Die Literatur von 1989 bis zur Gegenwart steht im Mittelpunkt des deutschen Intellektuellenstreits über die Wende. Vor allem in literarischen Kreisen wird über die Auswirkungen der Wende innerhalb der Gesellschaft debattiert. Wie es mit Deutschland, bzw. der DDR ohne die Wende weitergegangen wäre, ist eine müßige literarische Diskussion.
Im Zusammenhang versucht man immer wieder, in der Vergangenheit eine Rechtfertigung zu finden. Tatsächlich haben u.a. der sozialistische Entwicklungsweg der DDR, die Freiheitsbegrenzung und eine partielle Militarisierung der Gesellschaft neue Merkmale, wie z. B. autoritäre und oppositionelle Tendenzen begünstigt. Dieser negative Stempel hat dazu geführt, daß sich der "Traum" von einer besseren Gesellschaft nach und nach zerstört hat.
Im Gegensatz dazu, so Volker Wehdenking, entstand in der Bundesrepublik eine spätmoderne Kulturentwicklung, die lange von der Gruppe 47 dominierte Literatur in einem Staat konservativ-liberalen Bürgertums.
Mit dem Ende des ′Kalten Krieges′ und der Demokratisierung der DDR entfiel für die DDR-Bürger auch die Identitätsgrundlage. Unter dem Zwang der neuen politischen Konjunktur sollten sie sich plötzlich in eine andere kulturelle Persönlichkeit transformieren. Diese Tatsache bestimmt nach meiner Ansicht in hohem Maße auch die heutige gesellschaftliche Gedankenspaltung überhaupt. Bleibt die Wende umstritten? Ich würde diese Frage an dieser Stelle dahingestellt lassen. Bemerkenswert sind die Überlegungen über die DDR-Literatur nach der Wende. Während Wehdeking die Entwicklung dieser Literatur in der Richtung "einer kulturellen Wiederannäherung an die westliche Kulturentwicklung " sieht, betrachtet Tadeusz Namowicz die Ereignisse von 1989 nicht als das Ende der DDR-Literatur, sondern unter Umständen als "eine letzte Phase" und bemüht sich mit dem Versuch, diese zu legitimieren.
Ich sehe die Sache anders. Für mich besitzt die Dichtung der DDR, trotz der deutschen Einheit, eine kulturelle Dimension insofern, daß sie heute nicht nur einen Zusatz zur westdeutschen Literatur darstellt, sondern als Teil der kulturellen Identität der ehemaligen DDR-Bürger betrachtet werden muß. Ich gehe davon aus, daß die vierzig Jahre der Trennung Deutschlands u.a. zur Konsolidierung von zwei unterschiedlichen, voneinander unbeeinflußten sozio-kulturellen Erfahrungen geführt haben. Aufgrund dessen sollen die literarischen Erfahrungen der beiden Teile Deutschlands als "Prototyp" betrachtet werden [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Aus Wende literarische Epoche machen
- Volker Braun - Leben und Werke – im Überblick
- Reiner Kunze
- Heinz Czechowski
- Hans Cibulka
- Yaak Karsunke
- Kurze Analyse einiger semantischer Aspekte der Gedichte
- Das „Wir“ als Identitätsfaktor
- Volker Brauns „Desencanto“ und seine Eigentumsverlust
- Die „Architektur“ des Sozialismus
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht ausgewählte Gedichte der deutschen Literatur nach der Wende von 1989. Ziel ist es, die kulturelle Dimension der DDR-Lyrik im Kontext der deutschen Einheit zu beleuchten und die ambivalenten gesellschaftlichen Reaktionen auf diese Werke zu analysieren. Die Arbeit vermeidet eine politische Agitationslesart und fokussiert stattdessen auf die literarischen Eigenheiten der ausgewählten Gedichte.
- Die kulturelle Identität der ehemaligen DDR-Bürger nach der Wende
- Die sozio-kulturellen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland
- Die ambivalenten gesellschaftlichen Reaktionen auf die Lyrik der DDR-Autoren
- Die literarische Auseinandersetzung mit dem Sozialismus und dem Verlust des Eigentums
- Die Rolle des „Wir“ als Identitätsfaktor in der Lyrik nach der Wende
Zusammenfassung der Kapitel
Einführung: Die Einleitung beleuchtet die anhaltende intellektuelle Debatte über die Auswirkungen der Wende auf die deutsche Gesellschaft, insbesondere im literarischen Kontext. Sie thematisiert die unterschiedlichen Perspektiven auf die DDR-Literatur nach 1989, von einer kulturellen Wiederannäherung an den Westen bis hin zur Betrachtung als letzte Phase der DDR-Literatur. Die Autorin argumentiert, dass die DDR-Lyrik eine eigenständige kulturelle Dimension besitzt und nicht nur als Ergänzung zur westdeutschen Literatur betrachtet werden sollte. Sie betont die Bedeutung der vierzig Jahre getrennter Entwicklungen und den daraus resultierenden unterschiedlichen sozio-kulturellen Erfahrungen in Ost und West.
