Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Der Anfang einer Idee
III. Die Entwicklung des Sozialismus bis zum Ende der Weimarer Republik
IV. DDR - Ein gescheiterter sozialistischer Versuch
V. Der Sozialismus in Kuba
VI. Persönliches Fazit
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Das Scheitern des „realen Sozialismus“ im Jahre 1989 ist nicht das Scheitern des Sozialismus schlechthin. Mit dem Zusammenbruch der Ostblocksysteme ist ein Versuch zu Ende gegangen, der es prinzipiell akzeptierte, dass die eigentliche Idee des Sozialismus verzerrt und deformiert wurde. Der Sozialismus befindet sich im Moment in einer schweren Krise, dies gilt aber auch für den Kapitalismus und Liberalismus.
In der vorliegenden Arbeit soll zuerst auf die Entwicklung der Idee des Sozialismus im 19. Jahrhundert und die anschließend versuchte Realisierung eingegangen werden. Im folgenden Teil werden die Gründe für das Scheitern des „realen Sozialismus“, anhand der Entwicklungen in der ehemaligen DDR dargelegt und analysiert. Anschließend richtet sich der Fokus auf die in verschiedenen Ländern verfolgten Ziele und Konzepte für eine neue Form des Sozialismus. Den Abschluss der Arbeit bildet ein persönliches Fazit.
Die zentrale Fragestellung ist dabei, in wie weit sich das Konzept des Sozialismus wirklich durchführen lässt. Bedingt durch den Kollaps des Versuches eine Ideologie einem Volk auf- zudrängen stellen sich weitere Fragen? Wie sieht eine neue Form des Sozialismus in der Zeit der Globalisierung aus? In wie fern kann man die Idee des Sozialismus zu hoher Akzeptanz bei allen gesellschaftlichen Kräften bringen? Wer kann die Vision im Zeichen von Karl Marx noch umsetzen?
II. Der Anfang einer Idee
Bereits in der hellenistischen Welt waren die staatswissenschaftlichen Werke von Platon mit sozialistischen Ideen durchsetzt. „Wird also der Reichtum in einem Staat geehrt und die Rei- chen, so wird die Tugend minder geachtet und die Guten. [...] Aus hochstehenden und ehr- süchtigen Männern werden sie zuletzt erwerbslustige und geldliebende, und den Reichen lo- ben und bewundern sie und ziehen ihm zu Ehren, den Armen aber achten sie gering.“ (550/551)1 Die Ursache für das Problem war die erhebliche Vermögensungleichheit zwischen den einzelnen Ständen. Die Mehrzahl von Platons Entwürfen hatte strenge Regeln, über wel- che die damalige Elite (Wächter und Philosophen) wachen sollte. So gibt es in seinem Ent- wurf ein Gemeinwesen, in dem wenigstens für die Regierenden das Privateigentum aufgeho- ben ist und Weibergemeinschaft und staatliche Kindererziehung herrscht.2
Das Konzept einer klassenlosen Gesellschaft geriet in dem nüchternen, von privaten Interesse erfüllten Römischen Reich in Vergessenheit. Die römische Bevölkerung wurde in fünf ver- schiedene Steuerklassen eingeteilt. Somit war das Römische Reich eine Demokratie der rei- chen Männer, aber nicht eine kommunistisch geprägte Staatsform.3 Erst im späten Mittelalter gab es, bedingt auch durch die zunehmende Verbreitung des Christentums, wieder Ansätze für eine klassenlose Gesellschaft. Der englische Kanzler Sir Thomas More erdachte 1516 ein „Utopia“, das mit sechs Stunden täglicher Arbeit für alle auskam. Sein Ziel war eine Gesell- schaft in der die Bürger Zeit haben, sich frei zu machen von der Knechtschaft des Leibes für die freie Pflege geistiger Bedürfnisse. Mores „Utopia“ wurde von einem gutmütigen Herr- scher gegründet. Die Führungselite wurde gewählt, jedoch nur aus einem beschränkten Kreis derjenigen die ein Studium absolviert hatten. Bemerkenswert an dieser Idee ist, dass es bei ihm keine prinzipiell klassenlose Gesellschaft gibt. More unterscheidet weiterhin zwischen dem Bildungsbürgertum und dem einfachen Bürger bzw. Arbeiter. Die Wesenszüge von U- topien sind, dass sie sich nur auf einen beschränkten Rahmen innerhalb der Welt beziehen. Mores bezieht sich in seiner „Utopia“ auf eine Insel und dementsprechend auf ein nach außen hermetisch abgeschlossenes System. Das System innerhalb eines utopischen Staates funktio- niert nur so lange, wie die inneren Bedingungen konstant sind und Strömungen von der Au- ßenwelt ausgeschaltet sind.
