Unter dem Libanonkonflikt ist zum einen der innerlibanesische Bürgerkrieg in der Abhängigkeit vieler verschiedener Faktoren, die diesen Konflikt ausmachen, wie soziale Spannungen, regionale Gegensätze, politische und religiöse Differenzen, äußere Einflüsse und die Präsenz der Palästinenser zu sehen. Diese Elemente dürfen nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Die innerlibanesische Auseinandersetzung war zwar nicht ausschlaggebend, hat aber nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass der Libanon zum Schlachtfeld wurde. Zum anderen ist der Libanonkonflikt aber auch ein israelisch-palästinensischer Krieg, welcher auf dem libanesischen Territorium ausgetragen wurde und zu einer mehrjährigen israelischen Besatzungszeit führte.
(...)
Gegenstand dieser Seminararbeit ist die nähere Betrachtung der Einbindung eines arabischen Nachbarstaates in den Nahostkonflikt und dem daraus folgenden Friedensprozess. Dabei soll die politische und gesellschaftliche Situation im Libanon, der vor seinem 15 Jahre andauernden (Bürger-)Krieg drei Jahrzehnte lang "als ein Beispiel erfolgreicher, friedlicher und demokratischer Koexistenz, als einer der wenigen gelungenen Fälle einer Konkordanzdemokratie außerhalb Europas" galt 5, untersucht werden. "Es hat im Libanon keinen Bürgerkrieg gegeben, sondern nur einen Krieg anderer auf unserem Territorium"6. Diese 1993 von Staatspräsident Elias Hrawi vorgetragene Sichtweise illustriert die Meinung, der Krieg sei vor allem ein Ersatzkrieg für den Palästinakonflikt sowie für die syrisch-israelischen Auseinandersetzungen gewesen. Um die Stellung des Libanon im Nahostfriedensprozess zu verstehen, müssen innerlibanesische Konfliktpunkte betrachtet werden. Dazu ist eine historisch hergeleitete Betrachtung der libanesischen Gesellschaft notwendig. Weiterhin werden Problemfelder der 90-er Jahre aufzeigt, welche im Rahmen des Friedensprozesses Einfluss haben. Im Rahmen der Erstellung der Seminararbeit konnte mit Masse nur auf Schriften und Aufsätze bis Ende der 90-er Jahre zurückgegriffen werden, wobei die Schriften fast immer im unmittelbaren Zusammenhang in der Betrachtung mit Syrien stehen. Trotz einer nicht unwesentlichen Schlüsselrolle wird Syriens nicht betrachtet und analysiert, da dies in einer eigenständigen Arbeit behandelt wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Der Friedensprozess in Nahost
1.1. Einleitung
1.2. Begriffsbestimmung
1.3. Abgrenzung des Themas
2. Innerlibanesische Betrachtungen
2.1. Historischer Abriss
2.2. Die Libanesische Gesellschaft
3. Einbindung des Libanon in den Friedensprozess
3.1. Die Internationalisierung des Libanonkonflikts
3.2. Tendenzen seit Oslo
4. Ausblick
5. Anhang
5.1. Anmerkungen
5.2. Literaturverzeichnis
5.3. Anlage
1. Der Friedensprozess in Nahost
1.1. Einleitung
Frieden ist mehr als Nicht-Krieg. Dieser "so scheinbar einfache(n) wie richtige(n) Einsicht[1]" und dem Ende des Kalten Krieges ist ein weltweit einsetzendes Interesse zur Konfliktbewältigung zu verdanken. "Sobald nicht mehr geschossen wurde, also nach landläufiger Meinung "Frieden" herrschte, nahm das öffentliche Interesse rapide ab.[2] " Anders entwickelte es sich in den 90-er Jahren, dem Jahrzehnt der verstärkten Konfliktbewältigung durch vielfältigste Friedensinitiativen. Der dazu ins Leben gerufene Friedensprozess ist der Versuch der Lösung eines Konfliktes, welcher in Abhängigkeit seines Ausmaßes, der Betroffenheit der Weltöffentlichkeit und des resultierenden Elends wahrgenommen wird. Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch des Ostblocks trat ein Krisenherd aus dem Schatten, der jahrzehntelang vom Ost- West- Gegensatz nicht nur ausschließlich finanziell gelebt hat.
