Die Freiheit im Leviathan von Thomas Hobbes
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung S. 1
2 Die Freiheit im Leviathan von Thomas Hobbes
2.1 Das Menschenbild Thomas Hobbes` S. 1 - 4
2.2 Die Freiheit des Menschen im Naturzustand S. 4 - 6
2.3 Die Beschränkung der individuellen Freiheit im Leviathan S. 6 - 10
3 Fazit S. 10 - 11
4 Literatur S. 11
1 Einleitung
Thomas Hobbes entwirft in seiner Veröffentlichung aus dem Jahre 1651 mit seinem Leviathan ein Staatsmodell, welches den Anforderungen seiner Zeit gerecht werden soll. Die Frage, wie ein Staat beschaffen sein muß, um Bürgerkrieg zwischen den Menschen zu vermeiden, treibt ihn zum Entwurf einer Gesellschaft, die sich unter einer herrschenden Gewalt zusammen findet auf der Basis eines Gesellschaftsvertrages, der radikale Schritte fordert, nämlich die vollkommene Unterwerfung.
Ziel dieser Arbeit ist es, unter Berücksichtigung des Menschenbildes, welches Thomas Hobbes in seiner Veröffentlichung präsentiert, zu betrachten, wie die individuelle, wenn auch gefährdete Freiheit des Menschen im Naturzustand gewandelt wird, sobald er dem Gesellschaftsvertrag zustimmt und wie Hobbes diese Einschränkungen legitimiert.
Zu diesem Zweck wird im Haupteil in Kapitel 2.1 erarbeitet werden, wie Thomas Hobbes den Menschen und seine Natur skizziert und daraus die Notwendigkeit eines absoluten Herrschers ableitet. In Kapitel 2.2 wird genauer auf die Freiheit des Menschen im Naturzustand eingegangen, um dann in Kapitel 2.3 als Gegensatz dazu aufzuzeigen, welche Freiheiten der Mensch im Leviathan aufgibt und welchen Preis er zahlt, um Schutz und Frieden zu erlangen.
2.1 Das Menschenbild Thomas Hobbes`
Hobbes` beschreibt den Menschen als ein egoistisches, von Leidenschaften bewegtes Subjekt, welches ohne souveräne Führung stetig Gefahr läuft, in einem "Krieg aller gegen alle" (Leviathan, Kapitel 13, Seite 115) zu enden. Die Grenze zwischen Mensch zum Tier besteht vorrangig darin, daß der Mensch die Gabe der Sprache besitzt, die ihn befähigt, mit anderen Menschen nutzbringend in Kontakt zu treten. "Ohne sie fänden unter den Menschen Gemeinwesen, Gesellschaft, Vertrag, Frieden, ebensowenig statt wie unter Löwen, Bären und Wölfen." (L, 4, 28).
Trotzdem ist das kein Zeichen für Klugheit, die der Mensch womöglich dem Tier voraus hat; eher im Gegenteil unterscheiden sich viele Tiere vom Menschen dadurch, daß sie in der Lage sind, nutzbringende Dinge schneller zu erlernen und anzuwenden, als es dem Menschen möglich ist (vgl. L, 4, 26).
Das Verhalten, nämlich das Überleben gegenüber Feinden zu sichern, ist prinzipiell gleich, das von der Natur mitgegebene Werkzeug ist aber anders gestaltet. "Den Tieren hat die Natur Waffen gegeben, einigen Zähne, anderen Hörner; dem Menschen aber seine Hände, um damit seinem Feinde weh tun zu können" (L, 4, 30).
Auch wenn der Mensch also, intellektuell gesehen, dem Tier gegenüber kaum einen Vorteil aufweist, so gesteht ihm Hobbes doch eine Eigenschaft zu, die er Vernunft nennt, "insoweit man darunter ein Vermögen des Geistes versteht" (L, 5, 39), und die sich dadurch auszeichnet, daß sie dem Menschen erlaubt, Schlüsse zu ziehen, einer mathematischen Rechenoperation gleich, um durch Reflektion einer Situation zu einer Erkenntnis zu gelangen. Diese per se positive Eigenschaft relativiert sich allerdings durch die Schwierigkeit, eine allgemein gültige Vernunft festzulegen, die für alle Menschen gleich ist, so daß es bei Streitfällen somit einer höher gestellten Instanz bedarf, die ein Urteil fällt, welcher Vernunft zu folgen ist (vgl L, 5, 40).
