Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. C.G. Jung (1865-1961) - Eine Notiz zur Person
3. Eine Skizze der tiefenpsychologischen Lehre C.G. Jungs
3.1 Der Bruch mit Sigmund Freud und die Begründung der Analytischen Psychologie
3.2 Die Archetypen des kollektiven Unbewußten - Schlüsselkategorien bei C.G. Jung
3.3 Individuation, Persona, Schatten und Selbst - C.G. Jungs Therapieansatz
3.4 Zwischenbetrachtung zu Werk und Person
4. C.G. Jung und der deutsche Faschismus - Historische Hintergründe und Fakten
4.1 C.G. Jung als Gegenspieler Sigmund Freuds und der Psychoanalyse
4.2 Die „Internationale Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie“ und das „Zentral- blatt für Psychotherapie“ - Jung und der Streit um die Tiefenpsychologie
4.3 Das „arische Unbewußte“
5. Wotan - Der Kriegsgott in den Träumen der Deutschen
5.1 Das „Rauschen im Urwald des Unbewußten“
5.2 Wotan - Der rastlose Ergreifer und die Grenzen der traditionellen Wissenschaft
5.3 Konsequenzen der Jungschen Archentypenlehre
6. Zusammenfassung, Schlußfolgerungen und Kritik
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Werk des Tiefenpsychologen C.G. JUNG hat seit Jahren wieder Renaissance.
War JUNG während der Aneignung psychoanalytischen Wissens durch die Studentenbewegung in Europa und Nordamerika aufgrund seiner Nähe zum deutschen Faschismus ein zunächst verpönter Denker, so erfahren seine Schriften spätestens seit Beginn der 1980er Jahre eine Phase der Wiederentdeckung. Während C.G. JUNG in der wissenschaftlichen Debatte und therapeutischen Praxis eine vergleichsweise marginale Rolle spielt, ist das Werk des Schweizer Psychologen und Mediziners im populärwissenschaftlichen Sachbuchbereich, in Teilen der US-amerikanischen Forschung zur Populärkultur1 und nicht zuletzt durch den Boom „esoterischer“ Schriften von hoher Bedeutung. Auch bekannte Autoren wie Franz ALT, Rudolf BAHRO und Eugen DREWERMANN beziehen sich in ihren Publikationen in unterschiedlicher Form auf den Schweizer Forscher.2 In den Buchhandlungen finden sich zahllose Interview-, Bilder- und Sonderbände, Einführungen, Lesebücher und Werkausgaben des bekannten Therapeuten und Kulturkritikers. Hintergrund dieser Neuentdeckung der JUNGSCHEN Schriften ist die spätestens Ende der 1970er einsetzende umfassende Kritik an den „westlichen“ Denksystemen, eine nicht zuletzt von den „Selbstverwirklichungmilieus“ (Gerhard SCHULZE) formulierte und in Alternativprojekten auch gelebte Technik- und Rationalitätskritik, eine Kritik der Kategorien Aufklärung, Wissenschaft und Fortschritt sowie letztendlich eine Kritik der modernen Psychologie in ihrer freudianisch-psychoanalytischen Ausprägung.
Ein kurzer Blick auf Biographie und Lehre C.G. JUNGS verdeutlicht gleichzeitig, daß sich in Werk und Person mehrere Facetten verdichten, welche eine kultur- und zivilisationskritische Anhängerschaft mit besonderem Interesse goutiert. Denn hier finden sich Einflüsse der Parapsychologie und des Okkultismus, eine frühe Zivilisationskritik sowie der exotisierende Blick des gelehrten Europäers auf fremde Völker und unbekannte Kulturen.
Ziel dieser Hausarbeit ist die Klärung der Affinitäten zwischen C.G. JUNG und dem deutschen Faschismus. Dabei wird das Thema in dreifacher Form betrachtet:
- Erstens wird nach einer kurzen Notiz zur Person das zentrale Gedankengebäude der tiefenpsychologischen Lehre JUNGS dargestellt, insbesondere seine Konzeption der Archetypen des kollektiven Unbewußten. Dies geschieht in Form einer kurzen Werkskizze, welche die wesentlichen Begrifflichkeiten erläutert.
- Zweitens wird anhand konkreter biographischer Details das Näheverhältnis C.G. JUNGS zum NS-Staat beleuchtet. Hier ist insbesondere seine Mitarbeit in den gleichgeschalteten psychologischen Institutionen Hitler-Deutschlands von Interesse.
- Drittens wird anhand exemplarischer Textpassagen der Grundgehalt der politisch- philosophischen Schriften C.G. JUNGS dargestellt und problematisiert. Zentrum dieser Auseinandersetzung ist der von C.G. JUNG 1936 verfaßte Aufsatz Wotan, in welchem der Schweizer Tiefenpsychologe, Philosoph und Mediziner mit seinem Theoriegebäude und Begriffsapparat das Aufkommen der nationalsozialistischen Bewegung interpretiert. In diesem Abschnitt wird die Beziehung der Lehre C.G. JUNGS zur NS-Ideologie genauer beleuchtet.
Diese Arbeit konzentriert sich somit wesentlich auf die konkrete Rolle des Tiefenpsychologen C.G. JUNG im deutschen Faschismus, auf die vermeintliche Distanz zum NS-Staat und auf ein nachweisbares Näheverhältnis zur psychotherapeutischen Praxis im faschistischen Deutschland. Dieses Thema ist in der bislang vorliegenden Literatur höchst umstritten. Jene Autoren, welche sich historisch-ideologiekritisch diesem Bereich widmen3, stellen rasch fest, daß das Verhalten C. G. JUNGS von den Forschern äußerst kontrovers und widersprüchlich behandelt wird. Vornehmlich die Anhängerschaft des Schweizer Denkers polemisiert heftig gegen jene, welche JUNGS Aktivitäten im Gravitationsfeld des deutschen Faschismus für kritikwürdig halten.
Angesichts des weitverzweigten Themengebiets sei abschließend noch einmal darauf hingewiesen, daß bestimmte Fragestellungen aus methodischen Gründen verkürzt dargestellt werden müssen. Und da im folgenden der historische Kontext der JUNGSCHEN Aktivitäten und Schriften von größter Bedeutung ist, wird in dieser Arbeit auch in knapper Form auf das Schicksal der Psychoanalyse im deutschen Faschismus eingegangen.
Dieses Schicksal, welches ein kompliziertes Geflecht von Verfolgung und Anpassung darstellt, war Anfang der 1980er Jahre Gegenstand einer Kontroverse in der psychoanalytischen Fachzeitschrift „Psyche“.4 Diese Debatte befasste sich nicht nur mit der durch Bücherverbrennung, Beschlagnahmung der Vermögenswerte, Flucht und Exil geprägten Geschichte der Verfolgung der Psychoanalyse in Europa, sondern auch mit den Formen der Anpassung und dem verhängnisvollen Lavieren durch die Institutionen der Psychoanalyse im NS-Staat. Hier wurde die Arisierung des Vorstands der „Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft“ (DPG) und die Rolle ihrer führenden Mitglieder Felix BOEHM und Carl MÜLLER-BRAUNSCHWEIG thematisiert. Dieser Zusammenhang wird ebenso wie die Weiterführung der - zensierten! - Psychoanalyse unter dem Namen „Arbeitsgruppe A“ am „Deutschen Instititut für psychologische Forschungen und Psychotherapie“ dann Erwähnung finden, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem Themenbereich und dem Handeln C.G. JUNGS besteht. Eine umfassende Analyse zum derzeitigen Stand der Debatte zum Thema Psychoanalyse und Nationalsozialismus wäre jedoch gesondert zu verfassen, vor allem deshalb, da C.G. JUNG zur fraglichen Zeit nicht mehr der internationalen psychoanalytischen Bewegung angehörte. Da er jedoch während des Faschismus mehrmals als Gegenspieler der Psychoanalyse auftrat, ist er mit der Geschichte der Psychoanalyse zwischen 1933-45 auf verhängnisvolle Weise verbunden.
In dieser Seminarbeit soll neben der konkreten persönlichen Mitarbeit in verschiedenen gleichgeschalteten Institutionen letztendlich der Beitrag der JUNGSCHEN analytischen Psychologie zur (Ver-)Klärung der Ursachen und Entstehung des deutschen Faschismus erforscht werden. Wissenschaftliche Redlichkeit erfordert deshalb den Hinweis auf eine Konsequenz dieser Vorgehensweise. Angesichts der notwendigen Beschränkung dieser Arbeit auf einen wesentlichen Kernbereich, kann C.G. JUNGS Haltung in der sog. „Schulddebatte“, seine „Distanzierung“ vom Nationalsozialismus in den Schriften „Nach der Katastrophe“ (1945) und „Der Kampf mit dem Schatten“ (1946)5 nur am Rande erwähnt werden. Eine genaue Analyse dieser Veröffentlichungen wäre Gegenstand einer eigenen, weiterführenden Hausarbeit. Für unsere Zwecke erscheint die Konzentration der Textanalyse auf den 1936 erschienenen Aufsatz „Wotan“ sinnvoller und signifikanter.
