Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Föderalismus
2.1. Föderalismus in den Vereinigten Staaten von Amerika
2.1.1 Entstehung des amerikanischen Föderalismus
2.1.2 Das amerikanische Föderalismusmodell
2.1.3 Der Senat - das föderative Organ des amerikanischen Bundesstaates
2.2 Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland
2.2.1 Entstehung des deutschen Föderalismus
2.2.2 Das deutsche Föderalismusmodell
2.2.3 Der Bundesrat - das föderative Organ des deutschen Bundesstaates
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
Föderalismus
Das deutsche und amerikanische Modell im Vergleich
1. Einleitung
Ideengeber für den Vergleich des amerikanischen Senatsmodells mit dem deutschen Bundesratsmodell waren die im Frühjahr stärker in den Vordergrund der Medien gedrängten Debatten um die Finalität der Europäischen Union. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Premierminister Lionel Jospin nehmen in dieser Frage eine stark gegensätzliche Position ein.
Als SPD-Parteichef stellte Gerhard Schröder im Leitantrag der SPD vom 30. April 2001 die sozialdemokratischen Vorstellungen Deutschlands dar, nach denen die Europäische Union durch Stärkung des europäischen Parlaments und Umwandlung des Ministerrats in eine Staatenkammer nach deutschem Bundesratsmodell in ein Zwei-Kammer-System münden soll. Mit einer gleichzeitigen Stärkung der europäischen Exekutive müssten die Kompetenzen innerhalb der EU neu geregelt werden.
Die Antwort des französischen Premierministers Lionel Jospin am 28. Mai 2001 hebt sich grundsätzlich von der deutschen Vorstellung ab. Für Frankreich kann die EU nur eine „Föderation der Nationalstaaten“ bleiben und erteilte dem Vorschlag Schröders mit den Worten „In diesem neuen Gefüge erhielten die derzeitigen Staaten den Status eines deutschen Bundeslandes oder eines amerikanischen Bundesstaates. Frankreich kann [...] weder einen solchen Status noch eine solche Konzeption akzeptieren.“ eine klare Absage.
Diese Untersuchung soll den Status der deutschen Bundesländer im Bundesratsmodell und die Stellung der amerikanischen Bundesstaaten im Senatsmodell aufzeigen, d. h. welche Rolle die Gliedstaaten in den beiden sehr unterschiedlichen Konzeptionen spielen und wie die einzelnen Länderinteressen auf Bundesebene wahrgenommen werden können.
Anhand eines kurzen historischen Abrisses über die Ursprünge und spätere Entwicklung des Föderalismus in den USA und der BRD soll ein Einblick in die so unterschiedliche Ausgestaltung des bündischen Prinzips der beiden Staaten gewährt werden. Denn „Föderalismus besitzt zu jeder Zeit für jedes politische System eine historische Individualität, die in den Verfassungen von Bund und Gliedstaaten ihren Niederschlag findet.“1
Die Frage nach der Möglichkeit zur Einflussnahme der Gliedstaaten über ihre föderativen Verfassungsorgane Senat und Bundesrat auf die Bundespolitik steht in dieser Untersuchung im Vordergrund und wird einerseits angesichts der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und andererseits anhand der differenten Wahlmodalitäten beleuchtet.
2. Föderalismus
Abgeleitet vom lateinischen Wort „foedus“ = Bündnis, Vertrag bringt der Begriff Föderalismus das bündische Prinzip als Struktur- und Organisationsmaxime zum Ausdruck, das beide in dieser Arbeit zu vergleichenden Staaten schon in ihrem „Namen“ demonstrieren: United States of America und Bundesrepublik Deutschland.2
Sowohl das amerikanische als auch das deutsche politische System basieren auf einer jahrhundertealten föderativen Tradition, die ursprünglich als Staatenbündnisse, einer im Vergleich zum Bundesstaat politisch lockereren Erscheinungsform des Föderalismus, konzipiert waren, letztendlich aus unterschiedlichen Gründen daran scheiterten und in der Gründung von Bundesstaaten das „Heilmittel“ fanden.
