Ein gefährlicher Tanz auf dem Vulkan der Revolution: Frankreich, 1795. Nach Jahren des Umbruchs und des Terrors ringt die Republik um Stabilität, doch unter der Oberfläche brodelt es weiter. Die Direktorialverfassung, proklamiert als Erbe der Bürgerlichen Revolution, zementiert in Wahrheit die Macht des Besitzbürgertums und schließt die ärmeren Bevölkerungsschichten erneut aus. War die Revolution gescheitert? Das allgemeine Wahlrecht wird abgeschafft, das Zensuswahlrecht wiedereingeführt – ein Verrat an den Idealen von Freiheit und Gleichheit? Intrigen, Korruption und Krieg prägen das Bild der neuen Machthaber, die unfähig sind, den Staatsbankrott abzuwenden oder den Frieden zu sichern. Stattdessen errichten sie eine diktatorische Regierung, um ihre eigene Macht zu erhalten, und unterdrücken jegliche Opposition, sowohl von Royalisten als auch von radikalen Demokraten. Inmitten dieses Chaos erhebt sich ein junger General: Napoleon Bonaparte. Sein Staatsstreich im November 1799 beendet das Direktorium und besiegelt das Schicksal der Republik. Doch war dies das Ende der Revolution oder nur ein neuer Anfang? Erleben Sie, wie politische und wirtschaftliche Interessen kollidieren, wie Emanzipationsbestrebungen im Keim erstickt werden und wie der Traum von einer gerechten Gesellschaft in den Wirren der Macht zerbricht. Eine packende Analyse der Herrschaftsstrukturen, der Demokratisierungs- und Emanzipationsprozesse und der politischen Ökonomie im Frankreich der späten 1790er Jahre – ein Schlüssel zum Verständnis der turbulenten Epoche zwischen Revolution und napoleonischer Herrschaft. Tauchen Sie ein in eine Zeit des Umbruchs, der Leidenschaft und des Verrats, in der die Ideale der Freiheit auf dem Altar der Macht geopfert werden.
Herrschaftsstrukturen
Am 22.August 1795 bekommt die Französische Republik eine neue, liberale Verfassung, insgesamt die dritte Verfassung der Revolution, die am 23. September in Kraft tritt: Die Direktorialverfassung.
Die Verfassung verstand sich als Erbe der bürgerlichen Revolution, und gab dem gehobenen republikanischen Bürgertum die Macht.
Ihr zweiter Paragraph besagt zwar, dass „die Gesamtheit der französischen Bürger (...) der Souverän“1 ) ist, jedoch wurde „die Gesamtheit der französischen Bürger“ durch weitere Paragraphen eingeschränkt.
Französischer Bürger war, wer in Frankreich geboren, mindestens 21 Jahre alt, mindestens ein Jahr in der Republik gewohnt hat und eine direkte Grund- oder Personalsteuer zahlt. Französische Bürger konnten „in den Urversammlungen* stimmen und zu den durch die Verfassung begründeten Ämtern ernannt werden.“3 )
Die Wähler des neu eingeführten Zwei-Kammern-Parlaments, bei dem die untere Kammer, der Rat der 500, die Gesetze vorschlägt, und die obere Kammer, der Rat der Alten, sie verabschiedet oder verwirft, und der Nationalversammlung wurden erneut vermindert. Das allgemeine Wahlrecht wurde wieder abgeschafft und das Zensuswahlrecht neu eingeführt, es blieben nur noch ca. 200.000 Aktivbürger übrig und wiedereinmal war die Bourgeoisie bevorzugt und die ärmeren Bürger von der Politik ausgeschlossen. Dadurch war Frankreich zu einer bürgerlichen Klassenherrschaft zurückgekehrt.
Der Nationalkonvent, bei dem die gemäßigten Republikaner die Mehrheit hatten, wurde am 26. November aufgelöst und eine neue Nationalversammlung gegründet. Diese jedoch bestand zu 2/3 aus alten Mitgliedern des Konvents, denn das war in der Verfassung so festgelegt. Damit war eine Gegenrevolution auf legalem Weg praktisch unmöglich gemacht worden.