2. C.G. Jung (1875 bis 1961) - Eine Notiz zur Person
C.G. JUNG wurde am 26.7.1875 als Sohn eines reformierten Pfarrers im schweizerischen Keßwill/Kanton Thurgau geboren.6 1895 beginnt der junge C.G. JUNG sein Studium der Medizin in Basel, zeitgleich führt er mit seiner „medial“ angeblich besonders empfindsamen Cousine Helene PREISWERK spiritistische Experimente durch. Seine Erfahrungen finden Niederschlag in seiner Dissertation, welche 1902 unter dem Titel „Zur Psychologie und Pathologie sog. okkulter Phänomene“ erscheint. Schon mit dieser ersten wissenschaftlichen Arbeit zeigt der Begründer der modernen analytischen Psychologie ein besonderes Interesse an sog. „außeralltäglichen“ Erfahrungen. JUNG, der sich während seiner Lehrjahre in der psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli Kenntnisse insbesondere im Bereich der Schizophrenie aneignet, beginnt 1906 anläßlich der Arbeit „Über die Psychologie der Dementia praecox“ einen Briefwechsel mit Sigmund FREUD (1856-1939), dem Begründer der Psychoanalyse. JUNG, der 1903 die Industriellentochter Emma RAUSCHENBACH heiratet, besucht seine wissenschaftliche Leitfigur FREUD 1907 in Wien und begleitet ihn 1909 zu Gastvorlesungen in die USA. Aus diesem intensiven Arbeitsverhältnis erwächst eine bedeutsame Kooperation im Bereich der Psychoanalyse, von der FREUD und JUNG wechselseitig profitieren. JUNG, seit 1905 Privatdozent an der Universität Zürich, ist von 1910 bis 1914 Präsident der „Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung“, der zentralen internationalen psychoanalytischen Institution. JUNG, der nach eigenen Angaben von 1913 bis 1918 eine tiefe psychische Krise erlebt und diese als eine „seelische Nachtmeerfahrt“ bezeichntet, tritt 1914 vom Amt des Präsidenten der „Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung“ zurück. Grund für diesen Schritt war das Zerwürfnis mit Sigmund FREUD anläßlich der Veröffentlichung der Schrift „Wandlungen und Symbole des Libidobegriffs“, welche bereits 1912 erschien und die Kernpunkte der Differenzen zwischen FREUD und seinem einstigen Gefährten JUNG enthielt. (Abschnitt 3 dieser Seminararbeit geht näher auf die inhaltlichen Unterschiede zwischen FREUD und JUNG ein.) Nach seinem Bruch mit der klassischen Psychoanalyse FREUDSCHER Prägung beginnt JUNG, der den eigenen Krisen- und Heilungsprozeß in seiner Lehre objektivierte und dabei aus den Bildern seiner eigenen „introspektiven Erfahrung“ schöpfte, mit seinen Reisen nach Nordafrika. Desweiteren reiste er zu den nordamerikanischen Publeoindianern und besuchte die Regionen verschiedener ostafrikanischer Stämme. Diese Besuche hatten immensen Einfluß auf JUNGS Konzeptionen der Traumdeutung und der Symbolik der Archetypen des kollektiven Unbewußten. JUNG, der seit 1916 im „Psychologischen Club Zürich“ einen Schülerkreis um sich versammelt, erlangt durch die Entwicklung seiner eigenen tiefenpsychologischen Schule, der sog. analytischen Psychologie, internationales Renommee, weshalb er 1936 den Festvortrag bei der 300-Jahr-Feier der Universität Harvard hält und gleichzeitig durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde geehrt wird.
JUNG, der seit 1943 als Professor für Psychologie an der Universität Basel unterrichtet, hat in seinem wissenschaftlichen Schaffen eine besondere Werktypik entwickelt. In seiner Auseinandersetzung mit der frühchristlichen Religionsgeschichte, der Gnosis und der Alchemie beschäftigt sich JUNG mit längst vergessenen Wissensbeständen. 1935 erscheint JUNGS Kommentar zum „Tibetanischen Totenbuch“, andere Werke setzten sich mit den Symbolwelten außereuropäischer Kulturformen auseinander. In seiner wissenschaftlichen Analyse der Märchen, Mythen und Träume entwickelt C.G. JUNG seine Lehre von den Archetypen des kollektiven Unbewußten. Durch die Entdeckung vergleichbarer Bilder, Architekturen, Strukturen und symbolischer Wandlungsprozesse, die er mit den während seiner persönlichen Krise gemachten Erfahrungen und Bildern abgleicht, entsteht ein Gesamtwerk, welches wie kein zweites die romantische Theorie des Unbewußten und seiner Archetypen ausformuliert.
Zu den prägenden Eckpunkten der Biographie JUNGS zählt neben der Auseinandersetzung mit der tiefreligiös-calvinistischen Erziehung des Vaters , der eigenen Krisenerfahrung in den Jahren seiner psychischen Krankheit und dem Bruch mit dem einst hochverehrten Lehrer FREUD eine Mißbrauchserfahrung, welche JUNG in einem sehr persönlichen Brief an FREUD wie folgt erwähnt:
„Eigentlich - was ich Ihnen mit Widerstreben gestehen muß - bewundere ich Sie als Menschen und Forscher schrankenlos, beneide Sie bewußt nicht; daher also kommt der Selbsterhaltungskomplex nicht, sondern er kommt daher, daß meine Verehrung für Sie einen >religiös<-schwärmerischen Charakter hat, der mir zwar weiter keine Molesten verursacht, mir aber wegen seines unverkennbar erotischen Untertones ekelhaft und lächerlich ist. Dieses abscheuliche Gefühl stammt daher, daß ich als Knabe einem homosexuellen Attentats eines von mir früher verehrten Menschen unterlegen bin. Dieses Gefühl nun, dessen ich noch nicht ganz ledig bin, hindert mich weitgehend. Es äußert sich auch so, daß mir die Beziehungen zu Kollegen, die stark auf mich übertragen, infolge psychologischer Durchschauung direkt ekelhaft werden. Ich fürchte deshalb Ihr Vertrauen. Auch fürchte ich dieselbe Reaktion bei Ihnen, wenn ich Ihnen von meinen Intimitäten spreche[...]“7
Ohne an dieser Stelle weitreichend über die Bedeutung der Mißbrauchserfahrung für das Leben und Werk C.G. JUNGS spekulieren zu wollen, ist es vermutlich doch nicht unangemessen zu betonen, daß die Bedeutung der Sexualität im Werk JUNGS und dessen Beziehung zur wissenschaftlichen „Vaterfigur“ FREUD nicht ohne das Wissen um den Hintergrund einer extremen persönlichen Traumatisierung analysiert werden kann.
Zu Ehren JUNGS, der am 6.6.1961 im schweizerischen Küsnacht stirbt, veranstaltet die Stadt Zürich anläßlich seines 100. Geburtstags 1975 eine Ausstellung, welche in einem Monat über 20000 Besucher anlockt8. Ein Blick in den Katalog illustriert eindrucksvoll den Reiz des JUNGSCHEN Denkens für ein breites Publikum. Dieses Konglomerat aus Bildern, Symbolen, Darstellungen von Naturgewalten und außereuropäischen Kulturformen zeigt neben der textlich und photographisch festgehaltenen Biographie des Schweizer Tiefenpsychologen das JUNGSCHE Werk als eine Art Heiltrank für das durch die verwaltete Welt der Moderne sinnlich verkümmerte Individuum. JUNGS transpersonale Psychologie präsentiert sich dem Betrachter als farbenfroher Gegenspieler zur vergleichsweise rationalistisch-aufgeklärten Psychoanalyse FREUDSCHER Prägung.
3. Skizze der tiefenpsychologischen Lehre C.G. Jungs
Bevor wir uns der konkreten Rolle C.G. JUNGS im deutschen Faschismus zuwenden, soll an dieser Stelle zunächst eine Kurzdarstellung der JUNGSCHEN Kategorien9 die zentralen Begriffe erklären. Die Einführung in die JUNGSCHE Terminologie ist unabdingbar für das genaue Verständnis der in Abschnitt 5 durchgeführten historisch-ideologiekritischen Textanalyse des „Wotan“.
3.1 Der Bruch mit Sigmund Freud und die Begründung der Analytischen Psychologie
„Wandlungen und Symbole des Libidobegriffs“ ist der Titel einer 1912 veröffentlichten Arbeit C.G. JUNGS, die in früher Form den Bruch mit der psychoanalytischen Leitfigur Sigmund FREUD markiert10. Im Gegensatz zu FREUD bezieht sich JUNG auf eine religiöse Grundierung seiner Theorie des Unbewußten, desweiteren wird bei JUNG der Sinngehalt der Religion, der Begriff der Libido und die Rolle der Sexualität anders eingeschätzt. Weitere Differenzen existieren bei der Zielsetzung der Therapie und bei der Auffassung bezüglich der Bedeutung von Neurosen. Libido ist bei JUNG eine allgemeine psychische Energie, die sexuellen Triebregungen werden bei JUNG ebenfalls anders eingeschätzt als in der klassischen Psychoanalyse, welche die Rolle der Sexualität und des Unbewußten betont.
Insbesondere hebt C.G. JUNG die von ihm vor allem durch Traumanalysen entdeckte transpersonale Tiefenschicht des Unbewußten, das kollektive Unbewu ß te hervor , dessen Symbolbilder die Archetypen sind. Die Form der Traumanalyse ist ebenfalls von der FREUDSCHEN Traumdeutung zu unterscheiden. Während bei FREUD Träume als zensierte Symbole einer infantilen Wunscherfüllung betrachtet werden, definiert JUNG Träume als spontane Selbstdarstellung der aktuellen Lage des Unbewußten in symbolischer Ausdrucksform. D.h. also daß nach JUNG keine umfassende Traumzensur stattfindet und sich der Traum kompensatorisch zur jeweiligen Bewußtseinslage des Träumenden verhält.
JUNG, der sich bereits als Schüler mit dem Werk Arthur SCHOPENHAUERS (1788-1860), Johann Gottlieb FICHTES (1762-1814) und Friedrich Wilhelm Josef SCHELLINGS (1775- 1854) befaßt hat, kann aufgrund seiner inhaltlichen Bestimmung des Begriffs des Unbewußten in die Tradititon der „romantischen Theorie des Unbewußten“ eingereiht werden, eine Theorie, deren wesentliche Merkmale der Heidelberger Erziehungswissenschaftler Micha BRUMLIK so zusammenfasst:
„Diese Denkfigur der Einheit von Endlichem und Unendlichem, von Menschlichem und Göttlichem, von Notwendigem und Zufälligem stellt den systematischen Kern aller romantischen Theorien der Subjektivität dar.“11
In Abgrenzung zur aufklärerischen Tiefenpsychologie eines Sigmund FREUD lassen sich in der Analytischen Psychologie JUNGS (auch Komplexe Psychologie genannt) noch weitere Differenzen z.B. in Bezug auf die Therapie und die begriffliche Bestimmug von Neurosen feststellen. So sehen Psychologen der JUNGIANISCHEN Schule zwischen den Formen des Bewußtseins keine klare Zäsur, sondern leichte Übergänge, in dem Unbewußten sehen sie keine potentielle Gefährdung der Selbstbestimmung des Individuums („Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus“), sondern dessen motivierenden Impuls. Das Unbewußte wird bei C.G. JUNG und dessen Schülern primär als wertvolles kreatives Potential angesehen, während das Unbewußte im Sinne FREUDS zweifellos auch solche Eigenschaften hat, er es zunächst jedoch als verschlüsselten und zu entziffernden „Text“ auffasst.
