1.Einleitung
Meiner Facharbeit liegt die phantastische Erzählung „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ zugrunde, die von Adelbert von Chamisso verfasst wurde. Im Verlaufe meiner Untersuchungen ermittele ich die zentrale Problematik des Werks. Dabei untersuche ich erst ausführlich die Raumsymbole, Charaktere sowie die Hauptmotive und fasse mein Ergebnis als abschließendes Fazit unter Berücksichtigung der romantischen Ideale und dem Oberbegriff „Welt und Realität“ zusammen.
Leider gab es bezüglich meines Themas nur wenig Sekundärliteratur, die sich dann meistens auch noch auf Interpretationsansätze außerhalb einer Deutung im Rahmen der Romantik bezog. Daher habe ich mir eigene Deutungsansätze erschlossen, die die romantische Weltanschauung berücksichtigen.
2. Biografie des Autors
Adelbert von Chamisso wurde am 30.1.1781 auf Schloss Boncourt in der Champagne geboren. Er war der vierte Sohn des Grafen Louis Marie de Chamisso. Im Jahre 1790 floh die Familie infolge der französischen Revolution nach Berlin. Die Besitztümer in Frankreich wurden konfisziert. Während sein Vater die konterevolutionären Verbände des Marschalls Broglie unterstützte, trat Adalbert seinen Dienst als Page der preußischen Königin an und besuchte nebenbei ein französisches Gymnasium. Mit 17 Jahren wurde er Fähnrich in einem Berliner Wachregiment. In seiner Militärzeit erwachte Adalbert von Chamissos Interesse an der Literatur. Aufgrund seiner literarischen Neigung gewann Chamisso Freunde und Bekannte in den Kreisen des Berliner Bürgertums, die seine Schulbildung förderten und ihm halfen, die deutsche Sprache zu erlernen. Neben einigen Gedichten, die größtenteils auf französisch verfasst waren, versuchte sich Adalbert von Chamisso an der deutschsprachigen Dramenskizze „Faust“. Unter dem Einfluss großer Romantiker wie Ludwig Tieck schloss sich Chamisso mit seinen Freunden zum „Polarsternbund“, einer Vereinigung junger Dichter, zusammen, die nach nur einer Veröffentlichung wieder zerbrach. Im März 1806 wurde Adalbert von Chamissos Regiment auf die Weserfestung Hameln versetzt, um die dortige französische Besatzung abzulösen. Aus Angst vor drohenden Gewissenskonflikten bei einem Krieg zwischen Preußen und Frankreich bat Chamisso um die Entlassung aus der Armee, die ihm aber verweigert wurde. Während seines Aufenthaltes in Hameln entstehen das Prosastück „Adelberts Fabel“, sowie das Drama „Fortunai Glückssäckel“. Nachdem die Festung am 21.11.1806 kampflos an die Franzosen übergeben wurde, beschloss Chamisso seine Eltern in Frankreich zu besuchen, nur um zu erfahren, dass sie bereits gestorben waren. Adalbert von Chamisso begann sich eine bürgerliche Existenz aufzubauen. In der Pariser Nationalbibliothek ging er mit seinen Freunden, wie Alexander von Humbold und Ludwig Uhland, folkloristischen Studien nach. Zu dieser Zeit traf Adelbert von Chamisso mit Helmina von Chez zusammen, einer Bekanntschaft aus seiner Zeit als Page in Berlin. Gemeinsam mit ihr begann er, Vorlesungen ins Französische zu übersetzen. Auf eine Einladung Frau von Staels hin, begab sich Chamisso auf das Schloss Chaumont, um seine Arbeit zu beenden. Im Jahre 1811 wurde die Schlossherrin wegen der Veröffentlichung eines verbotenen Buches des Landes verwiesen und begab sich in Begleitung eines kleinen Gefolges, zu dem auch Chamisso gehörte, in die Schweiz, von wo aus sie 1812 nach England floh. Adelbert von Chamisso begab sich wieder nach Berlin, wo er begann, Medizin zu studieren. 1814 wechselte er jedoch das Studienfach und widmete sich der Naturwissenschaft.
Chamissos Studieneifer wurde durch Napoleons Niederlage in Russland unterbrochen, die den Deutschen den Glauben an die Unbesiegbarkeit Frankreichs nahm. Die in ihm dadurch aufkeimenden Zweifel seiner nationalen Zugehörigkeit trieben Chamisso in den ländlichen Ort Kunersdorf, wo er die Landwehr ausbildete. Hier schrieb Adelbert von Chamisso sein wohl berühmtestes Werk. Die phantastische Erzählung „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ verhalf seinem Autor zu weltweiter Berühmtheit. Kurz darauf setzte Chamisso sein Studium fort und brach im Jahre 1815 zu einer ursprünglich als Polarmeerexpedition geplanten Weltreise auf, auf der er einige botanische Entdeckungen machte. Als Chamisso im Jahre 1818 wieder in Berlin ankam, kam er auf Grund seiner gewonnenen Erkenntnisse zu wissenschaftlichem Ruhm. 1819 heiratete Adelbert von Chamisso Antoine Piaste, die Pflegetochter seines Freundes Eduard Hitzig. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit verfasste Chamisso als Mitglied der „Mittwochsgesellschaft“, einer Nachfolgevereinigung des „Polarsternbundes“, seine bekanntesten Gedichte. Im Jahre 1833 übernahm er die Redaktion des „Deutschen Musenalmanachs“, der 1830 von Amadeus Wendt gegründet wurde. Am 21. August 1838, kurz nach dem Tode seiner Frau im Jahre 1837, starb Adelbert von Chamisso.
3. Die Romantik
Die Epoche der Romantik begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts als eine Gegenbewegung zum Klassizismus und beruhte auf einer Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Ordnung. Urbanisierung, Absolutismus, Rationalismus und Merkantilismus erzeugten Widerstand in den Kreisen des Bildungsbürgertums. Man wandte sich unter dem Einfluss Emanuel Kants von der absoluten Vernunft ab. An ihre Stelle trat ein Hang zur Mystik, sowie das Emporheben von Geist, Liebe, Poesie und Fantasie. Die Ablehnung der Realität des 18. und 19. Jahrhunderts wurde zur zentralen Geisteshaltung der Romantik. Die negativen Folgen der französischen Revolution, sowie beginnende Industrialisierung und sich ausbreitendes Profitstreben führten zu einer Sehnsucht nach vergangenen Epochen, wie dem Mittelalter. Die Romantiker verehrten das Geheimnisvolle und warfen den Wissenschaftlern ihrer Zeit vor, die letzten Mysterien aus der Welt zu verbannen. Aus diesem Gunde schufen sich die Romantiker eigene Phantasiewelten, in denen das Unerklärbare eine tragende Rolle spielte. In der Romantik wurden enge Freundeskreise, die fast eine eigene, abgeschlossene Welt bildeten, als hohes Gut betrachtet. Auch die Bewunderung der Ursprünglichkeit der Natur war für die Romantiker wichtig, da Naturphilosophie, insbesondere die Friedrich Wilhelm Schellings, die romantische Weltsicht beeinflusste. Die Romantiker glaubten, dass die von ihnen verehrten Ideale in vergangenen Zeiten, wie der Antike oder dem Mittelalter, die damalige Realität bestimmten und von der modernen Zeit, also von Reformation und Aufklärung verdrängt wurden. Dieses Denken erklärt auch die Sehnsucht nach der Vergangenheit. Trotz dieser scheinbar völligen Absonderung von der realen Welt, stellten einige Romantiker auch wissenschaftliche Forschungen an. Besonders Geschichtswissenschaften genossen hohe Achtung.