Der Staatenbund ist ein völkerrechtlich - vor allem außen- und sicherheitspolitisch - begründeter Zusammenschluß souveräner Staaten (auch: Konföderation), die bei einer Vereinigung ihre volle innere und äußere Souveränität behalten.3
Das Bundesstaatsprinzip, nach dem sich mehrere selbständige und mit eigenständigen Kompetenzen ausgestattete Gliedstaaten zu einem übergeordneten Gesamtstaat zusammenschließen4, stellt in beiden Verfassungen ein unabänderliches Grundprinzip dar und erhält damit eine herausragende Stellung.
Entsprechend Art. IV Abs. 3 der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika ist die Vereinigung oder das Teilen von Bundesstaaten nur mit Zustimmung der staatlichen Parlamente und des Kongresses möglich, die dadurch vor einem Eingriff der bundesstaatlichen Ebene geschützt sind.
Das deutsche Pendant der „Bestandsgarantie“ der Gliedstaaten ist in Art. 79 Abs. 3 des deutschen Grundgesetzes festgelegt worden, nachdem eine Verfassungsänderung hinsichtlich der Gliederung des Bundes in Länder nicht zulässig ist. Die Neugliederung des Bundesgebietes ist lt. Art. 29 Abs. 2 per Volksentscheid der betroffenen Länder zu entscheiden.
2.1 Föderalismus in den Vereinigten Staaten von Amerika
2.1.1 Entstehung des amerikanischen Föderalismus
Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg von 1775 bis 1783 zwischen den dreizehn britischen Kolonien und dem Mutterland Großbritanien fand in der Gründung eines unabhängigen Staates von Amerika als Staatenbund sein vorläufiges Ende, der mit einer neuen Verfassung von 1787 in einen Bundesstaat umgewandelt wurde.
Der Protest gegen die britische Steuergesetzgebung nach dem siebenjährigen Krieg (1754 - 1763) zum Ausgleich der dadurch entstandenen Staatsschulden und die vom britischen Parlament 1774 erlassenen Zwangsakte als Vergeltung für die „Boston Tea Party“ im Dezember 1773 einte die unabhängigen Kolonien in ihrem Widerstand gegen die britische Regierung und veranlasste sie zu einem gemeinsamen Handeln. Mit der Einberufung des ersten Kontinentalkongresses im September 1774 in Philadelphia begehrten die Kolonien durch die Einstellung des Handels mit ihrem Mutterland gegen die Vormachtstellung der Britischen Krone auf und legten damit den ersten Grundstein für die spätere Gründung eines Staatenbündnisses. Nach ersten bewaffneten Zusammenstößen trat im Mai 1775 der zweite Kontinentalkongress als „zentrale Regierung der Vereinten Kolonien von Amerika“5 zusammen, begründete eine Kontinentalarmee unter Leitung von George Washington und beriet erstmals über eine Erklärung ihrer Unabhängigkeit von Großbritanien. Das 1776 von Thomas Paine veröffentlichte Dokument „Common Sense“ sensibilisierte die gesamte Bevölkerung für den Kampf der Unabhängigkeit. Am 4. Juli 1776 verabschiedete der Kontinentalkongress die von Thomas Jefferson entworfene Unabhängigkeitserklärung und stimmte im November 1777 den „Articles of Confederation“, durch die aus den unabhängigen Kolonien ein fester Bund von weiterhin souveränen Einzelstaaten werden sollte, zu und wurde im März 1781 durch die Ratifikation des letzten Staates gültig. Die Unabhängigkeit des Staatenbundes wurde schließlich 1783 im Frieden von Versailles von Großbritanien anerkannt.6
Der begründete Staatenbund geriet nach Beendigung des Krieges in eine Krise großer nationaler Probleme, die der Kongress nicht lösen konnte, weil wichtige Bereiche, wie z. B. die Festlegung von Maßnahmen zur Regulierung des Handels zwischen den Einzelstaaten und mit dem Ausland, in den „Articles of Confederation“ nicht zu seinen gesetzlichen Kompetenzen gehörten und dahingehend vorgeschlagene Verfassungsänderungen die Einstimmigkeitshürde nicht übersprangen. Im Mai 1787 trat der Konvent von Philadelphia unter Zustimmung des Konföderationskongresses und der Einzelstaatsparlamente zusammen, um über eine Reform der Verfassung zu beraten. Dabei heraus kam eine völlig neue Verfassung, die den Einzelstaaten einen erheblichen Teil ihrer Souveränität abverlangte, ihnen aber über den neu institutionalisierten Senat, erheblichen Einfluss auf die Gesetzgebung zugestand.