Ein Vergleich zwischen den beiden Denkschulen der Tiefenpsychologie, der an dieser Stelle nur die Kerndifferenzen festhalten soll, zeigt also deutlich, daß FREUD und JUNG zwar mit häufig vergleichbaren Begriffen arbeiten (das Unbewußte, Ich, Persona, Traum etc.), jedoch diese begrifflich anders fassen und folglich in ihrer Arbeit zu konträren Ergebnissen gelangen.
3.2 Die Archetypen des kollektiven Unbewußten - Schlüsselkategorien bei C.G. Jung
C.G. JUNGS unbestreitbare Bedeutung für die Psychologie manifestiert sich in der Übernahme zahlreicher von ihm geprägter und inhaltlich ausgeführter Begriffe in die Begriffswelt der Tiefenpsychologie. Archetypus, kollektives Unbewu ß tes, Individuation, Selbst, Persona, Schatten... - mit der inhaltlichen Erläurterung dieser Schlüsselkategorien läßt sich das Werk C.G. JUNGS anschaulich und prägnant darstellen.
Wesentlicher Kernbestandteil des JUNGSCHEN Werks sind freilich die Kategorien kollektives Unbewu ß tes und Archetypus. Die kollektives Unbewu ß tsein genannte überpersönliche Tiefenschicht des Unbewußten, welche als ´Niederschlag der Erfahrungen der Ahnenreihe´ gilt, kann folglich als uralte, vererbte Grundschicht vorgestellt werden. Die Entdeckung dieser zeitunabhängigen und vererblichen, das Denken und Handeln der Menschen beeinflussenden Grundschicht gilt als Kern der JUNGSCHEN Lehre. Dieser Grundschicht steht das persönliche, d.h. erarbeitete Unbewußtsein gegenüber. JUNG entdeckte diese Tiefenschicht u.a. durch die Analyse von Träumen, Mythen, Bildern und Architekturen und beschreibt sie wie folgt:
Diese Tiefenschicht enthält „...die ganze vererbte Lebens- und Funktionsreihe der Ahnenreihe, so daß bei jedem Kinde eine angepaßte psychische Funktionsbereitschaft schon vor allem Bewußtsein vorhanden ist.“12
Und weiter schreibt JUNG:
„Könnte man das Unbewußte personifizieren, so wäre es ein kollektiver Mensch, jenseits der geschlechtlichen Besonderheit, jenseits von Jugend und Alter, von Geburt und Tod, und würde über die annähernd unsterbliche menschliche Erfahrung von ein bis zwei Millionen Jahren verfügen. Dieser Mensch wäre [...] ein unvergleichlicher Prognosensteller auf Grund seiner unermeßlichen Erfahrung. Denn er hätte das Leben des Einzelnen, der Familien, der Stämme und Völker unzählige Male erlebt und besäße den Rhythmus des Werdens, Blühens und Vergehens im lebendigsten innersten Gefühl.“13
Das kollektive Unbewußte, jener „kollektive Mensch“, welcher die Erfahrungen der Ahnenreihe in sich trägt, wirkt also in seiner strukturübergreifenden Form auf die Individuen in prägender und handlungsleitender Art und Weise.
Symbolisiert werden die Kräfte des kollektiven Unbewußten durch Archetypen, d.h. durch dem menschlichen Geiste eingegrabene „Urbilder“, welche z.B. in Form von Mythen und Wunschbildern in den Kulturen auftauchen. Diese Archetypen des kollektiven Unbewußten, welche als innere Bilder oder Erscheinungen im Individuum auftreten können, sind unbewußte kollektive Vorstellungsmuster, welche auf die Menschen eine lebensbestimmende Kraft ausüben. Sie können als unterschiedliche Symbolformen auftauchen, etwa als Zauberer, Medizinmann, Hexe oder Teufel. Dabei fällt den unterschiedlichen Archetypen eine jeweils spezifische Bedeutung zu. Bekannt sind z.B. die „Seele“ als Archetypus des Lebens, das „Wasser“ als Archetypus des Unbewußten, der „alte Weise“ als Archetypus von Sinn etc.
JUNG selber definiert die Archetypen knapp als
„...dem menschlichen Geiste eingegrabene Naturbilder(...), nach denen er seine Urteile forme.“14
Und an anderer Stelle schreibt JUNG:
„Der Begriff des Archetypus ist so oft mißverstanden worden, daß man ihn nicht erwähnen kann, ohne ihn jedesmal wieder aufs neue erklären zu müssen. Er wird aus der vielfach wiederholten Beobachtung, daß zum Beispiel die Mythen und Märchen der Weltliteratur bestimmte, immer und überall wieder behandelte Motive enthalten, abgeleitet. Diesen selben Motiven begegnen wir in Phantasien, Träumen, Delirien und Wahnideen heutiger Individuen. Diese typischen Bilder und Zusammenhänge werden als archetypische Vorstellungen bezeichnet. Sie haben, je deutlicher sie sind, die Eigenschaft, von besonders lebhaften Gefühlstönen begleitet zu sein. Diese Betonung verleiht ihnen eine besondere Dynamik im Rahmen des psychischen Lebens. Sie sind eindrucksvoll, einflußreich und faszinieren. Sie gehen hervor aus dem an sich unanschaulichen Archetypus, einer unbewußten Vorform, die zur vererbten Struktur der Psyche zu gehören scheint und sich infolgedessen überall auch als spontane Erscheinung manifestieren kann.“15
Diese Archetypen des kollektiven Unbewußten werden von C.G. JUNG, wie wir in den folgenden Abschnitten sehen werden, zumindest in der frühen Phase seines Werks rassenspezifisch gefaßt, sie sind für das Verständnis seines Schaffens also unabdingbar.
3.3 Individuation, Persona, Schatten und Selbst - C.G. Jungs Therapieansatz
Die Kenntnis der Archetypen des kollektiven Unbewußten ist Voraussetzung für das Verständnis der Individuation im Sinne JUNGS. Individuation meint hier nämlich den langwierigen Proze ß der Selbstverwirklichung, den Prozeß der Angleichung der im kollektiven Unbewußten angelegten transpersonalen Anteile der Seele mit den verdrängten Triebanteilen des Unbewußten. Nach JUNG liegt in den auch im Individuum angelegten Archetypen eine spezifische Bestimmung, welche das Indiviuum im Prozeß der Individuation anerkennen muß. Das sich seiner selbst bewußt gewordene Ich muß sich im Verlauf der Selbstverwirklichung an dem Archetypus des jugendlichen Helden orientieren und sich selbst freiwillig der Bestimmung dieses Archetypen hingeben. Scheitert die Angleichung der verdrängten Triebanteile des Unbewußten an die im kollektiven Unbewußtsein angelegten überpersönlichen Anteile der Seele, so nimmt die psychische Entwicklung des Einzelnen Schaden, entstehen seelische Störungen und Krisen, da das Ziel der Individuation, die Entstehung eines harmonischen Selbst verfehlt wurde. Diesem Selbst - der reifen und entwickelten Persönlichkeit - stehen im Begriffsapparat C.G. JUNGS die Kategorien Schatten (die verdrängten, unbewußten, schädlichen, nicht in das Ich aufgenommenen (Trieb-)Anteile des Individuums) und Persona (die nach außen gezeigte Haltung und Einstellung eines Menschen, welche durch tatsächliche Wünsche und Anpassung an die Außenwelt entsteht) gegenüber, welche ebenfalls zentral zu den Schlüsselbegriffen bei C.G. JUNG zählen. Eine von JUNGIANERN durchgeführte Therapie hat demnach zum Ziel, dem Ich den Zugriff zum kollektiven Unbewußten zu ermöglichen und Hilfestellung beim Weg zum Selbst durch die Individuation zu ermöglichen.
3.4 Zwischenbetrachtung zu Werk und Person
An dieser Stelle soll eine kurze Zwischenbetrachtung die bisherigen Kenntnisse zu Werk und Person C.G. JUNGS zusammenfassen und auf den Haupteil dieser Seminararbeit vorbereiten, nämlich auf die genaue Untersuchung der Rolle C.G. JUNGS im deutschen Faschismus und die historisch-ideologiekritische Lektüre seines 1936 verfassten Aufsatzes „Wotan“.
Zweifellos zählt C.G. JUNG neben Alfred ADLER (1870-1937) zu den großen Renegaten der psychoanalytischen Bewegung. Seine Differenzen mit Sigmund FREUD bezüglich der anderen Bestimmung der Rolle von Sexualität und Libido, des positiven Bezugs auf die Religion im Gegensatz zur agnostisch-antimetaphysischen Auffassung FREUDS, seine Betrachtung von Träumen als „Wahrträume“, die andere Meinung zur Funktion von Neurosen und den Zielen der Therapie als Zugang zum kollektiven Unbewußten - dies alles hat neben der Beschäftigung mit sog. okkulten Phänomenen, den Reisen nach Amerika, Afrika und Indien ein Werk hervorgebracht, welches aufgrund seiner Dichte und Fülle für Generationen von analytischen Tiefenpsychologen schulbildend wurde.