Zusätzlich zu dieser reinen Grundausstattung an Intelligenz, die ein Mensch mit sich bringt, wird er beeinflußt durch Antriebe, die Hobbes "Leidenschaften" nennt und damit Begriffe meint wie "Neigung, Verlangen, Liebe, Abneigung, Haß, Freude, Schmerz und Traurigkeit" (L, 6, 51). Die Betrachtungsweise dieser menschlichen Eigenschaften gestaltet sich nahezu naturwissenschaftlich: Angestoßen durch eine Vor- oder Fragestellung, auch "Empfindung" genannt, gerät der Mensch in Bewegung und beginnt zu streben (vgl. L, 6, 48). Widerstrebende Empfindungen oder Leidenschaften bezeichnet Hobbes als "Überlegung", an deren Ende der "Wille" steht (vgl. L, 6, 56).
Wo nun also viele Menschen, getrieben von verschiedensten Leidenschaften, aufeinander treffen, gerät die Notwendigkeit zur Selbsterhaltung immer mehr in den Vordergrund, was bedeutet, daß der Mensch seine Bewegung in eine bestimmte Richtung lenkt und beginnt, nach Macht zu streben. "Allgemein angenommen besteht dieMachteines jeden in dem Inbegriff aller der Mittel, die von ihm abhängen, sich ein anscheinend zukünftiges Gut zu eigen zu machen" (L, 10, 79). Im Naturzustand, ohne Einfluß einer regulierenden, herrschenden Instanz, führt dieser individualistische Wunsch nach Abgrenzung eines Menschen zum Nächsten und dem damit verbundenen, egoistisch motivierten Besitzdenken geradewegs in einen Zirkel aus Gewalt, Furcht und Unruhe.
Der Wunsch nach Reichtum, Ehre, Herrschaft und jeder Art von Macht stimmt den Menschen zum Streit, zur Feindschaft und zum Kriege; denn dadurch daß man seinen Mitbewerber tötet, überwindet und auf jede mögliche Art schwächt, bahnt sich der andere Mitbewerber den Weg zur Erreichung der eigenen Wünsche (L, 11, 91).
Aus dieser Sicht der Dinge präsentiert Thomas Hobbes seinen Vorschlag, wie ein Staat beschaffen sein muss, um dem entgegenwirken zu können. Wenn den Menschen schon Machtstreben und Selbsterhaltung unabdingbare Wesensmerkmale sind, sieht Hobbes die logische Schlußfolgerung darin, beides miteinander zu vereinen, indem sie sich in einer einmaligen Kraftanstrengung, nämlich der Gründung eines Staates per Vertrag untereinander, zusammen finden und alle gemeinsam ihrer Macht zugunsten eines Souveräns abschwören.
Die größte menschliche Macht ist die, welche aus der Verbindung sehr vieler Menschen zu einer Person entsteht, sie mag nun eine natürliche sein wie der Mensch oder aber eine künstliche Person wie der Staat, wenn nur von dem Willen derselben die Macht aller übrigen abhängt (L, 10, 80).
Der Mensch im Naturzustand, wie Hobbes ihn sich vorstellt, gibt sein Recht auf Autonomie auf zugunsten der Selbsterhaltung durch einen starken Staat;
der Herrscher über diesen Staat wird zum Stellvertreter aller seiner Bürger, die fortan alle Handlungen desselben so zu betrachten haben, als hätten sie sie selbst verübt (vgl. L, 17, 155).
