Was steckt wirklich hinter den schwebenden Farbflächen des Mark Rothko? Tauchen Sie ein in das Leben und die Psyche eines der rätselhaftesten Künstler des 20. Jahrhunderts, dessen Werke weit mehr sind als bloße Dekoration. Diese eindringliche Biografie enthüllt die vielschichtige Persönlichkeit Rothkos, einen Mann voller Widersprüche, der zeitlebens nach dem Sinn suchte, sowohl in der Kunst als auch im Leben. Von seiner russischen Kindheit und der Emigration in die USA über seine frühen künstlerischen Kämpfe und die Entwicklung seines revolutionären Stils bis hin zu seinem tragischen Ende – wir folgen Rothkos unaufhaltsamem Drang zur Entmaterialisierung, zur Befreiung der Farbe von jeglicher Form und Konvention. Erfahren Sie, wie Rothko die Grenzen zwischen Bild und Betrachter aufheben wollte, um eine tiefe, emotionale Verbindung herzustellen, die über das Visuelle hinausgeht. Entdecken Sie die Bedeutung seiner berühmten Multiformen und die Hintergründe seiner Aufträge, von den umstrittenen Seagram Murals bis zur erhabenen Rothko Chapel in Houston. Dieses Buch analysiert eindringlich Rothkos Beziehungen zu Künstlerkollegen, Galeristen und Sammlern und zeichnet ein fesselndes Porträt eines visionären Künstlers, der sich stets zwischen dem Wunsch nach Anerkennung und dem Bedürfnis nach Isolation bewegte. Eine unverzichtbare Lektüre für Kunstliebhaber, Studenten und alle, die sich für die faszinierende Verbindung von Leben, Kunst und Bedeutung interessieren. Es geht um Abstraktem Expressionismus, amerikanischer Kunst, Künstlerbiografie, Malerei des 20. Jahrhunderts, Rothko Chapel, Seagram Murals, Kunstinterpretation, Kunstgeschichte, psychoanalytische Kunstbetrachtung und die Beziehung zwischen Künstler und Publikum. Diese definitive Analyse bietet neue Einblicke in Rothkos komplexes Werk und seine dauerhafte Wirkung auf die Kunstwelt. Erleben Sie die Welt der Farben und Emotionen, die Mark Rothko schuf, und verstehen Sie die tiefe Bedeutung hinter seinen scheinbar einfachen Kompositionen. Dieses Buch ist eine Reise in die Seele eines Künstlers, der die Kunst für immer verändert hat. Die Schlüsselthemen sind Abstraktion, Expressionismus, Tragik, Transzendenz und die Rolle des Betrachters in der Kunst. Rothkos Leben war geprägt von ständiger Suche nach Wahrheit und Bedeutung, was sich in seinen Werken widerspiegelt.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Rothkos Biographie
2.1 Sein erstes Leben
2.2. Sein zweites Leben
2.3. Sein drittes Leben
2.4. Sein viertes Leben
3. Der Widerspruch
4. Die Entmaterialisierung
5. Rothko und sein Publikum
6. Rothkos Absicht
7. Literaturverzeichnis
8. Quellenangaben
1. Einleitung
Mark Rothko, der amerikanische Künstler russischer Abstammung, zählt zu den bedeutendsten Vertretern des Abstrakten Expressionismus. Bekannt wurde er durch seine zumeist großformatigen Gemälde mit horizontal geschichteten Farbflächen auf monochromem Grund. Seine Besonderheit zur damaligen Zeit ist sein expliziter Anspruch, die Präsentation seiner Bilder zu kontrollieren. Dies grenzt ihn von dem Kunstbetrieb der frühen 50er-Jahre ab.1
Auf diese Explizität bei Rothko möchte ich eingehen. Sie hervorheben in seinem Werk, wie auch in seinem Leben.
Mark Rothko steckt voller Besonderheiten und Widersprüche, die ich in meiner Arbeit weiter erläutern möchte. Die Widersprüche beziehen sich auf seine Arbeiten, die Einstellung zu seinen Werken, der Kunst an sich, wie auch auf sein Leben. Auf diese Spannungen und Konfliktsituationen seines Charakters möchte ich eingehen.
Ein weiterer Teil meiner Arbeit wird sich mit der Bedeutung seines Werkes beschäftigen, mit dem, um was es Rothko geht. Bezogen auf die Entmaterialisierung, den Raum und sein zentrales Anliegen, die Betrachter-Bild-Beziehung.
Im Gegensatz zu viele Künstlern seiner Zeit wie z.B. Jackson Pollock, lehnt Rothko die Spontaneität des Actionpaintings ab. Er unterwirft die farblichen und formalen Effekte seiner Werke strenger Disziplin und aufmerksamer Kontrolle.2
2. Rothkos Biographie
2. 1. Sein erstes Leben
1903 wird Mark Rothko als Marcus Rothkowitz in Dwinsk, Russland geboren. Sein Vater, Apotheker, emigriert mit Hilfe seines Bruders 1910 nach Portland, Oregon. Die Familie folgt ihm 1913. In Portland wächst Rothko unter armen Verhältnissen auf, immer in Abhängigkeit des reichen Onkels.
Rotko beschreibt die Emigration als die 1. Reise in ein neues Leben. Sie hat ihn bewahrt ein Opfer des Krieges zu werden.
In Portland besucht Rothko die Lincoln Highschool, in der er sich fürs College mit Französisch- und Theaterkursen vorbereitet. 1921 erhält er ein Stipendium für Yale.
2. 2. Sein zweites Leben
Der Studienbeginn in Yale, New Haven ist für Rothko ein weiterer Schritt in ein neues Leben, das 2. Leben, das nun für ihn beginnt.
1923 gibt er das College auf und geht nach New York. Dort hat er mit der Aktmalerei seinen Einstieg in die Kunst. Weiterhin gilt sein Interesse aber auch dem Theater.
1925 schreibt Rothko sich in die New School of Design ein, eine Schule für Gebrauchsgrafik. Er setzt sich damit gegen die Tradition in seiner Familie durch und auch gegen das Judentum, wegen des Tabus der bildlichen Darstellungen. Er steht somit als Rebell da.
