Angeboren oder erlernt? Piaget, Chomsky und Skinner
Jean Piaget
Hintergrund:
- Jean Piaget beginnt seine wissenschaftliche Karriere als Biologe (in der Kindheit Interesse für das Verhalten der Weichtiere) - Biologiestudium.
- Sein Lebenswerk ist sehr vielfältig und umfasst Studien zur Evolutionstheorie, Zoologie, Entwicklungspsychologie, Wissenschaftsgeschichte und Erkenntnistheorie, zu den Grundlagen von Mathematik, Logik u.a.
- Trotzdem bleibt sein Hauptforschungsgebiet innerhalb von fast 60 Jahren das Denken der Kinder.
- In den wissenschaftlichen Kreisen ist er bekannt als Biologe oder als Entwicklungspsychologe, doch er selbst verstand sich als Erkenntnistheoretiker.
- Er gilt als Gründer einer neuen Wissenschaft - der genetischen Epistemologie (unter „Genetik“ versteht Piaget jede Form von Entwicklungsprozessen)
Grundthese dieser Erkenntnistheorie:
Erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Untersuchungen, die mit der wissenschaftlichen Forschung einhergehen und sie begründen, müssen die Entstehung der Erkenntnisfähigkeiten in der kindlichen Psychogenese an zentraler Stelle berücksichtigen. Eine Erkenntnistheorie, die nur das vermeintlich reife Denken thematisiert, wie es beim Erwachsenen und zumal in den Wissenschaften anzutreffen ist, ist demzufolge unvollständig.
Mit dieser Auffassung tritt Piaget gegen das traditionelle Verständnis der Forschungsgebieten von Philosophie und Psychologie. Nach diesem herkömmlichen Verständnis hat sich die Psychologie mit der konkreten Genese von Erkenntnis zu beschäftigen, wobei die Philosophie den Fragen nach Geltung und Wahrheit von Erkenntnis nachgehen soll. Piaget versucht nun zu zeigen, dass diese beiden Aspekte nicht voneinander getrennt werden können. Die Geltung einer bestimmten Erkenntnisform ist seiner Ansicht nach vielmehr auf ihre Entwicklung in Phylo- und Ontogenese des Menschen zurückzuführen und durch diese zu erklären. Damit versucht er, die beiden in der Neuzeit immer stärker divergierenden Stränge von Wissenschaft und Philosophie wieder zusammenzuführen.
- Den Forschungsmethoden nach ist Piaget ein Empirist (Beobachtung und Befragen der Kinder, Versuche mit Kindern). Die empirische Vorgehensweise (in der Entwicklungspsychologie und der Erkenntnistheorie) stellt seines Erachtens eine der unverzichtbaren Voraussetzungen von Wissenschaftlichkeit und Erkenntnis dar. Sie fehlt in der Philosophie und somit auch in der traditionellen Erkenntnistheorie.
- Seine Theorie hatte großen Einfluss innerhalb der Psychologie, aber auch in Sozial-, Biologie- und Naturwissenschaften.
Sprachfähigkeit - angeboren oder erlernt?
- Piaget meint, dass die Sprachfähigkeit, so wie auch andere kognitive Fähigkeiten des Menschen, nicht angeboren ist , sondern erworben wird. Seitdem man von der Reifung des Nervensystems spricht, hat man nichts wirklich Ererbtes ausmachen können. Erbanlagen spielen überall eine Rolle, aber darüber, was sie bringen, kann man nichts positives sagen - sie eröffnen nur Möglichkeiten.
- Mit dieser Auffassung wendet sich Piaget gegen den Nativismus von Chomsky. Er meint, dass man das Subjekt nicht auf einmal und endgültig vorgegebene Strukturen reduzieren kann, als sei im menschlichen Geist schon alles vorgegeben.
- Die Sprachentwicklung ist seiner Ansicht nach als ein integrierter Bestandteil der allgemeinen kognitiven Entwicklung des Kindes anzusehen. Demnach entwickeln sich die kognitive und sprachliche Fähigkeit in gleicher Weise (Korrelationshypothese).
- Ausgangsbasis zum Spracherwerb ist ein kognitives Schwellenniveau (angeboren) - ein unktionsmechanismus der Intelligenz, der zum Erwerb der Sprache notwendig ist.