Interessant ist auch der Vergleich mit der Klassik, in der ebenfalls Kritik an der bürgerlichen Ordnung geübt wurde. Im Gegensatz zur Romantik glaubte man aber an die Fähigkeit des Menschen, sich zum Guten zu ändern. Dies erklärt auch den Erziehungscharakter klassischer Werke. Die Dichtung wurde benutzt, um Menschen und damit auch die Gesellschaft zu verändern. Die Romantik hingegen lehnte den Veränderbarkeitsglauben ab. Romantische Werke sollten keine Ideale vermitteln, um eine bessere Welt zu schaffen, sondern bildeten eigene Realitäten, in die der Leser flüchten konnte. Die Romantiker stellten in ihren Werken also nicht die Welt dar, wie sie in Zukunft sein sollte, sie betrachteten sie vielmehr als Teil einer schon existierenden Gegenrealität.1
4. Zusammenfassung der Erzählung
Peter Schlemihl Geschichte. Bei einer Gartengesellschaft des reichen Kaufmanns Herrn John, in der er von den anderen Anwesenden kaum beachtet wird, begegnet Schlemihl einem älteren, in grau gekleideten Mann, der auf Wunsch Englisch Pflaster, ein Fernrohr, einen türkischen Teppich, ein Lustzelt sowie drei gesattelte Reitpferde aus seiner Tasche zieht. Als Schlemihl versucht die Gesellschaft unbemerkt zu verlassen, wird er von dem Mann in grau angesprochen und zu einem Geschäft überredet. Peter Schlemihl soll dem sonderbaren Mann seinen Schatten verkaufen. Angesichts des gebotenen Preises, ein Sack, der ständig mit Gold gefüllt ist, willigt die Hauptfigur sofort ein. Doch die Freude über den plötzlichen Reichtum währt nur kurz. Schlemihls Schattenlosigkeit macht ihn trotz seines Reichtums zu einem Außenseiter, die Mitmenschen wenden sich von ihm ab. Dennoch bleibt dem Schattenlosen etwas Hoffnung, denn der Graue kündigt an, in genau einem Jahr wieder zu erscheinen. Durch seinen treuen Diener Bendel, der seinem Herrn hilft, das Fehlen des Schattens zu verbergen, wagt sich Peter Schlemihl wieder unter die Menschen. Er beginnt sogar eine Beziehung zu Fanny, einer Frau aus großbürgerlichen Kreisen. Doch schon bald wird Schlemihls Schattenlosigkeit bemerkt. Gemeinsam mit seinen Dienern Bendel und Rascal flieht er in einen kleinen Badeort, wo er sich eine verschwenderische Scheinexistenz als Graf Peter aufbaut. Durch sein Geld macht er sich bei allen Einwohner beliebt, die Schlemihl tatsächlich für einen Adligen halten. Dort verliebt sich Graf Peter in die schöne Förstertochter Mina, die seine Zuneigung erwidert. Er verspricht ihr, sie am Tag nach dem ersehnten Treffen mit dem Mann in grau zu heiraten. Als dieser aber zunächst nicht erscheint, beschuldigt Rascal, der bereits große Mengen Gold unterschlagen hat, seinen Herrn der Schattenlosigkeit und kündigt seinen Dienst. Als Peter Schlemihl sich daraufhin zu Mina begibt, die er an jenem Tage zu heiraten versprach, muss er feststellen, dass Rascal ihre Eltern bereits über den fehlenden Schatten aufgeklärt hat. Minas Vater gibt Schlemihl eine Frist von vier Tagen, wieder zu einem Schatten zu kommen. Plötzlich taucht auch der Graue wieder auf, der sich als der Teufel in Menschengestalt herausstellt. Er bietet Peter Schlemihl an, seinen Schatten im Tausch für seine Seele zurückzuerhalten, was dieser aber ablehnt. Verzweifelt flieht der noch immer Schattenlose in die Wälder, wo er scheinbar durch Zufall an ein Vogelnest kommt, das seinen Besitzer bis auf den Schatten unsichtbar macht. Durch diesen Fund getarnt, begibt sich Peter Schlemihl wieder zum Förstergarten, um Mina zu sehen. Doch dort entpuppt sich der Fund des Nestes als eine List des Grauen, der die Hoffnung auf Schlemihls Seele nicht aufgegeben hat. Hier erfährt Graf Peter, dass der durch das unterschlagene Gold zu Reichtum gekommene Rascal Mina heiraten soll. Dennoch bleibt er bei seinem Entschluss, seine Seele nicht zu verkaufen. Peter Schlemihl flieht aus der Stadt und lässt Bendel mit etwas Gold zurück. Auf seiner Reise gesellt sich der Mann in grau wieder zu ihm, der Schlemihl immer wieder zu dem Tauschgeschäft drängt. In einer Höhle zieht der Graue die entstellte Gestalt des Herrn John aus der Tasche, woraufhin Peter Schlemihl den Glückssäckel in einen Abgrund wirft, um seinen Verfolger für immer los zu sein. Alleine durchstreift der Schattenlose die Wälder, bis er auf einer Kirmes durch Zufall ein Paar Siebenmeilenstiefel erwirbt. Mit diesen Stiefeln beginnt er die Welt zu bereisen und die Natur zu erforschen. Eines Tages trifft Peter Schlemihl in einem Hospital, das Bendel vom restlichen Gold eingerichtet hat, sowohl seinen treuen Diener als auch Mina wieder, die ihn aber nicht mehr wiedererkennen. Er erfährt, dass Rascal vor einiger Zeit in einen Kriminalprozess verwickelt worden war, bei dem er sein Leben verlor. Ohne den Beiden seine Identität zu offenbaren, setzt Schlemihl sein Leben als Botaniker fort und verspricht, seine Forschungsergebnisse der Berliner Universität zu übergeben.
5. Interpretation
5.1. Stilmittel und Struktur
5.1.1. Aufbau der Erzählung
Der eigentlichen Erzählung gehen drei Briefe und ein Gedicht voraus. Sowohl in den Briefen, als auch im Gedicht wird die Person des Peter Schlemihls als real dargestellt. Die Geschichte der Hauptperson wird als realer Bericht behandelt, dessen Veröffentlichung besprochen wird.
Die Erzählung an sich ist in 11 Kapitel aufgeteilt, die ersten vier handeln vom Versuch Peter Schlemihls, seine Schattenlosigkeit zu verbergen und mit ihr zu leben. Die darauffolgenden vier Kapitel, also fünf bis einschließlich acht, thematisieren das Angebot des Grauen, Schlemihl seinen Schatten zum Preis seiner Seele zu verkaufen und den für ihn damit verbundenen Gewissenskonflikt. In den letzten drei Kapiteln wird das nunmehr freie Leben Peter Schlemihls mit den Siebenmeilenstiefeln beschrieben.
5.1.2. Erzählperspektive und Erzähltechnik
„Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ ist in der Ich-Perspektive verfasst. Die Hauptfigur erzählt seinem fiktiven Freund Adelbert von Chamisso seine Geschichte. Der Autor erscheint also in der Erzählung als guter Freund der Hauptfigur und wird von ihr mehrfach direkt angesprochen, zum Beispiel „Oh, mein lieber Chamisso“ (S. 25, 15 f). Dadurch erhält die gesamte Erzählung eine Art Briefcharakter. Im Zusammenspiel mit den schon beschrieben Briefen, wirkt die Geschichte somit äußerst realistisch.