2.2 Die Freiheit des Menschen im Naturzustand
Am Anfang des 14. Kapitels gibt Hobbes eine naturwissenschaftliche Definition des Begriffes "Freiheit":
Das Naturrecht ist die Freiheit, nach welcher ein jeder zur Erhaltung seiner selbst seine Kräfte beliebig gebrauchen und folglich alles, was dazu etwas beizutragen scheint, tun kann. Freiheit begreift ihrer ursprünglichen Bedeutung nach die Abwesenheit aller äußeren Hindernisse in sich (L, 14, 118).
Laut dieser Definition bestünde die Freiheit des Menschen im Naturzustand daraus, seinen Leidenschaften zu folgen, die zur Selbsterhaltung natürlich notwendig sind, und dabei auf möglichst wenig Widerstand anderer Menschen zu stoßen. In einem Szenario aber, wo alle Menschen nach dieser Prämisse handeln, kommt es unweigerlich zu Begegnungen und damit verbundenen Auseinandersetzungen, da der Mensch auf seinen Vorteil bedacht ist und kaum in der Lage scheint, Kompromisse einzugehen. Da, wo nämlich zwei Menschen mit dem gleichen Wunsch aufeinander treffen, werden sie zu Feinden, was damit endet, daß sie den anderen entweder töten wollen oder unterwerfen ( vgl. L, 13, 114).
Die Wahl der Mittel zur Selbsterhaltung steht jedem offen und ergibt sich aus dem Recht des Stärkeren. So wie also Krieg aller gegen alle herrscht, haben auch alle ein Recht auf alles, und " Solange daher dieses Recht gilt, wird keiner, sollte er auch der Stärkste sein, sich für sicher halten können" (L, 14, 119).
So sieht Hobbes das Leben des Menschen im Naturzustand als ein immerwährendes Wechselspiel aus dem Drang zur Selbsterhaltung und der Furcht davor, von anderen unterdrückt oder gar umgebracht zu werden.
Die individuelle Freiheit in diesem sehr abstrakt gestalteten Modell einer Gesellschaft von Menschen vor der Gründung eines Staates kann dies nicht aufwiegen. Ohne die herrschende Hand einer souveränen Gewalt gestaltet sich das Dasein als "nicht bloß freudlos, sondern vielmehr auch höchst beschwerlich" ( vgl. L, 13, 114).
Trotz dieses pessimistischen Ausblickes sieht Hobbes aber nicht etwa die Natur des Menschen als moralisch verwerflich oder falsch konstruiert an.
Die Natur selbst ist hier nicht schuld. Die Leidenschaften der Menschen sind ebensowenig wie die daraus entstehenden Handlungen Sünde, solange keine Macht da ist, welche sie hindert; solange ein Gesetz noch nicht gegeben ward, ist es auch nicht vorhanden, und solange der Gesetzgeber nicht einmütig ernannt wurde, kann auch kein Gesetz gegeben werden (L, 13, 116).
Unabänderlich, wie sie scheint, bedarf die Natur des Menschen Führung, die sie in Grenzen hält, indem sie Gesetze erstellt.
Obwohl es solche Gesetze natürlich im Naturzustand nicht geben kann, so gibt aber doch Gesetzmäßigkeiten, die sich aus der relativen Vernunft der Menschen ergeben.
Hobbes beschreibt hier ein Geflecht von Naturgesetzen, die auf besagter Vernunft aufbauen und dem Menschen Handlungsanweisungen mit auf den Weg geben, die, mit Disziplin durchgeführt, theoretisch Frieden und Freiheit ermöglichen Der Mensch besitzt Vernunft, die Ursachen für den Krieg aller gegen alle zu durchschauen, also lautet das erste natürlich Gesetz an dieser Stelle "Suche Frieden[...]" und dem folgt als zweites Naturgesetz "Sobald seine Ruhe und Selbsterhaltung gesichert ist, mußauch jeder[...]mit der Freiheit zufrieden sein, die er den anderen eingeräumt wissen will" (L, 14,119).
