Gliederung:
1. Einleitendes Vorwort mit dem Versuch den Begriff Rechtsex- tremismus zu definieren und Fragestellung
2. Geschichtliche Entwicklung der Rechtsextremistischen Bewe- gung in Deutschland bis zur Wiedervereinigung
2.1. Die Entwicklung in der DDR
2.1.1. Chronographische Erörterung rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten und deren Entwicklung
2.1.2. Rechtsextremistische Organisationen und Parteien in der DDR
2.1.3. Grobe Charakterisierung des typischen Rechtsextremisten in der DDR
2.1.4. Mögliche Ursachen der rechtsextremistischen Bewegung in der DDR
2.2. Kurze Übersicht auf die Rechtsextremistische Bewegung in der DDR bis zur Wende
2.2.1. Entwicklung des Rechtsextremismus in der BRD
2.2.2. Der typische Rechtsextremist am Beispiel des idealen REP Wählers/ Anhängers vor 1990
2.3. Erster Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland in Bezug auf die parallele Entstehung des Rechtsextremismus
3. Rechtsextremistische Organisationen/ Gruppen und Parteien und deren Aktivitäten im vereinten Deutschland
3.1. Aktuelle rechtsextreme Parteien und deren Situation
3.1.1. Die „Deutsche Volksunion“ DVU
3.1.2. Die „Republikaner“ REP
3.1.3. Die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ NPD
3.1.4. Anhänger- und Wählerstruktur rechtsextremer Parteien (nach Falter 1994)
3.1.4.1. In Westdeutschland
3.1.4.2. In Ostdeutschland
3.1.5. Erster Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland in Bezug auf rechtsextremistische Parteien
3.2. Rechtsextreme Personenzusammenschlüsse außerhalb des Parteienbereichs
3.2.1. Entwicklung der neonazistischen Organisation
3.2.2. Die Entwicklung der Skinhead-Subkultur
3.2.3. Soziodemographische Merkmale der Gruppenmitglieder
3.2.4. Erster Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland in Bezug auf rechtsextremistische Personenzusammenschlüsse
3.3. Kultureller Rechtsextremismus
3.4. Entwicklung und Einschätzung der Personen- und Gewaltpotentiale
3.4.1. Personenpotential (nach Verfassungsschutzbericht 2000)
3.4.2. Gewaltpotential
4. Zusammenfassung der Ergebnisse und Bewertung
5. Literaturliste
6. Anhang
1 Einleitendes Vorwort mit dem Versuch den Begriff Rechtsextremismus zu definieren
Rechtsextremismus - was ist das überhaupt? Diesen Begriff möchte ich kurz definie- ren, bevor ich auf die Besonderheiten des „Rechtsextremismus“ zwischen Ost- und Westdeutschland eingehen werde. Notwendig ist dies aus zwei Gründen: Zum einen werden unterschiedliche Begriffe von der Bevölkerung aber auch von der Wissen- schaft benutzt (z.B. „Neo-Faschismus“, „Rechte“ oder „Rechtsradikalismus“), die entweder zu weit oder zu eng gefasst sind und zum andern weil Rechtsextremismus eine Sammelbezeichnung für unterschiedlich politische Phänomene (z.B. für nationa- listische Intellektuelle, militante Neonazis oder populistische Politiker) ist.1Extremis- mus ist eine politische Bestrebung, die danach trachtet, den demokratische Verfas- sungs- und Rechtsstaat in seinem Wesengehalt zu verändern. Extremisten akzeptie- ren die demokratischen „Spielregeln“ nicht und erweisen sich folglich als Gegner der freiheitlichen Demokratischen Grundordnung. „Der Begriff „Rechtsextremismus“ [speziell] umfasst politisch motivierte Bestrebungen, die vorrangig im Nationalismus und Rassismus wurzeln. [Nationalismus bedeutet dabei die Überbewertung der eige- nen Nation als überlegen gegenüber anderen.] [...]Nationalismus und Rassismus sind eng verzahnte Begriffe, weil in der rechtsextremistischen Interpretation die Nati- on nur die Gemeinschaft derjenigen umfasst, die aufgrund gemeinschaftlicher Ab- stammung - also einheitliche Rasse - zusammengehören („Rassenation“).“2Somit ist nicht nur die eigen Nation aus Sicht der Rechtsextremisten den anderen überle- gen sondern auch die eigene „Rasse“. Die wichtigsten Elemente des Rechtsextre- mismus sind ein den Gedanken der Völkerverständigung missachtender, oftmals ag- gressiver Nationalismus, verbunden mit menschenverachtender Fremdenfeindlichkeit und die offene oder verdeckte Wiederbelebung des Antisemitismus und anderer ras- sistischer Thesen, die mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichheitsprin- zip nicht vereinbar sind. Weiterhin bewerten die Rechtsextremisten die Interessen der „Volksgemeinschaft“ als wichtiger als die Interessen und Rechte des Einzelnen, also auf eine Aushöhlung der Grundrechte („völkischer Kollektivismus“). Ein weiteres Element der Rechtsextremisten sind die immer wiederkehrenden Versuche, „die na- tionalistische Gewaltherrschaft unter Herausstellung angeblicher positiver Leistungen des Dritten reiches zu rechtfertigen, die Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime zu diffamieren und die Verbrechen der nationalistischen Gewaltherrschaft zu ver- schweigen, zu verharmlosen oder zu leugnen. (Revisionismus).“3Weiterhin ist für den Rechtsextremismus eine Überbetonung hierarchischer Prinzipien („Führer“ und „Gefolgschaft“), verbunden mit der Propagierung einer autoritären und diktatorischen staatlichen und sozialen Ordnung sowie der Überbetonung der Notwendigkeit eines nach innen und außen starken Staats, wichtig (Etatismus). Weiterhin wollen alle Rechtsextremisten die Demokratie als ein Wert in den Augen der Bevölkerung durch planmäßige Verunglimpfung der bestehenden Staatsform und ihrer Repräsentanten zu erschüttern.4
Auch aus diesem Grund wird der Rechtsextremismus in der deutschen Bevölkerung wie kaum ein anderes Thema wahrgenommen. Dies mag zum einem auch an der erblich vorbelasteten Geschichte dieses Landes liegen, als auch von der Tatsache, dass in den letzten Jahrzehnten der Anteil von Gewalttaten mit vermutetem rechtsextremistischem Hintergrund sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern drastisch zugenommen hat. Dabei liegt besonders in den neuen Bundesländern bezogen auf die Einwohnerzahlen ein Schwerpunkt.
Mit den problematischen Umgang mit der rechtsextremistischen Bewegung in der DDR werde ich mich im zweiten Teil meiner Arbeit beschäftigen. Denn in der DDR gab es laut Partei-Doktrin der SED keinen Rechtsextremismus, da die DDR „der ers- te antifaschistische Staat auf deutschem Boden“ ist. Dabei werde ich die Entwicklun- gen des Rechtsextremismus in Deutschland bis zur Wiedervereinigung untersuchen und auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Ost und West eingehen. Der Schwerpunkt wird dabei allerdings bei den möglichen Ursachen des Rechtsex- tremismus in der DDR liegen, da diese auch die heutigen Ursachen der hohen Frem- denfeindlichkeit und somit der vielen Gewalttaten in den neuen Bundesländern dar- stellen. Die Entwicklung des Rechtsextremismus bis zu Wende werde ich dagegen nur in groben Zügen zum Verständnis bearbeiten, da dieses Thema nicht zu dem engeren Kreis dieser Arbeit gehört.
Als Reaktion auf die Berichterstattung nimmt „die eine Seite [...] das schlechte Ab- schneiden rechtsextremistischer Parteien bei Wahlen pauschal zum Anlass [...] deren Gefahrenpotential zu ignorieren, [während] [...] die andere Seite bereits im schlichten Vorhandensein rechtsextremistischer Organisationen eine Bedrohung für die Exis- tenz und Funktionsfähigkeit der Demokratie [sieht]“.5Im dritten Teil der Arbeit werde ich auf die besonderen Strukturen der rechtsextremistischen Parteienlandschaft ein- gehen Des weiteren werde ich auf die Frage eingehen wer überhaupt rechtsextreme Parteien wählt oder sogar Mitglied einer solchen Organisation ist. Auch werde ich den kulturellen Extremismus behandeln, da dieser oft die ideologische Grundlage der Rechtsextremisten darstellt. Weiterhin werde ich untersuchen wie es sich mit den Personenzusammenschlüssen außerhalb des Parteienbereichs verhält. Ebenfalls interessant dürfte das momentane Personen- und Gewaltpotential des Rechtsextre- mismus in Deutschland sein.
Vor der Anfertigung dieser Arbeit stellten sich mir folgende Fragen:
Da viele Straf- und Gewalttaten im Osten begangen werden und sich die Entwicklung des Rechtsextremismus seit der Wiedervereinigung rasant entwickelt hat, stellt sich die Frage ob der Osten rechtsextremer und auch gewaltbereiter ist als der Westen. Ebenfalls interessant ist die These, dass es in den neuen Bundesländern erst seit der Wiedervereinigung rechtsextremistische Tendenzen gab, da es ja nach der Staatsdoktrin, in der DDR keinen Rechtsextremismus gab. Weiterhin wird oft ange- nommen, dass rechtsextremistische Parteien nur im Westen vorkommen. Ferner gibt es Befürchtungen in der deutschen Bevölkerung, dass wir vor einer Radikalisierung und einem Rechtsruck wie im europäischen Ausland (wie u.a. in Holland, Frankreich, Italien und Österreich) stehen. Andere sind der Auffassung, da wir fast keine rechts- extremistischen Wähler haben, haben wir auch keinen Rechtsextremismus. Diese Thesen werde ich versuchen in meiner nun folgenden Arbeit zu beantworten.
2 Geschichtliche Entwicklung der Rechtsextremistischen Bewegung in Deutschland bis zur Wiedervereinigung
2.1 Entwicklung in der DDR
Wie schon in der Einleitung bemerkt, stellt sich die Nachforschung des Rechtsextre- mismus in der DDR als äußerst schwierig dar, denn laut Parteidoktrin gab es keinen Rechtsextremismus „in dem ersten antifaschistischen Staat auf deutschem Boden“. Das dies nicht so war, werde ich versuchen in diesem Kapitel darzulegen. Deshalb werde ich mit einer chronographischen Erörterung der rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten beginnen, denn diese Fakten können am eindeutigsten belegen, dass es sehr wohl fremdenfeindliche Tendenzen im Osten Deutschlands gab. An- schließend werde ich die rechtsextremistischen Organisationen und Parteien in der DDR genauer untersuchen und welche Personen ihnen angehören. Abschließen möchte ich dieses Kapitel mit den möglichen Ursachen der rechtsextremistischen Bewegung, da wir so durch die Ausführungen vorher vielleicht schon selber erste Erklärungsansätze herausgefunden haben und sie so überprüfen können.