- Piaget beweist anhand einiger Experimente, dass die sprachlichen Fähigkeiten nicht die Ursache, sondern der Ausdruck oder das Resultat der geistigen Entwicklung sind, auch wenn sie ab einem bestimmten Zeitpunkt erheblich zu deren Voranschreiten beitragen können. So lassen sich die logischen Fähigkeiten von Kindern durch ein entsprechendes Sprachtraining nur unwesentlich verbessern, während umgekehrt das Sprachniveau sehr genau die jeweilige Intelligenzstruktur, deren Grenzen und Entwicklung wiedergibt (Die Zunahme der Fähigkeit, komplexe Strukturen zu durchdringen, wird an einer Zunahme komplexer sprachlicher Strukturen sichtbar).
- Sein Hauptargument: das Kind ist schon lange vor dem Spracherwerb zu intelligenten Handlungen in der Lage, denen eine nichtsprachliche Logik der Handlungen und Handlungskoordinationen zugeschrieben werden können.
- Zur Korrelation zwischen Kognitionsniveau und Sprachentwicklungsstand kommt es, weil sprachliche Muster von unterschiedlicher Komplexität sind und diese in Abhängigkeit vom Kognitionsniveau bewältigt werden.
Sein Konstruktivismus:
- Da keine Strukturen von vornherein vorgegeben sind (weder im menschlichen Geist, noch in der äußeren Welt), müssen sie vom Subjekt konstruktiv aufgebaut werden. Sie entstehen durch Interaktion zw. Handeln des Subjekts und den Reaktionen des Objekts.
- Mit seinem konstruktivistischen Konzept signalisiert Piaget die Abgrenzung von den behavioristischen empiristischen Theorien. Er betont, dass die Strukturen sich nicht durch bloße Rezeptivität, Kopie oder passive Erhaltung der Wirklichkeit entwickeln, sondern durch die operative Tätigkeit des Subjekts organisiert werden.
- Das Subjekt spielt dabei eine aktive Rolle - es muss konstruktiv sein, wenn es mit einer neuen Situation konfrontiert wird.
- Intelligenz bedeutet für Piaget genau diese Anpassung an neue Situationen, also ein ständiges Konstruieren von Strukturen.
- Jedem Stadium auf jeder Entwicklungsstufe des Kindes entspricht eine Zusammenstellung von Strukturen (siehe unten).
- Die grundlegende Frage, die er in seinen Untersuchungen stellt, ist: Wie kommt man von einer einfacheren Struktur zu einer komplizierteren bzw. wie kommt man zum Neuen?
- Das Konstruieren der kognitiven Strukturen wird durch die Anwendung der zwei Basisoperationen erklärt:
Assimilation - Vorgang, bei dem die Daten der vorfindlichen Situation auf frühergewonnene Muster zugeordnet werden. Ein Stimulus in der Außenwelt kann ein Verhalten nur insofern steuern und abwandeln, als er in die vorhandene Struktur integriert wird.
Akkomodation - Prozess, bei dem das bekannte Muster im Sinne der besseren Anpassung an die Situation verändert wird. Z.B. Physik: Man hat eine Theorie, sie ist das Assimilationsschema und man kann sie an verschiedene Situationen anpassen.
Das Schema der Assimilation ist allgemein und muss stets an die besondere Situation angeglichen werden. Es gibt keine Assimilation ohne Akkomodation. Akkomodation ist durchs Objekt bestimmt, während Assimilation durch das Subjekt bestimmt ist.
Entwicklungsstadien des Kindes:
Die Theorie der Stufen der kindlichen Entwicklung bildet einen zentralen Bestandteil des Werkes von Piaget. Kinder, ganz gleich aus welcher Gesellschaft und zu welcher Zeit, durchlaufen bei der Entwicklung ihrer Intelligenz eine bestimmte Abfolge von Etappen, die immer die gleiche ist. Das ist deshalb so, weil jede Etappe eine notwendige Voraussetzung für die nachfolgende ist. Die Entwicklung des Kindes ist somit ein konstruktiver, aktiver und integrierender Prozess.