Auffällig ist die häufige Verwendung von Adjektiven, die annähernd in jedem Satz zu finden sind. Ein Beispiel hierfür ist „hochmütige Verachtung“ (S. 27, 12). Dadurch wirkt der Text sehr lebendig. Auch Metaphern, wie „die Minuten zählend wie Dolchstiche“ (S. 43, 32), finden sich in der Erzählung. Der Text ist größtenteils in der zu Chamissos Zeit üblichen Alltagssprache verfasst, wodurch der realistische Eindruck noch verstärkt wird.
5.2. Figuren
5.2.1. Figurencharakterisierung
Peter Schlemihlist die zentrale Figur in Adelbert von Chamissos „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“. Zu Beginn ist er mittellos, da er sich nach der Ankunft im Hafen in das „geringste Haus“ (S. 17, 8 f) begibt, um ein Zimmer zu nehmen. Peter Schlemihl scheint von geringem sozialen Status zu sein, da der Hausknecht ihn sofort ein Zimmer unterm Dach zuweist. In einer vom Kapital geprägten, bürgerlichen Welt, ist also allein das äußere Erscheinungsbild ein Spiegel der gesellschaftlichen Position2. Ein weiteres Indiz seiner niederen sozialen Stellung ist die geringe Beachtung, die seiner Person bei der Gesellschaft von Herrn John geschenkt wird. Der reiche Bürger John empfängt Schlemihl so, „wie ein Reicher einen armen Teufel“ (S. 17, 32 f). In dieser, den persönlichen Wert des Einzelnen nur durch die Höhe seines Besitzes definierenden Gartengesellschaft ist Peter Schlemihl ein Außenseiter, um den sich „keine Seele“ (S. 18, 20) kümmert. Als einziger scheint er sich über den ebenfalls nicht beachteten „grauen Mann“ (S. 19, 12) zu wundern, der auf unerklärliche Art und Weise viele Dinge aus der Tasche seines „grautaffenenten Rockes“ (S. 18, 37) zieht. Diesem Mann verkauft Schlemihl kurz darauf seinen Schatten zum Preis des „Fortunati Glückssäckel“ (S. 23, 12 f), in der Hoffnung seinen sozialen Status durch den unerschöpflichen Goldsack zu verbessern. Peter Schlemihl erweist sich also zunächst als rein materialistisch eingestellt, Reichtum und Besitz scheinen in seinem Leben die ersterbenswerten Ziele zu sein. Doch er macht im Laufe der Handlung eine Reifungsprozess durch, da Schlemihl feststellen muss, dass ihm seine Schattenlosigkeit und damit also auch das Glückssäckel, nur Unheil bringt. Trotz großer persönlicher Verluste, wie die Liebe Minas, entscheidet sich Peter Schlemihl gegen das Erkaufen seines Schattens zum Preise seiner Seele. Mit dem Wegwurf des Glückssäckel entsagt er sich vollkommen der Last des Materiellen und widmet sich mit Hilfe der Siebenmeilenstiefel der Naturforschung.
Peter Schlemihl entwickelt sich also vom kapitalistisch denkenden Bürger zum romantischen Naturforscher. Es ist eine charakterliche Umkehrung erkennbar. Zu Beginn erreicht Schlemihl den Hafen, auf der Suche nach materiellem Glück. Am Ende ist er schließlich wieder auf der Suche, diesmal nach geistiger Erfüllung.
Der Mann in graukauft Peter Schlemihl seinen Schatten ab. Annähernd alle phantastischen Elemente, mit Ausnahme der Siebenmeilenstiefel, stehen in direktem Zusammenhang mit dem Grauen, der als Teufel in Menschengestalt betrachtet werden kann. Er ist ein „dünner, hagrer, länglichter, ältlicher Mann“ (S. 18, 34), der als „verlegen und demütig“ (S. 21, 11) beschrieben wird. Dennoch scheint ihn eine Art Aura des unheimlichen zu umgeben, da ihn Schlemihl zunächst als „schauerlich“ (S.21, 14) empfindet. Beim Schattenhandel tritt der Graue als freundlicher Händler auf, der Peter Schlemihl wie in einem Verkaufsgespräch anbietet, Fortunati Glückssäckel „zu besichtigen und zu erproben“ (S. 23, 17 f). Er wirkt dadurch wie ein bürgerlicher Geschäftsmann. Beim zweiten Zusammentreffen mit Schlemihl verlangt der Graue seine Seele im Austausch für den Schatten. Als dieser den Handel ablehnt, bewahrt der Mann in grau zunächst zwar immer noch seine Freundlichkeit, beginnt Schlemihl aber die Verluste vor Augen zu führen, die er im Falle einer fortwährenden Schattenlosigkeit zu ertragen hätte. Dabei legt der Graue die für die Figur des Teufels typische Listigkeit an den Tag. Er benutzt phantastische Gegenstände wie die „Tarnkappe“ (S. 48, 32) und das „Vogelnest“ (S. 52, 33), um Schlemihl doch noch zu verführen. Insgesamt ist der Graue als die phantastische Personifikation“3des Geistlosen und Materillen zu sehen. Als ein Indiz dafür ist auch das Gespräch zwischen Schlemihl und dem als normaler Wanderer getarnten Grauem zu werten. Der Mann in grau monologisiert über Philosophie, das Gesagte erschafft nach Peter Schlemihls Meinung aber nur ein „bloßes Kunstwerk“ (S. 62, 7), welches „dem Auge allein zur Ergötzung dient“ (S. 62, 8 f) und somit nur eine vordergründige Fassade ist. Als Schlemihl sich mit dem Wegwurf des Glückssäckel dem Materiellem entsagt, verschwindet der Graue „sogleich hinter den Felsenmassen“ (S. 67, 2) und taucht nicht mehr auf.
Bendelist der Diener Peter Schlemihls und seinem Herrn treu ergeben. Als einzige Person der Handlung stört er sich nicht an der Schattenlosigkeit Peter Schlemihls. Bendel handelt damit „recht und nicht klug“ (S. 32, 1). Er scheint ohne jeglichen Besitz zu sein und interessiert sich auch nicht für das Materielle. Diese Immunität gegen den Reiz des Goldes macht Bendel auch zu einer der beiden Personen der Handlung, die durch den Besitz des durch den Grauen erworbenen Reichtums nicht zu Schaden kommen. Er errichtet von dem „sonst nicht gesegneten“ (S. 76, 19) Gold ein „Hospitium“ (S. 76, 19) und behält es somit nicht für sich. Bendel ist folglich ein romantischer Charakter, für den Freundschaft und Nächstenliebe über dem Geld stehen.
Rascalgehört zur Dienerschaft Peter Schlemihls. Er ist ein „abgefeimter Spitzbube“ (S. 33, 33), habgierig und verschlagen. Er unterschlägt „ganze Säcke“ (S. 38, 14 f) mit Gold, um sich zu bereichern. Rascal erweist sich also als materialistisch ausgerichteter Mensch, der stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Rascal verrät Schlemihls Schattenlosigkeit, um Mina für sich zu gewinnen, was ihm auf Grund seines neugewonnenen Reichtums auch gelingt, doch am Ende verliert er durch einen „unglücklichen Kriminalprozeß“ (S. 76, 22) sei Leben. Insgesamt ist Rascal das genaue Gegenteil einer von romantischer Weltanschauung geprägten Person
Thomas Johnist ein reicher Kaufmann, den man am „Glanze seiner wohlbeleibten Selbstzufriedenheit“ (S. 17, 31 f) erkennen kann. Er ist komplett dem Gelde verfallen, seine einseitig materialistische Ausrichtung spiegelt sich in der Aussage wieder, dass jeder der „nicht Herr ist wenigstens einer Million [...] ein Schuft“ (S. 18, 8 f) sei. Thomas John ist der Inbegriff eines Philisters und ist infolge dessen verdammt. Das zeigt sich, als der Graue Johns „bleiche, entstellte Gestalt“ (S. 66, 31) aus seiner Tasche zieht, die die lateinischen Worte „Justo judicio Dei judicatus sum; justo judicio Dei condemnatus sum“ (S. 66, 32 ff) spricht. Übersetzt bedeutet dieser Ausspruch „Durch das gerechte Gericht Gottes bin ich gerichtet; durch das gerechte Gericht Gottes bin ich verdammt“. Daraus kann man schließen, dass Thomas Johns Seele dem Teufel gehört. Seine gerechte Strafe erwartet ihm nach seinem Tod.