2.1.1 Chronographische Erörterung
Das genaue Datum über das erste Erscheinen rechtsextremistischer Ausschreitun- gen lässt sich durch die offizielle Tabuisierung von Seiten der SED nicht bestimmen doch konnte 1956 die Beschmierung eines sowjetischen Friedhofs in Radeberg mit „Sieg Heil“ - Parolen oder die Schändung jüdischer Friedhöfe in den 70er Jahren festgestellt werden. Ebenfalls soll es Ende der 70er Jahre neben Hakenkreuzschmie- rereien auch häufiger zu Vorfällen gekommen sein, bei den der Hitlergruß gezeigt wurde. Meines Erachtens waren dies allerdings noch keine Anzeichen für einen aus- geprägten Rechtsextremismus, da dafür Einzeltätern bzw. kleine Gruppen verant- wortlich waren.
Dies änderte sich allerdings schlagartig in den Jahren 1986/ 87. Seit diesem Jahr existierte in der DDR eine offene rechtsextremistische Gewalt, die in einem Überfall auf ein Ausländerwohnheim in Halle eskalierte. In den selben Zeitraum fällt auch ein Überfall der „Lichtenberger Front“ auf Besucher eines Punkt-Konzertes am 17.10.1987. Im Anschluss daran wurde dann auch zum ersten Mal in der DDR öffent- lich über die jugendliche Rechtsextremisten in den Medien berichtet. Im Jahr 1988 kam es dann wiederholt zu Straf- und Gewalttaten mit rechtsextremen Hintergrund deren Anzahl sich im Jahr 1989 noch steigerte. Nach einem Bericht der „Arbeitsgruppe zur Bekämpfung rechtsradikal motivierter Kriminalität und Selbstjus- tiz“ Ost-Berliner Kriminalpolizei vom 28.12.1989, wurden 1988/ 89 481 einschlägige Verfahren mit über 1000 Beteiligten eingeleitet. Wenn man sich nun vorstellt, dass zum einem die Dunkelziffer viel höher gewesen sein muss und zum andern, dass die Zahlen auch durch die Berliner Polizei „verschönt“ wurden, kann man sich in etwa vorstellen wie hoch die tatsächlich Zahl der Straf- und Gewalttaten war. Die Anzahl der rechtsextremistischen Straftaten insgesamt betrug im Jahr 1990 20316
2.1.2 Rechtsextremistische Organisationen
Obwohl die hohe Personenzahl als auch die Anzahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten zum Ende des DDR-Regimes eine gewisse Organisationsstruktur nahe legen, gab es in der DDR keine wirklichen rechtsextremistischen Organisationen und in der Folge auch keine richtige rechtsextremistische Partei.
Solch eine Partei hätte die DDR-Spitze auch sicherlich schnell verboten, denn konnte man doch so nicht mehr mit dem Finger auf die BRD zeigen, in der die SRP einige Erfolge feiern konnte. Weiterhin hätte eine rechtsextremistische Partei gegen die Auf- fassung der DDR als „erster antifaschistischer Arbeiter- und Bauernstaat auf deut- schem Boden“ verstoßen. Dennoch bemühte sich die SED allerdings schon recht früh um die nur nominellen Parteigenossen, die einen beträchtlichen Teil der Wahl- bevölkerung ausmachten.7Die SED wollte so die „kleinen Nazis“ für sich gewinnen, denn sie wollte nicht den gleichen Fehler wie die österreichischen Kommunisten ma- chen und durch einen starren Antinazismus sich in der Bevölkerung isolieren. Diese Zielsetzung hat auch geklappt, denn die ehemaligen NSDAP-Mitglieder strömten zu den Versammlungen der SED, die sie als einzige Partei nicht mehr isolierte.
„Um diese Bindung weiter zu verstärken, ohne die eigenen Reihen zu belasten, und gleichzeitig die gesellschaftliche Integration der früheren Parteigenossen voranzu- treiben, gingen die SED und vor allem die SMAD daran, für diesen Personkreis eine eigene Satellitenpartei zu gründen.“8„Da die NSDAP zumindest in ihrer frühen Zeit besonders im Mittelstand eine starke Anhängerschaft gehabt hatte und ein erhebli- cher Teil der Entnazifizierten aus diesen Schichten kam, bot sich die Form einer Mit- telstandspartei an, die den bürgerlichen Anhang nach den Reformen ohnehin nicht stützen konnten, Mitglieder und Wähler zu entziehen und als Transmission fungieren konnten“9
Diese sogenannte Mittelstandspartei NDPD bestand allerdings in ihrer Führungsspit- ze zum größten Teil aus ehemaligen NSDAP Funktionären und schlug somit deutli- chere nationale Töne an als die anderen Parteien. In der DDR war die NDPD recht erfolgreich, denn „es gelang ihr in relativ kurzer Zeit, die gesellschaftliche Gleichbe- rechtigung der ehemaligen Nationalsozialisten durchzusetzen. Allerdings blieb der DDR-Führung auch gar nichts anderes übrig, wenn sie die Übersiedlung dieser Per-
sonengruppe in den Westen verhindern wollte.“10Somit wurde bereits am 11.09.1949 das „Gesetz über den Erlass von Sühnemaßnahmen und die Gewährung staatsbür- gerlicher Rechte für ehemalige Mitglieder und Anhänger der Nazipartei und Offiziere der faschistischen Wehrmacht“ von der Volkskammer verabschiedet. Die völlige rechtliche Gleichstellung erhielt diese Gruppe dann mit einem weiteren Gesetz, dass im September 1952 folgte. Ausgenommen hiervon blieben lediglich verurteilte Akti- visten und Kriegsverbrecher. Die DDR-Führung untergrub so also ihre eigene Dokt- rin, indem sie die Entnazifizierung stoppte und ehemalige Mitglieder rehabilitierte. Obwohl diese Partei überwiegend aus ehemaligen Mitgliedern der NSDAP bestand, war sie nicht wirklich eine rechtsextreme Partei. Ich führe sie hier lediglich auf um den Widerspruch des SED-Regimes darzustellen und um zu zeigen, dass selbst im „antifaschistischen Arbeiter- und Bauernstaat“ eine bürgerliche Partei aus ehemali- gen „Faschisten“ existierte. Die NDPD blieb zwar bis zum Zusammensturz des Re- gimes bestehen, kam allerdings nie über einen Satellitenstatus hinaus. Bei der Volkskammerwahl am 18.03.1990 erreichte die NDPD lediglich 0,39% der abgege- ben Stimmen. „Nur rund die Hälfte ihrer eingeschriebenen Mitglieder hatte sie noch gewählt.“11
Da die NDPD, die einzige Partei in der ehemaligen DDR war, die ansatzweise ein rechtsextremistisches Weltbild hatte, kann ich nun wirklich sagen, dass es in der DDR keinen Parteienrechtsextremismus gab.
Wenn es aber keinen Parteienrechtsextremismus gab, die Zahlen der Straf- und Ge- walttaten mit rechtsextremistischen Hintergrund allerdings belegen, dass es doch fremdenfeindliche Tendenzen in der DDR gab, dann muss es noch ein anderes Feld im rechtsextremistischen Spektrum gegeben haben. Anfang der 80er Jahre entwi- ckelte sich eine subkulturelle Jugendszene in Gestalt von „Punks“, „Skinheads“, „Heavy Metals“ und verwandter Gruppierungen ohne rechtsextremistischen Hinter- grund als Reaktion auf die Widersprüche zwischen Doktrin und Wirklichkeit in der DDR. Erst ab Mitte der 80er Jahre wandten sich Skinheads und Hooligans bewusst rechtsextremen Vorstellungen hin. Bis ca. 1986 organisierte sich der Rechtsextre- mismus dann in kleine informellen Gruppen und Freizeitcliquen, die sich dann zu stabilen Gruppen mit festen Mitgliederstamm wandelten. (nähere Informationen) Die- se Gruppen trafen sich dann nach einem bestimmten Regelsystem und bildeten den Kern einer politisch motivierten, rechtsextremistischen Szene. Die Entwicklung des Rechtsextremismus in der DDR liegt eng mit der Entwicklung der Skinheadgruppen zusammen. Mitte bis Ende der 80er Jahre entstanden nun sogar netzwerkähnliche Verbindungen zu ähnlich denken Gruppen in anderen Städten der DDR. Die Anzahl der in rechtsextremen Gruppen organisierten jungen Leute wurde Anfang 1988 auf ungefähr 1000 Personen geschätzt. Diese 1000 Personen können wir nun verglei- chen. Ende 1989 wurde gegen über 1000 Personen wegen rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten ermittelt. Wenn wir nun die heutige Situation mit der von 1988 vergleichen, dann können wir sagen, dass es wahrscheinlich noch wesentlich mehr Personen mit rechtsextremen Hintergrund gegeben hatte, denn heute sind die meis- tes Personen in rechtsextremen Organisationen zwar potentiell gewaltbereit aber sind oft nicht selber in Straf- und Gewalttaten verwickelt. Eine genaue Anzahl der Personen kann ich aber leider nicht nennen.
2.1.3 Charakterisierung des typischen Rechtsextremisten in der DDR
Wer sind diese Personen und aus welchem Milieu kommen diese Kreise? Diese Fragen lassen sich nicht sehr leicht beantworten, denn die Rechtsextremismusforschung über die DDR steckt noch in den Kinderschuhen. Doch die Ost-Berliner Polizei sammelte die Daten der ca. 1000 Personen von denen weiter vorne schon die Rede war und wertete sie auch aus.