- Sensomotorische Stufe - 0 bis 18-24 Monate
- Aktiver und konstruktiver Aufbau von Welt- und Selbstverständnis durch das Kind (Dezentrierung - der Säugling beginnt, zwischen sich und der Außenwelt zu unterscheiden)
- Wahrnehmungen und Bewegungen sind grundlegend
- Sprache und Denken fehlen weitgehend
- Etwa in der Mitte des Stadiums setzt intelligentes Verhalten ein (das Kind setzt gezielt Mittel ein, um bestimmte - zunächst zufällig entdeckte - Effekte zu erreichen)
- Präoperative Stufe - 2 bis 7 Jahre
- eine vorbereitende Phase zur konkretoperationalen Stufe
- das Auftreten der semiotischen Funktion (das Kind lernt, etwas durch Symbol/Zeichen zu repräsentieren)
- verinnerlichte Handlungen - Operationen - entwickeln sich, doch zeigen sie noch erhebliche Defizite auf (keine Systematik)
- Sprache tritt auf (wobei der Egozentrismus für diese erste sprachliche Phase typisch ist - Wiederholung der Sätze ohne kommunikative Absicht)
- Vorstellungen werden in wachsendem Ausmaße untereinander koordiniert, in logische Beziehungen gebracht
- Konkretoperationale Stufe - 8 bis 12 Jahre
- Das Kind kann nun immer komplexere Aspekte der äußeren Wirklichkeit und des eigenen Handelns denkend vorstellen und verstehen
- Eine weitere Dezentrierungsleistung - das Kind zentriert seine Vorstellungen nicht mehr auf sich selbst, sondern bezieht beide in objektive Bezugssysteme ein.
- Fähigkeiten werden in vielen Bereichen systematisch, wobei die Inkonsistenzen der vorangegangenen Stufe nach und nach ausgeglichen werden
- Das Denken beruht auf konkreten Operationen (Operationen - verinnerlichte Handlungen, die nicht tatsächlich durchgeführt werden müssen, sondern denkend vollzogen werden können, und die sich vor allem auf Transformationen und Relationen, also dynamische und komplexe Aspekte der Wirklichkeit beziehen)
- Koordination verschiedener Handlungen in Systemen
- Operationen sind durch Reversibilität (Möglichkeit der systematischen Umkehr von Handlungen und der Rückkehr zum Ausgangspunkt) gekennzeichnet. (Der Begriff der Reversibilität ist für seine Epistemologie zentral - eng verbunden mit dem Prinzip des Gleichgewichts, d. h. der Bildung einer sich selbst regulierenden Struktur, welche die einzelnen Operationen so koordiniert, daß sie in gewissem Maße störungsresistent werden)
- Formaloperationale Stufe - 12 Jahre bis 14/15 Jahre
- Der Übergang vom Handeln zum Denken, der nach Piaget die gesamte Entwicklung des Kindes bestimmt, wird hier abgeschlossen.
- Es entsteht die Fähigkeit zur Wissenschaftlichkeit: Deduktion (Ableitung von Aussagen aus anderen Aussagen) & experimentierender Umgang mit der Wirklichkeit
- Formaloperationale Intelligenz baut auf den konkreten Operationen auf, benutzt diese als Material und bildet so Operationen zweiter Ordnung (Rechnen z.B.)
- Starke Experimentierfreudigkeit
Noam Chomsky
Hintergrund:
„ Es scheint, dass wir einen neuen Gegenstand als einen Satz erkennen, nicht, weil er auf einfache Weise zu einem bekannten Gegenstand passt, sondern weil er von der Grammatik erzeugt wird, die jeder Einzelne irgendwie und in irgendeiner Form verinnerlicht hat. “ 1
Noam Avram Chomsky (1928) ist ein amerikanischer Linguist und Philosoph. Anfang der 50er Jahre hat er angefangen mit der Transformationsgrammatik zu arbeiten (ein Oberbegriff jeder generativen Grammatik, die Transformationsregeln verwendet). Mit ihr hat Chomsky die Linguistik endgültig als deskriptive Disziplin etabliert, indem er sie von unvermeidlich normativen Zwängen ausgegangener intensionaler Satzdefinitionen befreite. Er operationalisiert das Problem und bringt damit die latente extensionale Ausrichtung der grammatischen Tradition auf den Punkt und auf den Begriff. Doch geht Chomsky nicht den Weg , den er damit der Linguistik eröffnet hat, sondern er konzentriert sich auf die Erforschung sprachlicher Universalien, Produkten der Evolution der Gattung. Er hat dennoch viele Bücher über syntaktische Strukturen veröffentlicht, in denen er immer wieder seine Theorie modifizierte.