4. C.G. Jung und der deutsche Faschismus - Historische Hintergründe und Fakten
C.G. JUNG, der seit 1914 nicht mehr der internationalen psychoanalytischen Bewegung angehört, tritt im faschistischen Deutschland in mehrfacher Form als Gegenspieler der Psychoanalyse auf. JUNG, der 1933 zwischen dem „jüdischen“ und „arischen“ Unbewußten unterschied, den Vorsitz der „Internationalen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie“ sowie die Herausgeberschaft des an die NS-Doktrin angepaßten „Zentralblatts für Psychotherapie“ übernahm, wird aufgrund dieser Aktivitäten heftig krititsiert. Ernst BLOCH nennt ihn ein wenig ungenau einen „faschistisch schäumenden Psychoanalytiker“16, an anderer Stelle polemisiert er gegen den seiner Auffassung nach offenkundigen „Rapport dieser panischen Libido mit dem deutschen Faschismus“.17 Solche Urteile waren damals über JUNG weit verbreitet. Seinen Gegnern galt er als Antisemit und pro-faschistischer Psychotherapeut. Seinen Schülern und Anhänger jedoch gilt jeder Versuch, JUNG auch nur in die entfernteste Nähe des Faschismus zu bringen als skandalöse Denunziation, als „Verleumdung“ (M.-L. von FRANZ) eines großartigen Gelehrten, der zahlreiche jüdische Patienten (die er nach Darstellung der JUNG-Anhänger sogar kostenlos betreute) und Freunde hatte und der in der nationalsozialistischen Bewegung nichts als den gigantischen Ausbruch einer ungezähmten kollektiven Tiefenströmung sah.18 Niemals hätte JUNG, so seine langjährige Mitstreiterin Marie-Louise von FRANZ in Bezug auf den deutschen Faschismus, sich einen derart gewalttätigen Ausbruch krimineller Energie vorstellen können, geschweige diesen denn gutgeheißen.19 Die JUNG treu ergebenen Biographen widmen sich dem Thema denn meist auch nur mit wenigen, jedoch deutlichen Worten.20 So spricht sein Biograph Gerhard WEHR in der weitverbreiteten Rowohlt-Monographie über C.G. JUNG21 auch von dem „Gerücht“22 JUNG sei Nationalsozialist und Antisemit gewesen. WEHR schreibt mit wohlwollender Milde:
„Tatsächlich hat Jung Anfechtbares gesagt und publiziert, an dem der Biograph nicht schweigend wird vorübergehen dürfen; Nazi oder Antisemit aber war Jung nie.“23
Was C.G. JUNGS „Ausrutscher“24 im Jahre 1933 betrifft, existiert noch eine bemerkenswerte Darstellung seiner jüdischen Biographin und Schülerin Aniela JAFFÉ, die angesichts der heftigen Kritik an ihrem verehrten Lehrmeister schrieb:
„Die Tatsache, daß Jung damit in einem Augenblick an die Öffentlichkeit trat, da das Judesein eine Lebensbedrohung war, und daß er die psychologisch-rassischen Unterscheidungen auf das wissenschaftliche Programm der Internationalen Gesellschaft setzte, muß als ein schwerer Fehler angesehen werden.“25
JAFFÉS zaghaft-kritische Stellungnahme bildet die Ausnahme im Geflecht der Verteidigung und Exkulpation JUNGS. An dieser Stelle soll zur Entwirrung eben dieses Geflechts genauer auf JUNGS Verhalten eingegangen werden. Welche Handlungen und Veröffentlichungen waren es also genau, die JUNGS Gegner zu solchen Vorwürfen veranlaßten, welche Fakten können zur Erhärtung der Kritik an JUNG angebracht werden?
4.1 C.G. Jung als Gegenspieler Sigmund Freuds und der Psychoanalyse
Im Februar 1934 schrieb C.G. JUNG an seinen (nationalsozialistisch gesinnten!) Schüler W.M. KRANEFELDT einen Brief, in dem er auf privater, nicht-öffentlicher Ebene über die künftige Rolle diverser tiefen-psychologischer Richtungen in Hitler-Deutschland spekulierte.
JUNG schrieb damals:
„Gegen Dummheit kann man bekanntlich nichts tun, aber in diesem Falle können die arischen Leute darauf hinweisen, daß mit Freud und Adler spezifisch jüdische Gesichtspunkte öffentlich gepredigt werden, und zwar wie man ebenfalls nachweisen kann, Gesichtspunkte, welche einen wesentlich zersetzenden Charakter haben. Wenn die Verkündung dieses jüdischen Evangeliums der Regierung angenehm ist, so ist es halt eben so. Andernfalls ist ja auch die Möglichkeit vorhanden, daß dies der Regierung nicht angenehm wäre[...]“26
Doch es bleibt nicht bei der Denunziation auf privater Ebene. Wenige Tage nach der Bücherverbrennung, bei der mit den Worten „Gegen die seelenzerstörende Überschätzung des Sexuallebens - und für den Adel der menschlichen Seele! Ich übergebe dem Feuer die Schriften Sigmund Freuds“27 die Psychoanalyse staatsoffiziell verfemt wird, läßt sich C.G. JUNG in einem Interview mit dem Psychotherapeuten A. Weizsäcker als ein Wissenschaftler präsentieren, welcher der „zersetzenden Psychoanalyse Sigmund Freuds eine aufbauende Seelenlehre entgegengestellt“ habe.28
JUNGS Attacken gegen die Psychoanalyse kulminieren in der unter dem Titel „Zeitgenössisches“ veröffentlichten Attacke;
„Das jüdische Problem ist ein Komplex, eine schwärende Wunde, [...] kein verantwortungsvoller Arzt könnte es über sich bringen, daran ärztliche Vertuschungsmethode zu üben.“29
Das „jüdische Problem“ als „schwärende Wunde“, die analytische Psychologie JUNGS als wohlgelittener Gegenpart zur „zersetzenden“ Psychoanalyse Sigmund Freuds - JUNG lies in der damaligen Zeit, in der die Psychoanalyse schwerste Auseinandersetzungen zu bestehen hatte, keine Gelegenheit aus, um seine einstigen Mitstreiter zu attackieren. Doch blieb es nicht bei vielbeachteten Interviews und privaten Briefen an seine Schüler. JUNG arbeitete auch während der NS-Diktatur zumindest zeitweise für gleichgeschaltete psychologische Institutionen.
4.2 Die „Internationale Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie“ und das „Zentral- blatt für Psychotherapie“ - Jung und der Streit um die Tiefenpsychologie
Durch die Übernahme des Vorsitzes der „Internationalen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie“ und die Herausgabe des „Zentralblatts für Psychotherapie“ bezog JUNG durch aktive Handlung Stellung in der Frage, ob zum faschistischen Deutschland kritische Distanz bezogen werden solle oder nicht. Während bereits die ersten jüdisch-deutschen Psychoanalytiker zwangsweise den Weg ins Exil wählen mußten und die freudianische Schule um ihr Überleben kämpfte, spekulierte JUNG, wie der oben zitierte Brief an seinen Schüler W.M. KRANEFELDT offensichtlich zeigt, auf die Durchsetzung seiner „germanischen“ therapeutischen Schule durch die NS-Regierung. Sicher ist JUNGS Mitarbeit in den hier genannten Stellen ein weiteres deutliches Indiz für die eigennützige Kollaboration JUNGS mit den NS-Stellen. Dabei hätte JUNG den antisemitischen Charakter z.B. des gleichgeschalteten ´Zentralblatt für Psychotherapie´ bereits früh erkennen können, wenn er diesem nicht - was wahrscheinlich ist - zugestimmt hätte. Denn in der „Zeitschrift für Psychotherapie“ findet sich neben dem Geleitwort des Herausgebers JUNG die redaktionelle Forderung nach Medizinern
„...die willig sind, im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung eine seelenärztliche Heilkunst auszubilden[...]Die Gesellschaft setzt von allen ihren schriftstellerisch und rednerisch tätigen Mitgliedern voraus, daß sie Adolf Hitlers grundlegendes Buch >Mein Kampf< mit allem wissenschaftlichen Ernst durchgearbeitet haben und als Grundlage anerkennen. Sie will mitarbeiten an dem Werke des Volkskanzlers, das deutsche Volk zu einer heroischen, opferbereiten Gesinnung zu erziehen“.30
1932, als unter dem Vorsitz von Max EITINGON der 12. Internationale Psychoanalytische Kongreß in Wiesbaden stattfand, war die dort getroffene Feststellung, die Psychoanalyse gewinne immer mehr Zuspruch, noch eine nachvollziehbare Fehleinschätzung. Der im Nachhinein tragisch anmutende Vorschlag einiger Kongreßteilnehmer, man solle die Gelegenheit zum ausfürlichen Gespräch mit HITLER suchen, erscheint noch als fataler Optimismus professioneller Therapeuten. Auch der mit der Machtübertragung an die NSDAP am 30. Januar 1933 notwendig gewordene „Rücktritt“ jüdischer Mitglieder aus den Vorständen wissenschaftlicher Vereinigungen, so auch aus der „Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft“, kann noch unter Hinweis auf die vorliegende Zwangslage erklärt werden. Ebenso kann man die apolitische Grundeinstellung der meisten Analytiker als Ursache für die unzureichende Opposition anführen. Doch wer zwang C.G. JUNG, Distanz und Neutralität aufzugeben, um den Vorsitz einer „Internationalen Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie“ zu übernehemen, obwohl Ernst KRETSCHMER, sein Vorgänger auf diesem Posten, wegen der immer stärker werdenden Gleichschaltungstendenzen demissionierte? Noch unglaublicher wird JUNGS Verhalten, wenn man einen Blick auf die Statuten der deutschen Sektion wirft, deren Vorsitzender Matthias H. GÖRING war, ein Vetter des einflußreichen Reichsmarschalls, welcher eine „Neue Deutsche Seelenheilkunde“ begründen wollte.
Absatz 2 der Statuten z.B. gelobte dem Führer bedingungslose Treue, Absatz 7 wiederum lautete:
„Der Vorsitzende hat das Recht, alle Veröffentlichungen im Namen der Gesellschaft vor der Drucklegung zu genehmigen[...]er hat auch das Recht, alle Vortragenden zu unterbrechen und am Weitersprechen zu hindern, wenn sie etwas seiner Meinung nach Unerlaubtes gesagt haben oder sagen wollen“31
Die in dem bereits mehrfach erwähnten Band ´Psychoanalyse und Nationalsozialismus´ dokumentierte Debatte zum Verhalten der Psychoanalytiker im deutschen Faschismus hat einiges an Vorwürfen zu Tage gebracht, vor allem gegen die DPG-Vorstandsmitglieder Felix BOEHM und Carl MÜLLER-BRAUNSCHWEIG. 1933 wurde der Vorstand der DPG arisiert, 1935/36 wurden die jüdischen Mitglieder aus der DPG aufgrund der entsprechenden Reichsgesetze entlassen. Am 28.3.1936 wird der Psychoanalytische Verlag in Leipzig beschlagnahmt, im Monat der Reichsprogromnacht wird die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung als eingetragener Verein aufgelöst. Die Arbeit der Psychoanalytiker wird unter dem Namen „Arbeitsgruppe A“ am Deutschen Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie unter der Leitung von M.H. GÖRING weitergeführt. Obwohl die Geschichte der Psychoanalyse zwischen 1933-45 in erster Linie eine Geschichte ihrer Verfolgung ist, wurde einigen in Deutschland verbliebenen Analytikern eine schuldhafte Verstrickung durch Anpassung, Affirmation, Resignation und Schweigen nachgewiesen.
