Inhalt
1. Die Krise der bürgerlichen Gesellschaft zwischen 1918 und 1923
1.1 Der „Kapp-Putsch“
1.2 Der „Hitler-Putsch“
2. Lieder der Arbeiterbewegung und deren Adaptionen durch die Nationalsozialisten
2.1 Den Toten des 9. November
2.2 Das Leunalied
3. Quellen
3.1 Propaganda, Versammlungen und Aufmärsche der Nationalsozialisten
3.2 Die Arbeitskämpfe in Mitteldeutschland 1921
3.3 Kapitalismus und Nationalsozialismus
Literatur
1. Die Krise der bürgerlichen Gesellschaft zwischen 1918 und 1923
Die Oktoberrevolution in Russland hatte die Arbeiterparteien in den westeuropäischen Län- dern enorm ermutigt, strukturelle Veränderungen der Gesellschaft in Angriff zu nehmen.1 Als sich Ende 1918 die durch den 1. Weltkrieg physisch völlig entkräfte Bevölkerung massen- weise erhob und sich in allen größeren Städten Arbeiter- und Soldatenräte bildeten, entstand auch in Deutschland kurzzeitig der Eindruck einer bevorstehenden Revolution. Zweifelsfrei „erreichte die sozialistische Bewegung nach Kriegsende einen Höhepunkt, [...] [etwa] durch die Ausrufung der Räterepublik in Ungarn und Bayern, die Fabrikbesetzungen in Italien und eine mächtige Streikbewegung in fast allen europäischen Ländern“.2 Den Linksparteien in Deutschland gelang es trotzdem nicht, nennenswerten Einfluss zu gewinnen. Die Mittel- schichten setzten ihr Vertrauen nach 1918 entweder weiterhin in die bürgerlichen Parteien oder wandten sich gleich denjenigen Gruppierungen zu, „die eine gewaltsame Niederwerfung der sozialistischen Arbeiterbewegung verlangten und nach 1918 wie Pilze aus dem Boden schossen“.3 Parallel dazu setzten nicht nur die alten Machteliten, also die Generale, Junker und Monopolkapitalisten alles daran, die Linke zu zerschlagen. Auch die Sozialdemokratie stellte sich der Arbeiterbewegung entgegen und begann, sie systematisch zu spalten. Die Dis- kussionen, die nach Kriegsende vor allem von Sozialdemokraten, der Obersten Heeresleitung und Vertretern der Großindustrie über eine Parlamentarisierung geführt wurden, drückten zu- erst das Bestreben aus, die Revolution abzuwürgen.4 Außerdem versprachen sich diese Interessengruppen durch die Präsentation einer Regierung auf parlamentarischer Grundlage bei den anstehenden Friedensverhandlungen in Versailles ein besseres Verhandlungsergebnis, denn die bis dahin amtierenden Machthaber stießen besonders beim damaligen Präsidenten der USA, Woodrow Wilson, auf Ablehnung.5 „Um die Krone zu retten, kamen auch über- zeugte Monarchisten zu dem Schluss, dass Wilhelm II. zurücktreten müsse. Dies war auch die Meinung Eberts [...]. ‘Wenn der Kaiser nicht abdankt, dann ist die soziale Revolution unver- meidlich’, sagte er zu Prinz Max von Baden [...]“.6 Wie sehr Ebert mit dem alten System noch verbunden war, beweist die Tatsache, dass er „u.a. die alten Ressortleiter, die kaiserlichen Staatssekretäre, im Amt beließ, und [...] sogleich ein ‘Bündnis’ mit der militärischen Führung [schloss]“.7 So verlief die „Novemberrevolution“ auch schnell in geordneten Bahnen, woran auch die Gewerkschaften einen entscheidenden Anteil hatten, denn bereits am 15. November 1918 schlossen sie mit den Arbeitgebern das Stinnes-Legien-Abkommen 8, eine Basisvereinba- rung, in der u.a. Soldaten (vorläufig!) der Anspruch auf ihren alten Arbeitsplatz und ein Acht- stundentag garantiert wurden.9 Wer Ende 1918 noch öffentlich für sozialistische Ziele demonstrierte, prallte unwillkürlich mit der Reichswehr oder Freikorps zusammen. Vor allem für Kommunisten konnten diese Begegnungen tödlich enden. Die prominentesten Opfer die- ser Politik waren die Führer des Spartakusbundes, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die im Januar 1919 in Berlin von Freikorps unter dem Oberbefehl des SPD-Abgeordneten Gustav Noske ermordet wurden. Letztlich ging übrigens zu keinem Zeitpunkt zwischen 1918 und 1933 eine wirkliche Gefahr im Sinne einer Revolution von der Linken aus.10
Alle eilig unternommenen Anstrengungen hinsichtlich der Schaffung einer neuen Staatsform sollten jedoch nicht ausreichen, um mit den Alliierten den erhofften „milden“ Frieden auszu- handeln. Der Versailler Friedensvertrag11 belastete Deutschland mit Gebietsabtretungen und hohen Reparationsforderungen, die von deutscher Seite so nicht erwartet worden waren.
Die Wirtschaftspolitik während der Kriegsjahre hatte die Mehrzahl der Angehörigen des Mit- telstandes, also kleine Industrielle, Kaufleute, Landwirte und selbständige Handwerker finan- ziell (vor allem durch Kriegsanleihen) ruiniert. Den Großindustriellen waren ihre Produktionsmittel und Auslandskonten geblieben, und diejenigen unter ihnen, die sich vor oder während des Krieges im großen Stil verschuldet hatten, profitierten sogar noch von der seit 1918 herrschenden Inflation. Es war unter anderem diese Konstellation, die den rechtsextremistischen Parteien und Gruppierungen die soziale Basis schuf und sie zum politi- schen Faktor anwachsen ließ. Neben den Kleineigentümern- und Unternehmern, die sich durch Monopolisten in ihrer Existenz bedroht und übervorteilt sahen, liefen auch Beamte und Angestellte der NSDAP in den 20er Jahren scharenweise zu. Letztere fühlten sich nicht nur materiell, sondern auch in ihrem Status bedroht, weil sich ihre Tätigkeiten und Lebensbedingungen, bedingt durch einen fortgeschrittenen wirtschaftlichen Konkurrenzkampf, kaum noch von denen der Arbeiter unterschieden. Diese Situation war mit dem Bewusstsein des Kleinbürgertums nicht vereinbar, hatte es sich doch stets geradezu krampfhaft von den Lohnabhängigen abzugrenzen versucht.12 Die NSDAP bot gerade den Mittelschichten „Lösungen“ an, obwohl sie sich ursprünglich als Arbeiterpartei verstand. Ihre Parolen waren gegen die dem Kleinbürgertum verhasste sozialistische Bewegung gerichtet, zugleich jedoch auch antimonopolistisch. Die Beibehaltung des Privateigentums wurde stets betont. Die Nationalsozialisten vertraten eine Gemeinschaftsideologie, die an einen extremen Nationalismus gekoppelt war, sie proklamierten Autorität und das Führerprinzip, ihre Organisation war von der Struktur her militärisch und sie boten vor allem Sündenböcke an, an denen ihre Mitglieder und Mitläufer ihre Aggressionen entladen konnten. Zwischen 1920 und 1923 wuchs die Anhängerschaft der NSDAP besonders in München kontinuierlich. Die na- tionalsozialistischen Versammlungen hatten einen eigentümlichen Charakter, der von Fahnen, Uniformen, Sprechchören, Militärmusik, Schlägereien, Alkoholsexzessen und hysterischen Hetzreden bestimmt wurde, in denen Juden und politisch anders Denkende auf die schlimmste Weise diffamiert wurden. Ummantelt wurden diese Inszenierungen mit der Ideologie des völ- kisch-nationalsozialistischen Irrationalismus, „der Ratio als Zeichen der Dekadenz verurteilt und den rasse- und blutgeprägten Übermenschen als notwendige Folge einer Entwicklung he- raufbeschwor, die zyklisch oder biologisch - also dem politischen Geschehen enthoben - ver- standen sein wollt“.. Klaus Mann beschreibt die Wirkung dieser Ideologie in seinem 1936 erschienen Roman Mephisto Roman einer Karriere einzigartig präzise.