Es folgen einige Monate an der Art Students League, wo er von Max Weber unterrichtet wird, der seine Werke in der späten 20 er Jahren beeinflusst.
1928 hat er seine erste Gruppenausstellung, in der er mit Landschaften vertreten ist. Zu der Zeit lernt Rothko die Familie Avery kennen, zu der er einen engen Kontakt pflegt und die einen gewaltigen Einfluss auf Rothko hat.
1932 begegnet Rothko seine erste Frau Edith Sachar. Er heiratet mit 29 Jahren.
1933 hat Rothko seine erste Einzelausstellung in der Contemporary Arts Gallery, New York. Es werden Ölbilder, Aquarelle und Arbeiten mit schwarzer Tusche auf weißem Papier gezeigt. Bevorzugtes Thema zu der Zeit ist der Mensch, der weibliche Akt.
1935 erfolgt die Gründung der Gruppe >The Ten<. Bestehend aus Juden. Sie haben das gleiche Bestreben: die Suche nach einer Alternative zum bestehenden Ausstellungsmodus. Die Gruppe gilt als noch nicht amerikanisiert. Sie hat innerhalb eine große Individualität, die Gruppe jedoch 1939 zum Bruch führt.
1929-1946 ist Rothko Lehrer an der Center Academy in New York. Diese Tätigkeit entsteht aus dem Wunsch heraus eine Synthese von Judentum und Amerikanismus herzustellen. Er ist zu der Zeit immer noch ein Außenseiter und lehnt Amerika als seine Heimat ab.
Sein Stil zu der Zeit kann als expressionistischer Fauvismus bezeichnet werden.3
Als Lehrer geht es ihm „nicht so sehr um erzieherische Methoden,..., sondern um einen breiten Zugang zu den Theorien von Franz Cizek“.4
Arbeiten seiner Schüler werden weltweit erfolgreich ausgestellt.
1937 zieht Rothko nach Manhattan, wo derzeit Künstler leben wie Jackson Pollock, Franz Kline, Barnett Newman. Dieser Wohnort bedeutet niedrige Mieten, Künstlergespräche und Freiheit von bürgerlichen Zwängen. Rothko bevorzugt einen experimentellen Lebensstil.5
1938 wird Rothko amerikanischer Staatsbürger, da dies auch Arbeit und Sicherheit für ihn bedeutet. Zu der Zeit erfolgt auch seine Namensänderung von Marcus Kothkowitz in Mark Rothko.
In der Ehe hält Edith Rothko den Rücken frei für die hohe Kunst, während sie ein Kunsthandwerk betreibt. Sie betreibt eine Schmuckwerkstatt mit der sie Rothko auch finanziell unterstützen kann.
1937 erfolgt die erste kurze Trennung der beiden, da Rothko Reichtum prinzipiell ablehnt und Edith sich seiner Meinung nach nur um materielle Dinge kümmert.6 Sie verdient in der nächsten Zeit so gut, das sie sich Angestellte leisten kann und auch Rothko dazu bringt in ihrem Laden als Verkäufer zu arbeiten. Ihre Sicherheit, die materielle Lebenseinstellung und sein Missmut führen schließlich 1944 zur Scheidung.
Durch den Krieg wird in Amerika die Wirtschaft angekurbelt und die Zeit der Depression beendet, d.h. die Menschen können sich wieder Luxus wie Bilder und Schmuck leisten. Es eröffnet das Museum of Non-Objective Arts (das spätere Guggenheim-Museum).
1940 kommt es zur Gründung der Federation of Modern Painters and Sculptors, die für das Wohlergehen freien fortschrittlichen Künstler kämpft. Die Gruppe ist größer und unterschiedlicher als >The Ten< und dadurch effektiver.
Ab 1940 beginnt Rothko sich mit Mythen auseinander zusetzen. Er versucht „das Wesen des Mythos“ darzustellen, „das über Kulturen hinweg wirksam ist“.7 Rothko sucht „ein Gleichgewicht zwischen dem Sinnlichen und dem Metaphysischen“8 in seinen Bildern. Diese Zuwendung entsteht aus der Kriegssituation mit ihrer Brutalität heraus. Er arbeitet zu der Zeit viel mit A. Gottlieb zusammen, der wie er Expressionist ist, Ähnlichkeiten mit Rothkos Vergangenheit aufweist, aber im Gegensatz zu ihm, ein gefestigter Mensch ist.
1942 erfolgt die Eröffnung der Art of This Century Gallery von Peggy Guggenheim. Dieses Jahr gilt auch als das Jahr der Surrealisten in den USA. Durch den Krieg hat es viele Surrealisten in die USA verschlagen, wie: Kurt Seligmann, Yves Tanguy, Max Ernst, Piet Mondrian und Marc Chagall. Dies bedeutet für die New Yorker Kunstszene zwangsläufige Internationalität. Rothko gilt als einer der wenigen Künstler, die die Surrealisten mögen und verstehen, sie haben auch einen starken und fruchtbaren Einfluss auf sein Werk. Rothko bedient sich surrealistischer Stoffe und Ideen, bleibt jedoch völlig unabhängig davon.9
2.3. Sein drittes Leben
Die Scheidung Rothkos von Edith Sachar empfindet er auf der einen Seite als Befreiung, gleichzeitig jedoch auch als schmerzlich.
Dieser Schritt bedeutet für Rothko eine weitere Schwelle in seinem Leben, er ist für ihn der Schritt in sein 3. Leben. Er hat „sein Leben immer als eine Reihe von dramatischen Selbstverwandlungen dargestellt“.10 Selbstverwandlungen sind für Rothko z.B. seine Namensänderung, die Scheidung von Edith, die neue Heirat und die Wandlung seines Stils von 1939-1949.
Durch die Liebe zum Theater, die ihn sein ganzes Leben hindurch begleitet, lernt er Ruth Ford kennen und durch sie wiederum bekommt er Kontakt zu Peggy Guggenheim. So kommt es 1944 zur Ausstellung „First Exhibition in Amerika of Twenty Paintings“. An der unteranderen Jackson Pollock, Motherwell und Rothko neben europäischen Künstlern teilnehmen.