Demnach war der typische Rechtsextremist in der DDR eine männliche Person, denn der Anteil der weiblichen lag unter 5%. Weiterhin waren 70% der Straffälligen unter 21 Jahre alt, also ältere Schüler und Lehrling, und sie lebten alleine. Die meisten von Ihnen hatten einen niedrigen oder mittleren Bildungsabschluss, doch diese Tatsache ist problematisch, denn aufgrund des geringen Alters konnten viele noch keinen hö- heren Bildungsabschluss erreichen. Ich gehe allerdings davon aus, dass die meisten schon länger in kleinen informellen Gruppen oder Freizeitcliquen waren und somit schon eher an die 21 Jahre heranreichten. Weiterhin gehe ich davon aus, dass in diesen Gruppen - wie auch bei anderen Skinheadgruppen oder Hooligans - der Al- koholkonsum eine wichtige Rolle spielte und die Mitglieder so teilweise gar nicht mehr in der Lage waren ein höheres Bildungsniveau zu erreichen. Diese Pauschali- sierungen sind zwar meist gefährlich, doch traue ich sie mir in diesem Fall zu.
Ebenfalls stammten die meisten Straftäter aus eher einfachen Verhältnissen, aller- dings war der Vater öfters Facharbeiter als normaler Arbeiter. Eine weitere Gemein- samkeit bestand darin, dass die meisten Rechtsextremisten vorher Punks oder „Fuß- ballfans“ gewesen sind. Dies bestätigt meine These von vorhin, dass die meisten eher knapp 21 Jahre alt gewesen sind und dadurch auch die theoretischen Möglichkeit gehabt hatten einen höheren Bildungsabschluss zu erreichen. Viele von ihnen sind Mitglied dieser Subkultur geworden als Ausdruck des „Anders-Sein-Wollen“. Dadurch sind wir jetzt auch schon bei den möglichen Ursachen des Rechtsextremismus in der DDR angelangt.
2.1.4 Mögliche Ursachen der Rechtsextremistischen Bewegung
Um die heutigen Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in den neuen Bundesländern herauszufinden, muss ich natürlich auch die Geschichte dieser Länder berücksichti- gen. Zu dieser Geschichte gehören notwendigerweise auch die möglichen Ursachen der rechtsextremistischen Bewegung in der DDR. Damit will ich nicht sagen, dass die Gründe damals und die Gründe heute identisch sind, allerdings stellenweise sind sie kongruent.
Einer der wichtigsten Gründe könnte in der schnellen und lückenhaften Vergangen- heitsbewältigung der DDR mit dem Dritten Reich gesehen werden, denn wie ich be- reits schon erwähnt sah sich die DDR als „der erste antifaschistische Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden“. Es herrschte somit das Prinzip des „verordneten Antifaschismus“, der ein Grundpfeiler in der antifaschistischen Erziehung in der DDR war. Doch wie ebenfalls schon erwähnt, wurden lediglich ehemalige NSDAP- Mitglieder entnazifiziert und das auch nur bis 1952 bis die vollständige Rehabilitie- rung der Mitglieder und Anhänger der Nazipartei sowie der Offiziere der faschisti- schen Wehrmacht von der NDPD bei der SED durchgerungen wurde. Aufgrund ihrer Doktrin sah die DDR-Spitze auch keinen Anlass - wie die BRD - eine materielle Wiedergutmachung an den Staat Israel zu zahlen. Weiterhin unterstützte die DDR- Führung den arabischen/ palästinensischen Befreiungskampf, allerdings mehr inoffi- ziell als offiziell. Dennoch kann ich sagen, dass die DDR einen staatlichen Anti- Zionismus mit Anti-Semitischen Zügen betrieb und dies auch in der „Volkserziehung“ so verbreiten ließ. Da ist es kein Wunder, dass viele Bürger in der DDR ein schlech- tes Bild von Juden hatten und eine allgemeine Fremdenangst. Diese Fremdenangst hängt aber auch mit der mangelnden Erfahrungen, die DDR-Bürger seit dem Mauer- bau im Ausland erfahren konnten. Reisefreiheit war ein staatlich gewährtes Privileg, dass es zu berücksichtigen gilt bei den fremdenfeindlichen Ressentiments gegen- über Ausländern. Weiterhin waren Kontakte von der DDR-Bevölkerung mit den Gast arbeitern aus den sozialistischen Brüderländern außerhalb des offiziellen Rahmens nicht vorgesehen. Die wenigen Ausländer in der DDR lebten abgeschottet in Heimen und da so kein Kontakt zu den Bürgern stattfinden konnte kursierte unter der Bevölkerung Gerüchte, dass die Gastarbeiter aus den Solidaritätsbeiträgen der DDRBürger bezahlt würden. Weiterhin kursierten Gerüchte, dass die Gastarbeiter in besseren Behausungen als die DDR-Bürger leben würden. Tatsächlich lebten diese in staatlich genormten Räumen. „Fünf Quadratmeter pro Person, maximal 4 Personen pro Raum, ab 50 Personen einen Klubraum“12
Um dieses Kapitel noch einmal zusammenzufassen kann ich sagen, der größte Feh- ler - in Bezug auf den Rechtsextremismus - der DDR-Spitze war es, dieses Phäno- men totzuschweigen und zu leugnen, denn so fehlten auch die repressiven Mittel des Staates um Rechtsextremisten oder die Entstehung von Rechtsextremismus zu be- kämpfen. Es funktioniert so lange gut eine Gefahr totzuschweigen um die Bevölke- rung ruhig zu halten bis die Gefahr plötzlich vorhanden ist. Sicherlich gab es am An- fang in der DDR keine offene Gewalt von Rechtsextremisten, doch muss sich die DDR-Spitze fragen lassen, inwieweit sie selber an der teilweisen Xenophobie in der Bevölkerung schuld ist. Denn das schlimmste sind nicht die vielen Straf- und Gewalt- täter, sondern dass weite Teile in den neuen - allerdings aber auch in den alten - Bundesländern den Rechtsextremisten zuschauen, teilweise zustimmen und im schlimmsten Fall sogar mitmachen wie in Rostock 1991.
2.2 Kurze Übersicht auf die rechtsextremistische Bewegung in der BRD bis zur Wende
Die aktuelle immer wieder kehrende Diskussion in Politik, Medien und weiten Teilen der Öffentlichkeit zeugt von einem großen Erschrecken darüber, in welchem Ungang und in welchen Formen sich rechtsextremistisches Denken und Handeln in Deutsch- land verbreitet und verfestigt hat. Auslöser dieser Diskussion waren dabei insbeson- dere eine Reihe von brutalen Angriffen auf Bürger ausländischer Herkunft oder auf andere Minderheiten. Geändert hat sich allerdings nur die Intensität und die Erschei- nungsformen, denn die Entwicklung der Demokratie in der BRD war nie frei von Ge- fährdungen durch Rechtsextremisten, wie die folgende Chronologie zeigen wird. Al- lerdings werde ich hier nur kurz auf zwei Punkte aus dem Parteienbereich eingehen.
2.2.1 Die Entwicklung des Rechtsextremismus in der BRD
Am 2. Oktober 1949 gründete sich die rechtsextreme Sozialistische Reichspartei (SRP), die nach Ideologie, Programm, Herkunft ihrer Führer und politischer Praxis als Nachfolgepartei der NSDAP zu bewerten ist. Ihren Größten Wahlerfolg errang die SRP 1951 in der Landtagswahl in Niedersachsen mit 11% und in der Bürgerschaftswahl in Bremen mit 7,7%. Das Bundesverfassungsgericht stelle dann am 23.Oktober 1952 die Verfassungswidrigkeit der SRP fest. Mit diesem Urteil wurde die Partei aufgelöst und die Einrichtung von Ersatzorganisationen verboten.
Erst in der zweiten Hälfte der 60er Jahre gelang es der 1964 gegründeten „National- demokratischen Partei Deutschlands“ (NPD), wieder an den Einfluss und auch an die Wahlerfolge der SRP anzuknüpfen. Doch nachdem sie an den Bundestagswahlen 1969 knapp scheiterten, verlor diese Partei schnell an Bedeutung. Wiederum folgten etwa eineinhalb Jahrzehnte demokratischer Weiterentwicklung, in denen Rechtsext- remisten wenig Einfluss und Aufmerksamkeit hatten. Eine sozialwissenschaftliche Studie von 1981 belegte jedoch, dass viele Merkmale rechtsextremistischen Den- kens in Teilen der Bevölkerung (immerhin mehr als 10%) noch immer präsent waren. Ende der 80er Jahre wurde mit den ersten Wahlerfolgen von DVU und Republikaner erneut offensichtlich, dass solche politischen Tendenzen in Deutschland vorhanden sind. Vergleichbares galt allerdings auch für das europäische Ausland mit dem Auf- kommen rechtspopulistischer Parteien. Es gab also in der BRD hauptsächlich einen Parteienrechtsextremismus und weniger Rechtsextremismus in informellen Klein- gruppen. Diese Form gab es sicherlich auch, doch lag das Augenmerk bei den Par- teien. Somit kann man sich denken, dass der rechtsextremistische Personenkreis in der BRD wahrscheinlich ein anderer war, als der in der DDR.
2.2.2 Der typische Rechtsextremist am Beispiel des idealen REP/ DVU-Wählers/ Anhängers vor 1990
Um den typischen REP/DVU-Wähler zu charakterisieren muss ich zuerst sagen, dass es keinen typischen REP/DVU-Wähler vor 1990 gab. Allerdings war „er“ zu- meist männlich, denn es wählen die REP als auch die DVU doppelt so viele Männer wie Frauen. Weiterhin kam er aus verschiedenen Altersgruppen. Die Altersgruppe von 18-24 Jahren war allerdings überproportional hoch vertreten, sowie die Alters- gruppe zwischen 45-59. Ebenfalls haben relativ viele Männer über 60 diese Parteien gewählt. Das besondere daran ist, dass die letzten beiden Altersgruppen noch zu der sogenannten „Erlebnisgeneration“ gehören und somit auch Altnazis sein könnten.
Wir können so also feststellen, dass die Wähler dieser beiden Parteien sich nicht in ein bestimmtes Alterschema einordnen lassen. Ebenso verhält es sich bei der sozia- len Stellung und Herkunft der rechtsextremistischen Wähler in den 80er Jahren, denn sie rekrutierten sich in etwa gleichbleibend aus Personenkreisen der besser gestell- ten Gesellschaftsschichten als auch aus der Schicht der „sozial Benachteiligten“. Weiterhin lässt sich auch nicht klar feststellen, aus welchen Gründen diese Personen rechtsextremistische Parteien wählten, denn unter ihnen waren sowohl Protestwähler als auch Personen mit einem geschlossenen rechtsextremistischen Weltbild.