Zu den gefragtesten nationalsozialistischen Agitatoren der 20er Jahre gehörte zweifelsfrei Adolf Hitler, der diese Splittergruppe innerhalb des völkisch-nationalen Spektrums13 zwischen 1930 und 1933 zu einer Massenpartei anwachsen ließ.
Die Nationalsozialisten sprachen oft von der „nationalen Revolution“, doch ihre Ideologie und ihre Einstellungen waren in Wirklichkeit nicht revolutionär, sondern strikt rückwärts ge- wandt.14 Im Kern zielten alle ihre Bemühungen darauf, die bestehenden gesellschaftlichen Machverhältnisse zu zementieren. Deshalb wurden sie von den Großindustriellen auch mit of- fenen Armen empfangen. Hugo Stinnes etwa wusste die Nationalsozialisten sehr zu schätzen und zeigte offene Vorfreude bei dem Gedanken an ihre Machtübernahme, denn
„von da ab wird die parlamentarische Regierung zu Ende sein [...]. Der Sozialismus wird nach diesen Erwartungen als eine politische Daseinsform in Deutschland für im- mer beseitigt und die Gesetze und Verordnungen, die die Produktion hindern und kei- nem nützlichen Zweck dienen, werden unverzüglich widerrufen werden [...]“.15
Die antikapitalistischen Akzente, die die Nationalsozialisten nicht nur pflegten, um in der Arbeiterschaft Einfluss zu gewinnen, sondern auch um den Mittelständen zu suggerieren, man stünde Seite an Seite im Kampf gegen die Bourgeoisie, klangen gar nicht erst an, wenn Hitler vor der Industrie sprach:
„Es bleibt daher nötig, derartige überlieferte Formen, die aufrecht erhalten bleiben sol- len, so zu begründen, dass sie als unbedingt notwendig, als logisch und richtig angese- hen werden können. Und da muss ich sagen: das Privateigentum ist nur dann moralisch und ethisch zu rechtfertigen, wenn ich annehme, dass die Leistungen der Menschen ver- schieden sind [...]. Dies zugegeben, ist jedoch Wahnsinn zu sagen: Auf wirtschaftlichem Gebiet sind unbedingt Wertunterschiede vorhanden, auf politischem Gebiet aber nicht! Es ist ein Widersinn, wirtschaftlich das Leben auf dem Gedanken der Leistung, des Per- sönlichkeitswertes, damit praktisch auf der Autorität der Persönlichkeit aufzubauen, po- litisch aber diese Autorität der Persönlichkeit zu leugnen und das Gesetz der größeren Zahl, die Demokratie an dessen Stelle zu schieben [...].Der politischen Demokratie ana- log ist auf wirtschaftlichem Gebiet aber der Kommunismus". Dagegen habe die NSDAP das Prinzip des neuen Führerstaates schon verwirklicht „[...] eine Organisation, erfüllt von eminentestem, nationalem Gefühl, aufgebaut auf dem Gedanken einer absoluten Autorität der Führung auf allen Gebieten, in allen Instanzen - die in sich nicht nur den internationalen, sondern auch den demokratischen Gedanken restlos überwunden hat, die in ihrer ganzen Organisation nur Verantwortlichkeit, Befehl und Gehorsam kennt und die damit zum erstenmal in das politische Leben Deutschlands eine Millionener- scheinung eingliedert, die nach dem Leistungsprinzip aufgebaut ist“.16
Dieser evidente Zusammenhang zwischen Nationalsozialismus und Kapitalismus, der in den Aussagen Hitlers ebenso wie in denen von Stinnes und anderen Vertretern der Rüstungs- und Großindustrie deutlich hervortritt, wird auch heute noch gerne unterschlagen, um das Märchen von der so genannten „Machtergreifung“ und von einer Gesellschaft, die sozusagen terroristisch von den Faschisten überrannt wurde, zu tradieren.17
Selbstverständlich fühlten sich Offiziere von dem autoritär-militaristischen Gesellschaftsmo- dell der Nationalsozialisten besonders angezogen. Beamte und Angestellte waren ebenfalls disponiert, sich einer solchen Ordnung zu unterwerfen, verliefen die Hierarchien, in denen sich ihr Arbeitsleben vollzog, doch strikt von oben nach unten, ihre Neigung beim starken Staat Schutz und Sicherheit zu suchen, entsprang außerdem ihrem realen Abhängigkeitsver- hältnis.
Die durch die wirtschaftliche Lage in ihrem Gewinnstreben beeinträchtigten Großgrundbe- sitzer und die Großindustriellen durften hoffen, durch ein autoritäres Regime freie Hand bei der Arbeitsorganisation und den Löhnen zu bekommen. Was konnte für sie verlockender sein, als die Arbeitsmaschinerie der Militärmaschinerie anzugleichen? Vielen Dauerarbeitslosen, die später in den Reichsarbeitsdiensten zu absolut ausbeuterischen Bedingungen zum Einsatz kamen, mag die nationalsozialistische Diktatur dennoch wie eine höhere Macht erschienen sein, die rettend in ihr Schicksal eingriff. Einzig die Arbeiterbewegung widerstand in den frü- hen 20er Jahren noch der nationalsozialistischen Agitation, was wohl daran lag, dass sie, im Gegensatz zu den übrigen gesellschaftlichen Gruppen, in Interessenverbänden und Parteien organisiert war, die eigene Vorstellungen von einer zukünftigen Gesellschaft entwickelt hat- ten. Spurlos ging die rassistisch-imperialistische Hetze der Nazis an ihr freilich auch nicht vorüber, immerhin gehörten der NSDAP bis 1930 8,5% Mitglieder aus der Arbeiterschaft an, gewählt wurde sie gewiss von noch mehr Arbeitern.18 Letztlich erwies sich die Linke in Deutschland, sieht man von dem Generalstreik anlässlich des „Kapp-Putsches“ 1920 ab, als unfähig, dem Nationalsozialismus mit wirkungsvollem Widerstand zu begegnen.
1.1 Der „ Kapp-Putsch “
Wolfgang Kapp und Erich Ludendorff stammten aus völkisch-nationalen Zirkeln und betätig- ten sich in Freikorps, die von der Regierung hauptsächlich dazu eingesetzt wurden, gegen Kommunisten und Sozialisten vorzugehen. „Die Freikorps waren bunt zusammengewürfelt: Neben Berufssoldaten reihten sich Schüler und Studenten ein, die Abenteuer suchten oder aus Idealismus der Aufforderung zum Schutz der Heimat folgten. Aber auch asozialen Raufbolden und ausgeprägten Landsknechtnaturen passte das ungebundene und halb gesetzlose Leben der Korps. Manche lockte hauptsächlich die gute Verpflegung und der hohe Sold, denn Arbeitsplätze waren damals äußerst rar“.19 Mit diesen Söldnertruppen (von denen es bis zu 150 gab) schuf sich die Regierung ein eigenes, massives Problem: Spätestens ab 1920 repräsentierten sie eine antidemokratische und militärische Opposition mit fa- schistoidem Charakter.20 Den Versuch der amtierenden Regierung, auf der Grundlage des Friedensvertrags von Versailles (der auch eine drastische Reduzierung des Heeres vorsah) ein solches Freikorp, die Marinebrigade Erhard, aufzulösen, nutzten Kapp und Ludendorff, um bei dieser Truppe die entsprechende Stimmung auszulösen: Ende März 1920 „marschierte die Brigade Erhard mit Hakenkreuzen an den Stahlhelmen, mit wehenden schwarz-weiß-roten Fahnen und klingendem Spiel durch das Brandenburger Tor ein“.21 Die Regierung floh aus Berlin. Doch Ludendorff und Kapp trafen auf breiten Widerstand in der Bevölkerung, der sich durch einen Generalstreik ausdrückte. Nach wenigen Tagen flüchteten die Rechts-Nationalen ihrerseits aus Berlin. Ihr Umsturzversuch war misslungen, weil ihr Gefolge noch nicht groß genug war.