Mina, die Geliebte Schlemihls, wird als „liebenswertes, gutes, frommes Kind“ (S. 40, 1 f) beschrieben. Sie hat eine „reine Seele“ (S. 40, 15) und liebt Peter Schlemihl „ganz hin sich opfernd“ (S. 40, 6). Sie scheint nur für ihre Liebe zu Peter Schlemihl zu leben. Die starke Gefühlsbetontheit ihrer Person, macht sie zu einem romantischen Charakter. Auch ihre Religiosität bestätigt diesen Eindruck. Nach ihrer Ehe mit Rascal arbeitet sie als „gottesfürchtige Witwe“ (S. 76, 25) im Hospitium.
Fannygehört zur Schicht des reichen Bürgertums. In der Gesellschaft im
Garten des Herrn John ist sie „die Herrin des Tages“ (S. 18, 29). Sie erweist sich als Standesbewusst und interessiert sich für Peter Schlemihl erst, als er als durch Fortunati Glückssäckel reich wird.
Bei denEltern Minasspielt derVaterdie dominante Rolle. Er erweist sich als typischer Philister. Bei der Beziehung seiner Tochter zu Peter Schlemihl geht es ihm nur um „Mitgift“ (S. 42, 30) und finanzielle Sicherheit „für sein liebes Kind“ (S. 42, 31). Der Vater sieht also nur die materielle Verwertbarkeit einer Ehe. Der Gedanke einer reinen Liebeshochzeit liegt ihm fern. Als er von der Schattenlosigkeit Schlemihls erfährt, verspricht er seine Tochter sogleich Herrn Rascal, „einem sehr reichen und geehrten Mann“ (S. 55, 15 f). DieMutterspielt eine untergeordnete Rolle, scheint ihr Kind aber zu lieben und ist um Minas Glück bemüht. Sie ist nicht völlig mit dem Verkuppelungsvorhaben ihres Mannes einverstanden.
5.2.2. Figurenkonstellation
Die einzige Person, die in direkter Verbindung zum Grauen steht, ist Peter Schlemihl. Zu Thomas John besteht nur eine indirekte Verbindung. Im Garten seines Anwesens beachtet er den grauen Mann überhaupt nicht. Die Beziehung besteht nur aus räumlicher Nähe und letztendlich auch aus der Verdammnis des Herrn John.
Die Charaktere von Bendel und Rascal, beides Diener von Peter Schlemihl, stehen im Gegensatz zueinander. Bendel erweist sich als treu und nicht dem Gelde verfallen, Rascal ist hinterhältig und gierig. Ähnlich verhält es sich auch bei Mina und Fanny, die ebenso gegensätzlich sind. Eine weitere Verbindung ist zwischen Rascal und Thomas John zu erkennen. Der abtrünnige Diener Peter Schlemihls besitzt „Papiere auf Thomas John“ (S. 55, 28). Diese beiden Personen stehen folglich in direktem Zusammenhang zueinander, ihre Einstellungen zum Geld gleichen sich. Außerdem weist ihr Schicksal eine große Ähnlichkeit auf. Thomas John wird vom göttlichen Gericht bestraft, Rascal verliert sein Leben durch irdische Rechtsprechung.
5.3. Raum und Zeit
5.3.1. Raumsymbole
In „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ werden unter anderem auch Raumsymbole genutzt, um den romantischen Widerspruch zwischen dem Materiellem und dem romantisch-geistigen darzustellen.
Nach einer „beschwerlichen Seefahrt“ (S.17, 4 f) erreicht Peter Schlemihl den „Hafen“ (S. 17, 5). Der Hafen ist ein Symbol des Merkantilismus und somit auch für bürgerlichen Besitz. Das Zimmer, das sich Schlemihl im „geringsten Haus“ (S. 17, 8 f) mietet, symbolisiert seinen geringen gesellschaftlichen Status in dieser von Kapitaldenken geprägten Umgebung.4
DasAnwesen des reichen Kaufmanns Johnist ein Symbol für den „rein materiell begründeten Status“5des Einzelnen. Die Anwesenheit des „grauen Mannes“ (S. 20, 26) rückt das Szenario in den Bereich des Phantastischen. Der Park des Herrn John wirkt dadurch wie eine „märchenhafte Wunderwelt“6, in der alle Wünsche erfüllt werden, vom Pflaster bis zu den gesattelten Reitpferden.7Das phantastische wird von den Personen, die offenbar in diesen Raum gehören, nicht wahrgenommen. Die auf wundersame Art erscheinenden Gegenstände werden als selbstverständlich akzeptiert, da keiner „etwas Außerordentliches darin“ (S. 20, 35) findet. Nur Peter Schlemihl, eine Figur die Außerhalb der reichen Gesellschaft des Herrn John steht und somit auch nicht Bestandteil des Raumes ist, ist „unheimlich“ (S.20, 36) zumute. Hier findet auch der Schattenhandel statt, der für Schlemihl rein materiellen Hintergrund hat.
Die Straßen der Stadt, ein Raumsymbol für soziale Kontakte und gesellschaftliches Leben, muss Peter Schlemihl auf Grund seiner Schattenlosigkeit meiden.Die Wohnung, die sich die Hauptfigur im „vornehmsten Hotel“ (S. 25, 10) nimmt, ist dagegen als ein Symbol für seine Isolation zu sehen. Schlemihl liegt nach eigenen Angaben in seiner Wohnung, „wie Faffner bei seinem Hort“ (S. 29, 32). Der Raum wirkt in der Tat wie ein Hort, zwar mit allen materiellen Reichtümern gefüllt aber dennoch oder gerade deshalb fernab von sozialen Kontakten. Das Zusammenspiel dieser beiden Räume verdeutlicht Peter Schlemihls Situation. Er ist reich, kann diesen Reichtum aber nicht nach Außen hin präsentieren. Auch derGarten, in dem sich Fanny und Peter Schlemihl treffen, gehört zu diesem Raum.
Der Badeort, in dem Peter Schlemihl sich eine Existenz als Graf Peter schafft, ist abermals ein Raumsymbol für das Materielle. Dies kann man allein schon an der Bezeichnung des Dorfes erkennen. Es handelt sich um einen Badeort, also eine Anlaufstelle für Touristen. Das Reisen war damals ein Luxus, der hauptsächlich den Reichen vorbehalten war, wie dem „Handelsmann“ (S. 39, 9), der seinen Reichtum „zum Prunk ausstellen“ (S. 39, 13) will. Schlemihl lebt dort „in königlicher Pracht und Verschwendung“ (S. 39, 20). Betrachtet man die Beschreibung seinesHausesin diesem Ort, fällt auf, dass er dort „sehr einfach“ (S. 39, 21) lebt. Zusammen betrachtet symbolisieren die beiden Räume die Situation Peter Schlemihls. Er ist durch sein Geld nach Außen hin zwar beliebt, die Einfachheit und Zurückgezogenheit seines Lebens verdeutlichen aber Schlemihls fortwährende Isolation. Durch diese klare Trennung der Räume wirkt Schlemihls Reichtum nur wie eine Fassade. Ebenfalls zu diesem Raum gehört derFörstergarten. Hier finden die Treffen von Peter Schlemihl und Mina statt. Dieser Ort steht für die Liebe der Beiden und ist somit, auch wegen der Tatsache, dass es sich um einen Garten handelt, ein von romantischen Idealen geprägter Raum.