Krisenherd Nahost - kaum eine Gegend der Welt umfasst ein so zahlreiches wie schillerndes Konfliktmuster. Dieses Konfliktmuster ist ein kompliziertes Geflecht aus unterschiedlichsten Beziehungen von mehreren zusammenhängenden Konflikten, welche eine eigene Geschichte besitzen, eigenständige Dynamik entfalten und spezifische Interferenzen aufweisen.[3] Eine friedliche Konfliktlösung, beginnend mit dem Aufbruch von Israelis und Palästinensern zur Lösung des sich nachhaltig über nun schon mehrere Jahrzehnte auswirkenden und dermaßen kontrovers diskutierten Palästinenserkonflikts, kann nicht losgelöst von der übrigen arabischen Welt betrachtet werden. Insbesondere die nicht minder nachhaltige Auseinandersetzung im Rahmen des Libanonkonflikts und seine Auswirkungen spielen eine nicht unwesentliche Rolle im laufenden Friedensprozess.
1.2. Begr iffsbestimmung
Unter dem Libanonkonflikt ist zum einen der innerlibanesische Bürgerkrieg in der Abhängigkeit vieler verschiedener Faktoren, die diesen Konflikt ausmachen, wie soziale Spannungen, regionale Gegensätze, politische und religiöse Differenzen, äußere Einflüsse und die Präsenz der Palästinenser zu sehen. Diese Elemente dürfen nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Die innerlibanesische Auseinandersetzung war zwar nicht ausschlaggebend, hat aber nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass der Libanon zum Schlachtfeld wurde. Zum anderen ist der Libanonkonflikt aber auch ein israelisch-palästinensischer Krieg, welcher auf dem libanesischen Territorium ausgetragen wurde und zu einer mehrjährigen israelischen Besatzungszeit führte.
Unter dem Libanon ist der Staat in seinen von den Vereinten Nationen 2000 festgelegten Grenzen, einschließlich des 1951 durch Syrien per Handschlag zugesprochenen strittigen Gebietes der Shebaa- Farmen[4] zu verstehen.
Die einzelnen libanesischen Volksgruppen als Hauptakteure zur besseren Verdeutlichung des innerlibanesischen Konfliktes werden in einer eigenen Anlage näher betrachtet.
1.3. Abgrenzung des Themas
Gegenstand dieser Seminararbeit ist die nähere Betrachtung der Einbindung eines arabischen Nachbarstaates in den Nahostkonflikt und dem daraus folgenden Friedensprozess. Dabei soll die politische und gesellschaftliche Situation im Libanon, der vor seinem 15 Jahre andauernden (Bürger-)Krieg drei Jahrzehnte lang "als ein Beispiel erfolgreicher, friedlicher und demokratischer Koexistenz, als einer der wenigen gelungenen Fälle einer Konkordanzdemokratie außerhalb Europas" galt[5], untersucht werden.
"Es hat im Libanon keinen Bürgerkrieg gegeben, sondern nur einen Krieg anderer auf unserem Territorium"[6]. Diese 1993 von Staatspräsident Elias Hrawi vorgetragene Sichtweise illustriert die Meinung, der Krieg sei vor allem ein Ersatzkrieg für den Palästinakonflikt sowie für die syrisch-israelischen Auseinandersetzungen gewesen. Um die Stellung des Libanon im Nahostfriedensprozess zu verstehen, müssen innerlibanesische Konfliktpunkte betrachtet werden. Dazu ist eine historisch hergeleitete Betrachtung der libanesischen Gesellschaft notwendig. Weiterhin werden Problemfelder der 90-er Jahre aufzeigt, welche im Rahmen des Friedensprozesses Einfluss haben.
Im Rahmen der Erstellung der Seminararbeit konnte mit Masse nur auf Schriften und Aufsätze bis Ende der 90-er Jahre zurückgegriffen werden, wobei die Schriften fast immer im unmittelbaren Zusammenhang in der Betrachtung mit Syrien stehen. Trotz einer nicht unwesentlichen Schlüsselrolle wird Syriens nicht betrachtet und analysiert, da dies in einer eigenständigen Arbeit behandelt wird.