Mit den „Federalist Papers“, 85 Zeitungsartikel, aus der Feder von Alexander Hamilton, James Madison und John Jay wurde der amerikanischen Bevölkerung die Schwächen eines Staatenbündnisses und gleichzeitig die Grundsätze einer föderalen Bundesrepublik mit ihren Zentralorganen vor Augen geführt. Die neuartige Verfassung mit einer stärkeren und handlungsfähigeren Bundesregierung trat am 4. März 1789 unter Hinzufügung eines Grundrechtskataloges, den „Bill of Rights“ in Kraft.7
2.1.2 Das amerikanische Föderalismusmodell
Das politische System der Vereinigten Staaten von Amerika steht Modell für einen interstaatlichen Föderalismus, in dem die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen nach Politikfeldern verteilt werden. Weil in diesem Fall sowohl die Gesetzgebung als auch deren Umsetzung bzw. Verwaltung für bestimmte Politikbereiche entweder in den Kompetenzbereich der Einzelstaaten oder des Bundes fallen, werden beide Ebenen voneinander abgekoppelt. Man spricht deshalb auch vom amerikanischen Trennföderalismus.8
Der historisch verwurzelten starken Souveränität der Einzelstaaten wurde mit dieser Aufteilung der Kompetenzen Rechnung getragen, was sich auch im Amendment X der amerikanischen Verfassung widerspiegelt. So fallen alle nicht in Art. I Abs. 8 klar aufgeführten Kompetenzen des Kongresses als bundesstaatliches Gesetzgebungsorgan in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Bundesstaaten.
Aber auch das Verständnis vom „Föderalismus als dynamisches System“9 ist am politischen System der Vereinigten Staaten von Amerika nicht spurlos vorübergegangen, so dass der Zuständigkeitsbereich des Bundes besonders seit der Rechtsprechung des Sopreme Court ab 1930 immer mehr erweitert wurde. Der bundesstaatlichen Ebene ist der Eingriff in den einzelstaatlichen Kompetenzbereich im besonderen durch die Auslegung folgender Generalklauseln in der amerikanischen Verfassung möglich: „general welfare clause“, „commerce clause“ und “supremacy clause“. Gemäß der „general welfare clause“ kann der Bund zum Zweck der allgemeinen Wohlfahrt Steuern und Ausgaben durchsetzen und entsprechend der „commerce clause“ auch wirtschaftliche und soziale Bereiche regeln. Darüber hinaus wird dem Bundesrecht gegenüber dem Einzelstaatsrecht über die „supremacy clause“ der Vorrang gegeben, wenn diese miteinander kollidieren.10
2.1.3 Der Senat - Das föderative Organ des amerikanischen Bundesstaates
Der amerikanische Kongress als legislatives Verfassungsorgan setzt sich aus den zwei Kammern Senat und Repräsentantenhaus zusammen, die gleichberechtigt an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt sind.