Aus Wende literarische Epoche machen: Dieses Kapitel stellt die ausgewählten Autoren – Volker Braun, Reiner Kunze, Heinz Czechowski, Hans Cibulka und Yaak Karsunke – vor und bietet einen Überblick über deren Leben und Werk. Es legt den Fokus auf die individuellen literarischen Ansätze der Autoren und wie diese die Erfahrung der Wende reflektieren. Die einzelnen Unterkapitel analysieren die biographischen Hintergründe und die stilistischen Merkmale der Schriftsteller, um deren poetologische Positionen im Kontext der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche zu verstehen.
Kurze Analyse einiger semantischer Aspekte der Gedichte: Dieses Kapitel analysiert ausgewählte semantische Aspekte der Gedichte der genannten Autoren. Es untersucht die Rolle des „Wir“ als Identitätsfaktor, die Darstellung von Volker Brauns „Desencanto“ und dem Verlust von Eigentum, sowie die literarische Auseinandersetzung mit der „Architektur“ des Sozialismus. Die Analyse konzentriert sich auf die Verwendung von sprachlichen Bildern und symbolischen Elementen, um die komplexen Erfahrungen und Emotionen der Zeit darzustellen.
Schlüsselwörter
Deutsche Literatur nach der Wende, DDR-Lyrik, kulturelle Identität, sozio-kulturelle Unterschiede, „Desencanto“, Eigentumsverlust, Sozialismus, Identitätsfaktor, ambivalente Reaktionen, kulturelle Wiederannäherung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der deutschen Literatur nach der Wende
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert ausgewählte Gedichte der deutschen Literatur nach der Wende von 1989. Der Fokus liegt auf der kulturellen Dimension der DDR-Lyrik im Kontext der deutschen Einheit und den ambivalenten gesellschaftlichen Reaktionen auf diese Werke. Dabei wird eine rein politische Lesart vermieden und stattdessen die literarischen Eigenheiten der Gedichte untersucht.
Welche Autoren werden behandelt?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Gedichte von Volker Braun, Reiner Kunze, Heinz Czechowski, Hans Cibulka und Yaak Karsunke. Ihre Biografien und literarischen Stilmittel werden im Kontext der Wende analysiert, um ihre poetologischen Positionen zu verstehen.
Welche Themen werden in der Analyse behandelt?
Die Analyse untersucht verschiedene Themen, darunter die kulturelle Identität der ehemaligen DDR-Bürger, die sozio-kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West, die ambivalenten gesellschaftlichen Reaktionen auf die DDR-Lyrik, die literarische Auseinandersetzung mit dem Sozialismus und dem Eigentumsverlust, sowie die Rolle des „Wir“ als Identitätsfaktor.
Welche semantischen Aspekte der Gedichte werden analysiert?
Die Arbeit analysiert die Rolle des „Wir“ als Identitätsfaktor in den Gedichten, Volker Brauns „Desencanto“ und den damit verbundenen Eigentumsverlust, sowie die literarische Darstellung der „Architektur“ des Sozialismus. Die Analyse konzentriert sich auf sprachliche Bilder und symbolische Elemente.
Wie wird die DDR-Lyrik in dieser Arbeit betrachtet?
Die Arbeit argumentiert, dass die DDR-Lyrik eine eigenständige kulturelle Dimension besitzt und nicht nur als Ergänzung zur westdeutschen Literatur betrachtet werden sollte. Sie betont die Bedeutung der vierzig Jahre getrennter Entwicklungen und der daraus resultierenden unterschiedlichen sozio-kulturellen Erfahrungen in Ost und West.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Deutsche Literatur nach der Wende, DDR-Lyrik, kulturelle Identität, sozio-kulturelle Unterschiede, „Desencanto“, Eigentumsverlust, Sozialismus, Identitätsfaktor, ambivalente Reaktionen, kulturelle Wiederannäherung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel über die ausgewählten Autoren und ihre Werke, ein Kapitel zur Analyse semantischer Aspekte der Gedichte und abschließende Schlussbemerkungen.
Was ist das Ziel der Arbeit?
Das Ziel der Arbeit ist es, die kulturelle Dimension der DDR-Lyrik im Kontext der deutschen Einheit zu beleuchten und die ambivalenten gesellschaftlichen Reaktionen auf diese Werke zu analysieren.
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- Mag.a Stefania Selvaggi (Author), 1999, Fünf ausgewählte Gedichte der deutschen Literatur nach der Wende, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10686