Ein weiteres wichtiges Raumsymbol ist die „Höhle“ (S. 64, 28). Durch die Art und Weise, wie sie beschrieben wird, entsteht das Bild eines geheimnisvollen Ortes, wo „unterirdische Ströme“ (S. 64, 30) in „ungemessener Tiefe“ (S. 64, 30) fließen. Dadurch ist die Höhle ein Raum von romantischer Symbolträchtigkeit.
Das „Schlemihlium“ (S. 76, 12) ist ein Hospital, ein Ort christlicher Nächstenliebe. Hier werden Kranke aufgenommen, um ihnen zu helfen. Dieser Ort wurde von dem restlichen Gold Peter Schlemihls errichtet. Man kann dieses Raumsymbol als eine Brechung des Fluches des Goldes deuten. Das mit Unglück behaftete Geld, wird einem guten Zweck zugeführt.
DieWelt, die Schlemihl mit den Siebenmeilenstiefeln bereist, steht für seine neugewonnene Freiheit. Ein wichtiges Symbol ist hier die räumliche Grenze, die sich Peter Schlemihl wie das „festverschlossene Gitter seines Kerkers“ (S. 72, 31 f) in den Weg stellt. Der ihm verschlossene Raum, „Neuholland und die Südsee“ (S. 72, 35), dessen Erkundung „zum Verständnis der Erde“ (S. 72, 33) notwendig ist, steht für einen wichtigen Aspekt der romantischen Weltanschauung. Trotz wissenschaftlicher Forschung bleibt die Welt ein Mysterium, das niemals vollständig ergründet werden kann. Dieser Raum steht also symbolisch für den romantischen Glauben an das Unerklärbare der Welt und ist damit direkt mit dem Vorwurf an die Wissenschaft verknüpft, alles Geheimnisvolle durch Forschung zu vertreiben.
5.3.2. Die Gegensätzlichkeit in der Raumkonstellation
Betrachtet man sich die Räume in der Erzählung genauer, so kann man eine auf Gegensätzlichkeit beruhende Struktur erkennen. Es bilden sich Raumpaare, die durch eine ähnliche aber umgekehrte Bedeutung zusammengehören.
Das Anwesen von Thomas John steht in direkter Verbindung zur Höhle. Johns Garten ist ein Symbol des Materialismus, die Höhle ist von romantischer Bedeutung. Auf dem Anwesen trifft Peter Schlemihl den Grauen zum ersten Mal, in der Höhle sieht er ihn das letzte Mal. Außerdem beginnt der Leidenweg Schlemihls bei Thomas John mit dem Erwerb des Glückssäckel und endet in der Gebirgshöhle mit dem Wegwurf des Beutels.
Ein weiteres Paar bilden die Stadt, in der sich Schlemihl das Zimmer im edlen Hotel nimmt und der Badeort einschließlich des Wohnhauses. In der ersten Stadt beschränkt sich die Nutzbarkeit von Schlemihls Reichtum auf dessen Wohnung, nach Außen hin spielt er zunächst keine Rolle. Im Badeort stellt sich dieses Verhältnis genau umgekehrt dar. Peter Schlemihls Besitz wird der Außenwelt, also den Dorfbewohnern, präsentiert, in seiner Wohnung jedoch lebt er einfach und zurückgezogen. Es ist noch eine weitere Gemeinsamkeit zu erkennen. Zu beiden Räumen gehört ein Garten, in dem sich jeweils die Beziehungen Schlemihls abspielen, die ebenfalls vollkommen gegensätzlich sind.
5.3.3. Zeit
In „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ spielt die Zeit nur eine untergeordnete Rolle. Histoire -und Discoursebene sind identisch, die Ereignisse stehen in der Reihenfolge, in der sie zeitlich geschehen. Einzig erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Zeitraffung der Handlung. Die Erzählung eilt ab Kapitel IV „schnell über eine Zeit“ (S. 34, 12) hinweg, die aber insgesamt den größten Teil der Handlung ausmacht. Damit wird die Bedeutung und Ereignisfülle dieses Zeitabschnitts hervorgehoben.
5.4. Die Gattungsfrage - Welt und Realität
Bei „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ handelt es sich um eine phantastische Erzählung, da man nicht klar unterscheiden kann, ob das Unheimliche fest zur Realität gehört oder nicht.
Die dargestellte Welt ist von bürgerlichem Denken geprägt, Kapital und Besitz genießen oberste Priorität. In diese Realität bricht das Übersinnliche in Form des grauen Mannes ein. Aber nur aus Peter Schlemihls Sicht handelt es sich um einen unerklärlichen Einbruch des Unheimlichen, alle anderen scheinen es als völlig normal zu betrachten, so, „als müsse es so sein“ (S. 20, 3). Dieses erste Auftreten des Übernatürlichen ist auch die einzige Stelle in der Erzählung, wo die Welt des Übersinnlichen in die gewohnte Realität einbricht. Im weiteren Verlauf der Geschichte scheinen übernatürliche Elemente auf einmal zur Realität zu gehören. Sowohl Schlemihls Schattenlosigkeit als auch Märchenmotive, wie Siebenmeilenstiefel und Tarnkappe, werden als Bestandteil der Alltagswelt empfunden, was wiederum für die Einordnung als Märchen spricht. Da aber der Verschmelzung der Normal -und Märchenwelt ein Einbruch des Übersinnlichen in die, aus der Sicht des Erzählers bis dahin völlig rationale Realität vorausgeht, liegt hier eine Unentscheidbarkeit vor. Außerdem hat die Welt in der Erzählung nichts märchenhaftes an sich, sondern ist vielmehr von bürgerlichen Moral -und Wertvorstellungen geprägt. Kapital und Handel sind die Eckpfeiler dieser Realität. Das Phantastische müsste in dieser von Rationalität geprägten Welt als Fremdkörper erscheinen, wird aber durch die literarische Gestaltung der Erzählung, also den realistisch- bürgerlichen Stil, als Bestandteil der Realität dargestellt. Man kann also sagen, dass Normal -und Märchenwelt eigentlich nicht identisch sind, sondern erst durch den Bericht Schlemihls dieser Eindruck entsteht. „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ ist folglich phantastisch.8
5.5. Das Schattenmotiv
Der Schatten, scheinbar etwas substanzloses ohne erkennbaren Wert, entpuppt sich als wichtiger Bestandteil der Persönlichkeit, den Schlemihl erst bei seinem Verlust schätzen zu lernt. Es gibt viele Deutungen des Schattenmotivs. Thomas Mann zum Beispiel deutet den Schatten als „Symbol aller bürgerlichen Solidität“9. Andere sehen das Motiv autobiographisch und deuten den Verlust des Schattens als den „Verlust der Heimat“10. Betrachtet man den Schatten aber aus rein romantischer Sicht, so ist er das nicht materielle Abbild des Menschen. Der Schatten ist keine Selbstverständlichkeit, wie der Verkauf desselben beweist, sondern ein Symbol für die Einstellung eines Menschen zum Kapital und damit auch zum Geist, sprich Poesie, Fantasie und Gefühl, allen voran die Liebe. Der Schattenlose ist folglich kein kompletter Mensch und wird als Konsequenz von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Die Schattenlosigkeit wird so zur Brandmarke eines komplett dem Materiellen verschriebenen Menschen. Der zum Verkauf des Schattens zunächst notwendig erscheinende Pakt mit dem Bösen ist direkt mit der Bedeutung des Schattenmotivs verknüpft, die reine Zuwendung zum Materiellem wird also als böse dargestellt. Durch das Auftreten des „Handelsmanns“ (S. 39, 9) wird die Funktion des Schattens als Indikator des persönlichen Verhältnisses zwischen Geld und Geist abermals deutlich. Er wirft „einen breiten, obgleich etwas blassen Schatten“ (S. 39, 11 f). Der Handelsmann ist materialistisch ausgerichtet, was auch der finanzielle Wettstreit mit Peter Schlemihl beweist. Das „Ansehen“, das er genießt, definiert sich allein durch seinen Besitz. Der blasse Schatten steht also für eine Einstellung an der Schwelle zum Philistertum. Der Hinweis, der Handelsmann habe „Bankerott gemacht, um sich zu bereichern“ (S. 39, 10) macht deutlich, dass es sich bei seinem Besitz um „rechtmäßig“ erworbenes Eigentum handelt, ohne einen Pakt mit dem Teufel zu haben. Dadurch wird die Auswirkung der persönlichen Einstellung auf den Schattenwurf betont. Folglich kann einem nicht nur der Teufel den Schatten nehmen, der Mensch selbst nimmt Einfluss auf ihn. In diesem Zusammenhang kann auch Peter Schlemihls Schattenverkauf gesehen werden. Seine Schattenlosigkeit ist also die Konsequenz seiner philisterhaften Einstellung.
