Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Entwicklung der Scheidungshäufigkeit
3 Ursachen zunehmender Eheinstabilität und Scheidungshäufigkeit
3.1 Austauschtheoretische Perspektive
3.2 Ökonomischer Erklärungsansatz
3.3 Modernisierung und Strukturwandel der Ehe
3.4 Ursachen zunehmender Eheinstabilität
4 Soziodemografische Einflüsse
4.1 Heiratsalter
4.2 Altersunterschied
4.3 Ehedauer
4.4 Wohnort
4.5 Konfessionszugehörigkeit
4.6 Elternschaft
4.7 Frauenerwerbstätigkeit
4.8 Bildungsniveau
4.9 Wohneigentum
Schlussbetrachtung
Literatur
1 Einleitung
Während die Zahl der Eheschließungen in Deutschland seit Jahren stagniert, nimmt die Scheidungshäufigkeit stetig zu. Durchschnittlich wird jede dritte Ehe, in Großstädten sogar jede zweite, aufgelöst. Im Jahr 2000 standen den 419.505 Trauungen 194.408 Scheidungen gegenüber, davon 164.971 in Westdeutschland und 29.437 in Ostdeutschland (Statistisches Bundesamt 2002). Die Lebensformen haben sich pluralisiert, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften und Singlehaushalte an Attraktivität gewonnen.
Die Gründe dafür sind vielfältig. So haben sich im Zuge des seit den 1960er Jahren stattfindenden Wertewandels die Ansprüche an den Partner gravierend geändert; die traditionelle Eheauffassung verlor ihre universelle Gültigkeit. Bis dahin geltende Normen wie Treue und das Einhalten traditioneller Geschlechterrollen wurden durch individuelle Selbstentfaltungsbestrebungen und damit verbundene höhere emotionale und sexuelle Bedürfnisse abgelöst. Frauenbewegungen, Bildungsexpansion sowie zunehmende Frauenerwerbstätigkeit waren wesentliche Auslöser dieser Tendenzen (Scheller 1992, S. 15).
Die vorliegende Arbeit gibt zunächst einen Überblick über die Entwicklung der Scheidungshäufigkeit seit 1945. Anschließend werden die Ursachen von Scheidungen und soziodemografische Faktoren, die das Trennungsrisiko beeinflussen, dargelegt. Den Ausgangspunkt bilden verschiedene theoretische Erklärungsmodelle wie die Austauschtheorie, der ökonomische und der Modernisierungsansatz. Zugrunde liegt aktuelle Sekundärliteratur aus der Familiensoziologie, vor allem Ausführungen von Schmidt (2002), Peuckert (1999) und Wagner (1997).
2 Entwicklung der Scheidungshäufigkeit
Seit 1888 existieren für Deutschland zuverlässige statistische Daten ü- ber die Scheidungshäufigkeit. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt jedoch auf der Entwicklung in der Bundesrepublik nach 1945. Die Zeit davor sowie Zahlen aus der DDR (bis 1989) werden vernachlässigt1.
Betrachtet man die Angaben in Tabelle 1 und Abbildung 1 (S. 5), so ist festzustellen, dass, abgesehen von kurzfristigen Trendbrüchen, die Scheidungsrate bis heute ansteigt. Bereits nach dem 2. Weltkrieg befand sie sich auf relativ hohem Niveau, was in erster Linie als Reaktion auf die spezielle Nachkriegssituation interpretiert wird2. Die Familien waren durch die meist jahrelange Abwesenheit des Mannes mutterzentriert. Der Ehemann wurde nach seiner Rückkehr oft als fremd empfunden, weshalb seine (Re-)Integration in die Familie scheiterte (Rottleuthner-Lutter 1992, S. 57).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ab 1950 war die Anzahl von Ehescheidungen rückläufig. Seit Mitte der sechziger Jahre findet jedoch ein kontinuierliches Wachstum statt. Dies liegt mitunter, wie einleitend erwähnt, an der Bildungsexpansion und der steigenden Frauenerwerbstätigkeit3. Die gute wirtschaftliche Entwicklung beendete den Kampf ums Überleben; es boten sich neue materielle Spielräume und Gestaltungsmöglichkeiten. Durch die Modernisierung wurden Partnerschaft, Ehe und Familie sozial entreglementiert, die subjektiven Wünsche der Individuen traten in den Vordergrund. Die Beschränkung der Frau auf das Familienleben wurde nach und nach aufgehoben (Kopp 1994, S. 33). Dass diese Situation ein hohes Maß an Problemen verursachen kann, vermutet auch die Soziologin Beck- Gernsheim (1986, S. 215). Sie konstatiert: „Je höher die Komplexität im Entscheidungsfeld, desto höher das Konfliktpotential in der Ehe.“
Vorübergehend gesunken sind die Scheidungszahlen in den Jahren 1977 und 1978 durch den rechtlichen Übergang vom Verschuldungszum Zerrüttungsprinzip, wodurch sich die Scheidungsverfahren zum Teil erheblich verzögerten (Peuckert 1999, S. 144f).