Beflügelt durch die französische Revolution 1789 entstanden zahlreiche weitere sozialistische Utopien, getragen durch die Franzosen Claude Henri de Saint-Simon4, Charles Fourier5. Auch das politische Konzept von Jean Jacques Rousseaus enthält sozialistische Elemente. In seiner Abhandlung die Frage nach dem Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen und ob diese durch die Naturgesetze statthaft sei.6 Diese Denkansätze konnten jedoch nur vorübergehend Einfluss gewinnen.
In der Zeit zwischen 1844 und 1848 setzten sich die deutschen Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels intensiv mit einem kritisch und realistischem Politikkonzept auseinander. Die Zielsetzung war dabei eine andere als bei den vorherigen Werken. Das „Kommunistische Manifest“ von Marx und Engels gibt ein Ziel und Erwartungshorizont wieder, in dem be- schrieben wird wie die Gesellschaft in Zukunft aussehen soll.7 Während der Kommunismus das Endstadium einer Gesellschaft ohne Klassen beschreibt, ist der Sozialismus der notwen- dige Weg dorthin. Marx und Engels machten damit sehr deutlich, dass sie nicht die Ideen von den älteren in sich geschlossenen Utopien übernehmen wollten.8 Ihre Intention war nicht ein Konzept, wie der perfekte Kommunismus verwirklicht werden kann. Das Fehlen eines Orga- nisationsplanes zur Verwirklichung der Idee wird ihnen heute teilweise zum Vorwurf ge- macht. Ein Standpunkt der Kritiker dabei ist, dass es sicher nicht zum Stalinismus gekommen wäre, wenn Marx und Engels einen ordentlichen Plan aufgestellt hätten. Dies ist es aber, was das „Kommunistische Manifest“ eben nicht sein sollte. Anders als bei Platon oder More sollte es kein „Sozialismus von oben“ geben.
III. Die Entwicklung des Sozialismus bis zum Ende der Weimarer Republik
Im Deutschen Reich am Ende des 19. Jahrhunderts diente der Sozialismus als Instrument der Analyse bestehender der bestehenden Gesellschaftsform. Während der Kommunismus für ein zu verwirklichendes Gesellschaftsbild ohne andere gesellschaftliche Strömungen steht, stellt der Sozialismus eine Übergangssituation dar, die geprägt von Ideologien ist. Die Ideologie dient dabei nur als Funktion zur Erklärung des eigenen Entwurfes für eine moderne Gesell- schaft. Ideologisch gesehen bedarf es für den Sozialismus ein Gegenpart der kritisiert werden kann. Die fortschreitende Industrialisierung in Mitteleuropa und die damit verbundenen kapi- talistischen Ideen lieferten optimalen Nährboden für die Entwicklung des Sozialismus, der durch ein gesellschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln und dem Prinzip einer gesamt gesellschaftlicher Planung durch den Staat gekennzeichnet ist9. Die Gründung der ersten Ge- werkschaften und Arbeiterparteien geht einher mit einem Wirtschaftsboom am Ende des 19.
Jahrhunderts. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) lehnt sich bei ihrem Erfurter Programm10 (1891) in dem theoretischen Teil an die Gesellschaftsanalyse von Marx und Engels an und fordert in seinem praktischen Teil unverzügliche, tiefgreifende Reformen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.