5.6. Die Seele
Die Seele ist mit dem Schattenmotiv vergleichbar. Auch sie ist nicht materiell, ist also somit ein Teil der phantastischen Welt. Das Angebot des Grauen, Peter Schlemihl seine Seele mit „etwas Wirklichem“ (S. 48, 25) zu bezahlen, drückt den Hang zum Rationalen in einer bürgerlichen Welt aus. Die Seele ist etwas nicht sichtbares und entzieht sich daher jedweder kapitalistischen Verwertbarkeit. Die Frage des Grauen, was Schlemihl nach seinem Tod gedenke, „damit anzufangen“ (S. 48, 21) weist auf die religiöse Bedeutung der Seele hin. Schatten und Gold verlören nach Peter Schlemihls Tod sicherlich den Wert, die Seele hingegen ist, aus Sicht der christlichen Religion, das einzig unsterbliche am Menschen. Durch die Aussage des grauen Mannes, der zudem bezüglich der Seele auch noch von „Nachlaß“ (S. 48, 23) spricht, wird eben diese Unsterblichkeit zum Ausdruck gebracht. Schlemihls Seele soll also erst nach seinem Tod in den Besitz des Teufels gehen. Da Religiosität in der Romantik eine wichtige Rolle spielt, ist somit ein weiteres romantisches Motiv erkennbar. Die Seele steht symbolisch für die Moral -und Wertvorstellungen eines Menschen. Das zeigt sich deutlich an der Begründung Schlemihls, warum er den Verkauf seiner Seele ablehnt. Er tut es nicht auf Grund gesunden Menschenverstandes, sondern nur, weil ihm der Graue „von Herzensgrunde verhasst“ (S. 48, 36 f) ist, seine Seele ist „angefüllt“ (S. 57, 25) mit „unüberwindlichem Hasse“ (S. 57, 24) ihm gegenüber. Er hat folglich keinen wirklichen Grund den Handel abzuschlagen, nur seine natürliche Abneigung gegen das Böse hindert ihn daran. Schlemihl besitzt zwar keinen Schatten mehr, hat aber dennoch seine Moralvorstellung, die hier als das natürliche Gefühl für richtig oder falsch dargestellt wird. Die Seele ist symbolischer Träger für menschliche Gefühle, wie auch Liebe, während der Schatten nur ein für andere Menschen sichtbarer Indikator ist. Am Beispiel von Thomas John wird der Einfluss des Menschen auf die eigene Seele betont. Die Aussage des Grauen, mit „einem so guten Freund“ (S. 66, 27) wie Thomas John sei ein Vertrag „keineswegs nötig“ (S. 66, 28) verdeutlicht, dass ein Mensch auch ohne das direkte Zutun des Teufels seine Seele in dessen Hände geben kann. Thomas John hat sich durch seine materialistische Einstellung folglich selbst verdammt.
5.7. Die Märchenmotive und ihre Bedeutung
In „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ spielen verschiedene Märchengegenstände eine wichtige Rolle. Die wichtigste Bedeutung haben „Fortunati Glückssäckel“ (S.23, 12 f) und die „Siebenmeilenstiefel“ (S. 71, 7 f). Diese beiden zentralen Gegenstände symbolisieren, wie so vieles in der Erzählung, den Widerspruch von Geld und Geist. Fortunati Glückssäckel bringt Schlemihl materiellen Besitz, ist aber gleichzeitig mit seinem Unglück verknüpft. Die Siebenmeilenstiefel hingegen, verhelfen ihrem Besitzer zu rein ideellem Reichtum und symbolisieren die Losgelöstheit von der Last des Kapitals. Das erste märchenhafte Motiv ist sicherlich die Tasche des Grauen, aus dem dieser Gegenstände zieht, die von „Englisch Pflaster“ (S. 18, 33) bis zu „drei gesattelten Pferden“ (S. 21, 3 f) reichen.
Während des Handels mit Peter Schlemihl, werden weitere Märchengegenstände erwähnt. „Die echte Springwurzel, die Alraunwurzel, Wechselpfennige, Raubtaler, das Tellertuch von Rolands Knappen, ein Galgenmännlein“ (S. 23, 7 ff), sowie „Fortunati Wunschhütlein“ (S. 23, 10 f) werden vom Mann in Grau fast beiläufig erwähnt. Die zentrale Rolle spielt jedoch „Fortunati Glückssäckel“ (S. 23, 13 f), für das Schlemihl seinen Schatten verkauft. Auch der Handel mit etwas scheinbar fest an den Menschen gebundenes, wie der Schatten, ist ein beliebtes Märchenmotiv. Das Glückssäckel ist, bedingt durch seine Funktion, ein Symbol für das Materielle, da es seinem Besitzer unermesslich reich macht. Gleichzeitig bringt es Schlemihl aber auch Unglück, da es direkt mit dem Schattenverkauf verknüpft ist. Folglich wird mit dem Symbol des Fortunati Glückssäckel die Kritik der Romantiker am einseitigen und als Konsequenz auch unglücksbringenden Kapitalstreben ausgedrückt. Dies wird auch durch die Tatsache belegt, dass mit dem Wegwurf des Säckels der Graue für immer verschwindet und Schlemihl „ein schweres Gewicht“ (S. 67, 5 f) genommen ist. Der direkte Zusammenhang zwischen dem Mann in Grau und Fortunati Glückssäckel rückt die Bedeutung des Beutels in den Bereich das Dämonischen. Mit dem Wegwurf des Säckels, was mit der Loslösung vom rein materialistischen Denken gleichzusetzen ist, fühlt sich Schlemihl plötzlich frei, das Böse in Form der verführerischen Kraft des Geldes verschwindet.