2. Innerlibanesische Betrachtung
2.1. Historischer Abriss
Die vorchristliche Zeit ist gekennzeichnet durch eine häufig wechselnde Herrschaft über das Gebiet des heutigen Libanon. Seine territoriale Bedeutung für Händler und Armeen war begründet im Küstenpfad und der anschließenden Bekaa- Senke als Durchzugsland. Diese spielt noch heute in der militärstrategischen Risikobewertung eine nicht zu verachtende Rolle. 636 n. Chr. brachten die arabischen Eroberer in die inzwischen christianisierten Küstenstädte den Islam mit. Seit dieser Zeit wanderten vor allem Angehörige verfolgter Minderheiten in die libanesischen Berge. Diese Abwanderung stellte den ersten Schritt zur Teilung der Gesellschaft mit stark differenzierter Wirtschaftskraft und daraus resultierendem sozialen Unfrieden dar. Aus Stämmen und Volksgruppen bildeten sich im Laufe der Zeit ethno- religiös definierte Gemeinschaften. Eine tragende Rolle wuchs seit der Jahrtausendwende den mit Rom unierten Maroniten im Norden, den Drusen und den Schiiten im Süden zu. Diese Volksgruppen errichteten allmählich ein eigenständiges soziales und politisches System hierarchisch gegliederter Schichten und sich gegenseitig kontrollierender, patriarchalisch strukturierter Familienverbände. Die entscheidenden sozialen und politischen Weichenstellungen zur Entstehung des modernen Libanon fanden im 19. Jahrhundert statt. Die demographischen und ökonomischen Expansionen der Maroniten nach Süden (in das Gebiet der Drusen hinein) und die Außenorientierung dieser Gemeinschaft in Richtung altes Europa führten zu einem Antagonismus, der sich 1841-1845 und 1860 in Bürgerkriegen entlud.[7] Dies begünstigte Einmischungsversuche von europäischer Seite und Interventionen, vor allem seitens Frankreichs. Diese Interventionen, der erwähnte Antagonismus und eine gewisse außenpolitische Schwäche führten nach dem Bürgerkrieg von 1860 zur Etablierung der autonomen Provinz Mont Liban. Das nun herrschende politische System war durch einen Konfessionsproporz gekennzeichnet, der die religiösen Gemeinschaften administrativ separieren und ihnen eine angemessene politische Repräsentation ermöglichen sollte.[8] Diese Koexistenz wurde durch den institutionellen Rahmen nahezu erzwungen. An der Spitze des Systems stand ein vom türkischen Sultan mit der Zustimmung der europäischen Großmächte ernannter christlicher, aber nicht- libanesischer Osmane. Ihm stand ein Verwaltungsrat zur Seite, der nach Konfessionsproporz zusammengesetzt war. Dieser Rat setzte sich aus sieben Christen und fünf Nicht- Christen zusammen. Trotz der Integration und Beteiligung aller Volksgruppen wurden schon in dieser Phase vorherrschende demographische Faktoren nicht berücksichtigt und weiteres Konfliktpotential begründet. Die damalige, dominierende politische, weil auch ökonomisch stärkste Gemeinschaft waren die Maroniten[9].
Als ein Ergebnis des 1. Weltkrieges schufen die Alliierten unter Ablösung der repressiven türkischen Militärverwaltung den Großlibanon in seinen heutigen Grenzen und erklärten ihn ebenso wie Syrien zum französischen Mandatsgebiet.[10] Hier ist weiteres Potential für zukünftige Konflikte zu sehen, da auch der Libanon kein historisch gewachsenes Staatsgebilde ist. Später wurde der Großlibanon durch die Verfassung von 1927 in Libanesische Republik umbenannt. Bis auf wenige Änderungen hat diese Verfassung noch heute Bestand. Der angesprochene libanesische Konfessionsproporz ist in Artikel 95 festgeschrieben und legt fest, dass die verschiedenen Gemeinschaften ,,vorübergehend[11]" bei der Besetzung öffentlicher Ämter vertreten sein müssen. Der Grund war neben der Beteiligung und Integration der Muslime, die Anzahl der Christen im neuen Staat zu erhalten. Mit zunehmenden Fortbestand des Staates, entwickelten mehr und mehr Muslime, mit Masse Angehörige der Oberschicht, ein politisches und ökonomische Interesse am Fortbestand des Libanon. Bereits Ende der 30er Jahre verfügte der Libanon über eine breite Masse an politisch aktiven Muslimen, die für einen unabhängigen Libanon mit arabischem Charakter eintraten.[12] In dieser Zeit beginnend kam die einhellige Forderung zur Aufhebung des französischen Mandats auf. 1943 erlangte der Libanon seine formale Unabhängigkeit. Es war möglich, außen- und innenpolitische Formeln zu finden, die verhinderten, dass der auf sich gestellte Staat an den divergierenden Loyalitäten seiner Bewohner zerbrach. Dies gelang, indem 1943 der maronitische Präsident und der sunnitische Ministerpräsident den Nationalpakt begründeten. Dieser bestand im Wesentlichen in dem Verzicht der muslimischen Seite auf eine Vereinigung mit Syrien und durch die Anerkennung der Christen bezüglich der arabischen Bindungen.