Die Abgeordneten des Repräsentantenhauses, der ersten Kammer des Kongresses, werden alle zwei Jahre direkt von der Bürgern des jeweiligen Wahlkreises gewählt und repräsentieren es als Gesamtvolk. Durch das hier verwirklichte Prinzip der Gleichheit der Bürger kommt die demokratische Komponente der Doppelrepräsentation des Volkes als „Bundesvolk“ im Föderalismus zum Ausdruck.11
Der Senat, die zweite Kammer des Kongresses, setzt sich unabhängig von der Bevölkerungsgröße aus je zwei Senatoren eines jeden Bundesstaates zusammen, die für eine sechsjährige Amtsperiode ebenfalls direkt vom Volk gewählt werden. Dem Prinzip der Gleichheit der Staaten und dem föderalen Element der Doppelrepräsentation des Volkes als „Gliedvolk“ soll somit entsprochen werden.12
Bis 1913, vor der dem Inkrafttreten des Amendment XVII, wurden die Senatoren von den Bundesstaatsparlamenten in das „Staatshaus“ gewählt, die durch eine Bindung an allgemeine Weisungen die Wahrnehmung der Einzelstaatsinteressen auf Bundesebene gewährleisten sollten. Durch die Direktwahl der Bevölkerung erhält das Senatorenamt mehr demokratische Legitimation, was die Wahlkreisklientel neben dem eigenen Gewissen und der individuellen Überzeugung zu einem ausschlaggebenden Faktor für die Politik der Senatoren werden lässt.13 Daraus folgt aber auch, dass „bei dem Senatsprinzip [...] von einer Vertretung spezifisch gliedstaatlicher Interessen nur bedingt die Rede sein [kann]“14, weil die Exekutiven der Einzelstaaten auf Bundesebene seither nicht repräsentiert sind und keinen direkten Einfluss auf die Gesetzgebung des Bundes nehmen können.
Geht einerseits durch die direkte Legitimation der Volksvertretungen im Repräsentantenhaus und Senat und andererseits durch die fehlenden direkten Artikulationsmöglichkeiten der Bundesstaatsparlamente im Senat als „Staatshaus“ die ursprüngliche Konzeption des amerikanischen Zweikammersystems verloren? Denn worin unterscheiden sich die beiden Kammern eigentlich noch außer in der Anzahl ihrer Abgeordneten bzw. Senatoren? Und wie werden die Einzelstaatsinteressen wenn nicht über Ländervertreter auf der Bundesebene wirksam durchgesetzt?
2.2. Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland
2.2.1 Entstehung des deutschen Föderalismus
Die Organisation der deutschen Länder nach dem bündischen Prinzip ist durch eine sehr alte und gleichzeitig instabile Tradition gekennzeichnet, die mit dem Rheinbund und dem Deutschen Bund begann, während des ersten Weltkrieges erodierte, mit dem Nationalsozialismus völlig verfiel und nach dem Zweiten Weltkrieg neu strukturiert wurde.
Nach dem Zerfall des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1806, das durch eine enorme Kleinstaaterei mit am Ende ca. 300 souveränen Einzelstaaten geprägt war und aufgrund der Etablierung eines Gesandtenkongresses der Reichsstände mit Gesetzgebungskompetenz unter einem schwachen Kaiser bereits als eine Art monarchisches Föderativreich bezeichnet werden kann, wurde diese Tradition unter Führung des französischen Kaisers Napoleon I mit dem Rheinbund weitergeführt. Hierin schlossen sich 39 deutsche Staaten im Juli 1806 zu einem losen Staatenbund zusammen. Das in der Rheinbundakte, dem Gründungsvertrag und der Verfassung des Rheinbundes, formulierte Ziel der Wahrnehmung gemeinsamer Interessen über die dafür geschaffene zentrale Institution des Bundestages scheiterte jedoch an den starken Partikularinteressen der Einzelstaaten. Der formale Staatenbund ging mit Napoleon unter und machte den Weg frei zur Schaffung eines neuen deutschen Staatenbundes auf dem Wiener Kongress 1815. Die dort von europäischen Monarchen beschlossene Bundesakte als Verfassung des Deutschen Bundes etablierte ebenfalls ein lockeres Staatenbündnis von 37 Fürstenstaaten und 4 Freien Städten mit verbleibenden hohen Souveränitätsrechen, die sich im Bundestag berieten. Dieser Bundestag gliederte sich in Plenum und Engeren Rat, deren Gesandte nach den Weisungen der Länderregierungen