1945 hat Rothko einen ersten beruflichen und privaten Höhepunkt durch die Ausstellung bei „Art of This Century“. Damit festigt er seine Position als wichtiger Maler seiner Generation.
Diese Ausstellung zeigt eine neue Bewegung in der amerikanischen Kunst, die die Abstrakten Maler und den Surrealismus verbindet.
Privat heiratet er im März 1945 Mary Alice Beistle, kurz Mell genannt.
Rothkos Stilwandlung hängt mit dem Kontakt zu Clyfford Still zusammen, der Rothko „ermutigte, größere Bilder zu malen und die Formen in großen Farbflächen darzustellen“.11 Für die beiden ist die Malerei ein Mittel zur persönlichen Befreiung.12
1947 wechselt Rothko zu Betty Parson bei der er seine erste Einzelausstellung hat und gleichzeitig auch seine erste eigene Galerie, da sie sich auch um die Vermarktung seiner Bilder kümmert. Betty Parson ist zu der Zeit die führende Galeristin in New York.
Rothko versucht nun das Figürliche aus seiner Malerei zu eliminieren. Doch es fällt ihm schwer ganz von der figurativen Gestalt als Ausdrucksmittel wegzukommen. Zwischen den Jahren 1946 und 1949 kehrt das Figurative immer wieder in seine Bilder zurück.
Dies ist die Zeit in der Rothkos Multiformen entstehen. Je mehr er seine Bilder von erkennbaren Formen befreit, um so mehr vermeidet er es öffentlich über seine Arbeit zu reden.
1947 veröffentlicht er schließlich ein Essay „The Romantics Were Promted“. Dies ist seine erste und einzige eigene ausführliche Stellungnahme zu seiner Arbeit und gleichzeitig ist es für ihn eine Rechtfertigung für die Aufgabe jeglicher figurativer Darstellungen.13 Im gleichen Zug vermeidet er es nun seinen Bildern Namen zu geben. Die Multiformen, wie er sie selber nennt, sind „seine ureigensten Geschöpfe“.14 „ Daher nennt er sie lebende „Organismen“, die sich in dem Moment verselbständigen, wo er den Schaffendprozess beendet und sich jeder andere „Outsider“ ins Publikum gemischt hat“.15
1949 hat Rothko so endlich die klassische Form seiner Bilder gefunden: „zwei oder drei übereinandergeschichtete Rechtecke, die den Betrachter an der Schwelle zwischen körperhafter und transzendentaler Welt anzusiedeln scheinen“.16
1947 hat Rothko die Idee eine eigene Schule zu gründen zusammen mit Motherwell, Bazites und Hare, die jedoch schon nach ein paar Monaten wieder schließen muss. Der Unterricht, der sehr frei und antiautoritär gehalten wird, wird jedoch im Studio 35 fortgesetzt.
Rothko geht es weniger um die Beherrschung der Technik als um eine persönliche Philosophie der Malerei. 1950 wurde der Unterricht komplett aufgegeben.
2. 4. Sein viertes Leben
1948 stirbt Rothkos Mutter. Diese Tatsache lenkt seine Arbeit in eine neue Richtung. Es ist für ihn wieder ein Schritt in ein neues Leben, sein 4. Leben.
Mit 47 Jahren wird Rothko Vater seiner Tochter Kate.
Auf seinem Höhepunkt machte Rothko 1950 eine Europareise. Bis dahin hat er die Surrealisten und die Abstrakten als seine Vorfahren bezeichnet, ab nun erklärt er sich als autonom, frei von Einflüssen aus der Vergangenheit.
Rothko wird 1950 als „derzeit begabtester Maler im Umgang mit der Farbe“17 bezeichnet und als Künstler, der die Farbe erforscht.
Nach seiner Rückkehr unterrichtet er bis 1954 am Chicago Institute of Design, dem ursprünglichen neuen Bauhaus.
Rothko hält sich zu der Zeit nun auch endlich selbst für einen großen Künstler.
Ab 1950 ändert sich seine Arbeitsweise: Auf unbehandelte Leinwand trägt er Leim mit pulverisierten Pigmenten auf. Diese Unterlage festigt er mit gleichfarbiger Ölfarbe, die auch die Ränder umfasst. Die Bilder erhalten somit einen dreidimensionalen Charakter. Auf die Grundfarbe wird dann die Farbmischung aufgetragen, der er rohe Eier bemischt. Die Farbe ist dünne transparente Wasserfarbe. Rothko bringt so „die Farbe bis an den Rand der völligen Auflösung und „erreichte die einzigartige, innere Leuchtkraft seiner Bilder“.18 Über die einzelnen Farbschichten grübelt er lange Zeit nach, der Farbauftrag hingegen geschieht schnell und spontan. Dies wird als automatisierte Malerei bezeichnet.
Rothko wird zu einem zurückgezogenen isolierten Künstler. Einem Künstler der Einsamkeit, der jedoch immer wieder Kontakt zu seinem Publikum sucht.
Von 1955 - 1959 verkauft Rothko viele Bilder durch Sidney Janis. Von ihm werden auch Künstler wie Jackson Pollock Motherwell und de Kooning verkauft.
1959 zählt Rothko nun zu der oberen Mittelschicht durch seinen wirtschaftlichen Aufstieg. Er genießt die Anerkennung des Publikums, behauptet jedoch stets nicht richtig wahrgenommen und verstanden zu werden.
Zur Zeit der größten Anerkennung beginnt Rothko wie zwanghaft dunkle Bilder zu malen. Dies geschieht auch aus der Angst heraus, man könnte seine Bilder für dekorative Zwecke verwenden. Trotzdem verkaufen sich die Bilder gut. In den 50 er Jahren boomt der Kunstmarkt regelrecht. Kunst gilt als Schutz vor Inflation und so wird geraten Kunst als Wertanlage betrachtet.
1958 bekommt Rothko den Auftrag eine Bilderserie für den kleineren Speisesaal des entstehenden Restaurants >Vier Jahreszeiten< im Seagram Gebäude zu machen, bei deren Gestaltung er völlig freie Hand hat. Dies ist sein erster Auftrag für einen bestimmten Raum in der Öffentlichkeit. Während der Arbeit gibt Rothko seinen Bildern eine neue Dimension, indem er sie um 90° dreht. Es herrschen noch rechteckige Formen vor, welche jedoch so den Anschein von Architektur haben.