Das Freiheitsideal, das hier im Naturzustand erwächst, beruht also darauf, auf einen großen Teil seiner Ungebundenheit zu verzichten, mit der Gewißheit, daß gleichzeitig auch die anderen Menschen diesen Schritt vollziehen, um Konflikten zu entgehen auf der anderen Seite, auf der anderen Seite aber diesen Schritt so freiwillig zu vollziehen, daß daraus neue Freiheit entsteht. Die Maxime "Was andere dir nicht tun sollen, tue ihnenauch nicht!" (L, 14, 120) könnte also eine Grundlage bilden, auf der sich die Menschen im Gebrauch ihrer Vernunft auch im Naturzustand begegnen, wenn es nicht doch immer auch jemanden gäbe, der wiederum versucht, aus dieser Situationen seinen Nutzen zu ziehen und diesem Prinzip zuwider handelt.
Hier erhellt sich der Gedanke, daß es einer souveränen Gewalt bedarf, die nicht nur in der Lage ist, Frieden zu stiften, sondern auch längerfristig zu erhalten, dadurch daß sie die Freiheit des Einzelnen übertragen bekommt im Tausch gegen die Handlungsfähigkeit des Staates seinen Feinden gegenüber. Die Autonomie des Einzelnen verliert also im Folgenden ihre Bedeutung; was in den Vordergrund rückt, ist die Freiheit des Bewußtseins, der Spirale aus Bürgerkrieg und Kampf ums Überleben zu entkommen und durch den Staat geschützt zu werden.
2.3 Die Beschränkung der individuellen Freiheit im Leviathan
Thomas Hobbes nennt das einundzwanzigste Kapitel "Von der Freiheit der Staatsbürger", doch schon in den ersten beiden Sätzen des siebzehnten Kapitels "Über Grund, Entstehung und Definition des Staates" legt er unmißverständlich dar, auf welchem Prinzip die Vermeidung vom Krieg aller gegen alle unter einer souveränen Herrschaft im Staatsentwurf aufbaut und Freiheit scheint dieses Prinzip nicht mehr vorzusehen.
Selbsterhaltung und bequemes Leben, nur vereinbar mit dem Verzicht der Bürger auf individuelles Machtstreben und Freiheit, bedeutet das Eingrenzen der Leidenschaften, die das menschliche Dasein im Naturzustand bestimmen und dieses Eingrenzen funktioniert allein durch Furcht vor Strafe durch den Machtinhaber im Staate ( vgl. L, 17, 151).
Doch um welchen Preis haben die Menschen im Staat ihre natürliche Freiheit aufgegeben und welche Freiheit bleibt dann noch innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft? Da die Freiheit, so zu handeln, wie es dem Einzelnen beliebt, bei Eintritt des Vertrages, der eine bürgerliche Gesellschaft festlegt, aufgegeben wurde, richtet sich der Blick auf den Herrscher und seine Verfügungsgewalt. Denn je größer diese ist, desto mehr verringert sich wechselseitig die Freiheit seiner Untertanen. Im zwanzigsten Kapitel "Über erbliche und despotische Herrschaft" beschreibt Hobbes den Machtumfang des Souveräns, wie er ihn sich vorstellt.
Er kann daher ebensowenig mit Recht bestraft als für schuldig erkannt werden. Er entscheidet über Krieg und Frieden, über die öffentlichen Lehren und über alle Rechtshändel. Er allein ernennt Obrigkeiten, Räte in Friedenszeiten und Heerführer in Kriegszeiten und alle Diener des Staates. Von ihm hängen Belohnungen, Strafen, Ehre und Rang ab. Kurz, er ist aus den im vorigen Kapitel angeführten Gründen der alleinige Gesetzgeber (L, 20, 179).
Bei der Gesetzgebung erläutert Hobbes, daß hier der Mensch innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft keinerlei Einfluß auf die Festlegung hat und daß an dieser Stelle deswegen von Freiheit, bezogen auf Handlungsfreiheit, kaum eine Rede sein kann.
So nennt Hobbes Gesetze "Lehren der Vernunft", die erforderlich zur Erhaltung des Menschengeschlechts seien, abhängig alleine von dem, der in Besitz der höchsten Gewalt ist (vgl. L, 15, 142).