Unverändert wurde an der bisherigen Regelung des Konfessionsproporzes und der Verfassung von 1927 festgehalten. 1946 schließlich kam es auch zur Souveränität von Frankreich und alle Mandatsartikel wurden aus der Verfassung gestrichen[13]. Hier sind erste Ursachen für einen beginnenden innerlibanesischen Konflikt zu finden, da der Konfessionsproporz die demographischen Entwicklungen weiterhin nicht berücksichtigte. Aus machtpolitischen Interessen lag keine Bereitschaft zur Änderung der Verfassung vor. Als ein weiterer, wesentlicher Aspekt ist eine gemeinsame Fremdherrschaft unter französischem Protektorat zu nennen, da dieses zwar ungewollte, aber erneute Miteinander als eine Begründung für heute herrschende politische Abhängigkeiten seitens der Syrer genutzt wird.
2.2. Die Libanesische Gesellschaft
Kennzeichnend für das Zusammenleben der Konfessionen im Libanon ist eine starke Identifikation des einzelnen Bürgers mit seiner Konfessionsgruppe, die im allgemeinen durch keine andere politische Loyalität aufgewogen wird. Ursache hierfür ist zum einen, dass mit dem Libanon kein historisch begründeter Staat gewachsen ist. Zum anderen versteht sich der Libanon als arabischer Staat, welcher sich wie die Masse der arabischen Staaten als eine Gemeinschaft der Gläubigen definiert und nicht territorial. Begünstigt wird dieses zudem durch den Umstand, dass der Libanon keine homogene Gesellschaft besitzt. Der libanesische Staatsangehörige ist in erster Linie nicht Libanese, sondern definiert sich über seine Religionszugehörigkeit. Er ist Schiit, Maronit, Sunnit etc. Dies bedeutet, dass der Libanese in seiner Religionsgemeinschaft seinen Bezugsrahmen und seine Identität begründet.[14]
Somit ergibt sich eine relativ rechtlose, im größten Elend lebende Gruppe der Nicht-Libanesen ohne Arbeitserlaubnis, wie die Palästina-Flüchtlinge, Syrer und Kurden, die Saison- und Gelegenheitsarbeiter. Hauptproblem sind dabei die ungeliebten, palästinensischen Flüchtlinge, die zwar mit Mehrheit Sunniten sind und etwa 10% der Einwohner Libanons ausmachen. Sie sind der Nährboden für die Bereitschaft zur offenen Auseinandersetzung mit den erklärten Hauptschuldigen, den Israelis und anderen nicht- arabischen Volksgruppen. Insbesondere die Nichteingliederung in die libanesische Gesellschaft und ein Gerücht der Ausbürgerung nach dem Irak im Falle eines Friedens zwischen Israel einerseits sowie Syrien und dem Libanon sind dem Friedensprozess nicht unbedingt zuträglich.[15]
Die Mehrheit der Bevölkerung besteht aus abhängigen Landarbeitern, die teils aufgrund der schlechten Lebensbedingungen, teils wegen israelischer Angriffe auf ihre Dörfer zunehmend in die Stadt abgewandert sind. Diese Binnenflüchtlinge, mit Masse arabischer Abstammung sind ein weiterer nicht unwesentlicher Faktor, welcher destabilisierend und konfliktfördernd wirken kann. Im Rahmen des Friedensprozesses kann hier entgegengewirkt werden, wenn es gelingt, Binnenflüchtlinge aus dem Südlibanon zurückzusiedeln.[16]
Abschließend ist noch die derzeitige Bevölkerungszusammensetzung - unterschieden in Ethnien und Religion - anzuführen. Derzeit leben etwa 80% Libanesen, etwa 10% Palästinenser und weitere 10% Armenier, Syrer und Kurden im Libanon. Diese sind nach Religionen in 60% Muslime (Schiiten, Sunniten, Drusen) und 40% Christen (Maroniten, Griechisch- Orthodoxe, etc.) zu unterscheiden.
3. Einbindung des LIBANON in den Friedensprozess
3.1. Internationalisierung des Libanonkonflikts
Bevor die Einbindung des Libanon in den aktuellen Friedensprozess behandelt wird, sind zuerst Verbindungen mit dem Palästinenserkonflikt darzustellen.
Dabei sind 4 entscheidende Phasen zu betrachten.
