Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor einem endlosen Bücherregal, eine schier unüberwindliche Wand aus Geschichten, Weisheiten und purem Wahnsinn. Doch wie navigiert man in diesem Labyrinth der Literatur? Inspiriert von Karl Kraus' provokantem Zitat, dass man jeden Schriftsteller zweimal lesen müsse, um die Guten zu erkennen und die Schlechten zu entlarven, taucht diese Analyse tief in die subjektive Welt des Lesens ein. Ist es wirklich so einfach, zwischen "gut" und "schlecht" zu unterscheiden, oder spielen Faktoren wie Zeit, persönlicher Geschmack und Lebenserfahrung eine entscheidende Rolle? Der Leser wird auf eine Reise mitgenommen, die die Bedeutung doppelten Lesens, die Herausforderungen bei der Beurteilung von Autoren und die trügerische Natur von Literaturkritik beleuchtet. Es werden Fragen aufgeworfen, die jeden Bücherliebhaber beschäftigen: Beeinflusst der Preis eines Buches unsere Wahrnehmung? Spielen Marketing und Bestsellerlisten eine größere Rolle als literarische Qualität? Und was, wenn die Botschaft eines Buches unseren tiefsten Überzeugungen widerspricht? Von Goethe bis Steven King, von "Nathan der Weise" bis zu modernen "Schundromanen" – das Buch analysiert, wie sich der literarische Geschmack im Laufe des Lebens verändert und wie wir unsere einstigen Lieblingsbücher oder verhassten Werke neu bewerten. Es wird argumentiert, dass die Entscheidung, was "gut" und "schlecht" ist, letztendlich beim Leser liegt, dessen Vorlieben und Abneigungen den Buchmarkt bestimmen. Doch Vorsicht: Nicht alles, was glänzt, ist Gold, und manchmal verbirgt sich hinter einem vermeintlich "schlechten" Buch eine überraschende Erkenntnis. Lassen Sie sich ermutigen, vom geraden Weg abzuweichen und auch jene Bücher zu entdecken, die zunächst abschreckend wirken, denn vielleicht liegt genau dort der Schlüssel zu einer neuen, unerwarteten Lesewelt. Ob zur Horizonterweiterung, oder zur reinen Unterhaltung - begeben Sie sich auf die Suche nach Ihrem persönlichen literarischen Kompass im vielseitigen Bücherdschungel.
Zu dem Zitat von Karl Kraus :
,,Man muss alle Schriftsteller zwei Mal lesen, die guten und die schlechten. Die einen wird man erkennen, die anderen entlarven. “
Das Buch. Das älteste und einst gefragteste Medium der Gedankenübermittlung, in der heutigen multimedialen Zeit schon totgeglaubt, feiert auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt sein Comeback. Immer mehr Leute werden vom Lesefieber angesteckt und entsagen sogar dem sonst alles beherrschenden Fernseher.
Volle Bücherregale sind da nicht selten. Eine bunte Mischung der Schriftsteller auch nicht. Auf eine reiche Leseerfahrung plädierte wohl auch der österreichische Schriftsteller Karl Kraus, der mit seinem oben stehenden Zitat eine Richtlinie für die Leser von damals und heute vorgeben wollte, damit diese den rechten Weg auf ihrer Lesereise durch den Bücherwald finden. Wie dieser rechte Weg allerdings aussieht und das er keineswegs so gerade ist, wie Kraus ihn beschreibt, dass soll hier aufgezeigt werden.
Zunächst einmal wirkt das Zitat, wenn man es im ganzen betrachtet, relativ widerspruchsfrei. Doch lassen sich aus dem Ganzen gewisse Teilthesen heraus arbeiten. Die erste wäre: Der Leser muss alle Schriftsteller zwei Mal lesen, also seine bisherige Leseerfahrung ein zweites Mal wiederholen. Es folgt die Behauptung, dass es gute und schlechte Schriftsteller gäbe und diese könne der Leser durch doppeltes lesen erkennen und entlarven, was den Thesen drei und vier entspräche. Betrachten wir nun die erste These genauer. Man muss alle Schriftsteller zweimal gelesen haben. Abgesehen davon, dass man Bücher, die einen sehr gefesselt haben, gerne noch einmal ließt, kann dieser Behauptung auch anderweitig zugestimmt werden. Manche Bücher sind beim ersten Lesen schwer verständlich. Entweder liegt es an der Verssprache der älteren Werke, wie zum Beispiel bei Meister Goethe, die uns Schülern besonders zu schaffen macht oder an den verschachtelten Sätzen der Neuzeit. Weiterhin ist der Inhalt mancher literarischer Werke ebenfalls schwer nachzuvollziehen. Vielleicht gibt es zu viele Nebenhandlungen, die Reaktionen der Protagonisten sind unverständlich oder die ganze Thematik des Werkes liegt dem Leser einfach nicht. Als Beispiel fällt hier Lessing's ,,Nathan der Weise" ins Auge. Die Nebenhandlungen von Sultan Saladin, dem Tempelherrn und Nathan sind schwer im Auge zu behalten, die Umarmung der beiden Liebenden, Recha und der Tempelherr, auf die Nachricht, dass beide Geschwister sind, führt häufig bei den jüngeren Generationen zu verständnislosem Kopfschütteln. Hinzu kommt noch die philosophische und manchmal erstarrend scheinende Sprache der Aufklärung. Manchmal ist aber nicht der Autor oder das Werk an dem sprichwörtlichen ,,Brett vorm Kopf" bei dem Leser verantwortlich, sondern der Leser selbst. Wenn nebenbei der Fernseher läuft, aus den Boxen Musik dröhnt oder man bei ,,Romeo und Julia" an seine eigene letzte Liebesnacht denkt und schon von der nächsten träumt, dann kann dem formlosen Wort kaum noch Beachtung geschenkt werden, von glühender Faszination soll hier gar nicht gesprochen werden. Deshalb ist es hilfreich den guten, wie auch den schwerverständlichen oder ,,überlesenen" und damit für schlecht befundenen Stoff noch einmal zu lesen.