Die linken Kräfte im Deutschen Reich erhalten in den folgenden Jahren großen Zuspruch. Es bilden sich sozialistische Kultur- und Freizeitveranstalter. Von dem Endziel einer Gesell- schaft die auf den Sozialismus beruht waren die sozialistischen Kräfte vor und nach dem ers- ten Weltkrieg jedoch noch weit entfernt. Die gesellschaftliche Linke in der Weimarer Repu- blik war zerstritten und nicht einheitlich präsent. Von der SPD hatte sich im Zuge des ersten Weltkrieges der Spartakusbund (ab 1917: Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutsch- lands (USPD)) abgespaltet. Die Gründungsmitglieder der USPD waren nicht bereit den „Burgfrieden“ welchen die SPD am Beginn des ersten Weltkrieges mitunterstützte ebenfalls zu tragen. Neben der USPD gründete sich 1918/19 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) als revolutionäre Kraft. Die Unvereinbarkeit der Ziele der SPD und KPD (mit der sich 1922 weite Teile der Linken aus der USPD zusammenschlossen) begründen die Sozialdemo- kraten damit, dass „die Kommunisten eine Diktatur nach sowjetischem Vorbild anstreben“11. An diesen Aufsplitterungen lässt sich zeigen, dass die sozialistischen Kräfte uneins ihrer Vor- stellung waren, wie es eine Identifikation mit der Weimarer Republik geben kann. Gehindert daran wurden sie durch den labilen Gleichgewichtszustand der Klassenkräfte als Ergebnis der Revolution, die fragilen sozialen Kompromisse und die Erfahrung der Lohnabhängigkeit als Klassenschicksal12.
Dem aufkommenden Radikalismus von rechts stand die Arbeiterbewegung hilflos gegenüber. Die Abkehr von Minderheiten in der Führungselite zu einem national-integralen Sozialismus unterstreicht dies nur. Die Arbeiterbewegungen verloren bereits in den Jahren vor 1933 massiv Mitglieder und büßten somit auch ihre legendäre organisatorische Kraft ein.
IV. Die Linke nach dem Ende der sozialistischen DDR
Das erste staatssozialistische Experiment auf deutschem Boden musste sich immer im Spagat zwischen der kommunistischen Führung in Moskau und den Eigeninteressen der deutschen Kommunisten bewegen. Die These in der Propaganda der Deutschen Demokratischen Repu- blik (DDR), dass man sich bereits in einer entwickelten sozialistischen Gesellschaft befindet, würde die Behauptung implizieren, dass die Ideen eines wissenschaftlichen Sozialismus von Marx und Engels umgesetzt sind. Die Partei- und Staatsführung der DDR hat damit für sich in Anspruch genommen, dass sie den Weg zu einem „realen Sozialismus“ bereits erfolgreich beschritten hat. Die weitere Entwicklung des Sozialismus ist aus Sicht der machtbewussten Führungselite der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) nur unter ihrer Führung möglich13. Die Entstalinisierung nach 1956, wie sie nach dem Tod von Stalin in der Sowjet- union vollzogen wurde, setzen die Machthaber der DDR nur halbherzig um. Glasnost und Perestroika14 wurden für die DDR als überflüssig erklärt. In diesem Kontext spiegelt sich auch das größte Problem des Sozialismus in der DDR wieder. Die sozialistische Idee wurde nicht weiterentwickelt. Auf Tendenzen einer Liberalisierung wie sie in dem sowjetischen Nachrichtenmagazin „Sputnik“ geäußert wurden, reagierte die SED mit einem Verbot des Magazins im November 198815. Bedingt durch den Druck der wissenschaftlichen Elite wurde der Verkauf der Zeitschrift ein Jahr später wieder zugelassen. Die Selbstisolierung der DDR, wie sie auch in diesen Maßnahmen abermals zum Ausdruck kam, sowie der antireformisti- sche Kurs von Erich Honecker diente der Machterhaltung einer überalterten und weltfremden Regierung.