Theorie des Spracherwerbs:
Die Sprachfähigkeit ist eine spezielle Komponente des menschlichen Geistes, die als separates System neben dem kognitiven System betrachtet wird. Wobei Chomsky selbst keine Möglichkeit sieht, Hypothesen über sprachliche Universalien auf neuronale Sachverhalte abzubilden, ist es das Ziel. Das Objekt seiner Linguistik ist das Syntax-Modul, durch das alles, was Satz werden will, hindurch muss. Wie der Computer aus Modulen zusammengesetzt ist, so denkt man sich analogerweise nun die Funktionsweise des Gehirns. Im Syntaxmodul sieht Chomsky die Ursache dafür, dass die Sätze diese Form haben.
Dieser Bruch mit der Tradition der Sprachwissenschaft geschieht durch drei miteinander systematisch verknüpfte Entscheidungen hinsichtlich der Theorie: Es handelt sich um eine radikale Unterscheidung von Sprache und Grammatik; um den erwähnten Universalismus, der sich in einer systematischen Unterscheidung des Kerns einer Grammatik von ihrer Peripherie niederschlägt, und um den radikalen Verzicht auf Sprachbeschreibung zugunsten der Explanation grammatischer Phänomene. Die Schwierigkeit, dies angemessen zu verstehen, liegt in der fortdauernden Verwendung von Ausdrücken wie Sprache und Grammatik (Subjekt, Objekt Verb, etc.). Dies erzeugt die Illusion, hier würde doch noch über dasselbe Objekt Sprache gesprochen, in einem empirisch fassbaren Sinn, nämlich das Griechische, Französische, Englische usw. Chomsky bündelt dagegen die naturwissenschaftlich- positivistischen Tendenzen der Junggrammatiker und die universalistische Orientierung der strukturalen Phonologie, um ein Objekt zu konstruieren, das erklärtermaßen jenseits aller phänomenal zugänglichen Empirie liegen soll: Systeme abstrakter Prinzipien, die in Teiltheorien zusammengefasst werden, um als Verbund die Phänomene zu erklären, die wir unter dem Begriff menschlicher Sprachen zusammenfassen.
Chomskys erstes Modell ist ein einfacher Automat mit endlich vielen Zuständen, der von einem Anfangszustand ausgeht und bis zu einem Endzustand fortschreitet, bei jeder Zustandsveränderung wird eine sprachliche Einheit erzeugt. Da die Begründung einer Sprache mit endlichen Zuständen nicht mit natürlichen Sprachen zusammenpasst, hat Chomsky ein zweites Modell entwickelt: Das Phrasenstrukturmodell. Hier wird die Ableitung eine endliche folge von Ketten, die mit einer Anfangskette S (Satz) beginnt und im weiteren durch schrittweise Anwendung je einer Transformationsregel auf die aktuelle Kette abläuft. Ableitungen kennzeichnen Sequenzen, die keine grammatischen Sätze der Sprache sind. Die Erzeugungsregeln haben die Form: (S= Satz; NP= Nominalphrase; VP= Verbalphrase; A= Adjektiv)
S → NP + VP
NP → A + NP usw.
Dieses zweite Modell ist geeigneter für die Beschreibung natürlicher Sprachen, hat aber dennoch einige Mängel. Durch das dritte Modell, ein Transformationsmodell, wurden sie überwunden. Transformationen sind keine symmetrischen Relationen zwischen fertigen Sätzen, sondern Regeln, die Ketten in andere Ketten überführen. Werden obligatorische Transformationen angewendet, entstehen einfache, fertige Sätze, die Kernsätze genannt werden. Werden dann noch optionale Transformationen durchlaufen, entstehen Sätze mit genau definierten Strukturunterschieden zu den Kernsätzen, z. B. Passiv, Frage, Negation. Um solche Sätze korrekt beschreiben zu können, benötigt man Informationen über den Ablauf der Ableitung, über die Transformationsgeschichte.