1.2 Der „ Hitler-Putsch “
In den Krisenjahren 1923/24 konnte die NSDAP vor allem in Bayern schon auf eine so große Anhängerschaft blicken, dass Hitler im November 1923 glaubte, putschen zu können. Doch dieser Versuch, die Macht an sich zu reißen, mißlang nicht nur, weil er vollständig unkoordi- niert verlief, sondern vor allem deshalb, weil die völkischen Gruppen nicht an einem Strang zogen. Hitler wurde innerhalb dieser Zirkel allenfalls als begabter Agitator gesehen, die Füh- rerschaft reklamierten allerdings andere für sich. Diese Situation innerhalb des ultrarechten Spektrums und die von der Regierung vorbereitete Währungsreform, die über den Nationalso- zialisten wie ein Damoklesschwert schwebte, drängten Hitler zu seinem Umsturzversuch. Er wusste sehr genau, dass eine Konjunkturperiode die NSDAP zunächst wieder auf das Niveau einer kleinen Sekte zurückführen würde.
Regiert wurde Bayern 1923 von Gustav Ritter von Kahr, einem antisemitischen Anhänger der Monarchie, der Bayern zur „Ordnungszelle des Reiches“ ausgestalten wollte. Auch Kahr, der sich selbst zum Diktator Bayerns ernannt hatte, angeblich, um die Gefahr eines sozialistischen Umsturzes zu verhindern, hatte einen rechts-nationalen Putsch geplant, der das ganze Reich betreffen sollte. Doch er hatte im November 1923 von diesem Vorhaben schon wieder Abstand genommen, weil ihm der Oberbefehlshaber der Reichswehr, Seeckt, klar gemacht hatte, dass er ein solches Vorgehen mit seinen Truppen verhindern würde.22
Am 8. November 1923 stürmte die SA den Bürgerbräukeller in München, in dem sich Völkisch-Nationale unter der Führung Kahrs versammelt hatte, der auf seine Anhänger beschwichtigend einreden wollte, um deren eigenmächtiges Losschlagen zu verhindern. Diese Gelegenheit nutze Hitler. Er ergriff, in der Hoffnung, Kahr und dessen Vertraute, in die „nationale Revolution“ hineinstoßen zu können, das Wort:
„Die nationale Revolution ist ausgebrochen. [...] Die bayrische Regierung ist abgesetzt. Die Reichsregierung ist abgesetzt. Eine provisorische Regierung wird gebildet. Die Kasernen der Reichswehr und Landespolizei sind besetzt. Reichswehr und Landespolizei rücken bereits unter Hakenkreuzfahnen heran“.23
Doch weder die Reichswehr noch die Landespolizei standen unter dem Kommando der Natio- nalsozialisten. Zwar konnte die NSDAP noch am 9.11.1923 eine Proklamation herausgeben, in der es hieß:
„Die Regierung der Novemberverbrecher in Berlin ist heute für abgesetzt erklärt worden. Eine provisorische Nationalregierung ist gebildet worden. Diese besteht aus: General Ludendorff, Adolf Hitler, General von Lossow, Oberst Seisser“.24
Am selben Tag erschien allerdings auch der Aufruf des Generalstaatskommissars v. Kahr:
„Trug und Wortbruch ehrgeiziger Gesellen haben aus einer Kundgebung für Deutschlands nationales Wiedererwachen eine Szene widerwärtiger Vergewaltigung gemacht. Die mir, dem General v. Lossow und dem Obersten v. Seißer mit vorgehaltener Pistole abgepressten Erklärungen sind null und nichtig.[...]“.25
Als in München am 9. November ein Zug der Anhänger der NSDAP die Feldherrnhalle er- reicht hatte, „da krachte es auch schon vorn um die Ecke; die Staatspolizei begann auf den Zug zu feuern; und binnen weniger Minuten flutete alles in wilder Flucht zurück“.26 16 Nationalsozialisten kamen bei dieser Demonstration, bei der Rechte auf Rechte schießen lie- ßen, ums Leben. Hitler konnte zunächst fliehen und wurde am 27.3.1924 vom Münchner Volksgericht wegen Hochverrats zu fünf Jahren Festungshaft, mit Bewährungsfrist nach sechs Monaten Haft, verurteilt.
Zusammenfassung:
Die nationalsozialistische Bewegung war im „Kern eine kleinbürgerliche Protestbewegung, die sich gegen die soziale Deklassierung der Mittelschichten, gegen Sozialismus als ver- meintliche Hauptgefahr und gegen die bürgerliche Demokratie als vermeintlichen Grund des Übels [richtete], vermittels ihrer Ideologie aber in der Lage [war], auch andere wenig politi- sierte, unzufriedene Sozialgruppen zu mobilisieren“.27 Die angespannte Wirtschaftslage, der Verlust der Hegemonialstellung in Europa, der in jähem Widerspruch zu dem bis dahin ge- predigten „Siegfrieden“ stand und der Zusammenbruch bisher gewohnter Sozialformen, Werte, Normen und Hierarchien wirkten auf die Massen in ungekanntem Maße desintegrativ. Dieses Moment der Desintegration bzw. einer allgemeinen geistigen und sozialen Entwurze- lung schuf den Nationalsozialisten die soziale Basis in den 20er Jahren. Sie pervertierten den Begriff der „Gemeinschaft“, indem sie soziale Gegensätze verschleierten und ihre Anhänger auf einen Kodex einschworen, der jeden als „volksfeindlich“ brandmarkte, der gegen die an- geblichen Interessen dieser Gemeinschaft verstieß. Das war das Instrument zur Aufrechter- haltung einer Klassengesellschaft, denn in Wirklichkeit wurden die Interessen der Herrschen- den als die der „Schicksalsgemeinschaft“ ausgegeben. Sie schufen deklassierten Existenzen durch eine „Ideologie“, die Wissen und Erkenntnis verachtete und an deren Stelle eine abst- ruse „Rassenlehre“ setze, die Voraussetzung, sich als Angehörige einer höheren Macht begreifen zu dürfen. Die nationalsozialistische Bewegung konnte sich zwischen 1929 und 1933 durchsetzen, als die herr-schende sozial ökonomische Krise Reproduktionsschwierigkeiten des Kapitalismus offenbarte, von de-nen die Oberklasse sich ernstlich gefährdet und schließlich dazu veranlaßt sah, sich durch Bereitstellung von Geld- mitteln und Propagandamöglichkeiten mit der nationalsozialistischen Bewegung zu verbünden. Als Gegenleistung „verabschiedeten“ sich die Faschisten von ihren antikapitalistischen Akzenten und ließen sich als Unterdrücker der Linken funktionalisieren.28 An die Stelle politisch-argumentativer Auseinandersetzung rückte eine Propagandatechnik, die prinzipiell wie Produktreklame funktionierte, worüber sich Hitler auch durchaus bewusst war: „Was würde man z.B. über ein Plakat sagen, das eine neue Seife anpreisen soll, dabei jedoch auch andere Seifen als ‘gut’ bezeichnet? [...] Genauso verhält es sich auch mit politi- scher Reklame.“29 Zu dieser politischen Reklame gehörten auch die Lieder der Nationalsozialisten, was ich an dem Lied Den Toten des 9. November 1923 nachweisen werde.
2. Lieder der Arbeiterbewegung und deren Adaptionen durch die Nationalsozialisten
2.1 Den Toten des 9. November 1923
Das Lied Den Toten des 9. November 1923 thematisiert den in Teil 1.2 dieser Arbeit skizzierten Putschversuch Hitlers.