2.3 Erster Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland in Bezug auf die pa- rallele Entstehung des Rechtsextremismus
Sowohl in der BRD als auch in der DDR gab es eine rechtsextremistische Bewegung vor der Wiedervereinigung. Somit kann ich die These, dass der Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern erst nach der Wende entstanden ist, klar verneinen. Die Anzahl der rechtsextremistischen Straf- und auch Gewalttaten sprechen sich in diesem Fall für sich genauso wie die Tatsache, dass es eine rechtsextrem politisierte Skinheadbewegung in der DDR vor 1990 gab.
Lediglich beim Parteienrechtsextremismus kann ich diese These bejahen, denn die NDPD war nur eine Marionettenpartei der SED. Sie bestand zwar am Anfang weitestgehend aus alten Nazis, doch am Ende der DDR hatte sie gar keine Akzeptanz mehr in der DDR. Vor der Wende waren der parteipolitische Aspekt des Rechtsextremismus eindeutig auf der westlichen Seite Deutschlands beheimatet. Zuerst mit der SRP und dann mit der NPD. In den achtziger Jahren kamen auch noch zwei neue Parteien mit der DVU (hervorgegangen aus einem Verein) und den REP (als eine Art der Rechtsabspaltung der CSU) hinzu. Diese drei letzten Parteien stehen nun auch im Folgenden Kapitel im Mittelpunkt des Interesses.
3 Rechtsextremistische Organisationen / Gruppen und Parteien und deren Aktivitäten im vereinten Deutschland
3.1 Rechtsextreme Parteien
Im Laufe der 90er Jahre gelang es keiner rechtsextremistischen Partei, sich bundes- weit als Wahlpartei zu etablieren. Für den Zeitraum lässt sich hinsichtlich der Zu- stimmung bei Wahlen ein wellenartiges Auf und Ab ausmachen. Lediglich in be stimmten Phasen konnten die Parteien Wahlerfolge von über fünf Prozent der Stim- men bei Landtagswahlen erlangen. Diese Bild nehmen nun einige zum Anlass um zu behaupten, dass es in Deutschland keinen richtigen Rechtsextremismus gibt und verweisen auf Frankreich und Italien, da in diesen Ländern rechtsextremistische Par- teien regelmäßig über zehn Prozent der Stimmen erlangen. In diesen Kapitel möchte ich deshalb u.a. darlegen, dass man diese rechtsextremistischen Parteien dennoch Ernst nehmen muss, obwohl es keine Wahlparteien sind. Der letzte große Wahlerfolg einer rechtsextremistischen Partei war der von der DVU bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt 1998 mit 12,9 Prozent der Stimmen. Aus diesem Grund könnte man annehmen, dass der Parteienrechtsextremismus in den neuen Ländern zugenom- men und sich dort auch etabliert hat. Diese These werde ich auch versuchen in die- sem Kapitel zu belegen oder zu entwerten. Anfangen werde ich deshalb mit der mit- gliederstärksten rechtsextremistischen Partei, der „Deutschen Volksunion“ (DVU).
3.1.1 Die „Deutsche Volksunion“ (DVU)
Die DVU wurde 1971 als DVU e.V. 1971 als eine Arte organisatorischeres Erbe der NPD, zumindest was ihren Status als mitgliederstärkste rechtsextremistische Organi- sation angeht gegründet. Sie verstand sich als überparteiliches Auffang- und Sam- melbecken der zerfallenen extremistischen Rechte.13Die wichtigste Zielsetzung der DVU bestand aber nicht eine aktive politische Organisation zu werden, sondern eher darin, dass sich ihr Gründer und Vorsitzender, der Verleger der „Deutschen National- Zeitung“ Dr. Gerhard Frey darauf konzentriert ein Netzwerk aus inaktiven Mitgliedern um sich herum aufzubauen, dass fleißig seine Publikationen abkauft. Die Aktivitäten der Mitglieder beschränkten sich also weitgehend „auf das Lesen der Zeitungen Freys, das Zahlen der Mitgliedsbeiträge und den Besuch der jährlichen „Großveran- staltung“ in Passau.“14Die DVU zählt momentan 17.000 Tausend Mitglieder von de- nen etwa fünf Prozent in den östlichen Bundesländern beheimatet sind.
Erst Mitte der 80er Jahre orientierte sich Frey neu indem er der Wahlempfehlungen zugunsten der NPD gab und somit seine Organisation mehr und mehr politisierte. Diese Politisierung wurde komplett im März 1987 abgeschlossen nachdem Frey die „Deutsche Volksunion - Liste D“ als Partei und eingeschriebene Wahlorganisation gründete. Alle Mitglieder des Vereins wurden automatisch Mitglieder in der Partei, außer wenn sie sich ausdrücklich dagegen aussprachen. In der Folgezeit kooperierte die DVU mit der NPD indem sich die beiden Parteien abwechselnd unterstützten.
Diese Zusammenarbeit beendete Frey 1990, da sich kein Erfolg abzeichnete.
Ebenso wenig wie die Partei ein richtiges Programm hatte, gibt es in der Partei demokratische Strukturen. Die Kandidaten werden nicht durch ein Parteigremium nominiert sondern nach Gutdünken eingesetzt. Mandatsträger erhalten ihre Anweisungen von Frey oder aus der Münchner Zentrale. Parteimitglieder die Eigeninitiative zeigen, werden von der Partei ausgeschlossen.
Man könnte nun meinen, dass solch eine Organisation keinen Erfolg haben kann und nur eine Ansammlung von „rechtsextremistischen Spinnern“ unter sich ist. Dennoch erlangte die DVU einige Wahlerfolge. Bei der Wahl zur Bremer Bürgerschaft erhielt sie zwar nur 3,4 Prozent, aber aufgrund der Besonderheiten bei der Wahl mit Bre- merhaven konnte die DVU einen Abgeordneten in die Bürgerschaft entsenden. Norddeutschland entwickelte sich in der Folge überhaut zu einer Hochburg für die DVU. 1991 erhielt sie in Bremen 6,2 Prozent; 1992 in Schleswig-Holstein 6,3 Prozent und 1997 verpasste sie nur knapp mit 4,9 Prozent den Einzug in die Bürgerschaft. Bei den schon weiter oben angesprochenen Landtagswahlen im April 1998 in Sach- sen-Anhalt konnte die DVU dann sogar den größten Erfolg einer rechtsextremisti- schen Partei in der Geschichte der BRD feiern. Im Folgejahr zog die DVU auch in das Landesparlament Brandenburg mit 5 Abgeordneten ein, da sie bei den Wahlen am 5. September 1999 5,3 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Im Jahr 2001 beteiligte sich die DVU ausschließlich an den Wahlen zur Hamburger Bürger- schaft und zu den kommunalen Bezirksversammlungen am 23. September. Doch dabei konnte sie keinen Erfolg verbuchen, denn mir 0,7 Prozent der Stimmen erhielt sie die schwerste Wahlniederlage seit den Wahlen zum Europäischen Parlament 1989. Die Partei erreichte damit nicht die Mindestzahl von 1% der Wählerstimmen um einen Anspruch auf die staatliche Teilfinanzierung zu haben. Damit erlitt die Par- tei bzw. Dr. Frey schwere finanzielle Einbußen, denn die Wahlkampfkosten betrugen über 1,02 Millionen €.15
Die Etablierung als Wahlpartei gelang der DVU bislang lediglich in Bremen aufgrund des mehrfachen Einzug in die Bürgerschaft. Davon zu sprechen, dass die DVU sich auch in östlichen Bundesländern als Wahlpartei etabliert hat oder sich sogar der Schwerpunkt in den Osten verlagert hat, ist zu früh. Denn die DVU trat bei den letz- ten Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt gar nicht mehr an. Ob es daran lag, dass sich die Fraktion gespalten hatte oder - wie die Partei selber behauptet - dass sie der rechtspopulistischen Schill-Partei den Vorzug geben wollte, möchte ich hier nicht bewerten. Wir müssen allerdings noch die nächsten Jahre bzw. Wahlen abwarten, ob sich der Schwerpunkt in den Osten verlagert. Dagegen spricht zum einem die gerin- ge Mitgliederzahl der DVU in den neuen Bundesländern und zum andern die beiden Misserfolge bei den Landtagswahlen 1998 in Mecklenburg-Vorpommern und 1999 in Thüringen.16Weitere Punkte die gegen einen längerfristigen Erfolg der Partei spre- chen sind zum einen die mangelnde innerparteiliche Demokratie und in der Folge eine inaktive Mitglieder- bzw. „Zeitungsleserschaft“ und zum andern die finanzielle Situation der Partei. Dennoch können wir nicht Aufatmen, denn wenn uns der Rechtsextremismus in den letzten Jahren eins gelehrt hat, dann ist es das wellenarti- ge Auf und Ab bei den Wahlergebnissen rechtsextremer Parteien.
3.1.2 Die „Republikaner“ (REP)
Die REP wurden 1983 als eine Art „Rechtsabspaltung“ der CSU von den beiden früheren Bundestagsabgeordneten Franz Handlos und Eckhard Voigt aus Protest gegen das Gebaren des damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß sowie dessen Einfädeln einen Milliardenkredits an die DDR ohne Erkennbare Gegenleistung, gegründet. Ebenfalls Mitglied in der Führungsspitze wurde der bekannte Journalist Franz Schönhuber, der dich dann auch bei der politischen Ausrichtung der Partei durchsetzten sollte. Der langjährige Vorsitzende der REP - Franz Schönhuber - stellte sich die Partei im Sinne des französischen „Front National“ vor, also eine rechtsextremistische Partei mit populistischen Charakter.17
Doch an die Ergebnisse des „Front National“ kamen die REP nie heran. Ebenso wie für die DVU können wir feststellen, dass die REP keine Wahlpartei sind. Ihre größten Erfolge feierten sie bei den Landtagswahlen 1992 und 1996 in Baden-Württemberg mit jeweils 10,9 und 9,1 Prozent, den Berliner Wahlen 1989 mit 7,5 Prozent und bei den Europa-Wahlen 1989 mit 7,1 Prozent. Lediglich im Bundesland Baden- Württemberg kann ansatzweise von einer Etablierung der REP als Wahlpartei ge- sprochen werden, da sie es dort zweimal hintereinander ins Parlament geschafft ha- ben. Allerdings bei den letzten Landtagswahlen im Jahr 2001 in B-W erreichten die REP lediglich 4,4 Prozent und verpassten so den Sprung in den Landtag. Diese Aus- scheiden der Partei aus dem Landtag war für die REP doppelt schmerzhaft, denn so wird die Partei in der öffentlichen Wahrnehmung weiter ins Abseits gedrängt und die ohnehin marode Finanzsituation hat sich noch verschärft. Deshalb wurden auch Stimmen in der Partei laut die einen Rücktritt des jetzigen Vorsitzenden Dr. Rolf Schlierer fordern.18
Mit der Ausnahme von den Wahlen in Berlin 1989 fällt auch auf, dass die Partei - obwohl ihr Sitz in Berlin ist - der regionale Wählerzuspruch eher im Süden zu finden ist. Ähnlich sieht es auch mit den Mitgliederzahlen aus. Von den etwa 11.500 Mitglie- dern sind etwa zehn Prozent im Osten organisiert. „Vor diesem Hintergrund haben sich die östlichen sowie die struktur- und mitgliederschwachen nördlichen Landes- verbände Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg zu einer Arbeitsgemeinschaft Nord-Ost („ARGE-Nord-Ost“) zusammengeschlossen, um sich gegenseitig zu unter- stützen und ihre Interessen auch gegenüber der Parteiführung besser wahrnehmen zu können.“19Daran kann man erkennen, dass die REP eine regionale rechtsextre- mistische Randpartei sind.