Die erste Phase steht im engen Zusammenhang mit der Gründung Israels sowie dem ersten israelisch- arabischen Krieg 1948 und den daraus resultierenden etwa 130000 palästinensischen Flüchtlingen.[17] Neben dem immer vorhandenen sozialen Unfrieden durch Ungleichbehandlung begannen die Libanon- übergreifenden Probleme mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967, dem Zeitpunkt des Beginns der zweite Phase. In dieser Phase begannen die Palästinenser sich politisch und militärisch zu organisieren und ihre Aktivitäten mehr und mehr nach Libanon verlagern, da insbesondere in den Flüchtlingslagern unbegrenztes menschliches Potential für die Verwirklichung palästinensischer Ziele vorhanden war. Für viele einheimische, libanesische muslimische Einwohner war die Unterstützung, nicht Integration der arabischen Brüder selbstverständlich und sie nutzten die palästinensische Präsenz als Ausgleich zu der politischen
Vormachtstellung der Christen. Daraus resultierend sahen die ansässigen Christen hingegen ihre Vormachtstellung im Land und den Libanon an sich durch die immer unkontrollierbareren Palästinenser (Südlibanon wurde in der Tat zur Front gegenüber Israel) bedroht. Trotzdem erhielten die Palästinenser im Einvernehmen mit der arabischen Liga 1969 durch das Kairoer Abkommen offiziell die Anerkennung der libanesischen Führung, Südlibanon als Operationsbasis gegen Israel zu nutzen. ,,So war es kein Wunder, dass Libanon schließlich an der Divergenz über die Palästinenserfrage zerbrach."[18]
Dies führte unmittelbar in eine dritte entscheidende Phase, dem libanesischen
Bürgerkrieg, der sich durch gegenseitigen Massaker der Maroniten und Palästinenser im Frühjahr 1975 auszeichnete. Dies war Anlass zur Besetzung weiter Teile des Libanons im Jahr 1976 durch syrische Truppen. Dieser Bürgerkrieg hatte in Syrien Besorgnis erregt, nicht zuletzt, weil libanesische Entwicklungen aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit Syriens und Libanons[19] und ähnlichem soziokulturellem Milieu auf den Nachbarstaat hätten übergreifen können. Auch die zunehmende Involvierung Libanons in den israelisch-
palästinensischen Konflikt provozierte Syrien zum Eingreifen. Durch die Intervention konnte Syrien ein Überhandnehmen radikaler linksmuslimischer Kräfte in Libanon verhindern.
Als vierte Phase ist der Einmarsch israelischer Truppen 1978 und 1982 in den Libanon zu benennen. Insbesondere letzterer Einmarsch war verbunden mit schweren Verlusten für die dort stationierten syrischen Streitkräfte. Nachdem Israel die Palästinenser stark geschwächt und die syrischen Truppen zurückgedrängt hatte, wurde eine Chance für eine Restauration, die fälschlicherweise für einen Neubeginn gehalten wurde, im Libanon für realistisch gehalten. Die westlichen Mächte mussten jedoch ihre Fehleinschätzung der Verhältnisse im Libanon eingestehen.[20] Zum einen blieben wesentliche Ursachen, wie das palästinensische Flüchtlingsproblem und der Konfessionsproporz ungelöst. Zum anderen wurde sehr deutlich, dass sowohl die libanesische Regierung als auch die einzelnen Milizen auf die Unterstützung und Regulierung durch Syrien angewiesen waren. Die scheinbar nicht zu überwindenden Gegensätze und Spannungen in der Region förderten den syrischen Einfluss. Syriens Präsenz wurde vom Westen und von Israel stillschweigend akzeptiert. Es wurde erkannt, dass sie nicht völlig negativ zu werten war, denn Syrien galt als ein Ordnungsfaktor in dem zur Anarchie neigenden libanesischen Konflikt. Die Regierung Libanons konnte kein Interesse am Überhandnehmen radikaler Kräfte haben und Syrien war hingegen immer auf einen Augleich bedacht und hat auch bis dahin immer einem Zerfall des kleinen Staates entgegengewirkt.