handelten, eine strukturelle Besonderheit, die sich auch im heutigen Bundesrat widerspiegelt. Die bei den Einzelstaaten verbleibenden hohen Souveränitätsrechte und die damit gegebene Möglichkeit größerer Länder eigene politische Interessen zu verfolgen, verhinderten eine wirksame Entfaltung einer gemeinsamen Politik über den Bundestag. Wegen völlig unterschiedlicher Ansichtsweisen Preußens und Österreichs über den Charakter des Bundes und der aufgrund der Unfähigkeit des Bundes politische, wirtschaftliche und soziale Probleme aufzugreifen und zu lösen, hatte auch dieser Staatenbund keine lange Lebensdauer und zerbrach mit der Märzrevolution im Jahre 1848. Aus ihr ging ein Vorparlament hervor, das die Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung forderte. Von den einzelnen Länderregierungen und dem Bundestag des Deutschen Bundes anerkannt, nahm das erste gesamtdeutsche, frei gewählte und verfassungsgebende Parlament Deutschlands seine Arbeit auf, das in seinem Verfassungsentwurf aus Deutschland einen echten Bundesstaat als konstitutionelle Monarchie formen wollte und erstmals Grundrechte formulierte. An der Spitze des Staates sollte ein Kaiser stehen, der in seiner Politik aber an ein zentrales Parlament, den Reichstag gebunden war. Der Entwurf gliederte den Reichstag in ein Volkshaus als erste Kammer und ein Staatshaus als zweite Kammer, der seine Beschlüsse nur in Übereinstimmung beider Häuser durchsetzten sollten. Jeder Kammer stand damit ein absolutes Veto zu. Der Bundesstaat sollte auf einem Zweikammersystem aufgebaut werden, in dem den Einzelstaaten weiterhin beträchtliche Kompetenzen zugestanden wurden. Diese Verfassungsgebung „von unten“ scheiterte jedoch an der mangelnden Bereitschaft der größeren Einzelstaaten, einen Teil ihrer Souveränität an eine Zentralinstanz abzugeben. Die Märzrevolution, der österreich-preußische Krieg 1866, die Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 und der deutsch-französische Krieg 1870/71 schufen die wesentlichen Voraussetzungen für die Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871-1918, das als konstitutionell-monarchischer Bundesstaat bestehend aus 22 Einzelstaaten und 3 freien Städten konzipiert war. Der Reichstag mit legislatorischen Befugnissen war sowohl im Norddeutschen Bund als auch im Deutschen Kaiserreich die gewählte Volksvertretung, der durch den Bundesrat als oberstes Bundesorgan bei seiner Gesetzgebung blockiert werden konnte. Der Bundesrat war das föderalistisch-monarchische Regierungsorgan bestehend aus Vertretungen der Länderregierungen, die weisungsgebunden waren. Er war eine echte zweite Kammer, weil er ein absolutes Veto hatte. Außerdem wurde hier der Grundstein zum heutigen Verbundsystem des deutschen Föderalismus gelegt, denn die Staatsfunktionen zwischen Reich und Einzelstaaten wurden nach Funktionen verteilt, d. h. das Reich war für die Gesetzgebung zuständig und die Länder zur Verwaltung der Reichsgesetze.15
2.2.2 Das deutsche Föderalismusmodell
Das Konzept des deutschen Bundesstaates ist beispielhaft für einen intrastaatlichen Föderalismus oder ein sogenanntes Verbundsystem, indem die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen nach Kompetenzarten bzw. funktionalen Gesichtspunkten zwischen Bund und Ländern verteilt sind. Die Gesetzgebungskompetenz liegt weitgehend beim Bund, der Vollzug der Bundesgesetze sowie eigener Landesgesetze liegt im Zuständigkeitsbereich der Länder.16
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit, weil die bundesstaatliche Ebene mit der einzelstaatlichen Ebene dadurch eng verflochten ist. Dieses funktionale Zusammenwirken von Bundesgesetzgebung und Länderverwaltung ist im Allgemeinen in Art. 30 GG verankert und wird durch Art. 70 GG konkretisiert. Verglichen mit Amendment X der amerikanischen Verfassung fallen somit auch in der Bundesrepublik alle nicht dem Gesetzgebungsorgan des Bundes verliehen Kompetenzen in den Zuständigkeitsbereich der Länder.
Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist im Gegensatz zur amerikanischen Auslegung jedoch differenzierter festgelegt worden. In die „ausschließliche Gesetzgebung des Bundes“ fallen nach Art. 71 GG alle Bereiche, die den Ländern per Bundesgesetz nicht ausdrücklich zugeschrieben worden sind und im Einzelnen in Art. 73 GG aufgezählt werden.
Darüber hinaus regelt Art. 72 GG die Grundlagen der „konkurrierenden Gesetzgebung“, die den Ländern solange Gesetzgebungskompetenz zuschreibt, wie der Bund nicht eingegriffen hat. Geht es jedoch z. B. um die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ so kann der Bund wie auch in der amerikanischen „commerce clause“ regelnd eingreifen. Die Einzelheiten der konkurrierenden Gesetzgebung werden in Art. 74 GG aufgezählt. Die „Rahmengesetzgebung des Bunde“ als dritter Bereich der Zuständigkeit verknüpft einzelstaatliche und bundesstaatliche Ebene dadurch, dass der Bund Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder erlassen kann. Eine weitere wichtige Grundgesetzregelung, nämlich „Bundesrecht bricht Landesrecht“, ist in Art. 31 GG verankert und entspricht im Wesentlichen der Auslegung der amerikanischen Generalklausel „supremacy clause“.
2.2.3 Der Bundesrat - Das föderative Organ des deutschen Bundesstaates
Die Legislative als gesetzgebende Gewalt bilden in der Bundesrepublik Deutschland der Bundestag und der Bundesrat.
Die Abgeordneten des Bundestages werden als einziges bundesstaatliches Organ direkt vom Volk gewählt. Der Bundestag erhält damit eine herausragende demokratische Legitimation und repräsentiert das Volk als „Bundesvolk“ entsprechend dem demokratischen Prinzip der Gleichheit der Bürger.17
Gemäß Art. 50 GG wirken die Länder auf der Bundesebene bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Nach Art. 51 GG setzt sich die deutsche „Länderkammer“ aus den Mitgliedern der Regierungen der Länder zusammen, die ihre Legitimation aus der Volkswahl der Länderparlamente zieht. Anders als im amerikanischen Senatsmodell wird den Länderexekutiven per Verfassung die Repräsentation auf Bundesebene und damit der direkte Einfluss auf die Gesetzgebung gewährt. Der föderalen Repräsentation des Volkes als „Gliedvolk“18 kommt im deutschen Bundesratsmodell demnach eine andere Bedeutung zu als in den Vereinigten Staaten von Amerika, auch vor dem Hintergrund, dass das Prinzip der Gleichheit der Staaten in Deutschland durch eine nach der Einwohnerzahl der Länder gerichtete Stimmenzahl der Bundesländer im Bundesrat umgesetzt wird.
Eine zusätzliche Unterscheidung muss an dieser Stelle bezüglich der Mitwirkungsmöglichkeiten des Bundesrates bei der Verabschiedung von Gesetzen getroffen werden. Im deutschem Grundgesetz (Art. 77) wird zwischen „Nichtzustimmungsgesetzen“ und „Zustimmungsgesetzen“ differenziert. „Zustimmungspflichtige Gesetze“ können nur nach Bestätigung des Bundesrates verabschiedet werden. „Nichtzustimmungsgesetze“ sind „Einspruchsgesetzte“ des Bundesrates, denn sie können trotz Einspruch des Bundesrates nach Beschluss des Bundestages zustande kommen.
Der Bundesrat unterscheidet sich an diesem Punkt vom Senat weiterhin dadurch, dass er aufgrund dieser „eingeschränkten“ Kompetenzen bei der Mitwirkung an der Beschlussfassung von Gesetzen nicht als echte zweite Kammer bezeichnet werden kann. Für diese Funktion fehlt im das absolute Veto bezüglich eines jeden Gesetzes.