Die Beiden oben genannten Kammern wählen den Träger der Exekutive, ein Fünfköpfiges Direktorium, das fortan anstatt des Nationalkonvents die Spitze des Staates bildete. Doch auch diese neue Regierung schaffte es nicht einen Staatsbankrott abzuwenden sowie den Krieg gegen die neue antifranzösische Koalition von England, Russland, Österreich und dem Deutschen Reich zu beenden. Um die Macht nicht zu verlieren haben die republikanischen Mitglieder der Nationalversammlung am 4.9.1797 durch einen Staatsstreich eine diktatorische Regierung errichtet. Dadurch stärkte sich die Macht des Direktoriums und die royalistische und die radikale Opposition wurden unterdrückt.
Letztendlich aber führten die inneren Misserfolge und die Niederlagen auf allen Kriegsschauplätzen am 9.11.1799 zum Staatsstreich des jungen Artilleriegenerals Napoleon Bonaparte und zur Auflösung des Direktoriums.
*Urversammlungen bestehen aus den in einem Kanton wohnenden Bürgern
1) http://www.psm-data.de/frz_rev/frz_ver2.htm
2) Geschichts-Kurse, Revolutionen, S.92
Das Verhältnis von Politik und Wirtschaft und wie sie sich beeinflussen
Die neue Regierung hatte einen Vorteil daraus gezogen, dass Preussen den Sonderfrieden von Basel 1795 mit Frankreich geschlossen hatte. Dadurch wurde den Franzosen gegen spätere Entschädigung Preussens das linke Rheinufer zugesprochen, was bedeutete Frankreich war mit mehr Land aus dem Krieg hervorgegangen als sie vorher hatten. Doch das restliche Europa, das nahezu ganz monarchisch-absolutistisch beherrscht wurde, war ganz und gar nicht zufrieden mit der Revolution des 3.Standes in Frankreich. Es herrschte Krieg, der offiziell vom Direktorium nur zur Verbreitung der freiheitlichen Ideen geführt wurde, aber eigentlich nur zur Auffrischung der Kassen des ewig überschuldeten Staatshaushaltes diente.
Trotzdem wurde auch das Direktorium mit der immer noch andauernden Wirtschaftskrise nicht fertig.
Bevor die Verfassung verkündet worden war, musste die Bourgeoisie im Frühjahr 1795 zweimal Aufstände niederschlagen, die von den Sansculotten arrangiert worden waren. Die Massen demonstrierten mit der Parole: „Brot und die Verfassung von 1793“. Auch nach Verkündung der Verfassung, die vorschrieb, dass auch die Aktivbürger Steuern zu zahlen hatten, waren die Einnahmen des Staates noch nicht groß genug um die alten Schulden bezahlen zu können.
Die einzigen Profiteure des Systems waren Kriegsgewinnler und Börsenspekulanten. Hinzu kam die endgültige Abschaffung der Assignaten am 19.2.1796. Das einfache Volk verarmte immer mehr und musste die folgenden Jahre viele Hungerwinter überstehen.
All diese Zustände kaschierte das Direktorium mit revolutionären Sprüchen.
Es gab immer wieder Unruhen von Seiten der Royalisten und den radikalen Demokraten die niedergeschlagen werden mussten. Der offizielle Terror hatte zwar aufgehört, aber es wurden auch weiterhin störende Personen hingerichtet. Dies geschah jedoch nicht öffentlich, sondern zum Beispiel in Kasernen in denen diese Personen erschossen wurden. Um mehr Macht zu bekommen errichteten die Republikaner in einem Staatsstreich am 4.9.1797 sogar eine diktatorische Regierung und konnten deswegen auch ihren schnellen Beliebtheitsverlust nicht aufhalten.
Letztendlich konnte aber auch diese Regierung den Staatsbankrott nicht abwenden und musste diesen am 30.9.1797 verkünden.
Emanzipations- und Demokratisierungsprozess
Die Prozesse der Emanzipation und der Demokratisierung erlitten einen herben Rückschlag mit Einführung der Direktorialverfassung.