Um die Bindung der Bevölkerung an den Sozialismus der DDR zu erhöhen, wurden die per- sönlichen Freiheiten massiv eingeschränkt. Die Aufnahme eines Hochschulstudiums war zwangsläufig verbunden mit der politischen Ergebenheit gegenüber dem herrschenden politi- schen System. Die persönliche Freiheit der Information wurde ebenfalls durch staatliche Zen- sur eingeschränkt. Bedingt durch die Beschneidung der Reisefreiheit in westeuropäische Län- der fühlte sich der Bürger der DDR nicht souverän gegenüber dem Staat16. Die Einschränkung der persönlichen Selbstverantwortung führte so zur Kritik an dem „realen Sozialismus“. Die Bestrebungen der Bürgerbewegung in der DDR richteten sich in der ersten Linie nicht gegen den Sozialismus, sondern gegen die Art wie er praktiziert wurde. Auf die Frage, was er über den Sozialismus denkt und ob die DDR ein sozialistisches Land bleiben sollte, antwortete Rainer Eppelmann (Pfarrer der evangelischen Samaritergemeinde in Ost-Berlin) im Septem- ber 1989: „Der Sozialismus, der sich nach meiner bescheidenen Kenntnis in den letzten vier- zig Jahren in Europa etabliert und durchgesetzt hatte, ist es ganz sicher nicht. Aber hier habe ich den Eindruck, es ist nicht so schrecklich viel vom Sozialismus übrig geblieben. [...] Ich wäre sehr interessiert daran, mit Marxisten darüber nachzudenken, an welchen Stellen sie ihre eigenen Vorstellungen, ihren eigenen Ideen, ihren eigenen Visionen untreu geworden sind, und inwieweit sie es überhaupt in den letzten Jahren ernsthaft versucht haben, glaubwürdig Schritte zur Durchsetzung dieser Ziele oder Visionen zu gehen. [...]“.17 Das Ziel der Bürger- bewegung war nicht in erster Linie die Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, sondern eine Demokratisierung der Gesellschaft. Sozia- listische Ideen sollten modernisiert und wichtige Teile der Gesellschaft liberalisiert werden. Die Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“ hat die Bundesrepublik eingeladen auch dort auf eine Umgestaltung der Gesellschaft mit einzuwirken.18 Bemerkenswert ist die Position der PDS, die den Sozialismus in der DDR als einen gescheiterten Versuch ansieht. Weithin spricht die PDS in ihrem aktuellen Parteiprogramm von einer erforderlichen Umwälzung der momentanen Gesellschaft, damit kapitalistisches Privateigentum in den Besitz der Gemein- schaft übergeht. Einen sozialistischen Erneuerungsplan können sie jedoch nicht bieten. Einen „alternativen Entwicklungsplan“19 gilt es erst noch zu entwickeln.
Als größter Irrtum für den „realen“ Sozialismus stellte sich die völlige Ignorierung von Pro- duktionsfaktoren in den modernen Volkswirtschaften heraus. In dem Modell des Staates „U- topia“ vom Thomas Mores war ein Faktor für die Realisierbarkeit eines Gemeinwesens die absolute Verhinderung von äußeren Einflüssen. Die endlose Suche nach Möglichkeiten zur Steigerung der Produktivität in den Ostblockländern ist nur ein Beispiel. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die Marktwirtschaft in einem sozialistischen System nicht automa- tisch ausgeschlossen wird. Jedoch sollte sie einer gesamtgesellschaftlichen Regulierung un- terworfen werden.
Ungeachtet dieser Philosophie streben die meisten Staaten des ehemaligen Ostblocks eine weitgehendende Modernisierung an. Das Grundproblem bei der Umsetzung der sozialisti- schen Ideen ist, wie es Platon auch schon erkannte, dass wen es eine bessere Welt für alle geben soll, dann bedeutet jede Veränderung automatisch auch eine Verschlechterung. Dies würde bedeuten, dass eine strenge Kontrolle (Platons „Wächter“) unabdingbar erscheint, um eine unerwünschte Veränderung auszuschließen. Aus ihrer Sicht haben sich die Konkurrenzdemokratie, die Marktwirtschaft, der Wohlfahrtsstaat und der Massenkonsum bewährt. Das Experiment des „real existierenden Sozialismus“ unterstützt von der Sowjetunion ist gescheitert. Aus Sicht der westlichen Demokratien in Europa ist dieser Schritt nur zu begrüßen, da er die Situation im eigenen Land sichert. Es geht nur noch darum, die in Westeuropa bestehenden Strukturen möglichst bruch- und lückenlos auf Osteuropa zu übertragen. Im vereinigten Deutschland ist die Verfassungsdiskussion, wie sie die PDS gerne führen würde20, ein Beispiel dafür. Der Geltungsbereich des Grundgesetzes wurde ausgedehnt, eine Diskussion über eine gesamtdeutsche Verfassung wurde vermieden.