Auf den Grauen sind noch zwei weitere Märchengegenstände zurückzuführen, „das unsichtbare Vogelnest“ (S. 52, 33) und die „Tarnkappe“ (S. 48, 32). Beide Gegenstände entziehen sich einer Deutbarkeit und werden vom Mann in grau nur dazu verwendet, Peter Schlemihl die negativen Auswirkungen seines Schattenverlustes deutlich zu machen.
Das einzige Märchenmotiv, das nicht auf den Grauen zurückgeht, sind die Siebenmeilenstiefel, die das genaue Gegenteil des Fortunati Glückssäckel darstellen. Peter Schlemihl erwirbt sie auf einer Kirmes. Diese Tatsache ist wichtig, da die Kirmes ein Kirchenfest ist, das am Namenstag des jeweiligen Kirchenpatrons gefeiert wird. Die Stiefel werden somit mit der Religion verknüpft, was den Gegensatz zum Glückssäckel noch verstärkt, das ja auf den Teufel zurückzuführen ist. Es gibt am Kirmesstand „alte und neue Stiefel“ (S. 69, 25 f). Schlemihl muss sich Paar gebrauchte nehmen, da er sich die neuen nicht leisten kann. Somit wird die völlige Freiheit des Motivs der Siebenmeilenstiefel von materiellen Attributen verdeutlicht. Die Stiefel sind nicht teuer, sondern alt und gebraucht, verhelfen Schlemihl aber zu seiner Erfüllung. Durch die Stiefel steht ihm seine „Zukunft vor seiner Seele“ (S. 71, 11 f), sie ermöglichen ihm die Bereisung der Erde, sowie die Erforschung der Natur, also den Zuwachs geistigen Reichtums. Durch die direkte Verbindung der Siebenmeilenstiefel mit der Religion wird abermals der romantische Hang zur Religiosität verdeutlicht. Insgesamt symbolisieren die Stiefel also romantische Tugenden. Die Abkehr vom geistlosen Materiellen und Religiosität werden so mit persönlichem Glück und Freiheit gleichgesetzt. Bevor Schlemihl aber an diesem Punkt angelangt, hat er die Konsequenzen seiner Schattenlosigkeit zu tragen.
5.8. Isolation und Scheinexistenz
Seine Schattenlosigkeit macht Peter Schlemihl zum gesellschaftlichen Außenseiter. Diese Isolation zeigt sich unter anderem in dem vorhergehend schon beschriebenen Raumsymbol des Hotelzimmers und ist die scheinbar logische Konsequenz Peter Schlemihls Schattenlosigkeit. „Dicke, wohlbeleibte“ (S. 27, 13) Männer, also Menschen des Besitzbürgertums, bringen ihm „hochmütige Verachtung“ (S. 27, 12) entgegen, da sie „selbst einen breiten Schatten“ (S. 27, 13 f) werfen. Dies zeigt, dass sich Geld und Geist nicht gegenseitig ausschließen müssen, die Romantik wurde auch von Teilen des Bildungsürgertums getragen, die trotz ihres Besitzes den Wert des Geistes würdigten. Der Traum, den Peter Schlemihl in seiner Isolation träumt, steht für seine momentane Situation. Er träumt, er stünde „hinter der Glastüre“ (S. 25, 30) von Chamissos Zimmer, den er tot an seinem Arbeitstisch sitzen sieht. Schlemihl kann zwar durch die Glastür in das Zimmer sehen, wird aber durch das Hindernis der Tür davon abgehalten, es zu betreten. Chamissos „kleines Zimmer“ (S. 25, 30) ist ein Symbol der geistigen Welt und weist, schon auf Grund der erwähnten geringen Größe des Raumes, keine Anzeichen von materiellem Reichtum auf. Er steht offensichtlich für die Ideale der Romantik. Vor Chamisso sind „Haller, Humboldt und Linné aufgeschlagen“ (S. 25, 33), allesamt berühmte Botaniker. Fouqués „Zauberring“ ist eine im Mittelalter spielende Novelle. Sowohl die Bewunderung der Natur als auch das starke Interesse an der Vergangenheit, insbesondere das Mittelalter, zeichnen die Romantik aus. Der „Band Goethe“ (S. 25, 34) steht symbolisch für die in der Romantik verbreitete Goetheverehrung und kann auch als Hinweis auf die Motivverwandtheit des Teufelspaktes in „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ und „Faust“ gesehen werden. Der geträumte Tod Chamissos verdeutlicht Schlemihls Verlust sozialer Kontakte. Die in der Romantik gepflegten Freundeskreise sind für ihn unerreichbar geworden. Dieser Traum führt ihm eine Welt vor Augen, die für ihn scheinbar unerreichbar ist. Peter Schlemihl kann nur am Leben der Gesellschaft teilnehmen, solange seine Schattenlosigkeit nicht bemerkt wird. Mit Hilfe seines Dieners Bendel gelingt ihm das zunächst recht gut und er genießt auf einmal „Ehre und Achtung“ (S. 32, 17). In dem Badeort wird er für einen Grafen gehalten und lässt sich „den Grafen gefallen“ (S. 37, 22). Dieser scheinbare Adelstitel verweist, in Verbindung mit der verschwenderischen Lebensweise Schlemihls, auf einen weiteren Aspekt der romantischen Weltsicht, der Kritik an den Ausschweifungen des Adels. Die Beschreibung von Schlemihls Lebensweise als Graf Peter betont die Macht des Geldes. Er unterwirft sich alles mit „der königlichen Pracht und Verschwendung“ (S. 39, 20) in der er lebt. Die Bewohner des Badeortes sehen nur das Geld Peter Schlemihls und hinterfragen nicht seine Identität. Man hält ihn in dem Ort zwar für einen König, weiß aber „nicht recht, welcher“ (S. 39, 4). Den Menschen ist also die Person an sich völlig egal. Sie sehen nur das Vordergründige, die vergoldete Fassade Peter Schlemihls. Dies zeigt sich auch an dem Verhalten der Bewohner, als die Schattenlosigkeit Schlemihls bekannt wird. Die Menschen zerstören „auf Rascals Anstiften“ (S. 60, 2 f) das Haus Schlemihls. Das verdeutlicht die niedere Stellung des Menschen an sich. Nur das Geld entscheidet über die Wertigkeit der Person, nicht etwa deren Charakter.
5.9. Die Beziehungen zu Fanny und Mina
5.9.1. Die Beziehung zu Fanny
Die Beziehung zu Fanny verdeutlicht die gefühllose Vordergründigkeit eines durch Besitz begründeten Status. Anfangs, im Garten Thomas Johns, wird Peter Schlemihl von der jungen Frau noch nicht einmal beachtet, nun, da er reich ist, schenkt sie ihm „einige Aufmerksamkeit“ (S. 32, 33). Schlemihl gewinnt Fanny durch seine plötzlich vorhandene Fähigkeit, „das Gespräch [...] zu führen und zu beherrschen“ (S. 32, 36 f). Diese Beziehung verdeutlicht die Wirkung des Geldes. Peter Schlemihl wird plötzlich beachtet und geschätzt, obwohl er trotz seines Besitzes der selbe Mensch geblieben ist. Die neugewonnene Gesprächsgewandtheit Peter Schlemihls ist eine Art Nebenerscheinung seines Reichtums. Daher ist die gesamte Beziehung zwischen Schlemihl und Fanny rein bürgerlich-kapitalistisch zu sehen, sein Besitz macht Peter Schlemihl interessant, nicht seine Persönlichkeit. Gefühle scheinen keine Rolle zu spielen. Das zeigt auch die Aussage Schlemihls, er könne sich nicht „den Rausch aus dem Kopf ins Herz zwingen“ (S. 33, 5 f). Die Beziehung zu Fanny endet mit der Aufdeckung Schlemihls Schattenlosigkeit.