C.G. JUNGS Kollaboration geht jedoch noch über dieses Maß erheblich hinaus, wie seine aktive Mitarbeit in den oben genannten Institutionen zeigt. Auch das seine Werke als Schulungsmaterial im Göring-Institut eingesetzt wurden, Sigmund FREUDS Bücher jedoch im Giftschrank verschwanden, ist ein Beleg für die These, daß C.G. JUNG seinen Einfluß im NS-Staat zugunsten seiner tiefenpsychologischen Richtung nutzte.
Während die deutschen Psychoanalytiker unter schwersten Bedingungen dem Selbstanspruch nach zumindest winzige Restbestände retten wollten32, gab JUNG seine Distanz in der „neutralen“ Schweiz auf und attackierte in vielfältiger Weise die konkurrierende Schule FREUDS.
Noch verständlicher wird JUNGS Verhalten jedoch dann, wenn wir uns nochmals kurz seiner Lehre von den rassespezifisch gefaßten Archetypen des kollektiven Unbewußten widmen.
4.3 Das „arische Unbewußte“
JUNG beschränkte sich nicht auf vereinzelt in Interviews und Briefen anzutreffende Attacken und Polemiken gegen die Psychoanalyse und die „spezifisch jüdischen Gesichtspunkte“, welche durch FREUD und ADLER Einzug in die Tiefenpsychologie erhielten. Eine berühmte Stelle in „Zivilisation im Übergang“ zeigt geradezu paradigmatisch, inwieweit C.G. JUNG in seinem Werk mit der ideologischen Kategorie „Rasse“ operiert und dabei Anleihen an der NS-Diktion nimmt.
In einem Streit, der sich wesentlich mit der Rolle der Sexualität in den unterschiedlichen Strömungen der Tiefenpsychologie befaßte, summiert JUNG in eindrucksvoller und bedrückender Form seine kaum noch Kritik zu nennenden Vorwürfe gegen die Psychoanalyse. JUNG, der einstige Weggefährte und treue Schüler FREUDS polemisiert in scharfer Form gegen die „jüdische“ Psychoanalyse:
„Der Jude, als Angehöriger einer etwa dreitausendjährigen Kulturrasse ist wie der gebildete Chinese in einem weiteren Umkreise psychologisch bewußt als wir [...] Der Jude als relativer Nomade hat nie und wird voraussichtlich auch nie eine eigene Kulturform schaffen, da alle seine Instinkte und Begabungen ein mehr oder weniger zivilisiertes Wirtsvolk zu ihrer Entfaltung voraussetzen. Die jüdische Rasse als Ganzes besitzt darum nach meiner Erfahrung ein Unbewußtes, das sich mit dem Arischen nur bedingt vergleichen läßt. Abgesehen von gewissen schöpferischen Individuen ist der Durchschnittsjude schon viel zu bewußt und differenziert, um noch mit den Spannungen einer ungeborenen Zukunft schwanger zu gehen. Das arische Unbewußte hat ein höheres Potential als das jüdische; das ist der Vorteil und Nachteil einer dem Babarischen noch nicht völlig entfremdeten Jugendlichkeit. Meines Erachtens ist es ein schwerer Fehler der bisherigen medizinischen Psychologie gewesen, daß sie jüdische Kategorien, die nicht einmal für alle Juden verbindlich sind, unbesehen auf den christlichen Slawen und Germanen verwandte. Damit hat sie nämlich das kostbarste Geheimnis des germanischen Menschen, seinen schöpferisch-ahnungsvollen Seelengrund als kindlich banalen Sumpf erklärt, während meine warnende Stimme durch Jahrzehnte des Antisemitismus verdächtigt wurde. Die Verdächtigung ist von FREUD ausgegangen. Er kannte die germanische Seele nicht, so wenig wie alle seine germanischen Anbeter sie kannten. Hat sie die gewaltige Erscheinung des Nationalsozialismus, auf den die ganze Welt mit erstaunten Augen blickt, eines Besseren belehrt? Wo war die unerhöhrte Spannung und Wucht, als es noch keinen Nationalsozialismus gab? Sie lag verborgen in der germanischen Seele, in jenem tiefen Grunde, der alles andere ist als der Kehrichtkübel unerfüllbarer Kinderwünsche und unerledigter Familienressentiments.“33
Diese stakkatohaft vorgetragene Attacke gegen die „jüdischen Anteile“ der Psychoanalyse ist tatsächlich wert, mehrmals laut vorgelesen zu werden. Denn hier verdichten sich in eindrucksvoller Form sämtliche Prämissen der JUNGSCHEN Analyse der „gewaltigen Erscheinung“ des Nationalsozialismus, der von JUNG freilich nicht primär als staatliche Macht oder gar als Form bürgerlicher Herrschaft begriffen wird, sondern als geradezu mythische Bewegung, deren „unerhörte Spannung und Wucht“ tief eingegraben war in der „germanischen Seele“.
Wenden wir uns also nun jener Schrift zu, mit der C.G. JUNG 1936 versuchte, den deutschen Faschismus - hier ganz gemäß der irreführenden Selbstetikettierung der Faschisten „Nationalsozialismus“ genannt - zu erklären.
5.Wotan - Der Kriegsgott in den Träumen der Deutschen
Wotan, jener beeindruckende und vieldeutige Aufsatz zur deutschen Zeitgeschichte34 zählt zu den raren Dokumenten JUNGS, in denen er sich zur deutschen Zeitgeschichte äußert. Dieser kleine Aufsatz ist in der Hinsicht bemerkenswert, als daß er in prägnanter Form die Anwendung der Lehre von den Archetypen des kollektiven Unbewußten auf ein gesamtgesellschaftliches, über die Sphäre des Individuums hinausgehendes Phänomen darstellt. Der Gegenstand der JUNGSCHEN Faszination - die archetypische Repräsentation der faschistischen Bewegung in Deutschland - wird von ihm durch die Analyse der Träume seiner deutschen Patienten entdeckt, die Betrachtung der NS-Symbolik und der Bilderwelt des deutschen Faschismus dient als Ergänzung seiner philosophisch-tiefenpsychologischen Beobachtungen.
5.1 Das „Rauschen im Urwald des Unbewußten“
JUNGS Betrachtung zur deutschen Gegenwartssituation beginnt bezeichnenderweise mit einer Passage aus den berühmten Prophezeiungen des mittelalterlichen „Sehers“ Michel NOSTRADAMUS aus dem Jahre 1555, die in ihrer deutschen Übersetzung da lauten:
„In Deutschland werden verschiedene Sekten erstehen, / die heiterem Heidentum sehr nahe kommen: / Die Unfreiheit des Herzens und spärliche Einkünfte / werden die Rückkehr zur Entrichtung des wahren Zehnten bewirken.“35
Dieses NOSTRADAMUS-Zitat eröffnet für JUNG die Möglichkeit, mit dem Gespür des Mythologen und Tiefenpsychologen die Ereignisse nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland zu interpretieren. Jener „Hexentanz phantastischer Umstürze, Landkartenveränderungen, Rückgriffe politischer Art auf mittelalterliche und antike Vorbilder“36 nach dem Ersten Weltkrieg, die durch die Oktoberrevolution erfolgte blutige „Entzauberung“ Rußlands ist für ihn der Anlaß für weitreichende quasi-mystifizierende Spekulationen, die sich nicht der Verwunderung über das Aufkommen jener „Sekten“ in der „Kulturnation“ Deutschland entziehen können:
„ Daß aber in einem eigentlichen Kulturlande, das schon geraume Zeit jenseits des Mittelalters gewähnt wurde, ein alter Sturm- und Rauschgott, nämlich der längst im Ruhestand befindliche Wotan wieder, wie ein erstorbener Vulkan, zu neuer Tätigkeit erwachen könnte, das ist mehr als kurios; es ist geradezu pikant. Er ist, wie man weiß, in der Jugendbewegung lebendig geworden und wurde gleich zu Beginn seiner Wiederentstehung mit einigen blutigen Schlachtopfern gefeiert. Es waren jene blonden Jünglinge (bisweilen auch Jungfrauen), die man als rastlose Wanderer sah auf allen Landstraßen, vom Nordkap bis nach Sizlien, mit Rucksack und Laute bewehrt, treue Diener des schweifenden Wandergottes. Später, gegen das Ende der Weimarer Republik, übernahmen das Wandern die Abertausenden von Arbeitslosen, die man überall auf zielloser Wanderschaft traf. 1933 wanderte man nicht mehr, sondern man marschierte zu Hunderttausenden, vom fünfjährigen Knirps bis zum Veteranen. Die HITLER-Bewegung brachte wörtlich ganz Deutschland auf die Beine und produzierte das Schauspiel einer Völkerwanderung an Ort. Wotan, der Wanderer, war erwacht.“37
Jener „rastlose Wanderer Wotan, der Unruhestifter“38 durchlief in der religiös geprägten Kulturgeschichte zahlreiche Wandlungen, vom Christentum wurde er als Teufel benannt, im Mittelalter tauchte er in der Figur des Ahasver auf, als rastloser Wanderer legte er sich - so will es die Überlieferung - im Kyffhäuser nieder, um dort auf seine „Wiedererweckung“ zu warten. Doch wurde dieses irritierende „Rauschen im Urwald des Unbewußten“39 laut JUNG nicht nur von den jugendbewegten, kultgläubigen und sonnenwendfeiernden Anhängern der germanischen Mythengestalt wahrgenommen, sondern vor allem von den Dichtern und Denkern des Irrationalismus, des Nihilismus und der Romantik, von den Künstlern und Philosophen Friedrich NIETZSCHE (1844-1900), Stefan GEORGE (1868-1933) und KLAGES (1872-1956).