Im Gegensatz zu dem „realen Sozialismus“, welcher durch die Staatsführung gelenkt wurde, setzt sich der freiheitliche bzw. demokratische Sozialismus mit einer pluralistischen Staatsform auseinander. Dabei gehen die Auffassungen darüber, in wie weit man Eigentum der Gemeinschaft zur Verfügung stellen kann und welche Form eine Reform der Gesellschaft haben kann weit auseinander.
V. Der Sozialismus in Kuba
„Kuba ist kein Modell zur Nachahmung, aber eine Realität, die zum Nachdenken anregt - besonders für die Entwicklungsländer und die Staaten Lateinamerikas. Dabei können kritische Gedanken ebenso ihren Platz haben wie Erkenntnisse, die mithelfen, neue Wege zu suchen und zu finden für einen demokratischen Sozialismus.“21 Diese Sätze von Hans Modrow22 aus dem Schlusswort des Kuba-Kongress 2001 umschreiben die Sichtweise der europäischen Linke auf die Situation in der Republik Kuba. Im folgenden ist zu klären, wie der Sozialismus in Kuba verwirklicht wird und welche Akzeptanz dieser Versuch bei der internationalen Staa- tengemeinschaft hat.
Eine flüchtige Betrachtung der Situation lässt den Versuch des praktizierten Sozialismus in Kuba im Gegensatz zu der größtenteils kapitalistischen Welt wie ein Kampf „David gegen Goliath“ aussehen. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks erwartete die Weltöffentlichkeit auch ein Ende des Sozialismus in der Republik Kuba. Der Sozialismus in Kuba beruht maß- geblich auf der Politik von Fidel Castro. Nach zwei Jahren Guerillakrieg in der Sierra Maestra gegen den von der USA tolerierten Diktator Sergeant Fulgencio Batista, gelang es ihm 1959 mit Unterstützung der Bevölkerung die Macht zu übernehmen. In den folgenden Jahren wur- den die Kontakte mit dem Ostblock intensiviert. Geeinigt hat die Staaten das Streben nach dem „real existierenden Sozialismus“. Die Kubakrise23 stärkte die Position von Kuba im Ver- bund der sozialistischen Staaten. Durch die Verabschiedung der neuen kubanischen Verfas- sung im Jahr 1976 festigte Castro mit seiner kommunistischen Partei, der Partido Comunista de Cuba (PCC), auch innenpolitisch die Diktatur. Die PCC stellt alle Abgeordneten in dem kubanischen Volkskongress (Asamblea Nacional del Poder Popular). Der Volkskongress, der alle fünf Jahre neu gewählt wird, wählt den Staatsrat (Consejo de Estado) als ständiges Organ. Der Vorsitzende des Staatsrates (Fidel Castro) ist zugleich das Staatsoberhaupt24.
Aus Sicht der Sowjetunion und europäischen Kommunisten war das Modell Kuba ein Bei- spiel für die Entwicklung des Sozialismus in Lateinamerika und Afrika. Von dem heutigen Standpunkt aus bleibt festzustellen, dass der „Realsozialismus“ nicht auf der ganzen Linie gescheitert ist. Eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Sozialismus in Kuba ist nur dann sinnvoll, wenn man den Ist-Zustand vom Kuba Castros mit dem Kuba des Batista-Regime vergleicht.25
Aus Sicht von lateinamerikanischen Kommunisten ist die heutige „Yankee-Hegonomie“26 Ursache für die Armut in der dritten Welt. Der Weg Kubas sich auch ohne Unterstützung als sozialistischer Staat fortzuentwickeln und der anderen Staatengemeinschaft zu trotzen wird bei der weltweiten Linken als Erfolg gewertet. Nicht berücksichtigt dabei sind die großen wirtschaftlichen Probleme Kubas nach dem Zusammenbruch der Ostblockstaaten in Europa. Kubas Wirtschaft war bis 1990 massiv auf den Export ausgerichtet. 1989 war für die kubani- sche Wirtschaft das erfolgreichste Jahr in der Geschichte. Sowohl in der Industrieproduktion, als auch in der weit verbreiteten Landwirtschaft erzeugte Kuba sehr gute Werte, die auf den starken Export in den Ostblock zurückzuführen sind27. Die enge Bindung an Russland ist auch heute noch zu erkennen. Das Hauptausfuhrland ist Russland mit einem Anteil 27% aller Ex- porte. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von Kuba (3967 US$) ist im direkten Vergleich mit der Dominikanischen Republik (5507 US$) weitaus geringer28.