Der Text lautet30:
Den Toten des 9. November 1923
1. In München sind viele gefallen, in München war’n viele dabei, es traf die Feldherrnhalle deutsche Helden das tödliche Blei.
2. Sie kämpften für Deutschlands Erwachen, in Glauben an Hitlers Mission, Marschierten mit Todesverachten in das Feuer der Reaktion!
3. In München sind viele gefallen für Ehre, für Freiheit und Brot Es traf vor der Feldherrnhalle sechzehn Männer der Märtyrertod!
4. Ihr Toten vom 9. November, ihr Toten, wir schwören es euch! Es leben noch vieltausend Kämpfer für das dritte, das großdeutsche Reich!
In diesem vierstrophigen Lied wird eine bildhafte Sprache verwendet, die fast ausschließlich an Substantive und Verben gebunden ist.31 Die sprachlichen Mittel werden nicht eingesetzt, um das Geschehen, das sich am 9. November 1923 in München abspielte, zu beschreiben, sondern um die so genannte "Kampfzeit" der Nationalsozialisten zu mythologisieren („ Hel- den “ , „ Mission “ , „ Todesverachten “ , „ Märtyrertod “) und um Stimmungen und Gefühle zu vermittelt. In Wirklichkeit war der Putschversuch ja ein Zeichen dafür, dass die extreme Rechte Anfang der zwanziger Jahre alles andere als geeint war (vgl. Teil 1 dieser Arbeit). Ei- gentlich war Hitlers Versuch, an die Macht zu kommen, von Beginn an zum Scheitern verur- teilt und im Ergebnis eine Niederlage. Doch die näheren Umstände des Geschehens waren den meisten Menschen in der Weimarer Republik verborgen geblieben. Dies war eine entscheidende Voraussetzung der Legenden- und Mythenbildung.32 „So begann die reliquienhafte Verehrung der ‘Blutfahne’ schon 1926, und nach der Machtergreifung erklärte Hitler den 9. November zum ‘Reichstrauertag der NSDAP’. Jedes Jahr versammelten sich nun Hitler und die ‘Alten Kämpfer’ am 8. und 9. November in München und marschierten vom Bürgerbräukeller zur Feldherrnhalle.“33 Bereits ab 1935 inszenierte die nationalsozialistische Regierung nach dem Vorbild der katholischen Frohnleichnamsprozession prunkvolle und symbolträchtige Feierlichkeiten, die von dem eigens dazu eingerichteten „Amt für den 8./9. November“ geleitet wurden. In diesem Zusammenhang fungierte das Lied Den Toten des 9. November 1923 als Erinnerung an „die alten Kämpfer“.34 Seine eigentliche Funktion erfüllte es allerdings vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, also noch in der Zeit der Weimarer Republik. Seine Wirkung verdankte es nicht nur den Elementen der Mystifizierung, sondern auch und gerade der Tatsache, dass es sich um die Umdichtung (durch Adolf Wagner) eines beliebten Arbeitervolksliedes („ Leunalied “) handelt. Dessen Text lautet:
Leunalied35
1. Bei Leuna sind viele gefallen, bei Leuna floß Arbeiterblut, da haben zwei Rotgardisten einander die Treue geschworen.
2. Sie schwuren einander die Treue, denn sie hatten einander so lieb, sollt einer von uns beiden fallen, schreibt der andre der Mutter’ nen Brief.
3. Da kam eine feindliche Kugel, die durchbohrte dem einen das Herz, für die Eltern da war es ein Kummer, für den "Stahlhelm" da war es ein Schmerz.36
4. Und als nun die Schlacht war zu Ende und sie kehrten zurück ins Quartier, da hat sich so vieles verändert, er nahm einen Bleistift und schrieb auf Papier.
5. Und er schrieb es mit zitternden Händen, er schrieb es mit tränendem Blick: "Euer Sohn ist vom "Stahlhelm" erschossen, liegt bei Leuna, kehrt nimmer zurück!"
6. O „Stahlhelm“, dir schwören wir Rache für vergossenes Arbeiterblut. Es kommen die Zeiten der Rache, dann bezahlt ihr’s mit eigenem Blut.
Diese Adaptionen wurden bewusst vorgenommen, denn die Nationalsozialisten wussten: „Je geringfügiger die Änderungen im Text waren, desto größer und verblüffender konnte oft die Wirkung sein.“37 Ein Aspekt bei diesem Vorgehen war die offene Provokation:
„An einem Sonntag des Jahres 1930 führte unser Sturm mit noch anderen Stürmen einen Propagandamarsch durch den roten Berliner Norden durch. Zu unserem eisernen Bestand an taktfesten SA-Liedern zählte natürlich das Revolutionslied (auch ‘Hitlernationale’ genannt). Kaum schallten die ersten Töne dieser vermeintlichen Internationale machtvoll die Straßen entlang und die Häuserreihen hinauf, als sich im Nu die Fenster öffneten und die Hausbewohner sich anschickten, i h r e Leute mit Jubel und Beifall zu empfangen. Wer beschreibt aber die langen Gesichter, die da unten statt der ihrigen einen Zug Braunhemden marschieren sah“.38
In erster Linie sollten jedoch Anhänger des anderen politischen Lagers gewonnen werden, vor allem die unsicheren unter ihnen. „Die Bürger sollten aus dem Traumleben geweckt, die unentschiedenen und schwankenden Arbeiter ins nationalsozialistische Lager herübergezogen werden“.39
Im Lied Den Toten des 9. November 1923 wird zunächst der Ort München sozusagen als Syn- onym für den Beginn der nationalsozialistischen Bewegung eingeführt. In ähnlicher Weise fungiert „ die Feldherrnhalle “. Dies war der Ort, an dem die Reichswehr in die Menge der Demonstranten („ das tödliche Blei “) schoss. Aus den Getöteten werden zuerst „ Helden “, später, in der dritten Strophe, werden sie religiös zu Märtyrern verklärt („ Märtyrertod “). Zwar erschienen die Namen der 16 erschossenen Nationalsozialisten Mitte 1930 auf einer „Ehrentafel“ in München, im Lied werden sie jedoch nicht genannt, weil es ein Bekenntnis zum Führerkult (nur Hitler wird namentlich genannt) bzw. zu einer bedingungslose Unterord- nung darstellt.
Der Nationalsozialismus war untrennbar mit dem Militarismus verbunden. Diese Tatsache lässt sich durch die Sprache des Liedes belegen: Es „ sind viele gefallen “ , „ Marschierten mit Todesverachten", „ Es leben noch vieltausend Kämpfer “ . Eine nationalsozialistische Demonstration wird somit zum heiligen Krieg stilisiert. Realisiert wird dieses Pathos durch den Gebrauch der religiös konnotierten Wörter „ Glaube “ , „ Mission “ , „ Märtyrertod “ und durch den Racheschwur in der letzten Strophe.
Interessant ist auch die dritte Strophe: „ In München sind viele gefallen/ für Ehre, für Freiheit und Brot! “ . In diesen beiden Versen wird der plakative Ruf der breiten Öffentlichkeit aus dem Jahre 1918 nach Brot und Frieden aufgenommen und für die eigenen Zwecke modifiziert: „ Ehre “ richtete sich an das beschädigte Selbstbewusstsein derer, die sich mit dem verlorenen Krieg nicht abfinden wollten. „ Freiheit “ meinte nicht die Selbstbestimmung des Individuums, sondern einerseits den Sturz der seinerzeit amtierenden Koalitionsregierung und andererseits die Nichtanerkennung der Bedingungen des Versailler Friedensvertrags, für den die Nazis diese Regierung ungerechtfertigt verantwortlich machten. „ Brot “ wurde als Metapher für die katastrophalen Lebensbedingungen verwendet, die 1923 in Deutschland herrschten. Aus der Verbindung dieser drei Begriffe ergab sich die scheinbare Legitimation der Aktion vom 9. November 1923.