Zu Beginn der sechziger Jahre entwickelte Chomsky aus dem dritten Modell eine umfassendere syntaktische Theorie. Neu ist der interne Aufbau mit zwei Ebenen:
Tiefenstruktur:2 Die Phrasen- und Lexikonregeln erzeugen eine Tiefenstruktur, die als abstrakte, zugrundeliegende Strukturebene semantisch und syntaktisch relevanten Informationen enthält.
Oberflächenstruktur: Sie bildet die Basis für die phonologisch-phonetische Repräsentation und trägt auch in einer genau bestimmten Weise zur semantischen Interpretation bei.3 Sie wird durch bedeutungsneutrale Transformationen wie Tilgung, Umstellung usw. erzeugt. Die Regeln, die der Oberflächenstruktur ihre logische Form zuordnen, können sich nur an Kriterien orientieren, in denen jeder Bezug auf subjektiven Determinanten der Artikulation des Satzes a priori in der Tiefenstruktur liegen.
Die Basiskomponente erzeugt also abstrakte Strukturen, erst die Oberflächenstruktur entspricht den konkreten Sätzen der Sprache. Z. B.:
Tiefenstruktur: Satz; Nominalphrase; Bestimmter Artikel (determinierter); Nomen; Verbalphrase
Oblerflächenstruktur: The man, who is tall, is here.
In allen Sprachen ist die Tiefenstruktur gleich. Die Sprachen unterscheiden sich durch die Transformationsregeln, die von Sprache zu Sprache unterschiedlich sind, und somit zu verschiedenen Oberflächenstrukturen führen.
Die Tradition der Grammatik beschreibt die Eigenschaften der elementaren grammatischen Sachverhalte: Syntax (lineare Ordnung des betroffenen Ausdrucks), Morphologie (Konjugation, Deklination, ...) und Phonologie (bzw. Graphematik). Für die generative Grammatik ist dagegen der manifeste signifiant, die eigentliche ‚Oberfläche’ der betrachteten Sätze, ist nicht oder doch nicht mehr das intendierte Forschungsobjekt. Bei ihm handelt es sich in ihrer Perspektive um eher ephemere Erscheinungen einzelner Sprachen, die den Blick auf das eigentliche Objekt verstellen. Sie werden an die Peripherie der Grammatik abgeschoben. Der genetische Kern linguistischer Universalien wird von Chomsky als Ursache betrachtet für das Gelingen des Spracherwerbs, d. h. dafür, dass das Kind bestimmte Formen erwirbt. Er untersuchte das Problem, wieso Kinder mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen zu vergleichbaren, eigentlich sogar identischen Grammatiken gelangen, und zwar in einem kurzen Zeitraum.
Spracherwerbsmechanismus:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Eingabe ist die einzige notwendige nicht angeborene Voraussetzung für den Spracherwerb eines Kindes.
Das Kind erwirbt mit seiner Muttersprache die Transformationsregeln und die in seinem Milieu entscheidenden Oberflächenstrukturen. Die Ausgabe ist die eigentliche Sprache. Die gesprochene Sprache ist ein Oberflächenphänomen, welches das wesentliche Element einer Sprachbeschreibung verdeckt - die Kompetenz, Sätze zu generieren.
Der Spracherwerbsmechanismus umfasst:
- Phonetische Theorie (Klasse mögliche phonologische Repräsentationen definierend)
- Semantische Theorie (mögliche semantische Repräsentationen)
- Ein die Klasse möglicher Grammatiken definierendes Schema
- Eine allgemeine Methode, die Sätze semantische und phonetische Interpretationen zuweist.
- Eine Bewertungsmethode, die Komplexität der Grammatiken bestimmend
Beweise für die These Chomskys lassen sich gewinnen, wenn gezeigt werden kann, dass erstens unabhängig vom allgemeinen kognitiven ein hohes sprachliches Niveau zu beobachten ist bzw. zweitens sprachliche Entwicklungen stattfinden, für die es keine analogen Prozesse im allgemeinen mentalen Bereich gibt.
Prozess der Untersuchung:
Die Theoriebildung hat Vorrang vor der Datenanalyse. Die Transformationsgrammatik geht deduktiv vor, stellt Hypothesen über den sprachlichen Erzeugungsmechanismus auf unter besonderer Berücksichtigung des kreativen Aspekts des Sprachvermögens. Chomsky ist ein Mentalist und arbeitet nichtempirisch.