In seinem Essay „Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutsch- land“ aus der Zeitschrift Politik und Zeitgeschichte B39/2000 vermutet Armin Pfahl- Traughber einen Zusammenhang zwischen dem seriös-konservativen Erscheinungs- bild der REP und dem schlechten Abschneiden bei den Landtagswahlen in Ost- deutschland. Folgerichtig vergleicht Pfahl-Traughber im Folgenden, die Agitation der DVU, die auf platte Parolen setzt und direkt an Aversion gegen etablierte Politik und Ressentiments gegen Fremde anknüpft, mit deren erfolgreichen Abschneiden bei Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Meines Erachtens liegt der Autor damit richtig, denn eine Partei mit platten Parolen bedient eher den Protestwähler als eine mit vermeintlich seriösen Auftreten. Diese Klientel wird in Ostdeutschland, aber auch im Westen, von den etablierten Parteien weitestgehend bedient. Gegen das seriöse Auftreten der REP sprechen allerdings die guten Kontakte vieler Mitglieder zu Rechtsextremisten. Die Partei kann sich also nicht richtig entscheiden in welche Richtung sie tendieren will. Wir werden die nächsten Jahre abwarten müssen und beobachten, ob die Partei weiter in Richtung Extremismus abrutscht. Als eine eindeutige rechtsextremistische Partei mit aktiven Bestrebungen gegen die freiheitliche Demokratische Grundordnung, kann die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ NPD bezeichnet werden.
3.1.3 Die „Nationaldemokratische Partei Deutschland“ (NPD)
Die 1964 gegründete NPD nimmt unter den rechtsextremistischen Parteien in Deutschland eine Sonderstellung ein. Im Gegensatz zu den damals noch relativ jun- gen Parteien DVU und REP, war die NPD zu Beginn der 90er Jahre an den Tiefpunkt ihrer Entwicklung angelangt. „Vor diesem Hintergrund gelang es ihr zunächst noch weniger als den beiden anderen rechtsextremistischen Parteien, eigene Strukturen in den neuen Bundesländern aufzubauen, was sich allerdings in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre schlagartig ändern sollte“20Zu dieser Zeit änderte sich die Ideologie der NPD, die einen organisatorischen und strategischen Wechsel nach sich zog. Es kam zu einer „Verschärfung der verbalen Ablehnung des demokratischen Verfas- sungsstaates [und zum anderen] zu einer Neuorientierung hin zu einem „nationalen Sozialismus“. [...] Strategisch ergänzte man die traditionellen parteipolitischen Aktivi- täten durch eine stärkere aktionistische Vorgehensweise, die sich insbesondere in öffentlichen Aufmärschen mit Neonazis und Skinheads artikulierte“.21Durch eine scharfe Ablehnung des Kapitalismus konnte die NPD in den östlichen Bundesländern insbesondere an Vorbehalte aus der DDR-Zeit anknüpfen. Unter anderem erhielt die Partei Mitte der neunziger Jahre dadurch einen starken Zulauf vor allem durch junge männliche Neonazis in den neuen Bundesländern. Im Jahr 1996 betrug die Mitglie- derzahl noch 3500, doch in den folgenden Jahren stieg die Zahl kontinuierlich auf ca. 6000 Mitglieder im Jahr 1998 an. Die momentane Mitgliederzahl beträgt ca. 6500. Diese strategische Änderung machte sich also für NPD, vor allem in den neuen Bun- desländern, bezahlt. Der stärkste Landesverband ist mittlerweile mit Abstand in Sachsen mit 1200 Mitgliedern zu finden. Eine weitere Besonderheit der NPD ist es, dass die westlichen Landesverbände stark überaltert sind und die östlichen von jun- gen Männern dominiert werden.
„Außerdem integrierte die Partei auch zahlreiche rechtsextremistische Skinheads bzw. nutzte sie als Mobilisierungspotential bei öffentlichen Aufmärschen. Solche ge- langen der NPD in den letzten Jahren mitunter mit größeren Teilnehmerzahlen zwi- schen 1000 und 5000 Personen, und zwar sowohl in den alten wie in den neuen Bundesländern.“22Bemerkenswert dabei sind die verschiedenen Anlässe. Während im Westen vor Protestmärsche gegen die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“ den Anlass boten, standen sozialpolitische Parolen wie „Arbeit zuerst für Deutsche“ „Gegen Euro und Großkapital“ oder „Unser deutsches Land in Arbeiter- und Bauernhand“ im Mittelpunkt der Aufmärsche im Osten23Bei diese Aufmärsche konnte die NPD so viele Aktivisten mobilisieren, wie es seit dem Beginn der siebziger Jahre Rechtsextremisten nicht mehr gelang.
Obwohl ihre Mitgliederzahl sich in den letzten Jahre seit 1996 fast verdoppelt hatte, ist die Personenanzahl noch sehr gering im Vergleich zu den anderen rechtsextre- mistischen Parteien. Ebenso verhält es sich mit den Wahlerfolgen der NPD. Den letz- ten großen Wahlerfolg feierte die Partei in den sechziger Jahren und bei einigen Kommunalwahlen wie 1989 in Frankfurt am Main mit 6,6 Prozent. Ansonsten beweg- te sich die Zustimmung bei Bundes- oder Landtagswahlen lediglich zwischen 0,2 und einem Prozent der Stimmen. Sogar in ihrem stärksten Mitgliederverband Sachsen gelang der NPD bei den Landtagswahlen 1999 mit 1,2 Prozent lediglich ein Ach- tungserfolg. Somit lässt sich von einer Etablierung als Wahlpartei nicht einmal in An- sätzen sprechen. „Dafür erweist [...] sich [die NPD] insbesondere in den neuen Bun- desländern als ein wichtiger Mobilisierungsfaktor für rechtsextremistische Aktionen, wobei die Partei erfolgreich mit Neonazis und Skinheads zusammenarbeitet. Hier- durch gelang es diesem Potential auch, sich in einzelnen Regionen alltagskulturell zu verankern“24
3.1.4 Anhänger- und Wählerstruktur rechtsextremer Parteien (nach Falter 1994)
Die folgende kurze Statistik über die Wählerstrukturen rechtsextremistischer Parteien habe ich aus der empirischen Abhandlung „Wer wählt rechts?“ von Jürgen W. Falter aus dem Jahr 1994 entnommen. Die Daten sind somit ca. acht Jahre alt, aber m.E. immer noch die umfassendeste Analyse des rechtsextremistischen Wählerpotentials.
3.1.4.1 In Westdeutschland
Die meisten Wähler sind ältere Männer über 45, verheiratet aber auch ledig, und sie lebten zumeist in einer Klein- oder Mittelstadt. Weiterhin sind sie Angehöriger einer christlichen Kirche, gehen aber zumeist nicht in den Gottesdienst. Ebenfalls haben die meisten eine eher geringe Schulbildung, denn sie besitzen entweder den Volks- oder Hauptschulabschluss. Der größte Teil der Wählerschaft in einem festen Arbeits- verhältnis, entweder als einfacher Angestellter oder Arbeiter. Die meisten haben auch keine unmittelbaren Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Weder der Wähler noch je- mand aus seiner Familie sind mit der Gewerkschaftsbewegung verbunden.
3.1.4.2 In Ostdeutschland
Die meisten Wähler rechtsextremistischer Parteien in den neuen Bundesländern wa- ren junge, allein lebende Männer zwischen18 und 24 Jahren aus kleinen Gemein- den. Weiterhin gehörten die meisten keiner Konfession an. Das liiegt aber meines Erachtens an der atheistischen Auffassung der DDR-Staatsdoktrin. Der Mehrteil der Wählerschaft besitzt einen mittleren Bildungsabschluss, doch diese Statistik ist nicht ganz richtig, denn das Schulsystem der DDR war ein ganz anderes. Die meisten ha- ben also eher ein einfaches Bildungsniveau. Ebenfalls war die Mehrheit Arbeiter, al- lerdings meistens Facharbeiter, die ihren Arbeitsplatz häufiger als ihr westdeutsches Pendant als gefährdet ansehen. Die größte Übereinstimmung mit den alten Bundes- ländern gibt es allerdings bei der Zugehörigkeit von Gewerkschaften. Die meisten rechtsextremistischen Wähler sind kein Mitglied einer Gewerkschaft.
3.1.5 Erster Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland in Bezug auf rechtsextremistische Parteien
Die Wählerstruktur rechtsextremistischer Parteien unterscheidet sich also beträcht- lich zwischen Ost- und Westdeutschland. In den alten Bundesländern sind die meis- ten Wähler älter und leben auch in größeren Städten. Weiterhin sind sie zumindest nominell eher gläubig als die Wähler in den neuen Bundesländern. Ebenfalls sind im Westen mehr Wähler verheiratet als im Osten. Das liegt aber auch auf der Hand, denn durch das geringe Alter der Ostwähler ist es klar, dass viele von ihnen noch nicht verheiratet sind. Das junge Alter könnte sich aus der Struktur der Mitglieder der Parteien erklären. Die Mitglieder sind im Osten ebenfalls jünger und wie oben schon bemerkt, sind viele von ihnen sogar Neonazis oder Skinheads. Meines Erachtens wählt die Altersgruppe ab 45 im Osten auch eher die PDS als Protestwahl, bzw. weil
sie auch schon so zu DDR-Zeiten machten oder sie wählen konventionell die großen Parteien.