Die letzte Strophe erfüllt je nach dem Kontext, in dem sie gesungen bzw. rezipiert wurde, eine jeweils unterschiedliche Funktion. Vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten fungiert sie als Ankündigung, dass der Kampf der Nazis weitergeht. Nach 1933 ist sie als Bekenntnis zu den „Helden“ der „ersten Stunde“ verstehen.
2.2 Das Leunalied
Im März 1921 gingen Truppen der „Sipo“ (Sicherheitspolizei) gewaltsam gegen Arbeiter, die das Leuna-Werk besetzt hatten, vor. In Mitteldeutschland lagen die großen Chemiebetriebe der IG-Farben, Metallbetriebe, Braunkohlegruben, Kali- und Kupferschächte. In diesem Ge- biet hatten die USPD und KPD, die sich später zur VKPD zusammenschlossen „das Vertrauen der überwältigenden Mehrheit der Arbeiter des Bezirks“.40 Diese Mehrheiten wurden von der amtierenden Reichsregierung als Bedrohung eingestuft, was sie dazu veranlasste, „mit Hilfe einer Provokation die Arbeiterschaft herauszufordern und sie dann, unter Einsatz zusammengesetzter Polizeitruppen und mit der Reichswehr in Reservestellung, blutig niederzuschlagen“.41 Ähnlich wie die Nationalsozialisten den Brand des Reichstagsgebäudes fingierten, wurde 1921 ein angebliches Attentat auf der Berliner Siegessäule zum Anlass genommen, eine Kommunistenhetze auszulösen. Wenige Tage nach diesem „Attentat“ erging durch den sozialdemokratischen Oberpräsidenten der Provinz Sachsen der Befehl, die Industriegebiete in und um Leuna mit Truppen der Reichswehr, Sipo usw. zu besetzen.42 Die Arbeiterschaft reagierten auf dieses Vorgehen mit Protestkundgebungen und Streiks. Während dieser Demonstrationen kam es zuerst in Eisleben zu einem grausam brutalen Vorgehen der Sicherheitspolizei gegen streikende Arbeiter. Diese Polizeiaktionen führten schließlich zur Besetzung des Leuna-Werkes durch Arbeiter. Es gelang der VKPD allerdings nicht, die Massen so zu mobilisieren, dass sie zu einer ernsthaften Gefahr für die gut bewaffnete Regierungstruppen geworden wären. Obwohl die streikenden Besetzer des Leunawerks keinen nennenswerten Widerstand leisteten, wurden am 29. März 1921 34 von ihnen ermordet, daneben kam es zu ca. 1500 Verhaftungen.43
Das Leunalied hinterlässt beim ersten Hören einen merkwürdigen Eindruck. Sind die erste und die letzte Strophe eindeutig mit den kämpferischen Inhalten der linken Arbeiterbewegung verbunden („ floßArbeiterblut “ , „ Rotgardisten “ , „ O ‘ Stahlhelm ’ , dir schwören wir Rache “), und liefert die zweite Strophe deutliche Bezüge zu den Vorgängen in Leuna, bleibt die Be- deutung der dritten und vierten Strophe (aus heutiger Sicht) fast rätselhaft. Was veranlasst den Rotgardisten dazu, den Eltern des Ermordeten zu schreiben? Die Entstehung des Leunaliedes gibt auf diese Frage eine Antwort. Sowohl musikalisch als auch vom Text her weist das Leu- nalied weit reichende Übereinstimmungen mit einem Soldatenlied auf, das vor allem in zwei Versionen, unter den Titeln In Bosnien sind viele gefallen und In Russland sind viele gefallen, während des 1. Weltkriegs recht populär war und nicht den üblichen hurrapatriotischen Cha- rakter hatte. Statt dessen ist es eher als Ausdruck der Stimmung gegen den Krieg zu begreifen. Vor diesem Entstehungshintergrund erhalten die dritte und die vierte Strophe den Sinn, den man in der Umformung zum revolutionären Arbeiterlied zunächst vergeblich sucht: Das Schema bzw. der Aufbau des Liedes folgt dem Klischee des Soldatenleids: Nachdem der sterbende Krieger eingeführt worden ist, übernimmt ein Kamerad die Aufgabe, die Eltern des Gefallenen zu benachrichtigen.44 Vielleicht haben diejenigen, die das Soldatenlied als Vorlage für das Leunalied verwendeten (das Leunalied existiert übrigens seinerseits in mindestens 37 Varianten), diese inhaltliche „Ungereimtheit“ übersehen. Plausibler erscheint allerdings, dass sie die beiden Stro-phen bewusst in der Umformung beließen, um die bereits vorhandene Vertrautheit mit Teilen des Textes und der Melodie zu nutzen. Auf diese Weise konnte auch zwischen den Arbeitskämpfen und dem Geschehen während des Krieges eine Analogie hinsichtlich der Grausamkeit und der Ungerechtigkeit hergestellt werden. Schließlich war die Erinnerung an den Krieg bei den meisten Menschen in dieser Zeit noch sehr lebendig.
Die im Lied eingesetzte Sprache ist bildhaft, die Begriffe, die verwendet werden, sind teil- weise aus dem Sprachgebrauch der revolutionären Arbeiterbewegung übernommen worden („ Rotgardist “ , „ Arbeiterblut “ ). „ Leuna “ fungiert als Synonym der Arbeitskämpfe der frühen zwanziger Jahre, was sich aus der Tatsache ableitet, dass andere Varianten des Liedes, in de- nen andere Orte (Remscheid, Wesel etc.) genannt werden, nicht so populär wie das Leunalied wurden.45
Seine Wirkung erzielt das Lied maßgeblich durch die Gegenüberstellung von Feind und Freund, denn mit diesem Mittel erzeugt der Text Emotionalität. Sprachlich wird dies durch den Gegensatz von „ Kummer “ und „ Scherz “ (in Strophe 3) realisiert.
Neben verschiedenen Ortsangaben ist die Existenz verschiedener Varianten der letzten Stro- phe bemerkenswert: „Je nach politischer Situation und den örtlichen Bedingungen unter denen das Lied gesungen wurde, konnte die Sipo aber durch andere revolutionäre Gegner ersetzt werden: durch den Stahlhelm [...], die Reichswehr [...] oder die Noskes [...], die Reaktion [...], die Nazis “.46 In der politisch am stärksten akzentuierten Form heißt in der letzten Strophe: „ Ihr Herren, wir schwören euch Rache. Nicht mehr der Polizeibeamte oder der Angehörige eines Freikorps wird als Gegner genannt, sondern die Großindustriellen jener Zeit.47
Einige nationalsozialistische Literaturkritiker gaben das Lied Den Toten des 9. November 1923 unberechtigt als eine Umformung des Liedes In Bosnien sind viele gefallen aus. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Adaption des Leunalieds. Dies belegt schon die Über- nahme der Rachestrophe, die sich nur im Arbeitervolkslied, nicht aber im Soldatenlied findet. Bemerkenswert ist übrigens auch die Tatsache, dass der Adaptionsprozess, abgesehen von einer Ausnahme, einseitig verlief. Und: Die Nazis übernahmen fast alle Lieder der Arbeiter- bewegung!48
Die gesellschaftspolitische Situation der Jahre 1919-1923 schuf die Voraussetzung zur Um- gestaltung einer Reihe von Soldatenliedern. Dies waren durchaus schöpferische Prozesse, de- ren Ergebnisse Bezugnahmen auf die Situation der Arbeiterschaft in den frühen zwanziger Jahren waren. Der Adaptionsprozess dieser revolutionären Arbeitervolkslieder durch die Na- tionalsozialisten stellt dagegen etwas grundsätzlich anderes dar: In erster Linie wurde damit versucht, einen geschickten antikapitalistischen „Etikettenschwindel“ vorzunehmen („ Mar- schierten mit Todesverachten/ in das Feuer der Reaktion), um die Verunsicherten innerhalb der Arbeiterschaft für die eigenen Ziele zu gewinnen. Zur Erreichung dieses Zwecks waren Lieder mit volksliedhaftem Charakter besonders gut geeignet, weil sie sich stets einer einfa- chen, dafür aber umso bildhafteren Sprache bedienen. Der Aufbau der beiden hier vorgestell- ten Lieder ist in der Tat ähnlich, was für die verwendeten sprachlichen Mittel ebenfalls zu- trifft. Dennoch unterscheiden sie sich sowohl auf der semantischen als auch auf der pragmati- schen Ebene. Während das Leunalied nachweisbare sozialstrukturelle Mißstände anprangert, ist die nationalsozialistische Adaption nicht nur Ausdruck von Geschichtsfälschung, sondern auch der Diebstahl einer Form, die mit einem anderen Inhalt gefüllt wurde.