Heute wird durchschnittlich ungefähr ein Drittel aller Ehen, in Groß- städten sogar die Hälfte, geschieden. Die Tendenz ist steigend. Für das Jahr 2000 sind 194.408 Scheidungen zu notieren, davon 164.971 in Westdeutschland und 29.437 in Ostdeutschland (Statistisches Bundesamt 2002).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eingereicht wurden die Scheidungsanträge im früheren Bundesgebiet zu 60 Prozent, in Ostdeutschland zu 72 Prozent von Frauen (Daten von 1997, vgl. Peuckert 1999, S. 144). Im früheren Bundesgebiet waren in 54 Prozent der Scheidungen minderjährige Kinder betroffen, in den neuen Bundesländern 69 Prozent (Peuckert 1999, S. 144).
Die meisten Paare trennen sich bereits nach zwei bis drei Ehejahren. Durch das gesetzlich vorgeschriebene Trennungsjahr und langwierige Verfahren wird die Scheidung jedoch oft erst im fünften oder sechsten Jahr ausgesprochen. Auffällig ist, dass der Anteil an Spätscheidungen zugenommen hat. So wurden 1992 20 Prozent aller geschiedenen Ehen nach dem 20. Ehejahr aufgelöst (Geißler 1996, S. 314f)4.
Die DDR gehörte vor der politischen Wende zu den Ländern mit der höchsten Scheidungsneigung. Nach 1989 gingen die Scheidungszahlen in den neuen Bundesländern jedoch rapide zurück. Der Tiefpunkt wurde 1991 mit einem Wert von 6,4 Prozent erreicht. Dies lag zum einen an der Übertragung bundesdeutscher Gesetze, insbesondere an der Einführung des Trennungsjahrs; zum anderen am sozialen Umbruch, der zu Unsicherheit führte und das Hinausschieben beabsichtigter Schei-
dungen zur Folge hatte. Die Scheidungszahlen steigen seitdem wieder kontinuierlich, haben westdeutsches Niveau aber noch nicht erreicht (Peuckert 1999, S. 144-147).
Man kann zusammenfassend sagen, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer Eheauflösung von 1950 bis heute ungefähr verdreifacht hat. Im internationalen Vergleich nimmt die Bundesrepublik aber keinen Spitzenplatz ein. In den USA z. B. wird bereits jede zweite Ehe durch Scheidung beendet.
3 Ursachen zunehmender Eheinstabilität und Scheidungshäufigkeit
In der familiensoziologischen Forschungsliteratur existiert heute5 eine Vielzahl theoretischer Konzepte zur Erklärung von Ehestabilität bzw. - instabilität. Da die Darstellung aller Ansätze den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, beschränkt sich das folgende Kapitel auf die wichtigsten. Dazu gehören die Austauschtheorie, die mikroökonomische Perspektive und das Wertewandelkonzept. Anschließend werden verschiedene Ursachen für das gestiegene Scheidungsniveau zusammengefasst.
[...]
1 Einen ausführlichen geschichtlichen Überblick zum Thema „Familienbildung in Deutschland“ sowie Abhandlungen zu Ehescheidungen in der DDR bietet Cromm (1998).
2 Die Gründe für das Scheitern von Ehegemeinschaften in dieser Zeit sind nicht abschließend geklärt. Thurnwald (1948) beschäftigte sich in einer Studie (siehe Literaturverzeichnis) mit diesem Thema eingehend.
3 Vgl. auch Kapitel 3 und 4.7.
4 Vgl. ausführlicher Kapitel 4.3.
5 Lange galt die Scheidungsforschung als „Stiefkind“ der Soziologie. Erst in den letzten Jahren wurde dieses Thema zunehmend behandelt.
6 Neben der Austauschtheorie existieren auch andere social bzw. rational choice-theories. Gemeinsamer Nenner dieser Konzepte ist, dass individuelle Handlungen auf der Basis von Kosten-Nutzen-Abwägungen erklärt werden können. Für diese Hausarbeit ist es nicht notwendig, alle Theorien im Einzelnen zu behandeln, daher beschränkt sie sich im Folgenden auf die genannte und die ökonomische Perspektive.
- Quote paper
- Nadine Kinne (Author), 2002, Eheinstabilität und Scheidung heute: Eine Analyse möglicher Ursachen unter Berücksichtigung soziodemografischer Faktoren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107055
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