Das Seagram-Projekt festigt Rothkos Position als größter lebender Künstler seiner Generation.19 1959 besucht Rothko das Seagram Building und isst dort zu Abend. Nachdem er feststellen muss, dass das Vier Jahreszeiten ein Luxusrestaurant für die High Society ist und er sich seine Bilder dort nicht vorstellen kann gibt er letztendlich keine Einwilligung zur Installation seiner Bilder.
Rothko ist zu einem „Begriff geworden, ein Begriff, mit dem man eine bestimmte Art von Malerei verband“.20
1963, der Kunstmarkt erholt sich gerade von einem Börseneinbruch, entwickelt sich ein Trend, der in Richtung der Künstler geht, die „erkennbare Objekte“ machen, d.h. die Pop-Art ist im Kommen und unter den Anlegern der Renner. Es sind die Künstler in der Nachfolge des abstrakten Expressionismus. Rothko verachtet die Pop Art Künstler, da er sich von ihnen verdrängt fühlt.
Im Gegensatz zur Eröffnung des Guggenheim Museums sind nun Museumseröffnungen und Ausstellungen „in“ und bekommen immer mehr Zulauf.
1964 verkauft Rothko Arbeiten an die Marlborough Gallery. Er macht seine Verträge jedoch immer so, das er sich die Möglichkeit eines Ausstiegs offen hält.
Kennzeichnend für die 60er Jahre ist, dass Rothko zwei konträre Verhaltensweisen an den Tag legt: einerseits versucht er seine Stellung als zentrale Figur der New Yorker Kunstszene aufrecht zu erhalten und andererseits zieht er sich langsam zurück.
1965 beginnt er eine Reihe von Wandbildern für eine Kapelle der de Menil Familie in Houston. Dies ist sein absoluter Höhepunkt in seinem Werk. Er als Jude ist beauftragt mit der Ausgestaltung einer römisch-katholischen Kapelle in Texas. Rothko hat bei diesem Auftrag vollkommene Freiheit.
Bei diesen Bildern verzichtet Rothko zum ersten Mal auf die zarte Begrenzung in seinen Bildern. Er malt autonome, klar begrenzte Rechtecke. Die Kanten sind auf einmal eindeutig definierbar.
1967 sind die Bilder fertig, doch zur eigentlichen Fertigstellung der Kapelle kommt es erst 1971, und da ist Rothko schon tot. Er hat die totale Kontrolle und kann den fertigen Raum nie sehen und die Bilder auch nicht installieren. Die Bilder sind „drei formlose Farbfelder, die frei von jedem Bezug zur äußeren, bewussten Realität sind, ohne jegliche Begrenzung, massive, leere Bilder, selbst-genügsam, präsent und ungebunden“.21 Sie drücken den verzweifelten Wunsch aus, sich von den Menschen zurückzuziehen.22
1968 erkrankt Rothko durch ein Aneurysma und wird für kurze Zeit arbeitsunfähig. Er lebt nun in ständiger Angst um seine Gesundheit, befolgt jedoch auch nicht die ärztlichen Anweisungen.
Nach der Arbeit für die Houston Kappelle ist er völlig ausgebrannt. Freunde behaupten: „ Seine ganze Energie hat er in diese Bilder gesteckt, nun plötzlich schien er seine Daseinsberechtigung verloren zu haben“.23
Durch die Krankheit und den Erschöpfungszustand ändert sich seine Malweise am Ende seines Lebens. Er fertigt Acrylarbeiten auf Papier. Dieser Wechsel macht sich jedoch schon bei den Skizzen für die Houston Kappelle bemerkbar. Es ist eine Rückbesinnung auf die Zeit der 40er Jahre.
Je schlechter seine Gesundheit wird, um so zerrütteter wird seine Ehe mit Mell. Beide sind während der Jahre dem Alkohol verfallen.
Im Zuge seiner Krankheit weist Rothko alles von sich, seine Frau, die Freunde, nur nicht die Kunst. 1969 kommt es zur Scheidung und Rothko zieht in sein Atelier.
1968 wechselte Rothko zur Pace Gallery, wo Glimcher Kontakt zu dem angesehenen Schweizer Kunsthändler Ernest Beyeler aufnimmt. Dieser soll die Präsenz in Europa übernehmen. Rothko lehnt dies zuerst jedoch ab, da ihm sein Geschäftsführer und Berater Bernard Reis davon abrät. Rothko legt am Ende jede Verantwortung und Kontrolle in die Hände von Reis, der diese Situation ausnutzt und eine großen Einfluss auf ihn nun hat. In den Jahren von 1967 bis 1969 kommt es zu einer Schenkung von Bildern von Rothko an die Tate Gallery. Es wird ihm ein eigener Raum zugesichert, in dem abwechselnd seine Bilder ausgestellt werden würden. Dies bedeutet für Rothko eine Gleichstellung mit Künstlern wie Turner, Picasso, Matisse und Giacometti.
Am 25. Februar 1970 begeht Rothko in seinem Atelier Selbstmord.
3. Der Widerspruch
Rothko ist in seinem Leben wie auch in seinem Werk voller Widersprüche. So bricht er zu Begin seiner Künstlerkarriere mit dem Judentum und der traditionellen Familie, indem er sich in die New School of Design einschreibt, eine Schule der Gebrauchsgrafik. Dies bedeutet den Bruch mit dem Judentum wegen des Tabus der bildlichen Darstellungen.
Letztendlich bleibt Rothko jedoch mit seiner Tradition eng verbunden und gilt auch später als der „letzte Rabbi in der westlichen Kunstwelt“.24
Die Kunst bedeutet für Rothko Befreiung von konventionellen Formen der Sicherheit durch Anschluss einer sozialen Minderheit, Armut und Heimatlosigkeit. 1938 wird Rothko jedoch amerikanischer Staatsbürger um mehr Sicherheit zu der Zeit zu erlangen. Er lehnt die USA trotzdem als Heimat ab.
Die Entwicklung in seiner Malerei vom Figurativen zum Abstrakten beschreibt Rothko als einen Kampf zwischen dem Avantgarde Maler in Richtung Abstraktion und dem konservativen Humanisten, der den Halt in der normalen Welt nicht verlieren will.