Die Frage, ob sich der Schwerpunkt der Parteien von den Westen in den Osten verlagert hat, können wir jetzt auch beantworten. Für die DVU können wir es noch nicht konkret sagen, denn die letzten größeren Wahlerfolge feierte diese Partei im Osten. Doch hinsichtlich der Mitgliederanzahl - wie vorhin schon bemerkt - sind lediglich zehn Prozent im Osten organisiert. Aus diesem Grund würde ich folgern, dass die Partei zwar Erfolge im Osten feiern konnte, aber Aufgrund der letzten Entwicklung - Spaltung der Fraktion in Sachsen-Anhalt und kein erneuter Antritt bei der letzten Landtagswahl - und des organisatorischen Defizits der Partei im Osten, bleibt die DVU eine Westpartei mit dem Schwerpunkt in Norddeutschland.
Genauso verhält es sich mit den „Republikanern“. Abgesehen davon, dass die Partei noch keinen größeren Wahlerfolg in den neuen Ländern hatte, sind lediglich fünf Prozent der Mitglieder im Osten beheimatet. Die REP sind also eindeutig eine West- partei mit dem regionalen Schwerpunkt im Süden Deutschlands. Anders verhält es sich bei der NPD. Den letzten größten Wahlerfolg feierte sie im Osten bei den Landtagswahlen in Sachsen 1999 mit 1,4%. Gleichzeitig ist dieser Landesverband derjenige mit den meisten Mitgliedern. Ebenfalls verankerte sich die Partei in einigen Regionen im Osten auch alltagskulturell und konnte viele junge Menschen bei rechtsextremistischen Veranstaltungen in den neuen Ländern mobili- sieren. Mit der gleichzeitigen engen Kooperation mit Neonazis - kurzzeitig im Jahr 2000 durch den Verbotsantrag unterbrochen - ist die NPD mittlerweile als eine zwei- te Ostpartei neben der PDS anzusehen. Doch aufgrund der geringen Mitgliederzah- len und schlechten Wahlergebnissen der Partei fällt die NPD bei der folgenden Beur- teilung der Situation rechtsextremistischer Parteien in Deutschland m.E. nicht stark ins Gewicht.
Um auf die Einführungsfrage zurückzukommen, können wir nun sagen, dass rechts- extremistische Parteien ein Element des Westen sind mit der einzigen Ausnahme der NPD.
3.2 Entwicklungen im kulturellen Rechtsextremismus
In diesem kurzen Kapitel möchte ich über die rechtsextremistische Ideologie außer- halb des parteipolitischen Agierens, politischer Aktionen und politisch motivierter Gewaltanwendungen sprechen. Es sind also vor allem Buchdienste, Intellektuelle, Verlage, Zeitungen und Zeitschriften gemeint. Die gesamte Szene wird von älteren größeren Unternehmen aus den westlichen Bundesländern dominiert. Vor allem durch den DVU-Vorsitzenden Dr. Gerhard Frey. Einzige Ausnahmen sind einige we- niger bedeutsame Vertriebsdienste in den neuen Bundesländern mit eingeschränk- ten Angebot. Die momentanen Auflagenzahlen entsprechen in etwa 40.000 Stück. Die „Intellektuellen-Szene“ in Gestalt der „Neuen Rechten“, die sich Anfang der neunziger Jahre herausgebildet hat ist weitestgehend in den alten Bundesländern beheimatet. Die Ausnahme hiervon ist der frühere DDR-Hochschullehrer für dialekti- schen und historischen Materialismus, Michael Nier, der in verschiedenen rechtsext- remistischen Publikationsorganen für eine strikt antikapitalistische und sozialistische Orientierung eintritt. „Hierbei handelt es sich um einen Einzelfall, woraus keine Ost- deutsche Spezifika des Rechtsextremismus ableitbar sind.“25Im Allgemeinen kann ich sagen, dass die Intellektuellen-Szene zwar teilweise für den Rechtsextremismus revolutionäre Elemente - wie etwa die „National befreiten Zonen“ auf die noch später eingehen werde - hervorgebracht hat, sich aber langfristig nicht profilieren und durchsetzen konnte.
3.3 Rechtsextreme Personenzusammenschlüsse außerhalb des Parteienbe- reichs
Nachdem wir nun die politische und Intellektuelle Rechte abgeschlossen haben, müssen wir nun das rechtsextremistische Thema behandeln, dass die höchsten Aufmerksamkeit in Deutschland zugeteilt bekommt. Die gewaltbereiten Neonazis und Skinheads.
3.3.1 Die Entwicklung der neonazistischen Organisationen
Neonazistische Organisationen sind Personenzusammenschlüsse, die sich ideolo- gisch auf den historischen Nationalsozialismus - entweder auf die starke Hitlerschen Linie, oder die sozialrevolutionäre von Röhm oder den Gebrüder Strasser - bezieht. Seit Anfang der siebziger Jahre existieren diese Vereinigungen zumeinst als Vereine unter verschiedenen Namen. Die Angehörige dieser Gruppen versuchen immer wie- der, durch provozierende öffentliche Auftritte auf sich aufmerksam zu machen, um dadurch ihre politische Auffassung zu verbreiten und um neue Mitglieder zu wer- ben.26Gemeinsames Grundprinzip dieser Organisationen ist ihr Bezug auf das 25- Punkte Programm von 1920 oder auf das Werk Adolf Hitlers „Mein Kampf“. „Dem- nach streben die Neonazis die Errichtung eines „Vierten Reiches“ und die Bildung einer rassistisch geprägten „Volksgemeinschaft“ an. Die letztgenannte Auffassung geht nämlich von der Höherwertigkeit der eigenen „Rasse“ und der Minderwertigkeit anderer „Rassen“ aus [...]. Weiterhin soll der Parlamentarismus zugunsten eines au- toritären Führerstaates abgeschafft und die ehemaligen deutschen Ostgebiete sollen in ein neu zu bildendes „Großdeutsches Reich“ eingegliedert werden.“27
Gegen Ende der achtziger Jahre verlor die Szene immer mehr Aktivisten, die Zahl der organisierten Neonazis sank von 2100 Personen im Jahr 1987 auf 1500 Perso- nen im Jahr 1989. Auch dieses Lager des Rechtsextremismus erhoffte sich nach Öffnung der Grenzen in der damals noch bestehenden DDR, neue Anhänger zu fin- den. Ansprechen konnte man dabei auch schon vor 1989 bestehende informelle neonazistische Kleingruppen. Mit der Hilfe einiger in den Westen abgeschobene und später bekannt gewordenen Neonazis, gelang auch der Aufbau eigener Organisati- onsstrukturen im Osten, wozu etwa auch die hier exemplarisch zu nennende im Ja- nuar 1990 gegründete „Nationale Alternative“ (NA) gehörte. „Weitaus bedeutsamer wurde allerdings die 1989 noch im Westen gegründete „Deutsche Alternative“ (DA), die mit rund 350 Mitgliedern 1992 zur größten neonazistischen Organisation in den neuen Bundesländern anwuchs.“28
Die Szene erlebte in der Folgezeit einen Aufschwung bei den Mitgliederzahlen von 1400 im Jahr 1991 auf 2100 im Jahr 1999. Da dieser Aufschwung aber auch eine Steigerung der rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten nach sich zog, folgte seit dem Jahr 1992 von staatlicher Seite eine Welle von Verbotsmaßnahmen gegen verschiedenen Organisationen, darunter auch die DA und NA. „Um wieder aktions- und mobilisierungsfähig zu werden, suchten die Neonazis nach neuen, weniger an- greifbaren Strukturen. Einzelne Aktivisten entwickelten seit Mitte der neunziger Jahre Konzepte, die auf denselben Grundgedanken zurückgehen: Ohne „klassische“ Ve- reinsmäßige Form, sollten sich kleine autonome Gruppen (Kameradschaften) bilden, die einen jederzeit mobilisierbaren, gemeinschaftlich agierenden Verbund bilden soll- ten. Das Motto lautete: Organisation ohne Organisation!“29Die bisherig Abgrenzung in konkurrierenden Gruppen wurde zumindest tendenziell aufgegeben. Die Zahl der neonazistischen „Nationalen Kameradschaften“ stieg in den letzten Jahren kontinu- ierlich an: von 80 im Jahr 1998 auf 150 im Jahr 1999. „Insbesondere in den neuen Bundesländern nahm ab 1996 die Form der Organisation der Szene über „Kamerad- schaften“ zu. Dort waren bei einem Anteil der Ostdeutschen Bevölkerung von 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung gegen Ende der neunziger Jahre fast die Hälfte der 2400 Neonazis aktiv. Insofern kann für diesen Teil des Rechtsextremismus ein Schwerpunkt in den östlichen Bundesländern konstatiert werden.“30Dennoch gelang es den Neonazis seit den staatlichen Repressionsmaßnahmen nicht mehr, ihre Kam- pagnenfähigkeit zurückzuerlangen. Lediglich in Zusammenarbeit mit der NPD gelan- gen der Neonazi-Szene Mobilisierungserfolge in Form von öffentlichkeitswirksamen Aufmärschen. Doch die NPD wird sich in nächster Zeit - wie weiter vorne schon an- gesprochen - zurückhalten müssen, solange ihr Verbotsverfahren noch läuft.
3.3.2 Die Entwicklung der Skinhead-Subkultur
Die Skinhead-Bewegung entstand in den sechziger Jahren in England bei jugendli- chen Fußballfans aus dem Arbeitermilieu, die sich durch hohen Alkoholkonsum und Straßenkämpfe „auszeichneten“. Hauptsächliches Merkmale dieser Personengrup- pen sind ihre „Kahlgeschorenen Köpfe“. Ende der siebziger, Anfang der achtziger schwappte diese Bewegung auch nach Deutschland über. Erst in die BRD, dann auch in der DDR. Ab Mitte der achtziger Jahre kam es zu einer Spaltung der Skin- heads in nicht-rechtsextremistische und rechtsextremistische „Skins“, die sich aber aufgrund ihrer (damaligen) Ablehnung von disziplinierten Handeln und festen Struk- turen, dennoch nicht rechtsextremen Organisationen der Neonazis oder Parteien (im Westen) anschlossen.