Das sozialistische System unter Fidel Castro baut auf das Militär. Die Armee ist Machtfaktor in dem Sinne, dass sie Basis ist und Machtfaktor auch in dem Sinne, dass sie im kubanischen Volk, eben dadurch dass viele Bauernsöhne Offiziere geworden sind, nicht als repressive Ar- mee gilt oder noch nicht als repressive Armee gilt. Durch den Einsatz des Militärs ist es Cast- ros PCC auch möglich die bescheidenen Ansätze oppositioneller Gruppen zu unterdrücken. Die kubanische Opposition ist bis jetzt nur im Ausland in Erscheinung getreten. Der Umgang mit dem „System Castro“ unterscheidet sich auch zwischen Europa und den Vereinigten Staa- ten. „Die Europäische Union verfolgt in ihren Beziehungen zu Kuba das Ziel, einen Prozess des Übergangs in eine pluralistische Demokratie und die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie eine nachhaltige Erholung und Verbesserung des Lebensstandards der kubanischen Bevölkerung zu fördern. Die Chancen für einen friedlichen Übergang stünden dann am besten, wenn das derzeitige Regime einen derartigen Prozess selbst einleiten oder zulassen würde. Es ist nicht die Politik der Europäischen Union, den Wandel durch Zwangs- maßnahmen herbeizuführen zu versuchen, die nur die wirtschaftliche Not der kubanischen Bevölkerung noch vergrößern würden.“29 Hingegen verfolgt die USA mit dem Helms-Burton Gesetz30 das Ziel Kuba weiter zu isolieren. Während in der gemeinsamen Erklärung der Eu- ropäischen Union Zwangsmassnahmen ausgeschlossen werden, setzt die USA auf „das Ver- bot von Import und Handel mit kubanischen Produkten“31.
Durch die Verschärfung des Wirtschaftsembargos der USA hat sich die Versorgungs- und Wirtschaftskrise weiter verschärft. Da das sozialistische System größtenteils zentralistisch auf Castro ausgerichtet ist, muss einen Demokratisierungsprozess eingeleitet werden. Die Dezent- ralisierung von Macht innerhalb der Republik wird schon deshalb erforderlich, damit die knappen Ressourcen besser verwaltet werden können. Erste Erfolge erzielt die kubanische Wirtschaft bereits bei dem Tourismus und in der Biotechnologie (Entdeckung des Meningitis- Impfstoffs). Trotzdem sind freie Wahlen für die sozialistische Republik der einzige Ausweg, die erneute Isolierung auch in lateinamerikanischen Ländern zu überwinden. Für die PCC sind diese marktwirtschaftlichen Strukturanpassungsmaßnahmen nicht sehr attraktiv, wenn die Veränderung in den ehemaligen sozialistischen Staaten Osteuropas analysiert wird.32 Fraglich ist, in welchem Umfang der 75jährige Fidel Castro noch zu solchen Maßnahmen fähig ist. Für seine PCC bietet sich jetzt die Chance einen Versuch des wirklich demokrati- schen Sozialismus zu wagen. Erste Tendenzen einer Gesprächsbereitschaft mit der Opposition gibt es in der letzten Zeit.
VI. Persönliches Fazit
Die Idee des Sozialismus ist nicht gescheitert. Gescheitert ist der Versuch einen Weg zu einer klassenlosen Gesellschaft im Sinne von Marx und Engels zu finden. In der DDR hat sich die Staatsführung damit hervorgetan, dass sie den besten Weg zum Sozialismus bietet. Die Kriti- ker des Weges von Ulbricht, Honecker und Co. wollten nicht das Ende des sozialistischen Staates, sondern Reformen bei der Entwicklung des Sozialismus. Jedoch wurden Kritiker un- terdrückt und dem Volk die momentane Politik als die einzig sinnvolle verkauft. Trotz der kontinuierlichen Reformen innerhalb der Sowjetunion hat es die Regierung der DDR ver- schlafen, den eigenen Sozialismus zu erneuern. Unter der Einbeziehung der Opposition hätte der Sozialismus im Ostteil von Deutschland eine weitere Chance gehabt. Wird der Gedanken- gang weiterskizziert, bleibt festzustellen, dass die unausweichliche Vereinigung mit der Bun- desrepublik unter anderen Gesichtspunkten stattgefunden hätte. Michael Gorbatschow konsta- tierte den Reformstau gegenüber Erich Honecker am 40. Jahrestag der DDR mit den Worten „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Die Reformen im Herbst 1989 kamen zu spät. Die Bevölkerung der DDR hatte kein Interesse mehr daran sich weiter auf dem Sozialismus einzulassen.