Und nicht nur der Inhalt von Gesetzen, sondern auch wann und wie sie geändert werden, liegt allein beim souveränen Herrscher.
"Das, was durch die Gesetze nicht bestimmt ist, kann jeder Bürger tun oder lassen; und diese Freiheit wird, wie der Oberherr es für gut findet, bald ausgedehnt, bald eingeschränkt sein" (L, 21, 196). Wie ausgedehnt ist aber eine Freiheit, die jederzeit willkürlich eingeschränkt werden kann, ohne daß der Bürger Einfluß darauf ausüben kann?
Was Rechtsstreitigkeiten angeht, ist die Verteilung von Freiheit ebenfalls klar definiert. So gehört nach Hobbes das Richteramt in die Hände der höchsten Gewalt ( vgl. L, 18, 162), entscheidet allein über Recht und Unrecht und kann dabei selbst nicht verklagt werden, weil sie auch dann richten würde und sowieso nur Stellvertreter der Handlungen des Volkes ist, welches sich somit selbst anklagte (vgl. L, 21, 196).
Auf der anderen Seite hat der Souverän des Staates jedes Recht, mit seinen Bürgern so zu verfahren wie es ihm beliebt. So gebührt ihm das Recht über Leben und Tod und selbst, wenn einer seiner Untertanen als Unschuldiger von ihm hingerichtet wird, so könne man dies als unglücklich betrachten, aber noch lange nicht als ungerecht oder den bürgerlichen Gesetzen widerstrebend (vgl. L, 21, 190).
Die Begründung dafür liegt in der Freiwilligkeit der Unterwerfung unter einen Souverän. So könne zwar das Leben eines Menschen von ihm gefordert werden, aber niemals könne jemand aufgefordert werden, sich selbst das Leben zu nehmen, weil das gegen den Gesellschaftsvertrag verstößt (vgl L, 21, 194).
Bildung, Literatur und Meinungsfreiheit liegen ebenfalls in der Hand des Souveräns. "Handlungen haben ihren Grund in Meinungen; folglich müssen diese unter Aufsicht genommen werden [...]". So behielte sich die Staatsführung in einem Hobbes´schen Staat vor, Bücher zu verbieten, die nicht der offiziellen Linie entsprechen und die Bildung und Ausbildung seiner Bürger nicht aus den Händen zu geben. "Der höchsten Gewalt [...] gebührt die Beurteilung aller Meinungen und Lehren, weil diese nicht selten Grund und Ursprung von Uneinigkeit und Bürgerkrieg sind" (L, 18, 161).
Ebenso kritisch betrachtet Hobbes Ansammlungen von Menschen, seien sie religiös motiviert, öffentliche Feiern oder Bündnisse, die geschlossen werden, um Eigentum zu verteidigen. Vereinigungen dieser Art sind automatisch verdächtig, denn der Staat, dessen Grundlage es ist, für den Schutz seiner Bürger zu sorgen, bietet keine Veranlassung an Selbstverteidigung zu denken (vgl. L, 23, 209). Massenaufläufe können nur gebilligt werden, solange sie aus einem Zweck geschehen, der dem Staat nicht zuwiderläuft und ausdrücklich aus nicht mehr Menschen bestehen, als der Staat aus eigener Gewalt jederzeit unter Kontrolle bringen kann (vgl. L, 23, 210).
Zugriffsrecht hat der Souverän ebenfalls auf das Eigentum seiner Staatsbürger. Die sicheren Grenzen des Staates ermöglichen zwar das Ansammeln von Besitz, in Krisenzeiten aber kann der Herrscher zur Verteidigung des Staates darüber verfügen, wie es ihm beliebt (vgl. L, 24, 216).
Hobbes gesteht somit offen, daß sein Staatsentwurf kein Hort der individuellen Freiheit ist. Seine Gewichtung liegt gänzlich woanders. Zuviel Freiheit gefährdet den Staat durch die psychische Beschaffenheit der Menschen. "Kein Gesetz hat das Ziel, des Volkes unschädliche Freiheiten einzuschränken, sondern es soll es vor Gefahr und Schaden bewahren, wozu es durch heftige Leidenschaften, Unbesonnenheit und Torheit kommen könnte [...]" (L, 30, 288).