Für die Entwicklung des Rechtsextremismus war die Skinhead-Bewegung in der e- hemaligen DDR äußerst „wichtig“, denn es konnte wie vorhin schon erwähnt ja kei- nen Parteienrechtsextremismus geben und die Neonazi-Szene war auch nicht stark entwickelt. „Lohnend ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf das Verhältnis der Stasi zu den [...] in der DDR existierenden Skinheadgruppen. In den Stasi-Akten zum Skinheadüberfall auf die Zionskirche von 1987 wird deutlich, wie stark die Denk- schemata der Ermittler durcheinander gerieten. Waren doch die Opfer - Ziel des Ü- berfalls war ein Punkkonzert - durch ihren Nonkonformismus bis dahin selbst Objekt von Beobachtung und Verfolgung der Sicherheitsorgane, weil ihre Einstellung als Systemfeindlich galt“31Da die „Skins“ wesentliche „sozialistische Werte“ wie Arbeitsliebe, Ordnung, Sauberkeit und Bereitschaft zum Militärdienst für sich angenommen hatten, passten sie nicht Raster der Tätergruppen. „Dieses Beispiel verdeutlicht die „sozial-hygienischen“ Gemeinsamkeiten staatssozialistischer und rechtsextremer Leitbilder. Diese Übereinstimmung war es, die eine couragierte und offene Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus unmöglich machte, wären damit doch die genannten Grundwerte der DDR und letztlich der beschriebene Herrschaftsmodus der SED in Mitleidenschaft gezogen worden.“32
Das Personenpotential dieser Szene wuchs als einziger Bereich des deutschen Rechtsextremismus in den 90ern, kontinuierlich von 4200 Personen 1991 auf 9700 Personen im Jahr 2000. Über die Hälfte dieser gewaltbereiten Rechtsextremen findet sich in den östlichen Bundesländern. Somit können wir daraus folgern, dass die Skinheadszene zum größten Teil, wie die Neonaziszene, ein ostdeutsches rechtsext- remistisches Element ist. Inzwischen gibt es dort auch überregional aktive Szenen wie z.B. in Südbrandenburg, Süd- und Ostthüringen sowie in Westsachsen. Durch das quantitative Anwachsen des Skinheadpotentials fand auch eine stärkere Struktu- rierung der Szene statt mit einer besseren kommunikativen Vernetzung sowie eine angewachsenen Mobilisierungsfähigkeit der Szene. Es finden sich inzwischen auch international aktive Skinheadgruppen, wie „Blood & Honor“, die gegen Ende der neunziger zunehmend Aktivisten für sich gewinnen konnten. Parallel zu den Struktu- rierungstendenzen änderte sich auch das Verhältnis zu rechtsextremistischen Orga- nisationen von Teilen der Skinhead-Szene. Einige regionale Führungspersönlichkei- ten schlossen sich der NPD oder neonazistischen „Kameradschaften“ an. In den letz- ten Jahren steigerte sich die Kooperation der drei Teile des Rechtsextremismus vor allem bei gemeinsamen Aufmärschen mit Tausenden von Teilnehmern. Allerdings gibt es nach wie vor Vorurteile auf allen Seiten.
Das Gewaltpotential dieser Szenen ist nicht zu unterschätzen wie man u.a. an Lied- texten der Band „Die Härte“ entnehmen kann: „Hurra, hurra, ein Nigger brennt!“ oder von „Tonstörung“ mit „Wetz Dir Deine Messer auf dem Bürgersteig, las die Messer flutschen in den Judenleib“. „Die in diesen exemplarischen Aussagen zum Ausdruck kommende Gewaltgeneigtheit wurde zu einem typischen Merkmal der Szene und entlud sich auch immer wieder in militanten Aktionen gegen Angehörige von als gegnerisch eingeschätzten gesellschaftlichen Gruppen.“33
3.3.3 Soziodemographische Merkmale der Gruppenmitglieder
Da auf der einen Seite die Erhebung statistischer Daten innerhalb der Gruppenmitglieder der Neonazis als auch der Skinheads äußerst schwierig sein dürfte und auf der anderen Seite viele von ihnen als Straftäter auffallen, ist es m.E. gerechtfertigt, die Merkmale der Gruppenmitglieder anhand von Polizeistatistiken über rechtsextremistische Straf- und Gewalttaten zu ermitteln.
Demnach sind 75 Prozent der rechtsextremistischen Straftäter unter 20 Jahre und sogar 90 Prozent unter 25 Jahre alt. Es gibt also relativ wenige alte Mitglieder, Im Westen sind es 10,6 Prozent und Osten 5,4 Prozent, die älter als 25 Jahre sind. Im Westen existiert auch die Tätergruppe, die über 45 Jahre alt ist mit 2,2 Prozent. Im Osten ist sie nicht vertreten. Demnach ist der Osten jünger. 95 Prozent der Straftäter mit fremdenfeindlichen Hintergrund zwischen 1991 und 1993 waren Männer. Gegen Frauen wurde hauptsächlich wegen Propagandadelikten ermittelt. Hierbei gibt es keine wesentlichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Beim forma- len Bildungsgrad fällt auf, dass 60 Prozent der Täter einen Hauptschulabschluss be- sitzen und weitere 20 Prozent die Mittlere Reife. Rechtsextreme Straftäter mit Abitur oder Hochschulabschluss gab es weit weniger als fünf Prozent. Ohne Abschluss wa- ren somit um die 15 Prozent, allerdings gilt es dabei das geringe Alter der Täter zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt ihrer Tat noch nicht ihre Ausbildung abgeschlos- sen hatten. Der Anteil der Teil- und Vollzeiterwerbstätigen war im Untersuchungs- zeitraum 1991-1993 stabil mit rund 23%. Der Anteil der Lehrlinge reduzierte sich da- gegen von 34,9% auf 28,5% und der Anteil der Schüler stieg von 20% auf 24,5% wobei im Osten der Anteil mit 25,9% viel höher lag als im Westen mit 12,8%.(Ausbildung von 55% auf 53%). Der Anteil der Arbeitslosen erhöhte sich von 18% auf 21,4% und lag somit weit über den Arbeitslosenquoten der Jugendlichen in Deutschland insgesamt. Bei den Straftätern zwischen 25 und 29 waren 42% und bei den 30-45 jährigen sogar 45,9% zum Zeitpunkt der Tat arbeitslos. Arbeitslosigkeit ist somit eine Ursache für rechtsextremistische Straftaten. Bei der sozialen Herkunft keine Besonderheiten weder zwischen der „normalen“ Bevölkerung als auch zwi- schen Ost und West festgestellt werden. Dennoch kamen die meisten Straftäter eher
aus einfachen Verhältnissen. Rechtsextremistische Straftäter waren zumeist Ersttäter und handelten in Gruppen, denn „nur“ gegen 20 Prozent der Tatverdächtigen wurde bereits schon einmal wegen einer rechtsextremistischen Straftat ermittelt und „nur“ 6,5 Prozent wurden bereits wegen einer politischen Straftat verurteilt.
3.3.4 Erster Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland in Bezug auf rechtsextremistische Personenzusammenschlüsse außerhalb des Par- teienbereichs
Das erste Auffällige ist, dass die Mitglieder dieser Gruppen äußerst jung und haupt- sächlich Männer sind. Ebenfalls sind relativ viele von ihnen Erwerbslos. Wie schon oben festgestellt, ist diese Form des Rechtsextremismus hauptsächlich in den neuen Bundesländern beheimatet. Nicht aufgrund ihrer absoluten Anzahl, aber aufgrund der prozentualen Bevölkerungsverteilung zwischen Ost- und Westdeutschland. Denn ca. die Hälfte dieser militanten gewaltbereiten Personen sind in den neuen Bundeslän- dern beheimatet. Ebenfalls auffällig ist, dass dieser Bereich des Rechtsextremismus als einziger in den letzten Jahren eine steigende Anzahl von Mitgliedern zu verbu- chen hat im Gegensatz zu den rechtsextremistischen Parteien mit der Ausnahme der NPD. Dieser Aufschwung lag vor allem an den gewaltbereiten Skinheads. Weiterhin stiegen auch die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Straf- und Gewalttaten in den letzten Jahren wieder an, nachdem sie Mitte der neunziger ihren letzten Tief- punkt erreicht hatte. Ein weitere Anlass zur Sorge stellt zum einen die gesteigerte überregionale Zusammenarbeit von Skinheads und zum andern die übergreifende Kooperationen zwischen ihnen, Neonazis und rechtsextremistischen Parteien in der letzten Zeit dar.
3.4 Entwicklung und Einschätzung der Personen- und Gewaltpotentiale
Nachdem wir im letzten Kapitel Einblicke der Gewaltbereitschaft von Neonazis und Skinheads gewinnen konnten, ist es nun interessant inwieweit dieser Personenkreis die Möglichkeit hat Gewalt auszuüben. Daher ist es von primären Interesse wie hoch die Anzahl dieser Personen einzuschätzen ist.
3.4.1 Personenpotential (nach Verfassungsschutzbericht 2001 - Statistik im Anhang)
Demnach ist das Potential der Gewaltbereiten Rechtsextremisten erneut angestiegen und liegt derzeit bei 10.400 Personen (2000 waren es 9.700 Personen), wovon den weitaus größten Teil die gewaltbereiten rechtsextremistischen Skinheads stellen. Die Neonaziszene steigerte auch ihre Mitgliederanzahl und verfügt nun über 2.800 Per- sonen (2000 waren 2.200 Personen). Weiterhin steigerte sich die Anzahl neonazisti- scher „Nationaler Kameradschaften“ auf 65 (60 im Vorjahr). Dagegen verloren die rechtsextremistischen Parteien weiter Mitglieder. Die REP 1.500 Personen und ver- fügen somit nun über 11.500 Personen. Die DVU ist nach wie vor die Mitglieder- stärkste deutsche rechtsextremistische Partei mit 15.000 Personen (2000 waren es 17.000 Personen). Die einzige Partei, die sich allerdings auf einem niedrigen Level einpendeln konnte, ist die NPD mit 6.500 Mitgliedern. Die sonstigen rechtsextremisti- schen Organisationen konnten auch einen leichten Zugang der Mitglieder verbuchen und verfügen nun über ein Personenpotential von 4.300 (Vorjahr: 4.200). Unterm Strich bleiben somit 49.700 Rechtsextremisten in Deutschland (50.500 im Jahr 2000). Allerdings hängt dies mit dem starken Rückgang der Parteimitglieder zusam- men. Wir können also festhalten, dass der Rechtsextremismus in Deutschland weiter entpolitisiert wird und dafür eine stärkere militante gewaltbereite Ausrichtung erfährt. Ob dies tatsächlich so ist, wird die folgende Analyse des Gewaltpotentials zeigen.