3.2. Tendenzen seit Oslo 1993
Aus der bisherigen Betrachtung wird ersichtlich, dass der Libanon eng verbunden mit dem bisherigen Nahostkonflikt und zwangsläufig dem daraus resultierenden Friedensprozess ist. Der Umstand, dass insbesondere der Südlibanon ein höchst gefährlicher Krisenherd war und hier zudem die Frontlinie zwischen den nicht verhandlungsbereiten Syrern und Israel verlief, hatten Einfluss auf den Palästinenserkonflikt. Potenziert durch islamischen Fundamentalismus, die Instabilität und syrische Abhängigkeit des libanesischen Systems ist hier ein wichtiger Eckpfeiler für einen dauerhaften Frieden in Nahost zu sehen. Grundvoraussetzung dafür ist jedoch die Anerkennung Israels und die Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems als Herd für palästinensischen und libanesischen Fundamentalismus. Als Vasall Syriens kann der Libanon ohne Zustimmung Syriens weder Verhandlungen mit Israel führen noch dieses anerkennen. Der Libanon mit derzeitig etwa 30000 syrischen Soldaten ist praktisch syrischer Machtbereich, so dass ein libanesisch- israelischer Frieden eine syrische Entscheidung geworden ist. Diese Entscheidung wird aber, ohne dieses näher beleuchten zu wollen, nicht vor Klärung der Golan- Problematik machbar sein.[21] Diese syrische Abhängigkeit führte letztendlich dazu, dass anfängliche Kontakte im Rahmen der Washingtoner Gespräche seit Februar 1994 eingestellt und alle weiteren Verhandlungen eingefroren wurden. Selbst die Erklärung Israels, dass es weder an libanesischem Territorium noch an Ressourcen Libanons interessiert sei , sondern nur die primäre Sorge um seine nördliche Landesgrenze habe, bewirkte ein Aufeinanderzugehen aus schon bisher genannten Gründen.[22] Bis heute hat Libanon auch nichts unternommen, um etwaige Bedrohungen Israels seitens der Hisbollah oder anderer fundamentalistischer Gruppen zu verurteilen, geschweige denn zu unterbinden. Weiterhin lehnen Syrien, Libanon und die Hisbollah die durch die Vereinten Nationen im Mai 2000 festgelegte libanesisch- israelische Grenze wegen des strittigen Gebietes der Shebaa- Farmen ab.[23] Dies muss mit einer fortwährenden
Bedrohung der nördlichen Grenze Israels gleichgesetzt werden und erschwert immens den Friedensprozess.
Ein weiterer, der wichtigste Gesichtspunkt, die Flüchtlingsproblematik, wird weder durch die Oslo- Verträge, noch durch die Bereitschaft zur Integration[24] bzw. des Integrierenswollens abgedeckt.[25] Seitens des Libanon ist dabei nicht nur die allgemeine Befürchtung, bereits bestehende Konfessionsprobleme zwischen Araber und Christen durch einen weiteren demographischen Schub seitens der Araber zu erhöhen. Auch die potentielle Gefahr für den sozialen Frieden, ca. 60% der palästinensischen Flüchtlinge leben heute in tiefster Armut[26], und die schlechte aktuelle Wirtschaftskraft Libanons spielen eine nicht unwesentliche Rolle.
Abschließend soll noch der nicht zu unterschätzende Aspekt des Fundamentalismus (hier nur der arabische, obwohl es gleichermaßen auch den jüdischen Fundamentalismus betrifft) angesprochen werden. Ungelöst und unverändert läuft die Auseinandersetzung um arabisches Territorium. Durch gezielte Terroraktionen, sei es mittels Selbstmordattentätern[27], als auch durch Katjuscha- Raketen soll der Friedensprozess zum Stillstand gebracht werden. Ein erfolgreicher Friedensprozesses und die damit verbundenen Anerkennung Israels ist gleichzusetzen mit dem Verlust arabischen Bodens. Ohne die Entmachtung der Fundamentalisten und der Auflösung bzw. der Versuch einer politischen Integration der verschiedenen Ströme (Hamas, Hisbollah etc.) wird ein erfolgreicher Friedensprozess nur schwer fortsetzbar sein.[28]
4. Ausblick