Und gerade Deutschland bietet nach JUNG die Voraussetzungen für den Ausbruch eines gewaltigen Unwetters:
„Deutschland ist ein geistiges Katastrophenland, wo gewisse Naturtatsachen immer nur einen Scheinfrieden mit der Weltherrscherin Vernunft eingehen. Der Widersacher ist ein Wind, der aus Asiens Unendlichkeit und Anfänglichkeit, in breiter Front von Thrazien bis Germanien, nach Europa hineinbläßt, bald von außen Völker zusammenweht wie dürre Blätter, bald von innen welterschütternde Gedanken inspiriert, ein elementarischer Dionysos, der apollinische Ordnung durchbricht.“40
Und gleichzeitig ist der Ausbruch des deutschen Archetypus Wotan für JUNG ein beeindruckendes Zeitdokument für die Notwendigkeit und auch Schwierigkeit einer religösen, d.h. christlichen Züchtigung jener autonomen transpersonalen Gewalten:
„So leisten wir unseren unerwähnten Tribut an die germanische Sturm- und Drangzeit und kommen uns erheblich viel besser vor, während in allererster Linie die Deutschen eine geradezu einzigartige historische Gelegenheit haben, im innersten Herzen einsehen zu lernen, aus welchen Fährnissen der Seele das Christentum den Menschen retten wollte.“41
Wotan, der altgermanische Kriegsgott und Ergreifer, durchbricht also die Schranken der Zivilisation und holt alte, längst vergessen geglaubte Schrecknisse wieder hervor.
5.2 Wotan - Der rastlose Ergreifer und die Grenzen der traditionellen Wissenschaft
JUNG charakterisiert den Archetypus Wotan, dessen Urverwandtschaft mit der Christus- und Dionysosfigur er betont, wie folgt:
„Er ist ein Sturm- und Brausegott, ein Entfeßler der Leidenschaften und der Kampfbegier, und zudem ein übermächtiger Zauberer und Illusionskünstler, der in alle Geheimnisse okkulter Natur verwoben ist.“42
Nach vertiefenden Betrachtungen zu NIETZSCHES Zarathustra und dessen Verbindungen zum Werk Richard WAGNERS (1813-1883), widmet sich JUNG der Frage, ob angesichts der Vorgaben der Aufklärung gesellschaftliche Prozesse mit einem Rekurs auf Götterbilder und mittelalterliche Mythen erklärt werden können.
JUNG antwortet:
„Wenn wir für einen Augenblick vergessen dürfen, daß wir im Jahre des Herrn 1936 stehen und diesem Datum entsprechend glauben, die Welt vernünftig zu erklären, wofern die Basis unserer Erklärung aus dem ökonomischen, dem politischen und dem psychologischen Faktor besteht, und wenn wir diese wohlgemeinte, menschlich-allzumenschliche Vernünftigkeit etwas beiseite schieben und statt des Menschen Gott oder Götter mit der Verantwortlichkeit für das heutige Geschehen belasten dürfen - dann würde Wotan als kausale Hypothese gar nicht übel passen.“43
Und an gleicher Stelle wendet sich JUNG mit Nachdruck gegen die Auffassung, mittels Psychologie, Ökonomie und Politischer Wissenschaft könne gesellschaftliches Verhalten adäquater erklärt werden:
„Ich wage sogar die ketzerische Behauptung, daß der alte Wotan mit seinem abgründigen und niemals ausgeschöpften Charakter mehr vom Nationalsozialismus erklärt als alle drei vorgenannten vernünftigen Faktoren zusammen.“44
5.3 Konsequenzen der Jungschen Archetypenlehre
Dieser Text kann vorzüglich als Folie zur Erklärung der JUNGSCHEN Konzeption der Archetypen des kollektiven Unbewußten angeführt werden. Hier werden die Konsequenzen der Übertragung eines solchen Modells auf gesellschaftliche Prozesse deutlich, der Rückgriff auf aus dem Reich der Sagenwelt entstammende mythische Figuren zeigt in bemerkenswerter Klarheit die Skepsis JUNGS gegenüber der aufgeklärten Wissenschaft. Gesellschaftstheorie und Kulturkritkik, Sozialpsychologie und Kritik der Politischen Ökonomie, Faschismustheorie in all ihren Varianten und bürgerliche Nationalökonomie wird bei JUNG in eindrucksvoller Form durch den Rekurs auf einen „Sturm- und Brausegott“, der den furor teutonicus entfacht, ersetzt.
JUNG bekräftigt:
„Wotan dünkt mir eine treffliche Hypothese zu sein. Er scheint wirklich nur geschlafen zu haben im Kyffhäuser, bis die Raben ihm Morgenluft meldeten; Wotan, eine Grundeigenschaft der deutschen Seele, ein seelischer Faktor irrationaler Natur, eine Zyklone, welche den kulturellen Hochdruck abbaut und wegreißt.“45
Weiter beschreibt JUNG den „Ergreifer“ Wotan, der sich in jener Zeit in den Träumen und Handlungen der Deutschen manifestiert, als deutschen Archetypus, dessen Inkraftsetzen den „nationalsozialistischen Sturm“ entfacht hat.
JUNG schreibt:
„Man kann daher von einem Archetypus „Wotan“ sprechen, der als autonomer seelischer Faktor kollektive Wirkungen erzeugt und dadurch ein Bild seiner eigenen Natur entwirft. Wotan hat seine eigentümliche Biologie, gesondert vom Wesen des einzelnen Menschen, der nur zeitweise vom unwiderstehlichen Einfluß dieser unbewußten Bedingung erfaßt wird. In den Ruhezeiten dagegen ist einem die Existenz des Archetypus Wotan so unbewußt wie eine latente Epilepsie. Hätten jene Deutschen, die 1914 schon erwachsen waren gedacht, was sie 1935 sein würden?“46
Jener Archetypus Wotan, dessen Auftreten aus dem kollektiven Unbewußten der Deutschen JUNG hier diagnostiziert, ergreift die Männer, beflügelt die Jugend und verzückt die Frauen. Denkt man JUNGS philosophisches System immanent, so ist die deutsche Erhebung durch den Sturmgott und Wanderer Wotan so unmoralisch wie ein Vulkanausbruch - und ebenso unvermeindlich. JUNG, der in seinen teilweise durchaus skeptisch-distanzierten Beobachtungen auf jedes Besteck der wissenschaftlichen Kritik verzichtet und stattdessen genüßlich die Stabreime der altnordischen Edda zitiert, nimmt in diesem Zeitkontext die Rolle des vermeintlich unbeteiligten Betrachters ein und notiert die Individuation der deutschen Kollektiv-Seele ohne moralisierende, warnende oder gar kritische Bemerkungen.
Das ergriffene deutsche Volk und sein Führer, die Ich-schwache Masse unter der Leitung eines ehemaligen Postkartenmalers muß den Weg seiner Selbstfindung beschreiten - mit allen unabsehbaren Konsequenzen. Bei aller vorgeschobenen Skepsis erliegt JUNG zweifellos dem Gegenstand seiner Faszination, zu verführerisch ist die Anwendung seiner eigenen Individuationslehre auf gesellschaftliche Prozesse, konkret auf das faschistische Deutschland.
HITLER und seine Bewegung ist - wie JUNG an anderer Stelle ausführt47 - der Schatten, sämtliche verdrängten Anteile der Kultur und Zivilisation finden ihren Niederschlag in der völkischen Ideologie und Rassenlehre. HITLERS Nazi-Bewegung verköpert weiterhin die dunkle, verfemte, tief in die germanische Kultur eingegrabene Schattenseite der vermeintlich aufgeklärten Zivilisation, auf die Juden werden sämtliche verdrängten Anteile projiziiert. So nehmen diese Rolle des „Sündenbocks“ ein, welcher zur Schlachtbank geführt wird. Im „Wotan“ wendet sich JUNG explizit gegen eine nur empörte, ablehnende und dem Unheil entgegenwirkende Sicht.
Mit der Gutmütigkeit eines optimistischen Therapeuten, der voller Einfühlungsvermögen für mehr Mitleid mit dem Patienten bittet, schreibt JUNG:
„Wir Außenstehende beurteilen den gegenwärtigen Deutschen viel zu sehr als verantwortlich zu machenden Handelnden; es wäre vielleicht richtiger, ihn zumindest auch als Erleidenden zu betrachten.“48
Der „gegenwärtige Deutsche“ als Teil eines leidenden Kollektivs, der deutsche Archetypus Wotan ergreift die wehrlosen deutschen Seelen und lenkt sie auf ihrem Weg der mühevollen Individuation... - 1938 empfiehlt JUNG zur Verhinderung eines deutsch-britischen Krieges und zur Rettung der westlichen parlamentarischen Demokratie (sic!) einen Angriff auf die „gottlose“ Sowjetunion.49 Der Weg des Kriegsgottes Wotan führte für JUNG Richtung Stalingrad.
Und für JUNG selbst wiederum war die Mitarbeit in den gleichgeschalteten Institutionen in NS-Deutschland und die Anwendung seiner Individuationslehre auf die deutsche Gegenwart bloß ein „Ausrutscher“ auf dem glatten Parkett der Weltpolitik. Für gläubige Anhänger der autoritären Archetypenlehre erübrigt sich zudem angesichts der Unvermeidlichkeit der Individuationsprozesse jede moralische Haltung zum Gegenstand ihrer Analyse. Die Toten von Krieg und industrieller Vernichtung werden zu Opfern einer unumkehrbaren Entwicklung.
6. Zusammenfassung, Schlußfolgerungen und Kritik
„ ... Die Verachtung des >seelenlosen Rationalismus< wirkt nur darum negativ, weil sie noch Volldampf voraus gegen den Rationalismus bedeutet, w ä hrend l ä ngst der Augenblick gekommen ist, aus allem Kr ä ften Gegendampf zu geben. Jung denkt und spricht zur Verherrlichung des Nazitums und seiner >Neurose<. Er ist ein Beispiel f ü r die notgedrungene Anpassung der Gesinnung an die Zeit - auf hohem Niveau [...] “
Thomas MANN, 16. März 193550
Diese Arbeit hat sich mit einem Teilaspekt aus C.G. JUNGS Biographie und Werk beschäftigt - mit seinem Verhältnis zum deutschen Faschismus. Dies hat zur Konsequenz, daß andere Aspekte seines Lebens und seines Schaffens ausgeblendet wurden und daß die vorhandenen Brüche, Widersprüche, Positionswechsel und Korrekturen nicht hinreichend berücksichtigt werden konnten. 1939 beispielsweise tritt C.G. JUNG von seiner Position als Herausgeber des „Zentralblatts für Psychotherapie“ zürück, 1940 verläßt er die „Internationale Allgemeine Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie“, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erscheinen seine Distanzierungsschriften „Nach der Katastrophe“ (1945) und „Der Kampf mit dem Schatten“ (1946).51 Eine vollständige Analyse wäre Thema einer kompletten Monographie gewesen, nicht aber einer Seminararbeit, die sich auf ein Teilgebiet konzentriert.