Skinner
1. Hintergrund
B.F. Skinner (1904-1990) war ein amerikanischer Professor der Psychologie ab 1948 an der HarvardUniversität.
2. Sprachtheorie des Behaviorismus Skinnerschen Prägung
2.1 Skinner geht davon aus, dass eine Umformulierung auf sprachliches Verhalten (verbal behavior) hin ausreichend ist, um Methoden und Ergebnisse von Laboruntersuchungen an Tieren direkt auf die Menschen anwenden zu können.
Die Grundlage dieser Ansicht und Vorgehensweise ist eine zweifache: Zum einen die Skinnersche Bestimmung des artspezifischen Unterschieds zwischen Mensch und Tier und zum anderen, gegründet darauf, das Ansetzen eines einzigen, einheitlichen Lernprozesses.
Der Wissenschaftler B. F. Skinner ist interessiert an der Forschung des menschlichen Verhaltens, über das er Aufschlüsse zu bekommen meint durch Laboruntersuchungen mit Tieren. Er geht davon aus, dass das sprachliche Verhalten der Menschen sich im Wesen nicht von anderem menschlichen Verhalten unterscheidet. Es ist ein Teil der Gesamtheit des Verhaltens von Menschen gegenüber der Welt. Der Sinn und Zweck einer solchen Erforschung des menschlichen Verhaltens sieht er in der Ermöglichung seiner Steuerung.
Seine Arbeit ist ausgerichtet auf die Ausarbeitung eines Programms der Verhaltenssteuerung. Verhaltenssteuerung setzt Kenntnis von und über Verhaltensänderungen voraus. Verhaltensänderung ist für Skinner Lernen.
Skinner nimmt innerhalb des Spektrums behavioristischer Theorien eine Sonderstellung ein. Er führt einen Bruch innerhalb der konventionellen S-R Theorien (Stimulus-Response; Reiz-Reaktion) herbei. Diese Theorie sagt, dass jede Reaktion auf einen Reiz zurückführen sei. Skinner sieht die Gesetzmäßigkeiten des Verhaltens nicht in einer Relation zwischen einem identifizierten bzw. identifizierbaren Stimulus und einer bestimmten, gesetzmäßig hervorgerufenen Reaktion. Er unterscheidet zwischen hervorgerufenen (elicited) und geäußerten (emitted) Reaktionen. Erstere sind Reaktionen, die durch bekannte Stimuli (respondents) hervorgerufen sind, zweitere sind Reaktionen, die nicht mit einem (bekannten) Stimulus in Verbindung zu stehen brauchen (operants). Er konstatiert damit zwei Arten von Verhalten, das Antwort- (respondent) und das Wirkverhalten (operant behavior).
2.2 Der Begriff der Sprache bei Skinner
Sprache als System von Zeichen existiert für Skinner nicht. Das, was wir unter „Sprache“ verstehen, sind für Skinner die Verstärkungspraktiken der „sprachlichen Gesellschaft“ (soziale Umwelt, die sich neben der Menschen auch auf Objekte und Sachverhalte bezieht). Sein Sprachbegriff ist viel umfassender und die menschliche Sprache ist nur ein Teil von dieser „universellen“ Sprache. Er bezieht sich nicht nur auf artikulierende gesprochene Sprache (z. B. Bienensprache).
Unter Verstärkung versteht man einen Stimulus, der die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Reaktion in der gleichen Situation erhöhen kann. Das Verhalten wird durch die Vermittlung anderer Personen verstärkt.
2.3 Theorie des Spracherwerbs - Spracherwerb als „Ablauf von Verstärkungszusammenhängen“
Er geht von einem Grundmodell des operanten Konditionierens (Veränderung bestimmter Verhaltensweisen durch Verknüpfung von Situationsgegebenheiten mit Verhaltensweisen, die Belohnungen oder Bestrafungen nach sich ziehen) aus. Der Prozess des Spracherwerbs ist ein Beispiel für operante Konditionierung, da der Spracherwerb den allgemeinen Lerngesetzen folgen muss, und er vollzieht sich durch die Techniken der Verhaltensformung.
Der Spracherwerb ist die Veränderung des spezifisch menschlichen Organismus: Es werden verbale Reaktionen gelernt , die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften von der „sprachlichen Gemeinschaft“ verstärkt werden.