Je mehr er das Figurative aus seinem Werk verbannt, um so mehr vermeidet er es sich öffentlich über sein Werk zu äußern. Im gleichen Moment aber beschwert er sich nicht richtig wahrgenommen und verstanden zu werden. Wenn er dann doch über seine Arbeit redet, redet er darüber wie schwer es ist über sein Werk zu reden. Ein Grund, warum Rothko nicht gern über seine Werke redet, ist die Tatsache, dass er von einer Vergewaltigung seiner Schöpfungen durch Sprache spricht. Sprache ist für ihn, wenn es sich um seine Werke handelt, ein Akt der Gewalt.
Rothko bevorzugt die Einsamkeit, obwohl er immer wieder den Kontakt zu Menschen sucht und die Malerei beschreibt als eine Hoffnung die Einsamkeit durchbrechen zu können.26 Beim Malen kann er sich nur dann frei entfalten, wenn er sich beengt fühlt. Er verändert deshalb auch seine Ateliers z.B. mit Zwischenwänden, die er einbaut, um einen Raum zu schaffen in dem er sich frei fühlen kann.
Sein Atelier bezeichnet er als einen Ort für Privates. Trotzdem empfängt er Gäste, Käufer und andere Künstler in diesem, seinem privaten Raum. Hier wird der Zweifel deutlich erkennbar, der in Rothko herrscht: der Zweifel sich der Welt gegenüber zu öffnen oder sich zurück zu ziehen.27
Der Widerspruch wird auch in der Behandlung seiner Werke deutlich erkennbar. Er ist stets in Sorge um seine Bilder, wenn es sich um die Installation dieser handelt, d.h. er überwacht das Hängen und Beleuchten, doch gleichzeitig behandelt er seine Werke mit einer großen Schlampigkeit. Er achtet nicht auf das Material, nimmt die billigsten Keilrahmen und bespannt diese auf eine unachtsame Art und Weise. Er legt keinen Wert auf die Qualität der Farbe, was später nicht ohne Folgen bleibt. Dieser Teil seiner Arbeit scheint ihm nicht so wichtig zu sein wie die spätere Präsentation, die Käufer und die Orte der Ausstellungen. Seine Werke leiden auch unter dieser Behandlung und weisen schon nach kurzer Zeit Schäden auf, verlieren an Brillanz und Farbkraft. Schäden die das Sonnenlicht hinterlässt zeigen die Schlechte Qualität der Farbe, die Rothko benutzt.
Auf diese gleiche Art und Weise behandelt Rothko auch seinen Körper. Dieser Widerspruch spiegelt sich also auch in seinem alltäglichen Leben wieder. Er verschmäht nicht gutes Essen, obwohl er auf Anweisungen der Ärzte auf sein Gewicht achten und auch auf seine Gicht Rücksicht nehmen soll. Er achtet nicht darauf, behandelt seinen eigenen Körper schlampig doch gleichzeitig werden bei ihm hypokondrische Züge sichtbar. Er besucht oft seinen Arzt, hat aufgrund von Beziehungsproblemen Zusammenbrüche, meidet kranke Menschen und beugt jeder Erkältung vor. Dies zeigt, dass er sich doch um seinen Körper sorgt und voller Ängste und Sorgen um ihn ist. Gleichzeitig verweigert er jedoch jede Hilfe und Anweisungen der Ärzte.
Dieses widersprüchliche Verhalten seinem eigenen Körper gegenüber überträgt er später auch auf seine Tochter. Rothko will, dass sie Medizin studiert, etwas sicheres, will das sie attraktiv aussieht, schlank und beliebt ist. Alles Dinge, die er selbst bei sich nicht umzusetzen vermag.28
Bezogen auf sich selbst als Künstler möchte Rothko auf der einen Seite als ausgestoßener Künstler gelten. Dies zeigt sich z.B. bei dem Auftrag der Seagram-Bilder, mit denen er die Leute in diesem Luxusrestaurant vor den Kopf stoßen will. Gleichzeitig beschwert sich Rothko aber auch, dass er nicht verstanden wird und bemüht sich um eine gesicherte Stellung auf dem Künstlermarkt.
Als seine Bilder immer geschätzter werden und sich aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage immer mehr Käufer und Interessenten finden, fühlt sich Rothko seiner Wertschätzung beraubt. Da sich nun auch Kapitalanleger für seine Werke interessieren, aufgrund des gestiegenen Wertes, sieht er seine Werke nicht mehr ihrer selbst willen bewundert. Das verabscheut Rothko zutiefst. Doch schon 1964 verkauft er Bilder an die Marlborough Galerie, eine Galerie fast ausschließlich für Sammler und Kapitalanleger. Dies zeigt wiederum seinen Wunsch nach Sicherheit, der im Alter immer deutlicher wird, sonst würde er sich nicht in eine solche vertragliche Abhängigkeit begeben. Betrachtet man seine Verträge jedoch genauer, so richtet sich Rothko immer die Möglichkeit des Rückzugs ein. So stehen sich Freiheit und Sicherheit gegenüber.
Rothko will immer die Kontrolle behalten. Dies wird deutlich bei der Trennung von seiner ersten Frau, die ihn finanziell unterstützt und bei der er in schlechten Zeiten auch angestellt ist. Diese Situation ist für Rothko unerträglich, sodass er ihr vorhält, sich nur um das Geld zu kümmern und nur Wert auf materielle Dinge zu legen.
Deutlich wird der Widerspruch auch im Umgang mit seinen Werken, dem Publikum und den Käufern. Bei den Käufern will Rothko die Kontrolle über seine Werke nicht verlieren, indem er sie genau unter die Lupe nimmt, zumindest in der späteren Zeit, in der er es sich leisten kann. Er trifft sich mit ihnen, bevor er sich zum Verkauf entschließt, bespricht mit ihnen die Bilder und besucht viele seiner Käufer, um zu schauen wo und wie seine Bilder hängen oder ausgestellt werden. Durch seine Abneigung Sammlern gegenüber, kommt es immer häufiger vor, das Rothko den Verkauf verweigert. Oder Projekte wie das Seagram Projekt, bei dem er am Ende nicht die Zustimmung erteilt seine Bilder zu hängen.