5.9.2. Die Liebe zu Mina
Die Beziehung zu Mina ist ein typisch romantisches Motiv. Auch hier spielt Peter Schlemihls Redekunst eine Rolle. Doch ganz im Gegenteil zur Beziehung mit Fanny ist er in Gegenwart Minas nicht in der Lage, auch nur ein „Wort hervorzulallen“ (S. 37, 31). Diese Liebesbeziehung ist das Gegenteil zur Situation mit Fanny. Das wird schon durch den Verweis auf Schlemihls Redekunst gezeigt. In der Beziehung zu Mina spielen folglich vordergründige, direkt mit dem Besitz verknüpfte Wortgerüste keine Rolle. Vielmehr wird die romantische Gefühlsbetontheit hervorgehoben. Insgesamt ist Schlemihls Liebe zu Mina der genaue Gegensatz seines Verhältnis zu Fanny, da sich auch die Orte sehr ähneln, an denen sich die Beziehungen abspielen. In beiden Fällen handelt es sich um einen Garten. Außerdem endet auch das Verhältnis zu Mina mit bekannt werden von Schlemihls Schattenlosigkeit.
5.10. Fazit - Die zentrale Problematik
Durch die vorhergehenden Untersuchungen bin ich zu dem Schluss gelangt, dass das Zentralproblem von „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ der Wiederspruch von romantischen Vorstellungen und dem Philistertum ist. Der Weltanschauung des Romantikers wird die einseitige Konzentration auf das Materielle entgegengesetzt. Dies lässt sich unter anderem aus der Gegensätzlichkeit der Charaktere, Raumsymbole und Märchenmotive schließen. Symbole des Materialismus werden in direkte Verbindung mit romantischer Symbolik gesetzt. Beispiele hierfür sind Fortunati Glückssäckel und Siebenmeilenstiefel, das Anwesen Thomas Johns und die Höhle im Gebirge sowie die charakterlichen Gegensätze von Bendel und Rascal. Im Laufe der Handlung wird dabei ein Bild der romantischen Weltanschauung gezeichnet. Die reine Ausrichtung auf das Materielle wird mit den Leiden des Peter Schlemihl kritisiert, zugleich wird aber Erlösung in Form einer Abkehr vom Weg des Philistertums angeboten. Alle, die dich dem Mann in Grau, also dem geistlosen Kapitalismus verschrieben haben, kommen zu Schaden. Rascal stirbt, Thomas John ist verdammt, und Schlemihl muss seine Isolation ertragen. Durch die häufig auftretende religiöse Symbolik werden christliche Motive zu Mitteln der Erlösung und Bestrafung. Sowohl Schatten -als auch Seelenverlust gehen primär auf die Personifizierung des Teufels zurück. Damit werden die Konsequenzen einer materialistischen Einstellung verdeutlicht. Die Seele an den Teufel zu verkaufen bedeutet in die Ungnade Gottes zu fallen, was gleichbedeutend mit Verdammung ist. Gleichzeitig wird an den Beispielen des Handelsmann und Thomas John aber auch gezeigt, dass Schatten -und Seelenverlust die Folgen der persönlichen Einstellung sind. Wer sich nur dem Geld verschreibt, schließt also automatisch einen Pakt mit dem Bösen. Das Phantastische in Form des grauen Mannes dient folglich nur zur Verdeutlichung der Konsequenz dieser Geisteshaltung. Der Graue tritt als Personifizierung des geistlosen Kapitaldenkens auf, wer sich ihm verschreibt, verschreibt sich dem Bösen und wird verdammt.
Indem das Phantastische scheinbar wie natürlich in die Realität integriert wird, kommt abermals der zentrale Konflikt in Form eines weiteren Gegensatzes zum Vorschein. Die Welt scheint bürgerlich, materielle Verwertbarkeit beherrscht das Denken der Menschen. In genau dieser Realität erscheint auf einmal das Übernatürliche und wird selbst völlig real. Niemand scheint etwas unheimliches an einer unerschöpflichen Tasche oder einem Schattenlosen zu finden. Die eigentlich völlig gegensätzlichen Welten der Bürgerlichkeit und des Übersinnlichen lagern sich zusammen und bilden eine in sich logische Realität. Mit Hilfe dieser Verschmelzung wird die kapitalistisch-bürgerliche Welt durch die Symbolik der phantastischen Motive dämonisiert. Das Übersinnliche nimmt in Form des Grauen bürgerliche Gestalt an. Der Mann in grau ist das personifizierte Böse und gleichzeitig ein Symbol für den geistlosen Materialismus. Dieses phantastische Motiv erscheint nicht in irgendeiner Märchenwelt, sondern in einer greifbaren, bürgerlich-rationalen Realität. Dadurch wirkt auch die Kritik sehr real, denn wodurch kann man das ausschließliche Streben nach Besitz besser kritisieren als durch eine phantastische Personifizierung dieses bürgerlichen Denkens in seiner natürlichen Umgebung? Dem gegenüber stehen Siebenmeilenstiefel als Gegenpol. Auch sie sind ein phantastisches Motiv, stehen jedoch für das romantische Denken und bieten somit eine Fluchtmöglichkeit vor der rein bürgerlichen Welt.
Insgesamt läuft in „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ alles auf die Kritik der gewinnorientierten und von Merkantilismus dominierten Welt hinaus. Gleichzeitig werden Aspekte der Romantik hervorgehoben und letztendlich auch glorifiziert.
6. Literaturverzeichnis
Freund, Winfried, Chamisso - Peter Schlemihl Geld und Geist
Hoffmann, Friedrich G. und Rösch, Herbert, Grundlagen, Stile, Gestalten der deutschen Literatur
Pohl, Wolfgang http://www.ni.schule.de/~pohl/literatur/epochen/romantik.htm
Wallach, Dagmar (Hrsg.), Erläuterungen und Dokumente - Adelbert von Chamisso - Peter Schlemihls wundersame Geschichte, Wallach, Dagmar, „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“, in:
Interpretationen - Erzählungen und Novellen des 19. Jahrhunderts (Band 1)
[...]
1 vgl. Pohl, Wolfgang, http://www.ni.schule.de/~pohl/literatur/epochen/romantik.htm
2 vgl. Freund, Winfried, Chamisso - Peter Schlemihl Geld und Geist
3 vgl. Freund, Winfried, Chamisso - Peter Schlemihl Geld und Geist
4 vgl. Freund, Winfried, Chamisso - Peter Schlemihl Geld und Geist
5Freund, Winfried, Chamisso - Peter Schlemihl Geld und Geist S. 30, 16
6Freund, Winfried, Chamisso - Peter Schlemihl Geld und Geist S. 30, 19
7 vgl. Freund, Winfried, Chamisso - Peter Schlemihl Geld und Geist
8 Vgl. Erzählungen und Novellen des 19. Jahrhunderts, Band 1; Wallach, Dagmar: Peter Schlemihls Wundersame Geschichte
9Erläuterungen und Dokumente - Adelbert von Chamisso - Peter Schlemihls wundersame Geschichte, Mann, Thomas, S. 75, 21 f
10 Vgl. Erläuterungen und Dokumente, Rolf Schneider S. 82
- Quote paper
- Tobias Herrmann (Author), 2002, Chamisso, Adelbert von - Peter Schlemihls wundersame Geschichte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106641
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