Der Staat ist darauf ausgerichtet, Frieden im Innern zu sichern, mit allen Mitteln, die dafür notwendig sind und da die Bürger nach Hobbes immer nur so frei sein können, wie es der Staat ist, muß der Staat stark sein auf Kosten der Freiheit des einzelnen Individuums, dessen sämtliche Bedürfnisse nicht immer darauf ausgerichtet sein müssen, bei Auslebung derselben dem Staat zu schaden, aber trotzdem im Vorfeld unterbunden oder stark reglementiert werden.
"Das Recht auf den Zweck [...] gibt auch das Recht auf die Mittel". Wenn also die höchste Gewalt einmal übertragen worden ist, dann auch im vollen Umfang und inklusives des Rechtes "[...] sowohl in der Gefahr selbst wie zu ihrer Abwendung schon vorher das Nötige zu veranstalten, damit die Bürger im Innern und von außen her in Sicherheit leben und dem Staate jeder schon erlittene Schaden wieder ersetzt werde" (L, 18, 160).
Gemessen aber an dem Leben im Naturzustand, ohne schützende oberste Gewalt, ohne festgeschriebene Gesetze und geprägt von der ständigen Furcht, übervorteilt oder beraubt zu werden, sind diese "Unannehmlichkeiten" (L, 18, 166) scheinbar zu vernachlässigen.
Die Frage nach Recht oder Unrecht einer solch radikalen Haltung wird von Hobbes in diesem Zusammenhang kaum diskutiert. Recht und Unrecht sind für ihn Begriffe, die die Menschen überhaupt erst in einer bürgerlichen Gesellschaft kennenlernen können (vgl. L, 15, 130).
Und außerdem scheint folgender Grundsatz alle Kritik außer Kraft setzen zu wollen: "Was jemandem mit seiner Einwilligung geschieht, ist kein Unrecht" (L, 15, 134) und der Gesellschaftsvertrag ist freiwillig geschlossen worden.
3 Fazit
Thomas Hobbes beschreibt in seinem Werk den Naturzustand des Menschen, vor der Gründung eines allmächtigen Staates, als ewigen Kampf zwischen Leidenschaften und Selbsterhaltung. Diesem kann nur Einhalt geboten werden, wenn die Menschen sich einer allumfassenden Macht unterwerfen und dabei auf das verzichten, was in einer demokratischen Gesellschaft der heutigen Zeit als unabdingbare Grundrechte angesehen werden, wie z.B. das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf freie Bildung, auf Selbstbestimmung generell.
Hobbes stellt seinen Entwurf auf eine fundierte Grundlage. Menschen, die nichts weiter zu verlieren haben als Kampf und Aufruhr, verzichten auf ihre Freiheit zugunsten von Schutz. Ob dieses Menschenbild wirklich den Gegebenheiten entspricht, wie sie zu Hobbes` Zeiten vorzufinden waren, sei dahin gestellt, aber die Folgerung daraus erscheint plausibel.
Das allerdings, was die Bürger im Leviathan an persönlicher Freiheit aufgeben, läßt, zumindest aus heutiger Sicht, die Frage offen, ob nicht das, was an Sicherheit und Schutz gewonnen wird, wenig wert ist im Vergleich zu dem, was der Mensch an Freiheit verliert und ob nicht die Natur des Menschen, die Hobbes ja selbst als strebsam und aggressiv beschreibt, seinem Staatsmodell wiederum "natürliche", nämlich temporäre Grenzen setzt und bedingt, daß gegen jede Art absoluter Herrschaft eines Tages Rebellion droht.
4 Literatur
Hobbes, Thomas. Leviathan. Erster und zweiter Teil. Stuttgart. Philipp Reclam Junior. 1970. ISBN 3-15-008348-6
- Quote paper
- Bianca Patzelt (Author), 2002, Die Freiheit im Leviathan von Thomas Hobbes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107188
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