologie Verlags Union
Fröhlich, Werner D. (2000). W ö rterbuch Psychologie. 23 . Auflage München: Deutscher Taschenbuch Verlag
Bierhoff, Hans-Werner (2002). Einf ü hrung in die Sozialpsychologie. Weinheim und Basel: Beltz Verlag, Beltz Studium
Fischer, Lorenz und Wiswede, Günther (2002). Grundlagen der Sozialpsychologie. München [u.a.]: Oldenbourg Verlag
- Quote paper
- Andrea Hermes (Author), 2002, Implizite Persönlichkeitstheorien - die Rolle von Erwartungen in der Personenwahrnehmung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107405
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