3. Quellen
3.1 Propaganda, Versammlungen und Aufmärsche der Nationalsozialisten
Rundschreiben des stellvertretenden Reichspropagandaleiters der NSDAP, Heinrich Himmler über Großaktionen, 24.12.1928 (Auszüge) Zum Vorwärtstreiben unserer politischen und S.A.-Organisation sowie der plan m äß igen Verbreitung unserer Presse ist von Zeit zu Zeit für jedes Gebiet Deutschlands eine wohlvorbereitete, das Maßder sonstigen Propaganda-Anstren- gungenüberschreitende Tätigkeit notwendig.
Unter Propaganda-Aktion versteht die Propaganda-Abteilung:
1. Konzentration von 70 bis 200 Versammlungen in einem Gau im Zeitraum von 7-10 Tagen.
[...]
5. Der Werbe-Abend für die S.A. dürfte folgendermaßen verlaufen: Die S.A. kommt in einem nicht allzu großen Saal, der bestimmt gefüllt wird, zusammen. Der Spielmannszug des Ortes oder einer benachbarten S.A. spielt. Wenn möglich spielt die Musik des Gaues . Die S.A. zeigt an diesem Abend, was sie aus eigenen Kräften zu leisten vermag, als da sind: sportliche Vorführungen, lebende Bilder, Theaterstücke, Singen von Liedern, Vorträge von S.A.-Leuten, Vorführungen ei- nes Parteitagfilms.
[...]
Zit. nach LONGERICH, P. 1992, S. 331-332 (Hervorhebungen durch Fettdruck nicht im Original).
Bericht der Münchner Polizei über einen Aufmarsch der Nationalsozialisten, 25.12.1922 (Auszüge)
[...] Auch die Trommler und Pfeifergruppenübten im Saalvorraum noch das Abmarschieren und Halten sowie das gruppenweise Schwenken nach dem gegebe- nen Stabszeichen des Führers. Kurz vor 11 Uhr wurde im Garten des Bürgerbräu- kellers an die dort aufgestellte Sturmabteilungen eine Ansprache gehalten, worin insbesondere auf die Bedeutung der Hakenkreuzfahne hingewiesen wurde und wobei in dieser Fahne das Zeichen gefeiert wurde, in welchem die nationalsozia- listische Idee siegen oder mit den Trümmern des Vaterlandes untergehen werde. Hierauf wurden an Sturmabteilungen etwa 15 Stück Hakenkreuzfahnenüber- reicht.
Der Wirtschaftsgarten glich während dieser Zeit einem kleinen Kasernenhof und die ganze Veranstaltung mit Ansprache, Fahnenübergabe, Musik usw. trug das Gepräge etwa einer Rekrutenvereidigung, es fehlte nur der eigentliche gemeinsame ’ Schwur ’ . Hitler selbst befand sich zu dieser Zeit wohl ebenfalls im Bürgerbräukeller, hielt sich aber nur im Saale auf und ließdie Vorgänge im Garten draußen anscheinend völlig unbeachtet.
Kurz nach 11 Uhr setzte sich der Zug, nachdem die Teilnehmer noch ein dreima liges Hoch auf das Vaterland ausgebracht hatten, unter den Klängen einer an der Spitze marschierenden Musikkapelle in Bewegung. [...] .
Die Veranstaltung verlief ohne Zwischenfall, nur einmal wurde ein Jude in Begleitung einer Dame zurückgewiesen und von einem Schutzmann auf die Straße begleitet. [...]
Zit nach LONGERICH, P. 1992, S. 163-164 (Hervorhebungen durch Fettdruck nicht im Original).
3.2 Die Arbeitskämpfe in Mitteldeutschland 1921
Aufruf des Führers der Aufständischen in Mitteldeutschland, Max Hölzl*, 22.3.1921 (Auszüge)
Seit dem 21. März stehen wir in Mitteldeutschland in Eisleben, Mansfeld, Hettstaedt in schärfsten Kämpfen mit der Sipo. Wir erwarten von Euch, dass Ihr uns unterstützt in diesem Kampf. Wir verlangen, dass Ihr zu uns kommt mit oder ohne Waffen ganz gleich. Wenn ihr aus irgend welchen Gründen nicht zu uns kommen könnt, dann verlangen wir von Euch, dass Ihr dort, wo Ihr seid, den Kampf aufnehmt mit den bezahlten Henkersknechten Eurer Ausbeuter. Entwaffnet die Bürger, die Polizei, die Gendarmerie, die Sipo, die Reichswehr. Beschlag- nahmt alle erreichbaren Gelder, sprengt die Schienen, die Gerichte, die Gefäng- nisse, befreit alle Gefangenen. Hörsing l äß t in Mitteldeutschland Arbeiter, Kinder und Frauen erschießen, nur deshalb, weil sie Arbeiter sind und um ihr Brot und ihre Freiheit kämpfen. Wir haben sofort als Gegenmaßnahme das proletarische Standrecht verhängt. Wir schlachten die Bourgeoisie ab ohne Unterschied des Alters und des Geschlechts, wir sprengen ihre Villen in die Luft und nehmen ihnen das geraubte Geld ab, das sie den Arbeitern durch Ausbeutung und Wucher zuerst geraubt haben.
Zit. nach LONGERICH, P. 1992, S. 149-150.
*Der Name wird unterschiedlich angegeben. DEDERKE (1984) beispielsweise spricht von „Max Hölz“.
3.3 Kapitalismus und Nationalsozialismus
Schreiben von Gustav Krupp von Bohlen zu Halbach an Adolf Hitler vom 24. März 1933
Sehr geehrter Herr Reichskanzler,
Wir beehren uns, davon Kenntnis zu geben, dass das Präsidium des Reichsverbandes der deutschen Industrie am 24. März 1933 unter dem Vorsitz des Herrn Krupp von Bohlen zu Halbach zu einer Sitzung zusammentrat, in der zu der politischen Entwicklung Stellung genommen wurde. Das Präsidium vertrat ein- mütig den Standpunkt:
Durch die Wahlen ist die Grundlage für ein stabiles Regierungs-Fundament geschaffen und es sind damit die Strömungen beseitigt, die sich aus den ständigen politischen Schwankungen der Vergangenheit ergeben, und die wirtschaftliche Initiative stark gelähmt haben. Für den notwendigen tatkräftigen Wiederaufbau kommt es darauf an, die Sammlung und Mitwirkung aller aufbauwilligen Kräfte herbeizuführen. Die deutsche Industrie, die sich als einen wichtigen und unent behrlichen Faktor für den nationalen Aufbau betrachtet, und der Reichsverband der Deutschen Industrie - als die wirtschaftliche Vertretung - wird alles tun, um der Regierung bei ihrem schweren Werke zu helfen.
Reichsverband der
Deutschen Industrie
Zit. Nach Kühnl, R. 1979, S. 203-204.