3.4.2 Gewaltpotential (nach Verfassungsschutzbericht 2001 - Statistik im An- hang)
Obwohl die Steigerung der Anzahl der Mitglieder im Bereich des militanten Rechtsex- tremismus den Schluss nahe legen, dass sich dadurch auch die Anzahl der Straf- und Gewalttaten gesteigert hat, ist dem nicht so. Denn sowohl die Anzahl der rechts- extremistischen Straftaten ging von 15.951 im Jahr 2000 auf 10.054 im Jahr 2001, als auch die Anzahl der Gewalttaten von 998 auf 709 zurück. Es bleibt aber dennoch weiterhin auffällig, dass die östlichen Bundesländer im Durchschnitt gemessen an ihren Einwohnerzahlen mehr Gewalttaten zu verzeichnen haben als die westlichen. Einzige Ausnahme ist hierbei Mecklenburg-Vorpommern, dass keine einzige rechts- extremistische Gewalttat im Jahr 2001 zu verzeichnen hatte. Dies ist allerdings sehr bemerkenswert, denn in den Jahren 1999 und 2000 gab es 51 bzw. 49 rechtsextre- mistisch motivierte Gewalttaten. Im Jahr 2001 können wir in den östlichen Bundes- ländern (ohne Berlin) 1,69 Gewalttaten pro 100.000 Einwohner registrieren. Im Wes- ten waren es 0,91 Gewalttaten pro 100.000 Einwohner. Dies passt in das Schema das der Osten gewaltbereiter ist, da dort auch prozentual mehr gewaltbereite Skin- heads und Neonazis organisiert sind. Diese These wird auch durch die Berücksichti- gung des durchschnittlichen Ausländeranteils in den Bundesländern bestärkt. Wäh- rend dieser in den westlichen Bundesländern zwischen 8,1 und 15,2 Prozent liegt, ist er im Osten zwischen 1,5 und 2,3 Prozent deutlich niedriger. Für die Mehrzahl der Tatverdächtigen ließen sich Affinitäten und Zugehörigkeiten zu Skinhead- und ande- ren Gruppen mit fremdenfeindlichen Einstellungen nachweisen. Der größte Teil der fremdenfeindlichen Straftäter waren aber unauffällige „normale“ Jugendliche und Ersttäter, die meistens in der Gruppe handelten und aus der unmittelbaren Nähe des Tatortes stammen. Es waren somit keine Reisetäter. Terroristische Vorgehen (wie der RAF) werden von der Mehrheit der Szene abgelehnt (Staatliche Gegenmaßnah- men), doch mehren sich seit Ende der neunziger Jahre Anzeichen, dass einzelne Aktivisten ihre Sammlung von Sprengstoff und Waffen mit Anschlagsoptionen ver- binden (Sprengstoffanschläge 1998: Grab von Heinz Galinski und 1999 auf die Aus- stellung „Vernichtungskrieg“)
Unmittelbare Gefahr von terroristischen Strukturen geht aber wahrscheinlich nicht aus, aber es könnte vielmehr eine „Art Feierabend-Terrorismus“ in Gestalt des gewalttätigen Wirkens aus dem normalen Alltagsleben heraus oder das spontane Handeln von Einzeltätern ohne langfristige Konzeption und Zielsetzung sein, auf die wir uns einstellen müssen.34
4. Zusammenfassung der Ergebnisse und Bewertung
Um auf die Eingangsfragen zurückzukommen, können wir jetzt feststellen, dass der Osten prozentual zwar gewaltbereiter ist, allerdings in der absoluten Anzahl nicht das Westniveau erreicht. Das liegt wie schon erwähnt daran, dass es im Osten der Re- publik eine prozentual höhere Anzahl von gewaltbereiten Skinheads gibt und aller- dings auch m.E. daran, dass viele Menschen im Osten bei rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten zuschauen oder wie u.a. in Rostock mitmachen. Als Ursache würde ich u.a. die verhängnisvolle Ausländerpolitik in der DDR ausmachen. Zwar sind die meisten der jungen Gewalttäter nicht mehr bewusst in der DDR aufgewach- sen doch sind sie durch ihr Umfeld geprägt worden. Ob der Osten rechtsextremer ist, lässt sich dagegen nicht so leicht beantworten, denn der politische und kulturelle Rechtsextremismus ist in den neuen Bundesländern nicht richtig repräsentiert mit einigen Ausnahmen. Doch denke ich, dass das rechtsextremistische Einstellungspo- tential im Osten leicht höher ist als im Westen. Die These, dass der Rechtsextremis- mus in den neuen Ländern erst nach der Wiedervereinigung entstanden ist, kann ich mit einem klaren nein beantworten, denn rechtsextremistische Straf- und auch Ge- walttaten lassen sich durch die gesamte DDR-Geschichte feststellen. Die These, dass die Parteien ein westliches Element des Rechtsextremismus sind, kann ich e- benfalls nicht klar beantworten, denn zum einen sind die Parteien - mit der Ausnah- me der NPD - eindeutig im Westen organisiert, doch können sie sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern Erfolge bei Landtagswahlen verzeichnen. Da- bei sind die letzten größeren Erfolge rechtsextremistischer Parteien im Osten zu re- gistrieren und auch bei den Bundestagswahlen im Jahr 2002 erhielten diese Parteien im Osten eine größere Zustimmung als im Westen. Die rechtspopulistische Schill- Partei holte 1,2 Prozent der Stimmen im Osten und nur 0,7 Prozent im Westen. Noch stärker ist die Differenz bei der NPD - m.E. die neue Ostpartei neben der PDS - die ebenfalls 1,2 Prozent der Stimmen im Osten erhielt aber nur 0,3 Prozent im Westen. Ausnahme hiervon stellen die REP dar, die 0,5 Prozent der Stimmen im Osten holten und 0,6 Prozent im Westen. Doch dies erklärt sich m.E. durch das konservative seri- öse Auftreten der Partei über das vorhin schon gesprochen wurde. In diesem Zu- sammenhang kann ich auch die These beantworten ob wir wie im europäischen Aus- land vor einem Rechtsruck und einer Radikalisierung der Wählerschaft stehen. Selbst wenn ich die „Partei der Bibeltreuen Christen“ (PBC) - die durch die Diskrimi- nierung Homosexueller als Kranke m.E. auch leicht in den rechtsextremistischen Rand einrücken - zu den Parteien mit rechtsextremistischen Hintergrund einordne, dann erlangen diese Parteien bei der Bundestagswahl 2002 lediglich 2,0 Prozent der Zweitstimmen. Somit kann man von einer Etablierung der rechtsextremistischen Par- teien auf Bundeseben nicht einmal im Ansatz sprechen. Ohne eine charismatische „Führerfigur“ wie Le Pen in Frankreich oder Haider in Österreich werden Parteien dieser Couleur auch in Zukunft nicht in den Bundestag einziehen können, geschwei- ge denn mitregieren können. Doch eben diesen Grund nehmen viele Personen zum Anlass zu behaupten, dass Deutschland nicht rechtsextremistisch ist, da (fast) nie- mand solche Parteien wählt. Ich halte diese Schlussfolgerung für gefährlich und falsch, denn zum einen ist jede Stimme für eine rechtsextremistische Partei eine zu- viel und zum andern darf man nicht die hohe Zahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten aus den Augen verlieren. Der deutsche Rechtsextremismus ist momen- tan bestimmt kein parteipolitisch wählbarer, dafür ist er ein sehr aktionistisch betonter Gewaltextremismus, der die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen möchte.
5 Literaturverzeichnis
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22. Stöss, Richard: Rechtsextremismus im vereinten Deutschland, Berlin 2000
23. Wagner, Bernd: Rechtsextreme Milieus im Osten, in: Mecklenburg, Jens (Hrsg.): Braune Gefahr, DVU, NPD, REP - Geschichte und Zukunft, Berlin 1999
[...]
1Vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus in der Bunesrepublik S. 11
2LfV Bayern: Neonazismus und rechtsextremistische Gewlt S. 4
3LfV Bayern: Neonazismus und rechtsextremistische Gewalt S. 5
4LfV Bayern: Neonazismus und rechtsextremistische Gewalt S. 5
5Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik S. 9
6BfV: Ein Jahrzehnt rechtsextremistischer Politik S. 35
7vgl. Assheuer/ Sarkowitz: Rechtsradikale in Deutschland S. 97
8Assheuer/ Sarkowitz: Rechtsradikale in Deutschland S. 97
9Staritz a.a.O., S. 42 aus Assheuer/ Sarkowitz: Rechtsradikale in Deutschland S. 97
10Assheuer/ Sarkowitz: Rechtsradikale in Deutschland S. 98
11Assheuer/ Sarkowitz: Rechtsradikale in Deutschland S. 99
12Poutrous, Patrice G. u.a. : Historische Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland S. 20
13Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik S. 28
14Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik S. 28
15vgl. BfV: Verfassungsschutzbericht 2001 S. 100f
16vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus A- PuZ B39 2000 S. 5
17vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik S. 31
18vgl. BfV: Verfassungsschutzbericht 2001 107f
19BfV: Verfassungsschutzbericht 2001 107
20Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 6
21Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 6
22Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 6
23vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus A- PuZ B39 2000 S. 6
24Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 6f
25Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 7
26vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik S. 51
27Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik S. 51
28Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 8
29BfV: Neonazistische Kameradschaften in Deutschland S. 3
30Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 8
31Poutrous, Patrice G. u.a. : Historische Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 19
32Poutrous, Patrice G. u.a. : Historische Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 19
33Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 9
34Pfahl-Traughber, Armin: Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland aus APuZ B39 2000 S. 12
- Quote paper
- Tim Marten Menck (Author), 2002, Rechtsextremismus in Deutschland - Besonderheiten von Organisation und Auftreten zwischen Ost und West, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107111
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