Gegen Ende seines Lebens verliert Rothko jedoch die Kontrolle, oder besser gesagt, er gibt sie ab an seinen Freund und Berater Bernard Reis. Reis erzeugt bei seinen Klienten eine „kindliche Abhängigkeit und Kontrolle“.29 Rothko, auf der Suche nach Stabilität, ist nun abhängig und hilflos.30 Alle Entscheidungen überlässt er Reis, der diese Situation auch ausnutzt, was Rothko jedoch erst später bemerkt.
4. Die Entmaterialisierung
Rothko lehnt jede Art von Materialismus ab. So unterzieht er sich in seinen jungen Jahren schon einer Prüfung aus Armut, Hunger und Einsamkeit. Er stellt seine Erfahrungen in den Anfangsjahren in seinem Manifest „The Romantics Were Prompted“ als „eine psychologische und soziale Buße in Form von Not und Entbehrung“31 dar. Die Kunst bedeutet für ihn die Befreiung von konventionellen Formen der Sicherheit durch den Anschluss an eine soziale Minderheit, Armut und Heimatlosigkeit. Befreiung verlangt in seinen Augen diese Opfer. Er bevorzugt einen unkonventionellen, experimentellen Lebensstiel. Malerei war für ihn auch ein Mittel zur persönlichen Befreiung.32
Zu Beginn seiner künstlerischen Karriere wählt Rothko das Thema Mensch, speziell den weiblichen Akt. Er verbindet in seinen Werken tiefgehende Gefühle und selbstdarstellerische Dramatik. Der weibliche Akt ist für ihn „wie ein Spiegel, in dem er seine Emotionen ausdrückte, eine Darstellung dessen, was ihn blockierte und begrenzte, ein Spiegel seiner eigenen Psyche“.33 In den 30er Jahren konzentriert er sich auf das menschliche Drama im städtischen Raum.
Rothko ist jedoch stets auf der Suche nach einer Malerei, die jenseits des Bildes liegt, im Theatralischen. Er sucht die Ursprünge der Kunst im Rituellen, Mythischen und in der Religion. Er möchte „eine Kunst schaffen, die tragisch und zeitlos“ ist.34 Und das eigentliche Mittel dazu ist, die ethnischen Wurzeln loszulassen.
Ende der 30er Jahre trennt er sich von seiner ersten Frau, da er ihren materiellen Lebensstiel und ihre materialistische Einstellung nicht mehr ertragen kann. Das sie ihm damit den Rücken für die hohe Kunst freigehalten hat, sieht Rothko nicht.
Im Zuge seiner Entmaterialisierung in seinem Werk versucht Rothko gänzlich auf Symbolik zu verzichten. Er befreit seine Malerei „von der Darstellung der vertrauten Welt des Menschen und seinen Ursprüngen in den Urfluten“.35 Die Befreiung geht über eine dunkle Farbgebung und grotesken Verzerrungen, bis hin zur Eliminierung der Figur in seinem Werk mit sinnlicher Farbe. Dieser Prozess ist ein Kampf, da es ihm schwergefallen von der figurativen Gestalt als Ausdrucksmittel wegzukommen. Es ist ein Kampf zwischen dem Avantgarde-Maler in Richtung Abstraktion und dem konservativen Humanisten, der den Halt in der normalen Welt nicht verlieren möchte. Sein Essay, das er verfasst, beinhaltet eine Art Rechtfertigung warum er das Figurative und erkennbare Formen aus seinem Werk verbannt. Im gleichen Atemzug gibt Rothko seinen Bildern nicht mehr Namen sonder nur noch Nummern. Die Formen die nun in seinen Werken entstehen sind lebende Organismen, die er Multiformen nennt. Auf dem Weg der Entmaterialisierung in seinem Werk bekommt Rothko eine große Anerkennung und dadurch auch finanzielle Unabhängigkeit. Eine gegenläufige Entwicklung wird deutlich: Während die Entmaterialisierung in seinen Werken stattfindet, beginnt das materielle sichere Leben für Rothko. Er verweigert seine Bilder, wenn er erfährt das diese zu dekorativen, also materialistischen Zwecken aufgehängt werden.
Auch in seiner Malweise findet eine Art Entmaterialisierung statt, indem er die Farbe die er aufträgt bis an den Rand der völligen Auflösung bringt.36 Seine Bilder scheinen gegen Ende völlig losgelöst von jeglichem fixen Bezug zu sein. Rothko bezeichnet die Formen als Ersatz für die Figuren. Seiner Meinung nach ist das Figürliche in seinem Werk nicht eliminiert, sondern ersetzt worden.37 Die Malerei hat sich bei ihm aus einer Reihe von Reduzierungen und dem Verzicht entwickelt. Auch dass das Material auf dem Rothko arbeitet billig und qualitativ nicht gut ist, ist ein Zeichen dafür, das ihm das Materielle nicht wichtig erscheint. Zu Beginn ging es ihm darum, das eigene ich in sein Werk hinein zu bringen, später will er mit seinem Werk das ich überwinden. Seine Arbeit hat zu Ziel: „das biografische ich zu überwinden“.38
Er will „mit seinen Bildern stets einen Bewusstseinszustand erreichen, der den Menschen vom materiellen Denken befreit“.39 Dies ist auch ein Grund warum Rothko ein Gegner von Sammlern ist.
5. Rothko und sein Publikum
Rothko geht es stets um einen Austausch zwischen Bild und Betrachter wobei der Künstler nach Aussagen von Rothko der aggressivere Teil ist, der stets die Oberhand behält. „Er befreit den Betrachter und Kontrolliert ihn gleichzeitig“.40 Dies deutet wieder auf das Bestreben Rothkos hin, immer die Kontrolle haben zu wollen. Das „Streben des Künstlers nach vollkommener Herrschaft über Raum und Betrachter“41 macht in Rothkos Augen erst eine Begegnung möglich, die den Betrachter die Werke nicht nur visuell, sondern auch physisch, emotional und geistig empfinden lässt.