Im Gegensatz dazu ist die Situation in Kuba bemerkenswert. Auch nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der weitgehenden wirtschaftlichen Isolation kann sich Fidel Castro noch auch die Unterstützung seines Volkes berufen. Trotzdem leitet die führende PCC erste vor- sichtige Reformen ein, die für eine weitere Öffnung und Demokratisierung des Landes stehen. Zielrichtung ist ein demokratischer Sozialismus. Interessant ist die Frage nach einem „Post- Castro-Prozess“ in Kuba.
Mit den Globalisierungsgegnern hat sich in der westlichen Welt wieder eine Gruppe entwi- ckelt, die sich teilweise auf die Ideale von Marx und Engels beruft. Das faszinierende an die- ser Bewegung ist ihre ungeheuere Vielfältigkeit der Ideen, Utopien und Ideale. Bedingt durch den Mix wird es deutlich, dass die Zeit der großen Gesellschaftsentwürfe vorbei ist. Die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaften und das zunehmende Zusammenrücken der Welt schließt einen einfachen Entwurf aus, der es schafft die Welt in ihrer ganzen Komplexi- tät zu ändern. Bereits die Utopisten hatten das Problem, dass ihre Systeme nur in sich selbst geschlossen funktionieren.
Trotzdem haben die Proteste der Globalisierungsgegner uns in einen neuen Diskussionsprozess über unsere Gesellschaft gebracht, wie die sozialen Unterschiede innerhalb von Ländern, aber ebenso zwischen den Ländern überbrückt werden können. Die Diskussion ist sinnvoll, weil darüber gesprochen wird, in welcher Art und Weise die Welt sozialer und gerechter gestaltet werden kann. Ob man sich am Ende dem Modell des Sozialismus annähert wie es Marx und Engels verstanden hatten, sei dahingestellt.
Literaturverzeichnis
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[...]
1 Platon: Sämtliche Dialoge, in der Übersetzung von Otto Apelt mit der Stephanus-Numerierung, herausgegeben von Kurt Hildebrandt/Constantin Ritter/Gustav Schneider, Hamburg 1993, 6 Bände. Band 5 enthält „Der Staat“
2 Mittermaier, Karl / Mair, Meinhard: Demokratie - Die Geschichte einer politischen Idee von Platon bis heute, Darmstadt 1995, S. 23f
3 Mittermaier / Meinhard, a. a. O., S. 36ff
4 Sein sozialer Zukunftsstaat sollte durch die „Assoziation der Produzenten“ (Handwerker, Bauer, Unternehmer, Banken) von diesen selbst regiert werden. Mit technokratischem Fortschrittsoptimismus erwartete er die rationale Organisation der Menschen und die bestmögliche Befriedigung ihrer Bedürfnisse durch Anwendung der von den modernen Wissenschaften bereitzustellenden Instrumente.
5 Fouriers Sozialordnung sollte sich gründen auf „ phalanstères ” (agrarisch geprägte Wirtschafts- genossenschaften), die, eng gekoppelt an solidarisch organisierte Lebensgemeinschaften ( „ familistères ” ), auf die Schaffung von Freiheit und Glück hinarbeiten sollten.
6 Die Schrift „Der Gesellschaftsvertrag” 1762, betrachtet den Staat als eine freiwillige Vereinigung der Einzelwillen zu einem „Gesamtwillen” (volont é g é n é rale); daher gehe die Souveränität vom Volk aus.