3. Fazit
Die durch die Wahlmodalitäten der Senatoren in den Vereinigten Staaten von Amerika ausschlaggebende fehlende Repräsentation der einzelstaatlichen Exekutiven auf bundesstaatlicher Ebene ist im Vergleich zum deutschen Modell defizitär, weil meiner Meinung nach die Möglichkeit zur aggregierten Stimmabgabe der einzelnen Länder eine wesentliche Funktion des Föderalismus erfüllt, nämlich spezifische Partikularinteressen auf Bundesebene einzubringen. Die „gesammelten“ regionalen Interessen als Untereinheit der Länder können im deutschen Länderparlamentarismus durch die Besetzung des Bundesrates aus Vertretern der Länderregierungen effizienter auf der bundesstaatlichen Ebene eingebracht werden.
Das Fehlen der wirklichen Vertretung der Länderinteressen im amerikanischen Senatsmodell, denn die Politik der Senatoren auf Bundesebene kann sich durch seine Bindung an das Wählerklientel durchaus von den Interessen der einzelstaatlichen Parlamente unterscheiden, kann nach meiner Auffassung nur dadurch gerechtfertigt werden, dass der unmittelbaren Legitimation der Senatoren durch die direkte Volkswahl eine größere Bedeutung gegenüber einer nur mittelbaren Legitimation über die bundesstaatlichen Regierungen eingeräumt wird.
4. Literaturverzeichnis
Adams, Willi Paul / Lösche, Peter (1998): Länderbericht USA, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung
Jäger, Prof. Dr. Wolfgang / Welz, Dr. Wolfgang (1995): Regierungssystem der USA, München / Wien: R. Oldenbourg Verlag GmbH
Informationen zur politischen Bildung: USA - Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft (2000)
Kielmansegg, Peter Graf: Integration und Demokratie, in: Jachtenfuchs, Marcus / Kohler-Koch, Beate: Europäische Integration, S. 47 - 71 (1996): Opladen
Kilper, Heiderose / Lhotta, Roland (1996): Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland, Hagen: Leske + Buderich, Opladen
Laufer, Dr. Heinz / Münch, Dr. Ursula: Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland (1998): Leske + Buderich, Opladen
Microsoft Encarta Enzyklopädie (2000): CD-ROM
Schubert / Klein (1997): Das Politiklexikon, Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachf.
[...]
1 Kilper / Lhotta: Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland; S. 78 3
2 vgl. Kilper, Lhotta: Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland; S. 30 ff.
3 vgl. Schubert / Klein: Das Politiklexikon; S. 274, 275
4 vgl. Schubert / Klein: Das Politiklexikon; S. 54 4
5 vgl. Microsoft Encarta Enzyklopädie 2000: „Nordamerikanischer Unabhängigkeitskrieg“ 6
6 vgl. Informationen zur politischen Bildung: USA - Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft“ 7
7 vgl. Willi Paul Adams / Peter Lösche: Länderbericht USA; S. 29 ff.
8 vgl. Laufer / Münch: Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland; S. 24
9 Kilper / Lhotta: Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland; S. 65
10 vgl. Jäger / Welz: Regierungssystem der USA; S. 92 8
11 vgl. Kielmansegg: Integration und Demokratie, in: Jachtenfuchs / Kohler-Koch: Europäische Integration; S. 47 - 71
12 ebd.
13 Vgl. Jäger / Welz: Regierungssystem der USA; S. 99, 100 9
14 Kilper / Lhotta: Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland; S. 69 10
15 vgl. Microsoft Encarta Enzyklopädie 2000: „Deutsche Geschichte“
16 vgl. Laufer / Münch: Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland; S. 23 13
17 vgl. Kielmansegg: Integration und Demokratie, in: Jachtenfuchs / Kohler-Koch: Europäische Integration; S. 47 - 71
18 vgl. Kielmansegg: Integration und Demokratie, in: Jachtenfuchs / Kohler-Koch: Europäische Integration; S. 47 - 71
- Quote paper
- Jana Behrendt (Author), 2002, Föderalismus - Das deutsche und amerikanische Modell im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106967
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