Der Spracherwerb ist ein Prozess, für den das Alter des Kindes eine wichtige Rolle spielt.
Er läuft in folgenden Stadien ab: während der Lallphase verfügt das Kind über ein größeres Repertoire an Lauten als später, wenn sein sprachliches Verhalten voll ausgebildet ist. Dieser Prozess entwickelt sich von unartikulierten Lauten, über nicht unter Stimulus-Kontrolle stehendem Lallen, zum zielgerichteten Sprechen.
Unartikuliertes vokalisches Verhalten ist ein unbedingter Reflex eines neugeborenen Kindes z. B. ein Kind schreit , wenn es Hunger hat oder sich nicht gut fühlt. Die Eltern reagieren auf das Schreien des Kindes, indem sie ihm Aufmerksamkeit -die verstärkend wirkt- zukommen lassen. So kann das Schreien - entsprechend der Skinnerschen Definition von „sprachlich“ - sprachlich werden, da es jetzt zu einer funktional anderen Verhaltenseinheit geworden ist, weil es von unterschiedlichen Variablen gesteuert wird.
Der Prozess der Eingrenzung der vom Kind hervorgebrachten Laute auf die Phoneme der betreffenden zu lernenden Sprache geschehene durch immer differenziertere Verstärkung des Kindes durch die „sprachliche Gemeinschaft“: Am Anfang wird alles verstärkt, was den Lauten ihrer Sprache ähnelt. So wird die Verstärkung immer mehr auf die genaue Produktion der benötigten Laute hin eingesetzt. Den Eltern kommt im Skinnerschen Modell des Spracherwerbs eine wichtige Rolle zu: Sie lehren das Kind sprechen durch Verstärkung seiner ersten Versuche; daraus folgt, dass das Baby bestimmte Wörter lernt, ohne sie jedoch schon funktional einsetzen zu können, d.h. das Baby verfügt über ein ziemlich ausgeprägtes Echoverhalten.
Die Ausformung eines guten Echoverhaltens beim Kind hat im Rahmen des Skinnerischen Spracherwerbsmodells eine festgefügte Funktion. Es gelingt dem Kind, ziemlich große, festgefügte Sprachmuster nachzuahmen. Das Kind lernt Vor- und Nachsprechen.
Der nächste Schritt , den ein Kind beim Erwerb der Sprache macht, ist der folgende: Es lernt die Welt zu beschreiben. Die autoklitischen Prozesse wie Syntax und Grammatik werden erst später erworben.
Die Abgrenzung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5 - Literaturverzeichnis:
- Bußmann, Hadumod. Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: 1990.
- Gadotti, Moacir. Hist ó ria das id é ias pedag ó gicas. São Paulo: 1993.
- Grewendorf, Günther. Sprache als Organ - Sprache als Lebensform. Frankfurt am Main: 1995.
- Linke, Angelika. Nussbaumer, Markus. Portmann, Paul R. Studienbuch Linguistik. Tübingen: 1996.
- Piatelli-Palmarini, Massimo. Language and Learning. London: 1980
- Sarter, Heidemarie. Mythos Sprache - Aspekte ideologischer Sprachwissenschaft in den erkenntnistheoretischen Grundlagen von N. Chomsky und B. S. Skinner. Frankfurt am Main: 1980.
- Scharf, Hans-Werner. Das Verfahren der Sprache. Humboldt gegen Chomsky. Paderborn: 1994.
- Scharlau, Ingrid. Jean Piaget. Zur Einführung. Hamburg: 1996.
- Sucharowski, Wolfgang. Sprache und Kognition. Opladen: 1996.
[...]
1 Chomsky, Noam. In: Scharf: S. 56
2 Chomsky verwendet diesen Begriff nicht mehr. Er ersetzt ihn aus verschiedenen Gründen durch ‚P-Marke’. Da ich aber nur einen Überblick von Chomsky geben möchte, fand ich den alten Begriff unkomplizierter.
3 Chomsky vertritt die These, dass vielleicht die gesamte semantische Information durch einen etwas erweiterten Begriff der Oberflächenstruktur bestimmt wird.
- Quote paper
- Glauce Maia (Author), 2000, Angeboren oder erlernt? Piaget, Chomsky, Skinner, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106815
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