Der Nahostkonflikt und die Einbindung der Anrainerstaaten in den Konflikt und Friedensprozess umfasst viele Ursachen und Abhängigkeiten, die nur gemeinsam unter gleichzeitiger Neutralisation der Gefühle der arabischen Völker und des jüdischen Volkes beseitigt und die Glut des Konfliktherdes für einen dauerhaften Frieden gelöscht werden kann.[29] Insbesondere der Libanon mit seinen historisch vorhandenen Möglichkeiten als Handels-, Finanz- und intellektuelles Zentrum zu einer offenen und pluralistischen Gesellschaft unter Beachtung gegenwärtiger Verhältnisse und Erfordernisse trägt nicht unwesentlich zum Gelingen des laufenden Friedensprozesses bei. Mit dem Besinnen auf ehemalige Tugenden, wie bereits erwähnt, kann der Libanon wieder an wirtschaftlicher Stärke als einzige wirkliche Konkurrenz zu Israel[30] auferstehen und ein wesentlicher Garant für dauerhaften Frieden und Stabilität sein. Obwohl Proporzkonflikte wieder deutlicher werden und innenpolitische Spannungen steigen, der Staat an sich Bankrott ist, stehen die Zeichen der Zeit günstig. Mit dem Tod des ehemals sehr machtbesessenen syrischen Führers Assad und einem nun eher liberaleren Führer Bashar al- Assad ist ein langsames Lösen aus der syrischen Vormundschaft
denkbar. Dies begünstigte den Umstand, dass bei der Wahl im September 2000 der Milliardär Rafiq Hariri als Ministerpräsident gewählt werden konnte. Bereits von 1992 bis 1998 regierte er den libanesischen Staat. Hariri ist ein bei den Syrern
- die seit drei Jahrzehnten de facto den Libanon regieren - in Ungnade gefallener Politiker. Er steht für wirtschaftliche Förderung und Entwicklung mit all seinen Nachteilen, lösgelöst von einer syrischen Vormundschaft. Der Prozess wird zudem durch den vollzogenen israelischen Truppenabzug begünstigt.[31] Dieser Truppenabzug hat zudem noch zwei weitere positive Aspekte. Zum einen ist er Grundlage für die Beendigung eines destabilisierenden Kleinkrieges im Südlibanon, welcher eine vermutlich widerstandslose Entwaffnung der anti israelisch libanesischen Resistanze insbesondere der Hisbollah fördern wird. Die Wahlbeteiligung der Hisbollah im Jahre 2000 mit dem Anspruch auf politische Beteiligung im Libanon spricht für diese These. Zum anderen stellt sich nun die Frage der Notwendigkeit der Präsenz von syrischen Truppen im Libanon. Ein Abzug dieser Truppen entschärft nicht nur die unmittelbare Frontlinie im Nahostkonflikt, sie ist zudem gleichbedeutend mit dem Lösen von syrischer Vormundschaft.[32]
Der Libanon ist ausgeblutet und hat sein Interesse am Krieg verloren. Es liegt nun in den Händen der amtierenden Regierungen, die trotz verstärkter Übergriffe und der durch die Intifada 2 hervorgerufene Verhärtung der Positionen die günstigen Bedingungen als Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten zu nutzen und den Friedensprozess weiter fortzusetzen. Der Libanon wird bei einer positiver Entwicklung, nicht bei einem Rückfall auf Glaubensfragen, auch beispielgebend im Zusammenleben von arabischen- und nichtarabischen Volkgruppen, damit stabilisierend und entwicklungsfördernd in dieser Region sein.
[...]
[1] Matthies, Volker „Der Transformationsprozess vom Krieg zum Frieden – ein vernachlässigtes Forschungsfeld.“ in: ders. (Hrsg.): Vom Krieg zum Frieden. Kriegsbeendigung und Friedenskonsolidierung. Bremen 1995. S.8-38, S.19
[2] ebd., S.18
[3] Vgl. Schmid, Claudia „Frieden auf Raten“ in S+F 2/96 S. 70
[4] Vgl. Stürmer, Michael „Die Shebaa- Farmen als Prüfstein der Beziehungen Israels mit dem Libanon“ in Die Welt vom 16.12.2000 S. 9
[5] Vgl. Matthies, Volker a.a.O. S.18
[6] Zitat von Elias Hrawi in al-Hayat, 11.10.1993, zitiert nach Perthes, Volker „Wie definiert man eine Nation? Identitätssuche und Staatsaufbau im Libanon“ in: Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten (INAMO) Nr.2/95, S.9
[7] Vgl. Steinbach, U. „Politisches Lexikon Nahost“, München 1994. S.189.
[8] ebenda S.190
[9] Eine Erläuterung der Volksgruppen erfolgt in der Anlage.
[10] Vgl. Steinbach U./ Robert R. (Hrsg.) „Der Nahe und Mittlere Osten“ Opladen 1988. S.238.
[11] Article 95-(As modified by the constitutional law of 9 November 1943, article5) As a transitory measure and for the sake of even justice and concord, the communities shall be equally represented in public posts and in ministerial composition, without damage to State interest resulting there from. Vgl. “The Lebanese Constitution”, translated by Gabriel M. Bustros B.Sc. (Econ) , London im Internet unter http://www.salam.com vom 21.05.2001
[12] Vgl. Hofmeier, R. „Politisches Lexikon Nahost“, München 1994. S.193.