Da das Zensuswahlrecht wieder eingeführt wurde, waren wiederum Millionen von Menschen aus den ärmeren Ständen von den Wahlen ausgeschlossen. Ein Abgeordneter der Nationalversammlung, Boissy d’Anglas, erklärte im Juni 1795, dass „alles, was ein vernünftiger Mensch verlangen kann, (...) die Gleichheit vor dem Gesetz [ist]. Die absolute Gleichheit [sei] ein Hirngespinst.“1 ) Er erklärt außerdem, dass das Besitzbürgertum die beste Wahl für eine Regierung sei, wenn man soziale Ordnung wünsche, denn die Besitzenden seien dem Land verpflichtet, da ihr Eigentum darin bestehe. Das Land, „in dem die Nichtbesitzenden herrschen, [befinde] sich im Naturzustand.“2 )
Bei den ersten Wahlen der Nationalversammlung gab es auch die erste Demonstration, am 5.10.1795. Die Royalisten waren von den Wahlen ausgeschlossen und marschierten mit einer Armee von 20.000 Mann auf die Nationalversammlung zu um die Monarchie wieder herzustellen. Sie wurden jedoch von Napoleon Bonaparte aufgehalten und der Aufstand wurde blutig zerschlagen.
Die Emanzipation der Frauen kam auch nicht voran. Olympe de Gouges hatte schon 1791 die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin herausgegeben. Sie hat die Verfassung von 1789 so umgeschrieben, dass jedes mal bei der Erwähnung Mensch/Mann (auf französisch haben beide Ausdrücke nur ein Wort: homme) das Wort Frau eingesetzt hat. Bei der Verfassung von 1793 war nichts hinsichtlich der Frauenrechte geändert worden, im Gegenteil. Für ihren Einsatz für die Frauenrechte starb Olympe de Gouges im Oktober 1793, wenige Tage nach der Königin Marie Antoinette, durch Enthauptung. Doch nun, vor der neuen Verfassung gab es neue Chancen für die Frauen.
Eigentlich wollte man bei der Zusammenstellung der neuen Verfassung die von 1793 nur ergänzen, jedoch stellte sich heraus, das es besser wäre, direkt eine ganz neue zu schreiben, und so geschah es auch. Aber auch in der neuen Verfassung waren die Rechte der Frau mit keinem Wort erwähnt, somit hat Olympe de Gouges mit ihrer Frauenrechtserklärung immer noch nichts bewirken können.
Diese Verfassung unterschied sich von den beiden vorigen Verfassungen in Geist und Zielsetzung, auch wenn die Schlagwörter Freiheit, Sicherheit, Gleichheit und Eigentum noch zentral waren.
Es gab zahlreiche Angriffe auf die Verfassung, zum einen von den Royalisten, aber auch von Jakobinern, die unter der Führung des politischen Journalisten Franςois „Gracchus“ Babeuf im Mai 1796 versuchten mit einem Staatsstreich eine kommunistische Regierung an die Macht zu bringen. Babeuf wurde durch seinen Traum eine Republik mit absoluter Gleichheit zu schaffen zum ersten Kommunisten in der Geschichte. Jedoch war der Aufstand so unfachmännisch organisiert, dass die Regierung von Anfang an Bescheid wusste und nur abwartete bis alle Namen bekannt waren, bevor sie ihn zerschlugen.
Selbst die Royalisten, die durch die Neuwahlen 97 eine Chance gehabt hätten, konnten nichts erreichen, denn das Direktorium verfälschte die Ergebnisse um an der Macht zu bleiben. Als die Republikaner dann 1797 eine Diktatur errichteten, war es mit der Demokratie ganz vorbei denn die Royalisten und die radikalen Demokraten wurden durch die Diktatur unterdrückt.