7 Marx, Karl / Engels, Friedrich: Das Kommunistische Manifest (Manifest der Kommunistischen Partei), im Internet unter folgender Adresse: http://www.fes.de/marx/km/vesper.html
8 Fischer, Helmut: Karl Marx und der Ausgang der proletarischen Revolution - Eine philosophische Geschichts- betrachtung, in: Schönhoven, Klaus / Scharitz, Dietrich: Sozialismus und Kommunismus im Wandel, Köln 1993, S. 14f
9 Meyers Lexikonredaktion (Hrsg.): Meyers Taschenlexikon Geschichte in 6 Bänden, Mannheim 1989, Bd. 5, S. 293
10 Das Erfurter Programm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, im Internet unter folgender Adresse: http://www.marxists.org/deutsch/geschichte/deutsch/spd/1891/erfurt.htm
11 Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, im Internet unter folgender Adresse: http://www.spd.de/partei/geschichte/
12 Gerbing, Helga: Arbeiterbewegung und sozialer Wandel in kapitalistischen Industriegesellschaften, in: Schulze-Marmeling, Ulrich (Hrsg.): Sozialismus in Europa - Bilanz und Perspektiven, Essen 1989, S. 19
13 Meyers Lexikonredaktion (Hrsg.), a. a. O., S. 294
14 Seit 1985 von dem sowjetischen Parteichef M. Gorbatschow in Umlauf gebrachte Schlagwörter für die von ihm propagierte Politik einer größeren Transparenz und des gesellschaftlichen Umbaus.
15 Görtemaker, Manfred: Veränderung im Zeichen der Entspannung, in: Information zur politischen Bildung Nr. 250, Bonn 1996, S. 15
16 Kallabis, Heinz: „Realer Sozialismus“ - Anspruch und Wirklichkeit, Berlin 1990, S. 128f
17 Eppelmann, Rainer: In dem Volk steckt noch eine Menge drin, in: Rein, Gerhard (Hrsg.): Die Opposition in der DDR, Berlin (DDR) 1989, S. 49f
18 Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“: Aufruf zur Einmischung in eigener Sache, in: Rein, Gerhard (Hrsg.), a. a. O., S. 60
19 Programm der PDS, im Internet unter folgender Adresse: http://www.pds-online.de/dokumente/programm/
20 Programm der PDS, a.a.O.
21 Modrow, Hans: Schlusswort auf dem Kuba-Kongress am 24. Juni in Berlin, im Internet unter folgender Adres- se: http://www.cuba-congress2001.com/deutsch/modrow.html
22 1957 wurde Modrow, seit 1950 Mitglied der SED, Mitglied der Volkskammer. 1989 nach dem Sturz Hone- ckers, von der Volkskammer der DDR zum Ministerpräsidenten gewählt. Im Juni 1999 in das Europäische Par- lament gewählt.
23 Die Installation atomarer Mittelstreckenraketen auf Kuba durch die Sowjetunion (1962) brachte die beiden Supermächte an den Rand eines Krieges; eine von den USA verhängte Seeblockade veranlasste die Sowjets zur Entfernung der Waffen.
24 Stahl, Karin: Politische Institutionalisierung und Partizipation im postrevolutionären Kuba, in: Barrios, Harald / Suter, Jan (Hrsg.): Politische Repräsentation und Partizipation in der Karibik, Hemsbach 1996, S. 80ff
25 Schneider, Michael: Das Ende eines Jahrhundertmythos - Eine Bilanz des Sozialismus, Köln 1992, S. 320f
26 Unter der Yankee-Hegonomie wird die Vorherrschaft der westlichen Staaten (Deutschland, Japan, USA usw.) in internationalen Organisationen verstanden.
27 Rodríguez Derivet, Arleen: Der kubanische Kampf gegen die globalen Dämonen, im Internet unter folgender Adresse: http://www.cuba-congress2001.com/deutsch/rodriguez.html
28 SPIEGEL Almanach 2002, im Internet unter folgender Adresse: http://www.spiegel.de/almanach
29 Gemeinsamer Standpunkt der Europäischen Union gegenüber Kuba, im Internet unter folgender Adresse: http://www.cuba-congress2001.com/deutsch/standpunkt_EU.html
30 Anfang Juli 1996 durch Clinton in Kraft gesetzt. Verfasser ist der Kongressabgeordneter Dan Burton und der Senator Jesse Helms.
31 Auszüge aus dem Helms-Burton Gesetz, im Internet unter folgender Adresse: http://www.cuba- congress2001.com/deutsch/helms_burton.html
32 Stahl, Karin: a. a. O., S. 92ff
- Quote paper
- Paul-Gerhard Stieger (Author), 2001, Die Entwicklung des Sozialismus nach 1989, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105519
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