[13] Dies umfasst im Wesentlichen die Artikel 90 bis 94 und 96 bis 100, sowie 102. Die Masse der Verfassung wurde am 17. Oktober 1927 geändert. Vgl. “The Lebanese Constitution”, translated by Gabriel M. Bustros B.Sc. (Econ) , London im Internet unter http://www.lebanon.org vom 21.05.2001
[14] Vgl. Schlicht, Alfred, „Libanon. Zwischen Bürgerkrieg und internationalem Konflikt“, Bonn 1986
[15] Vgl. Staub, Ignatz „Wir ernten keine Früchte des Friedens“ vom 22.10.1998 im Internet unter http://www.tages-anzeiger.ch vom 12.05.2001
[16] Vgl. Hanf, Thomas „ Koexistenz im Krieg. Staatszerfall und Entstehen einer Nation im Libanon.“ Baden-Baden 1990. S.31.
[17] Vgl. Aina, Kassim „Die Organisationen der Palästinenser und Entwicklungen nach dem Bürgerkrieg“ S.44 ff.
[18] Schlicht, Alfred, a.a.O., S.11
[19] Zur Aufteilung des einstmals ,,fruchtbaren Halbmondes" in Syrien und Libanon durch die Mandatsmacht Frankreich siehe Longrigg, Stephen „Syria and Lebanon under French Mandate”, Beirut 1968. Beide so entstandenen Staaten empfanden die Aufteilung als unnatürlich, viele Bindungen bestanden auch über die Grenze hinweg fort.
[20] Vgl. Schlicht, Alfred, a.a.O., S.15
[21] Vgl. Bassam Tibi „Hat der Friede im Nahen Osten eine Chance“, Kurt R. Spillmann (Hrsg.): in Gelbe Hefte, Zeitgeschichtliche Hintergründe aktueller Konflikte V - Vorlesung für Hörer aller Abteilungen – Sommersemester 1995. Zürcher Beiträge zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung, No. 37, Zürich 1995.
[22] Vgl. Autor unbekannt „Der Friedensprozess im Nahen Osten – Ein Überblick“ , Stellungnahme der israelischen Botschaft im Internet unter http://www.mfa.gov.il vom 12.05.2001
[23] Vgl. Konflikt in Nahost – Newsletter von Yediot Ahronot, Haaretz „Vergeltung gegen syrische Ziele “ vom 03.12.2000 im Internet unter http://www.israelnetz.de vom 24.05.2001
[24] Vgl. Tophoven, Rolf „Israels Kampf mit den Palästinensern“ in Info PolBil Nr. 247 im Internet unter http://www.bpb.gekko.de/infofranzis/ html/body_i_247_3.html vom 27.12.2000
[25] Vgl. Staub, Ignatz „Wir ernten keine Früchte des Friedens“ vom 22.10.1998 im Internet unter http://www.tages-anzeiger.ch vom 12.05.2001
[26] Vgl. Aina, Kassim „Die Organisationen der Palästinenser und Entwicklungen nach dem Bürgerkrieg“ S.44 ff.
[27] Vgl. Lemarschand/ Radi „Israel und Palästina morgen“ 1997 aus Unterlagen Seminar Geopolitik Oberst Heindl, FüAkBw Hamburg, Mai 2001
[28] Vgl. Bassam Tibi „Hat der Friede im Nahen Osten eine Chance“, Kurt R. Spillmann (Hrsg.): in Gelbe Hefte, Zeitgeschichtliche Hintergründe aktueller Konflikte V - Vorlesung für Hörer aller Abteilungen – Sommersemester 1995. Zürcher Beiträge zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung, No. 37, Zürich 1995.
[29] Vgl. Dachs, Giesela „Wächter der Wunde“ in Die Zeit 37/ 2000 vom 07.09.2000 S. 49/50
[30] Vgl. Perthes, Volker „Syrien, Libanon und die schwierige Suche nach dem Frieden“ in Hofmann, Sabine; Ferhad, Ibrahim (Hrsg) „Versöhnung im Verzug“ Bouvier Verlag Bonn 1996
[31] Vgl. Göller, Josef- Thomas „Der Libanon wird selbstständiger“ in Das Parlament, Beilage Politik und Zeitgeschichte Heft 20/ 2000
[32] Vgl. Perthes, Volker „Syrien, Libanon und die schwierige Suche nach dem Frieden“ in Hofmann, Sabine; Ferhad, Ibrahim (Hrsg) „Versöhnung im Verzug“ Bouvier Verlag Bonn 1996
- Quote paper
- Ralf Mayer (Author), 2001, Die Anrainerstaaten Israels im OSLO - Prozess, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106914
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