1)+2) http://www.psm-data.de/frz_dir.htm
Literaturverzeichnis
Sekundärliteratur:
Brockhaus, F.A.: Der Brockhaus in einem Band; Leipzig; 20009
Dultz, Wilhelm: DBG Fremdwörterlexikon; Frankfurt/M.; 19651
Prokasky, Herbert; Tabaczek, Martin: Geschichts-Kurse Band 3; Paderborn; 19891
Weitere Quellen:
http://www.glasnost.de/autoren/schoen/franz.htm
http://www.omen.de/history/f_frlex.html
http://wwwzum.de/Faecher/G/BW/neuzeit/frzrev/fr5.htm
http://www.young.de/schule/hausaufgaben/014/b000697.htm
http://www.psm-data.de/frz_rev/frz_dir.htm
http://www.geschi.de/artikel/franzrev1.shtml
http://www.oefre.unibe.ch/vfgeschichte/schweiz/StimmrechtFrauen.htm
http://www.unki.de/schulcd/geschi/frankrev.htm
http://mpegman.hypermart.net/franzrev.html
http://www.dsg.ch/direkt.htm
http://www.anzwers.org/free/revolution/directoire.html
http://www.psm-data.de/frz_rev/frz_ver2.htm
http://www.psm-data.de/frz_rev/frz_san2.htm
Häufig gestellte Fragen
Was ist die Direktorialverfassung?
Die Direktorialverfassung war die dritte Verfassung der Französischen Revolution, die am 23. September 1795 in Kraft trat. Sie verstand sich als Erbe der bürgerlichen Revolution und gab dem gehobenen republikanischen Bürgertum die Macht.
Wer war ein französischer Bürger laut der Direktorialverfassung?
Ein französischer Bürger war, wer in Frankreich geboren, mindestens 21 Jahre alt, mindestens ein Jahr in der Republik gewohnt hat und eine direkte Grund- oder Personalsteuer zahlt.
Wie funktionierte das Zwei-Kammern-Parlament unter der Direktorialverfassung?
Das Parlament bestand aus zwei Kammern: dem Rat der 500, der die Gesetze vorschlug, und dem Rat der Alten, der sie verabschiedete oder verwarf. Das Zensuswahlrecht wurde wieder eingeführt, wodurch die Bourgeoisie bevorzugt und ärmere Bürger von der Politik ausgeschlossen wurden.
Wie kam es zur Auflösung des Nationalkonvents und zur Gründung der Nationalversammlung?
Der Nationalkonvent wurde am 26. November aufgelöst und eine neue Nationalversammlung gegründet. Diese bestand jedoch zu 2/3 aus alten Mitgliedern des Konvents, wodurch eine Gegenrevolution auf legalem Weg praktisch unmöglich gemacht wurde.
Was war das Direktorium?
Das Direktorium war der Träger der Exekutive, ein Fünfköpfiges Gremium, das von der Nationalversammlung gewählt wurde und anstatt des Nationalkonvents die Spitze des Staates bildete.
Warum scheiterte das Direktorium?
Das Direktorium schaffte es nicht, einen Staatsbankrott abzuwenden sowie den Krieg gegen die antifranzösische Koalition zu beenden. Innere Misserfolge und Niederlagen auf den Kriegsschauplätzen führten schließlich zum Staatsstreich Napoleon Bonapartes am 9. November 1799.
Welchen Vorteil zog die neue Regierung aus dem Sonderfrieden von Basel?
Durch den Sonderfrieden von Basel 1795 wurde den Franzosen gegen spätere Entschädigung Preussens das linke Rheinufer zugesprochen, was bedeutete, dass Frankreich mit mehr Land aus dem Krieg hervorgegangen war als zuvor.
Welche wirtschaftlichen Probleme hatte das Direktorium?
Das Direktorium wurde mit einer andauernden Wirtschaftskrise konfrontiert. Aufstände der Sansculotten, die Abschaffung der Assignaten und eine wachsende Armut des Volkes trugen zu den Problemen bei.
Welchen Rückschlag erlitten Emanzipations- und Demokratisierungsprozesse mit der Direktorialverfassung?
Die Einführung des Zensuswahlrechts schloss wiederum Millionen von Menschen aus den ärmeren Ständen von den Wahlen aus. Die Emanzipation der Frauen kam ebenfalls nicht voran.
Wer war Franςois „Gracchus“ Babeuf und was versuchte er?
Franςois „Gracchus“ Babeuf war ein politischer Journalist, der im Mai 1796 mit einem Staatsstreich versuchte, eine kommunistische Regierung an die Macht zu bringen. Er gilt als der erste Kommunist der Geschichte.
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- Bera Schmies (Author), 2001, Die Französische Revolution - Das Direktorium (1795 - 1799), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105758