Die Betrachter-Bild-Beziehung ist das zentrale Anliegen in Rothkos Kunst. Rothko charakterisiert diese Beziehung „als einen gegenseitigen Vollzug, ein Ineinanderaufgehen von Betrachter und Bild“.42 Er geht sogar soweit und beschreibt diesen Zustand als eine „geradezu eheähnliche Verbindung“.43 Rothko sagt: „Es ist unsere Aufgabe als Künstler, den Betrachter dazu zu bewegen, nach unserer Weise und nicht nach der seinen zu sehen“.44 Aber auch die Reaktion des Betrachters ist für ein Bild ausschlaggebend, denn nur in Gesellschaft eines sensiblen Betrachters lebt nach Ansicht Rothkos ein Bild auf, wachst und entfaltet sich erst vollkommen in dessen Bewusstsein.
Die Betrachtung beschreibt Rothko als einen eher fühlenden Prozess, ein Erlebnis vom „Strömen und Fließen von Licht und Farbe“.45 Das visuelle Erlebnis wird auch beschrieben als eine „Schwellensituation - oder räumliche Grenzerfahrung“.46
Rothko inszeniert diese Betrachter-Bild-Beziehung regelrecht mit einer stark abgedunkelten und sanften Bedeutung des Raumes, in dem die Bilder präsentiert werden. „Nur demjenigen Betrachter eröffnen sich diese Bilder, der, wie Rothko selbst, in dämmerigem Licht davor verharrt, lange und immer wieder, bis das Dunkel licht wird, bis jene Verschmelzung von Betrachter und Bild einsetzt, ..., die den Inhalt letztlich ausmacht“.47
Er suchte regelrecht ein Zuhause für seine Bilder. Bei besuchen von Künstlern oder Käufern in seinem Atelier beobachtet Rothko die anwesenden sehr intensiv und registriert die Eindrücke, die seine Bilder bei den jeweiligen Personen hinterlassen. Diese sind ihm unheimlich wichtig.
Auch die Größe der Werke spielt bei Rothko eine wichtige Rolle. Sein Anliegen ist es, dass der Betrachter so nah als möglich an das Werk herantreten kann und somit die Möglichkeit hat in das Bild eintauchen zu können. Der Betrachter soll so die Möglichkeit haben „unmittelbar den Einstieg zu jedem einzelnen Bildinnenraum“ zu finden.48 Für dieses Empfinden ist „das Verhältnis zwischen der materiellen Größe des Bildes und dem Betrachter“49 entscheidend.
Der Betrachter soll sich von der Malerei allseitig angesprochen fühlen.
Die Grenzen zwischen Bild und Betrachter sollen verschwimmen. Das ist auch der Grund dafür, das Rothko bestrebt ist seine Bilder in Augenhöhe zu malen und später auch in der selben Position dem Betrachter zu präsentieren.
6. Rothkos Absicht
Rothko will in seiner Malerei das Theatralische darstellen, das jenseits des Bildes zu finden ist. Es geht im darum, sein eigenes Inneres zu erforschen und in seiner Malerei darzustellen. Rothko „sucht nach einem Gleichgewicht zwischen dem Sinnlichen und dem Metaphysischen in seinen Bildern“.50
Die Multiformen in seinen Werken sind seine ureigensten Geschöpfe, wie er sie nennt. Lebende Organismen, die sich verselbständigen.
Im Gegensatz zur natürlichen Darstellungsweise legt Rothko Wert auf den Ausdruck des Stoffes. Mit Stoff meint Rothko Bedeutung. Er legt Wert auf eine persönliche Philosophie der Malerei, weniger auf die Beherrschung einer bestimmten Technik. Dies versucht er auch im zeitweiligen Unterricht seinen Studenten zu vermitteln. Im Unterricht geht es ihm nicht um erzieherische Methoden, sondern um einen breiten Zugang zu den Theorien von Cizek. Dieser betont die natürliche Entwicklung und Reifung jedes einzelnen nach seinen ihm entsprechenden Möglichkeiten ohne jegliche Form von Zwang. Nach seiner Ansicht ist jeder kreativ.51
Bei Ausstellungen will Rothko einen Raum schaffen, wo die Bilder hingehören wie er es ausdrückt. Er versucht das Museum als Institution zu umgehen und den Raum zu verwandeln das er dem entspricht in dem seine Bilder entstehen.
Rothko ist stets auf der Suche nach dem Wesen der Malerei. Er selbst spricht immer wieder „vom Kampf hinter das Wesen der Malerei gelangen zu wollen“.52
Bei seiner Darstellungsweise geht es ihm darum die „Hindernisse, die zwischen dem Maler und seiner Idee, und der Idee und dem Betrachter stehen“53 zu beseitigen. Er will mit seinen Bildern einen Bewusstseinszustand beim Betrachter erreichen, der den Menschen vom materiellen Denken befreit.
Rothkos Bilder weisen einen raumumfassenden Charakter auf, was deutlicht macht warum er zunehmend die Teilnahme an Gruppenausstellungen ablehnt.
Rothko schafft mit seinen Werken einen Raum, beziehungsweise, seine Werke machen „die Substanz des Raumes“54 aus. Das Gefühl für Raum lässt sich schon in seinem realistischen Frühwerk erkennen. Das Bewusstsein für architektonische Zusammenhänge zieht sich also durch seinen ganzen Schaffensprozess hindurch. Von Johnson wird Rothko schon 1951 „als Maler von Wandbildern“56 bezeichnet. Rothko lässt Orte entstehen, an denen die Verschmelzung von Betrachter und Bild stattfinden kann.
Sein innigster Wunsch ist „die Schaffung einer eigenen Sixtinischen Kapelle“.57 Bei Aufträgen wie die Bilder für das Seagram-Building will er diesen Wunsch umsetzten. Letztendlich gelingt ihm dies bei der Ausgestaltung der Houton-Kapelle.
8. Literaturverzeichnis
- Amstrong, Tom: Amerikanische Malerei 1930 - 1980. Prestel-Verlag München 1981.
- Joachimides, Christos und Norman Rosenthal: Amerikanische Kunst im 20. Jahrhundert. Malerei und Plastik 1913 - 1993. Prestel-Verlag München 1993.
- Breslin, James E. B.: Mark Rothko. Eine Biographie. Verlag Ritter Klagenfurt 1995.
