Warum wohl hat Karl Otto Conrady in seinem "... große(n) deutsche(n) Gedichtbuch" neben dem "Lied der Toten" gerade die "Geistlichen Lieder" zum Druck ausgewählt und damit als repräsentativstes Stück der Lyrik Novalis´ empfunden?
Warum nicht eine Auswahl seiner zahlreichen Gedichte oder gar die "Hymnen an die Nacht", die doch den Ruhm des romantischen Dichters erst begründet haben und vielfach interpretiert wurden.
Wohl, um diese Zeugnisse eines besonderen, aber frommen und festen Glaubens als etwas "Exquisites", Auserwähltes zu präsentieren. Denn es handelt sich nicht nur um ein vielfach ausformuliertes poetisches Glaubensbekenntnis, vielmehr kommt ein "Hardenberg´scher Einschlag" hinzu, der sie abhebt von all den anderen Liedern der Kirchengesangbücher. Carl Busse geht sogar so weit, dass er behauptet: "Die ganze erste Romantik hat ausser diesen frommen Liedern nichts geschaffen, was in das Allgemeinleben der Nation aufgegangen wäre" (Busse 1898, S. 45).
Die Überlieferung der 1802 im "Musen-Almanach" (Lieder 1-6) und in den "Schriften" gesammelt erschienenen "Geistlichen Lieder" ist in einigen wichtigen Punkten bisher ungeklärt. Sie stehen offensichtlich in engem Zusammenhang mit den "Hymnen an die Nacht" (1797), in denen der Sehnsucht nach einer höheren Welt, nach der Ewigkeit und schließlich der Preisung der Nacht des Todes als das wirkliche Sein in einer überaus eigentümlichen und zugleich einzigartigen Weise Ausdruck verliehen wird. Bereits dort beginnt eine Zuwendung zu Christus, der erst im Tod das ewige Leben erschließt. Jedoch erreichen sie für Busse niemals die Qualität der Lieder, "die Hymnen sind im Guten und im Schlechten eine romantische Dichtung....Ein Lied aber wie das innige "Wenn ich ihn nur habe,..." wird niemand speziell romantisch nennen. Deshalb sind auch die geistlichen Lieder mit denen keines Mitgliedes der Litteratursippe zu vergleichen. Sie stehen über der Schule." (Busse 1898, S. 46) Es sind die "...innigsten Jesuslieder, die wir besitzen" (ebd., S. 49).
Religiöse Gedichte hatte Novalis bereits als Schüler und Student verfasst, zum Beispiel "Auferstehung". Als junger Mann stand er unter den aufklärerisch-rationalistischen Einflüssen Klopstocks und war vom Elternhaus her mit der "Herrnhuter Brüdergemeine" Graf von Zinzendorfs (1700-1760) bekannt. Dieser hat über 2000 oft improvisierte und sprachlich bizarre pietistische Lieder verfasst und das geistliche Singen als emotionale und gemeinschaftsbildende [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Die Geistlichen Lieder als Ausdruck persönlicher Ergriffenheit
- 1.1 Zur Entstehung und Bedeutung
- 1.2 Persönliche Ergriffenheit am Beispiel des ersten Liedes
- 2. Die Marienlieder
- 2.1 Das Marienbild des Novalis
- 2.2 Lied 12: Das kleine Marienlied
- 2.3 Lied 13: Das große Marienlied
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die "Geistlichen Lieder" von Novalis aus den Jahren 1799-1800 und beleuchtet ihre Bedeutung im Kontext seiner religiösen Entwicklung und seines künstlerischen Schaffens. Im Zentrum der Betrachtung stehen die persönlichen Erfahrungen, die Novalis in seinen Liedern verarbeitet, sowie die Rolle Marias in seinem religiösen Weltbild.
- Die Entstehung und Bedeutung der "Geistlichen Lieder" im Kontext von Novalis' religiösem Werdegang
- Die persönlichen Ergriffenheit und Glaubenserfahrungen, die in den Liedern zum Ausdruck kommen
- Die Rolle Marias im Werk von Novalis und ihre Darstellung in den "Marienliedern"
- Die Bedeutung der "Geistlichen Lieder" als Ausdruck von Novalis' religiöser und künstlerischer Individualität
Zusammenfassung der Kapitel
1. Die Geistlichen Lieder als Ausdruck persönlicher Ergriffenheit
Dieses Kapitel befasst sich mit der Entstehung und Bedeutung der "Geistlichen Lieder" im Kontext der religiösen Entwicklung von Novalis. Es werden die Einflüsse von Klopstock und der "Herrnhuter Brüdergemeine" auf Hardenberg beleuchtet und die Besonderheit der Lieder im Vergleich zu anderen geistlichen Liedern der Zeit herausgestellt.
2. Die Marienlieder
Dieses Kapitel widmet sich den "Marienliedern" von Novalis und untersucht das Marienbild, das sich in diesen Liedern widerspiegelt. Es werden die zentralen Aspekte der Marienverehrung bei Novalis, sowie die Merkmale und Inhalte des "kleinen" und "großen" Marienliedes beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die "Geistlichen Lieder" von Novalis, religiöse Erfahrung, Glaube, Marienverehrung, "Hymnen an die Nacht", Romantik, Geistliche Lieder, Klopstock, "Herrnhuter Brüdergemeine", Carl Busse, Gerhard Schulz.
- Quote paper
- Daniela Engelhardt (Author), 2002, Novalis als Zeuge Christi und Verehrer Marias, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10693