Bericht des Büros der US-Militärregierung (OMGUS), Archivgruppe 260, über Ermittlungen in Bezug auf die Deutsche Bank (Auszüge)
Kapitel II: Zusammenfassung
[...] Die Deutsche Bank trug von allen deutschen Geschäftsbanken am meisten zum Wiederaufrüstungsprogramm bei. Sie versorgte das Reich mit riesigen Fonts für Wiederaufrüstungszwecke. Sie investierte in dem Vorkriegsjahr 1938 bereits ungefähr 35 % ihres Gesamtvermögens in Reichspapieren. Sie fungierte als Füh rerin oder Mitführerin von praktisch allen gr öß eren Kreditkonsortien, deren Operationen die Finanzierung des gesamten Wiederaufrüstungsprogramms möglich machten. Sie führte die Industriezweige, die sie direkt kontrollierte, in die Pro duktionsrichtungen, die von der Partei gewünscht wurden.
Die Deutsche Bank spielte unter den Geschäftsbanken bei der Ausbeutung der wirtschaftlichen Reserven der Länder des annektierten, okkupierten und des zu Satellitenländern gemachten Europas eine führende Rolle. Seit dem Anschlußim Jahre 1938 ging sie weiterhin mit großer Aggressivität daran, ihr Bankherr- schaftssystemüber die alten Grenzen Deutschlands hinaus auszudehnen. [...]
Zit. nach KÜHNL, R. 1979, S. 480.
Erklärungen unter Eid von Karl Sommer, seinerzeit stellvertretender Amts- chef im Wirtschafts-Verwaltungshauptamt der SS, vor dem Nürnberger Mi- litärgerichtshof (1947) über den Einsatz von KZ-Häftlingen in der Industrie (Auszüge)
Verschiedene Betriebe von Privat-Unternehmungen waren direkt in Konzentrati onslagern oder direkt außerhalb der Konzentrationslager gelegen, so z. B.: Krupp in Auschwitz, wo unter Aufsicht von Krupp-Ingenieuren und Meistern Zünder ge macht wurden. Der Siemens-Konzern hatte einen Betrieb im KL-Lager Ravens brück und einen anderen innerhalb des KL-Lagers Auschwitz. Die Walther-Waf- fenwerke Zella-Mehlis betrieben im KL-Lager Buchenwald einen Karabinermon tagebetrieb. Die Gustloff-Werke AG hatten einen Betrieb neben dem KZ-Lager Buchenwald. Zeppelin-Luftschiffbau erzeugte Fesselballons in seinem Werk bei Sachsenhausen. Die Metallwerke Neuengamme (Walther, Zella Mehlis) betrieben ein Werk beim Konzentrationslager Neuengamme. [...]
Zit. nach KÜHNL, R. 1979, S. 381-382.
Erklärung unter Eid von Rudolf Höß, Kommandant des KZ Auschwitz, im NürnbergerPohl-Prozeß 1946 und 1947 (Auszüge)
[...] Nach meiner Kenntnis begann die massenhafte Verwendung von KZ-Häftlin- gen in der deutschen Privatindustrie im Jahre 1940/41. Diese Verwendung steigerte sich fortlaufend bis zum Ende des Krieges. Gegen Ende 1944 waren unge fähr 400 000 Konzentrationslagerhäftlinge in der privaten Rüstungsindustrie und rüstungswichtigen Betrieben beschäftigt. [...] Nach meiner Schätzung sind in den Betrieben mit besonders schweren Arbeitsbedingungen, z. B. Bergwerken, jeden Monat ein Fünftel gestorben oder wurden wegen Arbeitsunfähigkeit zur Vernich tung von den Betrieben an die Lager zurückgeschickt.
Die Konzentrationslager haben niemals Arbeitskräfte der Industrie angeboten. Vielmehr wurden Häftlinge nur dann in die Betriebe entsandt, wenn die Betriebe vorerst um Konzentrationslagerhäftlinge ersucht hatten. [...]
Anfang des Krieges bezahlten die Unternehmungen wenig für diese Arbeitskräfte
- etwa Mk 1,-, Mk 1,20. Später bezahlten sie bis zu Mk 5,00 für gelernte Arbeiter. Unter den zum Arbeitseinsatz gesandten Häftlingen befanden sich
1. nicht-jüdische Häftlinge, die auf Grund ihrer Berufsschulung ausgesucht wur- den, und
2. Juden, die nur aufgrund ihrer Arbeitsfähigkeit ausgesucht wurden.
Das Alter der zum Arbeitseinsatz verwendeten Häftlinge war von ungefähr 13 Jahren aufwärts [...].
Zit. nach KÜHNL, R. 1979, S. 377-378.
Literatur
BAJER, H.: Ruhmesblätter in der Geschichte des SA-Liedes I. In: Die Musik XXIX/3, Dezember 1936, S. 169-176 und XXIX/4, Januar 1937, S. 257-267.
BERGER, T.: NS-Sozialpolitik als Mittel der Herrschaftssicherung. In: Meyers, P./ Riesenberger, D. (Hrsg.) (1979): Der Nationalsozialismus in der historisch-politischen Bildung. Göttingen. S. 71-93.
BLEEK, W.: Verwaltung und öffentlicher Dienst. In: Benz, W. (Hrsg.) 1993: Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a.M. S. 151-180.
DEDERKE, K. (51984): Reich und Republik. Deutschland 1917-1933. Stuttgart.
DITHMAR, R. (1993): Arbeiterlieder 1844 bis 1945. Neuwied, Kriftel, Berlin.
DITHMAR, R. (o.J.): [ Textsammlung von 22 Liedern der Arbeiterbewegung und deren Adaptionen durch die Nationalsozialisten, o.O.]. Typoskript/ Textdatei. Freundlicherweise von Herrn Prof. Dithmar zur Verfügung gestellt.
DITHMAR, R. (o.J): [ Das gestohlene Lied. Adaptionen vom Liedgut der Arbeiterbewegung in NS-Liedern, o.O.]. Typoskript/ Textdatei. Freundlicherweise von Herrn Prof. Dithmar zur Verfügung gestellt. Der Text wurde auch veröffentlicht.
ERDMANN, K.D. (91981): Der Erste Weltkrieg. München.
GILMAN, S. L.(Hrsg.) (1971): NS-Literaturtheorie. Eine Dokumentation. Frankfurt a.M.
KUCZYNSKI, J. (o.J.). Die Bewegung der deutschen Wirtschaft von 1800-1946. Berlin: Volk und Wissen.
KÜHNL, R. (1971): Formen bürgerlicher Herrschaft. Liberalismus - Faschismus. Reinbeck.
KÜHNL, R. (41979): Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten. Köln.
LAMPRECHT, H.: Reflexionen über politische Lyrik. In: Lecke, B. (Hrsg.) (1974): Projekt Deutschunterricht 8: Politische Lyrik. Stuttgart, S. 67-83.
LONGERICH, P. (Hrsg.) (1992): Die erste Republik. Dokumente zur Geschichte des Weimarer Staates. München, Zürich.
LUKÁCS, G. (1966): Von Nietzsche zu Hitler oder Der Irrationalismus und die deutsche Politik. Frankfurt a.M.
PAUCKER, H.P. (Hrsg.) (1974). Neue Sachlichkeit. Literatur im "Dritten Reich" und im Exil. Stuttgart.
SCHUON-WIEHL, A.K. (1970): Faschismus und Gesellschaftsstruktur. Frankfurt/ Main.
STEINITZ, W.: Das Leunalied. Zu Geschichte und Wesen des Arbeitervolksliedes. In: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 4/1958, S. 3-52.
WÄHLER, M: Das politische Kampflied als Volkslied der Gegenwart. In: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde, Jg. 8., H.5., Leipzig 1933, S.145-156.
WÄHLER, M.: Das politische Kampflied der Gegenwart im Unterricht. In: Zeitschrift für Deutschkunde 1934, S.634-643.
WIMMER, F. (1994): Das historisch politische Lied im Geschichtsunterricht. Exemplifiziert am Einsatz von Liedern des Nationalsozialismus und ergänzt durch eine empirische Untersuchung über die Wirkung dieser Lieder. Frankfurt a.M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien.