Und dennoch läßt sich festhalten, daß C.G. JUNG - bei aller vorgetäuschten Distanz! - mit dem deutschen Faschismus kollaboriert hat und zwar in mehrfacher Hinsicht:
- Erstens durch die aktive Mitarbeit in den oben genannten psychologischen Institutionen des NS-Staats, der Herausgabe des „Zentralblatts für Psychotherapie und ihre Grenzgebiete“ und durch den Vorsitz der „Internationalen Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie“, deren deutscher Sektion der hochrangige NS-Aktivist Mathias GÖRING vorstand.
- Zweitens durch seine vielfältigen Aktivitäten gegen die Psychoanalyse Sigmund FREUDS, beispielsweise durch die briefliche Korrespondenz mit seinem Schüler W.M. KRANEFELDT, in der er die mögliche Denunziation der Psychoanalyse als „jüdisch“ erwog oder durch sein Rundfunk-Interview mit den Psychotherapeuten A.Weizsäcker unmittelbar nach der Bücherverbrennung.
- Drittens differenzierte JUNG zwischen einem „arischen“ und einem „jüdischen“ Unbewußten und dies obwohl seit Beginn des NS-Staats absehbar war, daß eine Regierung, die eine archaische Rassenlehre propagiert, eine rassistische Praxis folgen läßt. An dieser Stelle sei kurz der Schweizer Ethnopsychoanalytiker Mario ERDHEIM52 zitiert, der sich in einem Interview mit der psychologischen Publikumszeitschrift Psychologie heute53 über den Zusammenhang C.G. JUNG, Faschismus und Esoterik54 wie folgt äußerte:
„Am Beispiel von C.G. Jung wird deutlich, wie das Esoterische ins Faschistoide hineinführt. Wenn man die Jungsche Archetypenlehre genauer ansieht, kommt der Rassismus deutlich zum Vorschein. Jung ging davon aus, daß sich aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse eine ganz bestimmte Kultur, die von eben diesen Archetypen gelenkt wird, entwickelt. Das Modell des kollektiven Unbewußten ist nichts anderes als Rassismus.“55
Und über C.G. JUNGS Archetypenlehre und die Mentalität seiner gegenwärtigen „esoterischen“ Anhängerschaft urteilt ERDHEIM:
„Es liegt zumindest eine Art Immunschwäche gegenüber dem Faschismus vor. Die Vorstellung des Archetypus macht einen hilflos gegenüber faschistoiden Entwicklungen, das ist das eine, und das andere - sie ist auch Ausdruck faschistoider Entwicklung, weil sie ein elitäres Denken enthält, das letztlich zu einer Theorie der Apartheid, zur Rassentrennung führt. Und dann landen Sie sehr schnell bei neofaschistischen Konstrukten. [...] Aber sicher ist, Auschwitz, genau wie Hiroshima, können mit dem Theorem des kollektiven Unbewußten, das jede Form gesellschaftlicher Entwicklung als Teil eines kosmischen Geschehens sieht, nicht verstanden werden.“56
- Viertens sah JUNG in der deutschen faschistischen Bewegung die ideale Voraussetzung zur Überprüfung seiner Individuationslehre. Jene unruhig durch die Lande schweifenden Völkerscharen, die JUNG vor seinem geistigen Auge beschwor, schienen für den von mythischen Gestalten faszinierten JUNG ein geradezu evidenter Beweis für die Stichhaltigkeit seiner Lehre von den Archetypen des kollektiven Unbewußten zu sein. Der Wotan ist, wenn man denn so will, JUNGS Beitrag zur Analyse der Massenpsychologie des Faschismus. Dieser Punkt scheint neben seiner in antisemitischen Stereotypen verhafteten Denkweise der Hauptgrund für sein langjähriges Näheverhältnis zum NS-Staat zu sein. JUNG verkörpert in diesem Kontext die Figur des Forschers, der die Schutzdistanz verliert und dem Gegenstand seiner Faszination schließlich erliegt.
Da JUNG jedoch kein so flammender und fanatischer Nationalsozialist wie etwa Houston Stewart CHAMBERLAIN war, blieb ihm, dem bekannten Psychologen, ein nicht geringes Maß an internationaler Reputation erhalten, welches er jedoch nie zum deutlichen öffentlichen Protest gegenüber dem NS-Regime nutzte. Vielmehr verklärte er mit seinen deutenden Ausführungen den deutschen Faschismus zum Ausbruch ehrfurchtgebietender archetypischer Brausegötter.
JUNGS naiver Glaube an die Zielgerichtetheit der blinden Natur ist weiterhin strukturbildend für eine ganze Schar moderner Autorinnen und Autoren des „Neuen Denkens“, welche mit dem angekündigten Beginn des „Wassermannzeitalters“ einen Zeitwechsel postulieren und einen Paradigmenwechsel in der modernen Wissenschaft fordern.57 Es ist eben jene Archetypenlehre C.G. JUNGS, welche die Autonomie des Individuums der Unterwerfung unter transpersonale Gewalten opfert. Und es sind eben jene als nüchterne Diagnosen ausgegebenen elitären Betrachtungen eines vermeintlich „Unpolitischen“, dessen romantisch verblendetes Bewußtsein schon früh dem Okkultismus zuneigte, welche die Zwangsläufigkeit der faschistischen Entwicklung betonen.
„Okkultismus ist die Metaphysik der dummen Kerle“ polemisierte Theodor W. ADORNO einst in seinen „Thesen gegen den Okkultismus“58 wider die Ideen des Irrationalismus. Und gerade JUNGS Unterordnung des erkennenden Individuums unter die archetypischen Naturgewalten fördert die Gewöhnung an übergeordnete Zwangsläufigkeiten, schafft bei Menschen autoritäre Dispositionen, welche im Falle persönlicher und gesellschaftlicher Krisen zugunsten einer anti-emanzipatorischen Lösung aktiviert werden k ö nnen. JUNG, der „konservative Revolutionär der Psychoanalyse“59 (Heinz GESS) und seine zahlreiche Anhängerschaft setzen der Erkennbarkeit der Welt als Voraussetzung für gesellschaftliches Handeln die Macht des Unbewußten entgegen. JUNG meinte
„...daß das Unbewußte zu Zeiten fähig ist, eine Intelligenz und Zweckgerichtetheit zu manifestieren, welche der zur Zeit möglichen bewußten Einsicht überlegen sind.“60
Damit ist freilich mehr gemeint als daß das „Ich nicht Herr im eigenen Haus“ (Sigmund FREUD) sei. JUNGS Ziel ist die geordnete Selbstaufgabe des Individuums, welches sich im Individuationsprozeß dem vorbestimmten Inhalt des Archetypus hingeben muß. Eine an den Zielen menschlicher Emanzipation orientierte politische Psychologie, welche unbewußte Inhalte bewußt machen will, um so die Irrationalität der Subjekte und die antagonistischen gesellschaftlichen Widersprüche zu überwinden61, kann C.G. JUNG nicht zu ihren Vorläufern zählen, sondern muß ihn in die Reihe der Denker der Gegen-Aufklärung einordnen.
Unter der Kapitelüberschrift mit dem Titel „Zeitgemäße Mythologen, Rückwärtsgewandte Fortschrittsüberwinder, Geometer im irrationalen Raum“ schreibt der Kunsthistoriker und Schriftsteller Joachim SCHUMACHER über JUNG, den okkulten Baumeister im Haus der Unbewußten:
„Jung dagegen baut nicht auf den Grund ab, sondern stockt den Keller mit lauter Grundmaterial auf. Alle Fenster nach außen, besonders in die soziale Wirklichkeit, werden sorgfältig verhängt, künstliches Dämmerlicht wird eingeschaltet. Und nun erscheinen die Poltergeister und Vergangenheitsseelen, sprechen als >Urbilder wie mit tausend Stimmen<“62
SCHUMACHER, ein Denker der Arbeiterbewegung, referiert über die Wiederkehr der Talismane, Zauberer, Scharlatane und promovierten Medizinmänner und schreibt:
„Aber der Medizinmann ist ein Professor der Psychiatrie. Seine Kraft und Lehre ist nicht, was seines Amtes wäre, Dämonen auszutreiben; nein, er selbst bringt noch sieben ärgere Teufel mit. Ihn interessiert überhaupt nicht so sehr die Heilung als die Krankheit. Jungs sonst wohlbestallte Patienten leiden nicht an einem spezifischen Mangel oder Teufel, sagen wir an unglücklicher Liebe oder an Arbeitslosigkeit, sondern an nicht genug Teufeln; denn sie sind, sagt Jung, nicht unbewußt, nicht >archaisch<, nicht primitiv und >tief< genug. Er vermittelt ihnen dann den durch fünftausend Jahre Zivilisation verlorengegangenen Anschluß an die alten Mächte und Mythen des >Kollektiv-Unbewußten<“63
Der Psychiater als Medizinmann, der seine ihm anvertrauten Schützlinge mit archaischen Zauberformeln kuriert und mit ihnen den Anschluß an die dunklen Mächte des >KollektivUnbewußten< vermitteln will - selten hat ein Autor die JUNGSCHE Lehre von den Archetypen des kollektiven Unbewußten prägnanter persifliert und damit kritisiert.
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[...]
1 Vgl. hierzu beispielhaft K. BARNABY und P. D´ACIERNO[Hrsg.]: C.G. Jung and the Humanities - Towards a Hermeneutics of Culture, Princeton 1990
2 Vgl. hierzu Franz ALT: Das C.G. Jung Lesebuch, Frankfurt a.M., Berlin 1986; Rudolf BAHRO: Die Logik der Rettung. Wer kann die Apokalypse aufhalten? Stuttgart, Wien 1989; Eugen DREWERMANN: Der Krieg und das Christentum, Stuttgart 1991
3 Vgl. dazu als aktuelles Beispiel: Heinz GESS: Vom Faschismus zum Neuen Denken. C.G. Jungs Theorie im Wandel der Zeit, Lüneburg 1994.