- Fondation Beyeler: Mark Rothko. A consummated experience between picture and onlooker. Hatje Cantz Verlag Ostfildern-Ruit 2001.
- Fondation Beyeler: Mark Rothko. Flayer zur Ausstellung >A consummated experience between picture and onlooker<. 2001.
9. Quellenangaben
[...]
1. vgl. Fondation Beyeler: Mark Rothko. Flayer zur Ausstellung >A consummated experience between picture and onlooker<. 2001.
2. vgl. Fondation Beyeler: Mark Rothko. A consummated experience between picture and onlooker. Hatje Cantz Verlag Ostfildern-Ruit 2001. S.143.
3. vgl. Breslin, James E. B.: Eine Biografie. Verlag Ritter Klagenfurt 1995. S. 159
4. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 190.
5. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 202.
6. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 204.
7. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 299.
8. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 261.
9. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 246.
10. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 269.
11. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 291.
12. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 291.
13. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S.302.
14. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 305.
15. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 305f.
16. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 308.
17. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 378.
18. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 397.
19. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 467.
20. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 500.
21. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 570
22. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 578.
23. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 589.
24. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 84
25. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 299.
26. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 400.
27. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 598.
28. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 605
29. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S.605.
30. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 83
31. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 291.
32. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 140.
33. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 265.
34. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 295.
35. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 397.
36. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 414.
37. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 649.
38. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 504.
39. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 255.
40. Fondation Beyeler: Mark Rothko. A consummated experience between picture and onlooker. Hatjes Cantz Verlag Ostfildern-Ruit 2001. S. 47.
41. Fondation Beyeler a.a.O. S. 23.
42. Fondation Beyeler a.a.O. S. 23.
43. Fondation Beyeler a.a.O. S. 23.
44. Fondation Beyeler a.a.O. S. 25.
45. Fondation Beyeler a.a.O. S. 25.
46. Fondation Beyeler a.a.O. S. 32.
47. Fondation Beyeler a.a.O. S. 19.
48. Fondation Beyeler a.a.O. S. 179.
49. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 261.
50. vgl. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 191.
51. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 469.
52. Breslin, James E. B. a.a.O. S. 500.
53. Fondation Beyeler a.a.O. S. 58.
54. Fondation Beyeler a.a.O. S. 26.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Thema dieses Textes über Mark Rothko?
Dieser Text ist eine umfassende Sprachvorschau über Mark Rothko, die seine Biografie, wichtige Themen in seinem Werk, seine künstlerischen Absichten und die Beziehung zu seinem Publikum behandelt. Es werden Widersprüche in seinem Leben und Werk, die Entmaterialisierung in seiner Kunst und seine Suche nach einer besonderen Beziehung zwischen Betrachter und Bild untersucht.
Welche Abschnitte sind im Inhaltsverzeichnis aufgeführt?
Das Inhaltsverzeichnis umfasst folgende Abschnitte: Einleitung, Rothkos Biographie (einschließlich seiner verschiedenen Lebensphasen), Der Widerspruch, Die Entmaterialisierung, Rothko und sein Publikum, Rothkos Absicht, Literaturverzeichnis und Quellenangaben.
Was sind die Hauptpunkte in Rothkos Biographie, die in diesem Text hervorgehoben werden?
Der Text unterteilt Rothkos Leben in vier Phasen, beginnend mit seiner Geburt in Russland und seiner Emigration in die USA. Es werden seine Studienjahre, seine künstlerischen Anfänge in New York, seine Ehen und Scheidungen, seine Entwicklung als Künstler des Abstrakten Expressionismus und seine späteren Jahre mit Aufträgen wie dem Seagram-Projekt und der Houston-Kapelle beleuchtet.
Was bedeutet "Der Widerspruch" im Kontext von Rothkos Leben und Werk?
Der Text untersucht die vielen Widersprüche in Rothkos Leben und Werk, wie z.B. seinen Bruch mit dem Judentum und seiner Familie zu Beginn seiner Karriere, seine Ambivalenz gegenüber Sicherheit und Freiheit, seine Sehnsucht nach Anerkennung bei gleichzeitiger Ablehnung des Kunstbetriebs und seine komplizierte Beziehung zu Materialismus und Entmaterialisierung.
Was versteht der Text unter "Entmaterialisierung" in Bezug auf Rothkos Kunst?
Die "Entmaterialisierung" bezieht sich auf Rothkos zunehmende Abkehr von figurativen Darstellungen und Symbolik in seiner Kunst. Es beschreibt seinen Weg zur Abstraktion, bei dem er versucht, die physische Welt zu transzendieren und einen Bewusstseinszustand zu erreichen, der den Betrachter von materiellem Denken befreit.
Wie beschreibt der Text Rothkos Beziehung zu seinem Publikum?
Der Text betont die zentrale Bedeutung der Betrachter-Bild-Beziehung in Rothkos Kunst. Er wollte eine intensive emotionale, physische und geistige Verbindung zwischen dem Betrachter und seinem Werk herstellen, bei der der Betrachter die Werke nicht nur visuell, sondern auch existentiell erfahren sollte. Er strebte die Kontrolle über den Betrachter an, um diesen optimal zu beeinflussen.
Was waren Rothkos künstlerische Absichten, wie in dem Text dargestellt?
Rothko suchte in seiner Malerei das Theatralische darzustellen, das jenseits des Bildes lag. Er wollte sein Inneres erforschen und darstellen, ein Gleichgewicht zwischen Sinnlichem und Metaphysischem finden und Werke schaffen, die eine tiefere Bedeutungsebene erreichen. Er wollte die Betrachter von materiellen Dingen befreien und eine spirituelle Erfahrung ermöglichen.
Welche Literatur und Quellen werden im Text erwähnt?
Der Text enthält ein Literaturverzeichnis mit Werken von Tom Amstrong, Christos Joachimides und Norman Rosenthal, James E. B. Breslin sowie Publikationen der Fondation Beyeler. Die Quellenangaben enthalten eine Auflistung verschiedener Stellen, an denen Informationen im Text referenziert werden.
- Quote paper
- Christine Wolf (Author), 2002, Mark Rothko. Biographie und Werk, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106919