Liederbücher
Das frühe Kampflied der nationalsozialistischen Bewegung. Entwurf eines Berichtes über Herkunft, Entstehung und Entwicklung bekannter und unbekannter Kampflieder unter ausschließlicher Berücksichtigung vor 1932 entstandener Lieder. Im Auftrag des Reichssenders München verfasst von ALFRED VON BECKERATH, o.O., o.J.[1936]
[...]
1 Vgl. KÜHNL, R. (1971), S. 77.
2 KÜHNL, R. (1971), S. 82.
3 KÜHNL, R. (1971), S. 82.
4 Vgl. KUCZYNSKI, J. (o. J.), S. 120.
5 Vgl. ERDMANN, K.D. (1981), S. 237 f.
6 ERDMANN, K.D. (1981), S. 237.
7 LONGERICH, P. (1992), S. 19.
8 Auszugsweise nachzulesen in: LONGERICH (1992), S. 60f. Hugo Stinnes war Großindustrieller und von 1920- 24 DVP-MdR. Carl Legien gehörte der SPD an und war zugleich Vorsitzender der deutschen Gewerkschaften.
9 Der Achtstundentag wurde bereits 1923/24 wieder abgeschafft (vgl. BERGER, T. 1979, S. 73).
10 Vgl. KÜHNL, R. (1971), S. 111ff.
11 Der Versailler Friedensvertrag vom 28.6.1919 ist auszugsweise nachzulesen in LONGERICH, P. 1992, S. 37ff.
12 Vgl. KÜHNL, R. (1971), S. 81.
13 Die Ziele der neuen extrem nationalistischen bzw. „völkischen“ Strömungen, aus denen hunderte von Grup- pen und Bünden hervorgingen ("Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund", „Germanen-Orden“, „Thule-Ge- sellschaft“, "All-Arier-Bund“ u.v.m.) unterschieden sich allenfalls graduell, jedoch nicht grundsätzlich von de- nen der Nationalsozialisten. Antisemitismus und Führerkult waren bei fast allen Gruppen anzutreffen. Interes- sant in diesem Zusammenhang ist der Bericht der Polizeistelle Bambergüber den Stand der antisemitischen Bewegung in Nordbayern, November 1919. Werden in diesem Bericht die Ausschreitungen gegen Juden, z. B. durch den „Deutschen Schutz- und Trutzbund“ zwar kritisiert (in erster Linie wahrscheinlich wegen der Störung der öffentlichen Ordnung), bringen die Verfasser des Berichtes den Antisemiten gleichzeitig auch Verständnis entgegen: „Die Bewegung selbst soweit einzudämmen, daß wenigstens die einwandfreien, achtbaren Juden nicht mit für die Sünden eines Teils ihrer Stammesgenossen verantwortlich gemacht werden, das hätten unsere jüdischen Mitbürger selbst am besten in der Hand. Sie [...] müßten in ihren eigenen Reihen erzieherisch wirken, alles Provokatorische vermeiden und die Schuldigen tatkräftig abschütteln“ (Zit. nach LONGERICH 1992, S. 159). In diesem Schreiben werden die weit verbreiteten Deutungsmuster der Deutschen in jener Zeit sichtbar.
14 Vgl. LUKACS, G. 1966, S. 245.
15 US-Botschafter Houghton über eine Unterredung mit Stinnes. Zit. nach DEDERKE, K. 1984, S. 70.
16 Rede Hitlers vom 27.1.1932 vor dem Düsseldorfer Industrieklub. Zit. nach KÜHNL, R. 1971, S. 87f.
17 KÜHNL, R. (1971), S. 89. Vgl. im Quellenteil dieser Arbeit die Aussagen von Gustav Krupp von Bohlen zu Halbach, die Angaben des Lagerkommandanten von Auschwitz (Rudolf Höß) und des stellvertretenden Amts- chefs im Wirtschafts- Verwaltungshauptamt (Karl Sommer) über Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen in deutschen Industriebetrieben.
18 Vgl. DEDERKE, K. (1984), S. 220 u. KÜHNL, R. (1971), S. 82.
19 DEDERKE, K. (1984), S. 35f.
20 Vgl. DEDERKE, K. (1982), S. 50.
21 DEDERKE, K. (1982), S. 51.
22 Vgl. DEDERKE, K. 1984, S. 74f.
23 Zit. nach. DEDERKE, K. 1984, S. 77.
24 Proklamation der NSDAP an das deutsche Volk, 9.11.1923, Zit. nach LONGERICH, P. 1992, S. 196.
25 Aufruf des Generalstaatskommissars v. Kahr, 9.11.1923, Zit. nach LONGERICH, P. 1992, S. 196.
26 Erinnerungen des Historikers George W. Hallgarten an die Ereignisse an der Feldherrnhalle, 9.11.1923, Zit. nach LONGERICH, P. (1984), S. 197.
27 KÜHNL, R. (1971), S. 99.
28 Vgl. KÜHNL, R. (1971), S. 103f.
29 HITLER, in: Mein Kampf, Zit. nach LUKÁCS, G. (1966), S. 241.
30 Diesen und andere nationalsozialistische Liedertexte stellte Herr Prof. R. Dithmar im Hauptseminar „Politische Lyrik im fächerverbindenden Unterricht“ (Nr. 16830, Sommersemester 2001) freundlicherweise zur Verfügung. Die Quellenangaben [ Liederbücher/ Wähler 1933] zu diesem und anderen Texten habe ich von ihm übernommen und gebe sie im Literaturverzeichnis dieser Arbeit wieder. In Dithmars Textsammlung ist der Text unter dem Eintrag „<TEXTE/10leuna2>“ zu finden.
31 Ich vermeide es bewußt, bei diesem Lied von „politischer Lyrik“ zu sprechen, denn politische Lyrik „will authentisch sein, wird Einsichten vermitteln wollen, die dem Leser nicht wie Spruchbänder zur bequemen Aufnahme vorgesetzt werden, sondern die er selber aus dem Text gewinnen muß“ (LAMPRECHT, H. 1974, S. 74).
32 Vgl. WIMMER, F. (1994), S. 93.
33 WIMMER, F. (1994), S. 93f.
34 Ab 1933 bedienten sich die Nationalsozialisten hauptsächlich eigener Kompositionen, die Liedadaptionen spielten von diesem Zeitpunkt an eine untergeordnete Rolle.
35 Zit. nach DITHMAR, R (o.J.) [ Textsammlung, ohne Seitenzahlen, Eintrag „<TEXTE/10leuna2>“].
36 Sprachlich richtig wäre "Scherz", aber "Schmerz" steht in den Liederbüchern und (kommentarlos) auch bei Wähler (1933, 146f.). Zit. nach DITHMAR, R. (O.J.): [ Textsammlung, ohne Seitenzahlen, Eintrag „<TEXTE/10leuna2>“]
37 BECKERATH, A. V. (o.J.), Zit. nach DITHMAR, R. (O.J.): [ Das gestohlene Lied ], S. 7.
38 BAJER, H. (1937), S. 264, Zit. nach DITHMAR, R. (O.J.) :[ Das gestohlene Lied ], S. 8.
39 WÄHLER, M. (1934), Zit. nach GILMAN, S.L. (1971), S. 131.
40 STEINITZ, W. (1958), S. 7.
41 STEINITZ, W. (1958), S. 7.
42 Vgl. STEINITZ, W. (1958), S. 8.
43 Vgl. STEINITZ, W. (1958), S. 8f.
44 Vgl. STEINITZ, W. (1958), S. 17.
45 Vgl. STEINITZ, W. (1958), S. 10, 15 u. 23ff.
46 STEINITZ, W. (1958), S. 28. Hervorhebungen durch Kursivschrift im Original.
47 Vgl. STEINITZ, W. (1958), S. 30.
48 Vgl. DITHMAR, R. (o.J.): [ Das gestohlene Lied ], S. 2.
- Quote paper
- Jan Rochus (Author), 2001, Das *gestohlene* Lied der Nationalsozialisten., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107279
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