4 Vgl. hierzu Hans-Martin Lohmann (Hrsg.): Psychoanalyse und Nationalsozialismus. Beiträge zur Bearbeitung eines unbewältigten Traumas. Frankfurt a.M. 1994. Diese Neuauflage des 1984 erstmals erschienenen Bandes enthält die Beiträge der damals aufsehenerregenden und kontrovers geführten Debatte.
5 Beide Texte wurden veröffentlicht in: C.G. JUNG: Gesammelte Werke Band 10 (Zivilisation im Übergang), Olten und Freiburg im Breisgau 1974
6 Angaben zur Person vgl. Gerhard WEHR: C.G. Jung mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbeck bei Hamburg 1995 (1969)
7 Vgl. dazu W. McGUIRE/W. SAUERLÄNDER[Hrsg.]: Sigmund Freud/C.G. Jung Briefwechsel, gekürzte Ausgabe, Frankfurt a.M. 1984, S.44; hier zitiert nach Micha BRUMLIK: C.G. Jung zur Einführung, Hamburg 1993, S. 31
8 Vgl. Aniela JAFFÉ: C.G. Jung: Eine Biographie. Bild und Wort. Olten und Freiburg im Breisgau, Sonderausgabe 1983 (1977)
9 Vgl. hierzu Micha BRUMLIK, a.a.O.
10 Diese 1912 zuerst veröfftentlichte Arbeit erschien in einer Neubearbeitung in: C.G. JUNG: Gesammelte Werke Band 5 (Symbole der Wandlung), Olten und Freiburg im Breisgau 1973
11 Vgl. Micha BRUMLIK, a.a.O., S.13
12 Vgl. C.G. JUNG: Das Grundproblem der gegenwärtigen Psychologie (1931), in ders.: Gesammelte Werke 8 (Die Dynamik des Unbewußten) 1967, Olten und Freiburg im Breisgau, S. 383
13 ebd., S. 383
14 Vgl. C.G. JUNG: Instinkt und Unbewußtes (1928), in ders.: G.W. 8, a.a.O., S. 159
15 Vgl. C.G. JUNG: Das Gewissen in psychologischer Sicht (1958), in ders.: G.W. 10, a.a.O., S. 488
16 Vgl. Ernst BLOCH: Das Prinzip Hoffnung, Band 1, Frankfurt a.M. 1973, S.61
17 Vgl. Ernst BLOCH, a.a.O., S.70
18 Vgl. dazu Marie-Louise von FRANZ: C.G. Jung. Sein Mythos in unserer Zeit, Zürich/Düsseldorf 1996, S. 64f.
19 ebd.
20 Eine ausführlichere Darstellung der Ereignisse im Sinne der JUNG-Anhänger findet sich in C.A. BENNET: C.G. Jung. Einblicke in Leben und Werk, Zürich 1963.
21 Gerhard WEHR, a.a.O., S.113 ff.
22 ebd., S.114
23 ebd.
24 T. EVERS teilt in seinem Werk „Mythos und Emanzipation. Eine kritische Annäherung an C.G. JUNG“, Hamburg 1987 mit, JUNG habe 1947 in einem Gespräch gesagt, er sei 1933 „ausgerutscht“. Vgl. dazu auch Heinz GESS, a.a.O., S.24
25 Vgl. dazu A. JAFFÉ: C.G. Jung und der Nationalsozialismus (1968), wiederveröffentlicht in: dies.:Parapsychologie, Individuation, Nationalsozialismus. Themen bei C.G. Jung. Zürich 1985; hier zitiert nach Gerhard WEHR, a.a.O., S.116
26 Vgl. Regine LOCKOT: Erinnern und Durcharbeiten - Zur Geschichte der Psychoanalyse und Psychotherapie im Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 1985, S. 99
27 Vgl. Elisabeth BRAININ und Isidor J. KAMINER: „Psychoanalyse und Nationalsozialismus“ (1982), veröffentl. in: Hans-Martin LOHMANN[Hrsg.], a.a.O., S.87
28 Vgl. hierzu T. EVERS, a.a.O. S. 242
29 Vgl. C.G. JUNG: Zeitgenössisches. Erwiderung auf einen Zeitungsartikel Ballys „Deutschstämmige Psychotherapie“, zuerst erschienen in „Neue Zürcher Zeitung (NZZ), Nr. 437 und 443, 13. und 14. März 1934, wiederveröffentlicht in G.W. 10, Zitat auf Seite 588. In diesem Text liefert JUNG die Gründe für seine Mitarbeit in den gleichgeschalteten Institutionen und distanziert sich von offener nazistischer Propaganda.
30 Vgl. Zentralblatt für Psychotherapie, Ausgabe 6, 1933; hier zitiert nach Ludger M. HERMANNS: John F. Rittmeister und C.G. Jung (1982), veröffentl. in: Hans-Martin Lohmann [Hrsg.], a.a.O., S.142
31 Vgl. dazu Hans-Martin LOHMANN und Lutz ROSENKÖTTER: Psychoanalyse in Hitlerdeutschland. Wie war es wirklich? (1982), in: Hans-Martin LOHMANN [Hrsg.], a.a.O., S. 66
32 LOHMANN/ROSENKÖTTER schreiben 1982 als Fazit ihrer Beschäftigung mit der Geschichte der Psychoanalyse zwischen 1933 und 1945: „...haben sich nicht die Psychoanalytiker, die dem Arisierungsgebot Folge leisteten, über eine Schwelle treiben lassen, jenseits derer alle Voraussetzungen für die Psychoanalyse entfallen? Gewiß ist allen Beteiligten zu konzedieren, daß sie das Ausmaß der dem Nationalsozialismus innewohnenden Vernichtungswut in den frühen dreißiger Jahren nicht voraussehen konnten. Dennoch wäre die Chronik der Jahre zwischen 1933 und 1945 viel leichter zu schreiben, wenn wir davon berichten könnten, daß die „arischen“ Analytiker von einem bestimmten Punkt der Entwicklung an eindeutig „nein“ gesagt hätten.“, zit. nach Hans-Martin LOHMANN[Hrsg.], a.a.O.,S.75
33 Vgl. C.G. JUNG: Zur gegenwärtigen Lage der Psychotherapie (1934), in ders.: G.W. Bd. 10, a.a.O., S. 190f. 20
34 Dieser Aufsatz erschien zuerst in: Neue Schweizer Rundschau, Neue Folge III/11, Zürich 1936, S. 657-669, dann in: C.G. JUNG: Aufsätze zur Zeitgeschichte, Zürich 1946. Diese Hausarbeit bezieht sich auf die in den Gesammelten Werken Bd. 10 veröffentlichte Fassung.
35 Das NOSTRADAMUS-Zitat wurde dem JUNG-Text (S.203) entnommen. Sofern nicht ausdrücklich anders angegeben beziehen sich sämtliche Zitate auf die in den Gesammelten Werken Band 10 „Zivilisation im Übergang“ (Olten und Freiburg im Breisgau, 1974) abgedruckte Fassung des „Wotan“.
36 C.G. JUNG: Wotan, in: G.W. 10, a.a.O., S.203
37 ebd., S.204
38 ebd.
39 ebd., S.205
40 ebd., S.211
41 ebd., S.211
42 ebd., S.206
43 ebd., S.209
44 ebd.
45 ebd., S.210
46 ebd., S.212
47 C.G. JUNG: Der Kampf mit dem Schatten (1946), in ders.: G.W.10, a.a.O.
48 Vgl. C.G. JUNG: Wotan, a.a.O., S.217
49 Vgl. Micha BRUMLIK, a.a.O., S.165
50 Vgl.Thomas MANN: Tagebücher 1935-1936, herausgegeben von Peter de MENDELSOHN, Frankfurt a.M. 1978
51 An dieser Stelle kann keine Analyse der beiden bereits erwähnten Texte erfolgen. Der Bielefelder JUNG- Kritiker Heinz GESS hat JUNGS Distanzierungsschriften jedoch genauer analysiert und kommt in der nüchternen Diktion des belesenen Aufklärers zu dem Schluß, daß JUNG an seiner Individuationslehre festhält, in HITLER jedoch die falsche Leitfigur sieht. Vgl. dazu Heinz GESS, a.a.O., S.49-110
52 Vgl. als Standardwerk Mario ERDHEIM: Die kollektive Produktion von Unbewußtem, Frankfurt a.M. 1982
53 Vgl. „Esoterik macht selbstgerecht“, Gespräch mit dem Zürcher Psychoanalytiker und Ethnologen Mario ERDHEIM über die Gemeinsamkeiten von Esoterik und Faschismus, in: Psychologie heute, Juli 1997, S. 39f.
54 ebd., S. 40
55 ebd.
56 ebd.
57 Vgl. dazu Fritjof CAPRA: Wendezeit. Bausteine für ein neues Weltbild, München 1988; Marilyn FERGUSON: Die sanfte Verschwörung. Persönliche und Gesellschaftliche Transformation im Zeitalter des Wassermanns, Basel 1982. Zur Kritik an der New-Age- und Esoterik-Welle siehe Peter KRATZ: Die Götter des New Age. Im Schnittpunkt vom >Neuen Denken<, Faschismus und Romantik, Berlin 1994
58 Vgl. Theodor W. ADORNO, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben (1951), in ders: Gesammelte Schriften Band 4, Frankfurt a.M. 1980
59 Heinz GESS, a.a.O., S.163
60 C.G. JUNG: Psychologie und Religion (1937) in ders.: Gesammelte Werke Band 11, Zürich/Stuttgart 1968, hier zitiert nach Erich FROMM: Märchen, Mythen, Träume. Eine Einführung in eine vergessene Sprache. Stuttgart 1957
61 Vgl. Klaus HORN: Politische Psychologie. Erkenntnisinteresse, Themen, Materialien, in ders.: Politische Psychologie, herausgegeben von H.-J. BUSCH, Frankfurt a.M. 1989
62 Vgl. dazu Joachim SCHUMACHER: Die Angst vor dem Chaos. Über die falsche Apokalypse des Bürgertums (1937), Frankfurt a.M. 1972; hier zitiert nach Hans-Martin LOHMANN[Hrsg.],a.a.O., S.144
63 ebd.
- Quote paper
- Richard Gebhardt (Author), 1997, C.G. Jung und der deutsche Faschismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107014
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