Ein weiteres Argument für das doppelte Lesen eines Werkes ist das häufige Wechseln von Meinungen und Ansichten des Lesers. Dies kann einmal durch den breiten Erfahrungsschatz in der Bücherwelt bewirkt werden. Wer von Lessing's ,,Nathan" abgeschreckt wurde und sich geschworen hat, nie wieder ein Buch dieses Autors zu lesen, der soll von seiner ,,Emilia Gallotti" eines Besseren belehrt werden. Auch Schriftsteller verändern sich und damit auch ihre Bücher. Wo vorher idealistische Moral den Leser vergraulte, holt die Thematik der Verführbarkeit ihn wieder zurück, weil sie einfach näher am Leben ist. Aber gleichzeitig verändert sich auch der Leser. Er wird älter und damit hoffentlich toleranter. Ihm ist es möglich ein Stück eigene Lebenserfahrung in jedem Buch zu finden. Zum Beispiel interessiert den Erwachsenen die Thematik der Verführbarkeit der ,,Emilia" oder das ,,Faustische Prinzip" bei Goethe mehr, als einen Jugendlichen, der erheblich weniger Lebenserfahrung besitzt und mit dem halben Körper noch im wohlbehüteten Elternhaus steht. Also noch ein Grund, die als Jugendlicher verworfenen Bücher noch einmal zu lesen und seinen Irrtum einzusehen.
Es sprechen aber auch einige Punkte gegen den Rat von Karl Kraus, alle Schriftsteller zwei mal zu lesen.
Zuerst einmal wäre da der Zeitfaktor. In unserer sehr schnellebigen Zeit, die vollgestopft ist mit Forderungen an jeden Einzelnen, in der man morgens aus dem Haus zur Arbeit geht und abends erst zurück kommt, ist Freizeit oder besser gesagt ,,freie Zeit“ für einen selbst rar geworden. Die schon genannte Arbeit ist ein Grund, Hobbys, besonders Sport ist in der Freizeit ein anderer, der Zeit beansprucht. Man will sich ja auch bewegen und dadurch gesund bleiben. Ein Buch zu lesen trainiert vielleicht den Geist, aber mehr auch nicht. Manche Leute trauen sich ja überhaupt nicht mehr an dicke Wälzer über 1000
Seiten heran, weil sie die niemals bewältigen können, aufgrund der wenigen Zeit, die sie zum Lesen haben. Ein zweites Mal ist da ebenso ausgeschlossen, wie das erste Mal. Was ebenfalls gegen ein nochmaliges Lesen von Büchern spricht ist der Lustfaktor. Wie schon zuvor angesprochen, bereitet es dem Leser kaum Probleme ein Lieblingsbuch ein zweites oder sogar drittes Mal zu lesen. Wenn es seinen Zauber nicht verloren hat, dann hält man es immer noch für seinen Favoriten, also für ein gutes Buch. Aber was ist mit den für schlecht befundenen Werken ? Die die man nicht verstanden hat, deren Geschichten keinen Sinn ergaben, deren Anfang und Ende schlichtweg grausam schlecht waren ? Bei so einer negativen Leseerfahrung kann man kaum von einem Anreiz reden, diesen ,,Stuss" erneut ,,durchzuackern“. Unter diesem Zwang macht das zweite Lesen keinen Sinn, denn der Leser ist so nicht freiwillig bereit seinen Irrtum einzusehen und seinem schlechten Buch irgendetwas gutes abzugewinnen. Außerdem treibt uns die Suche nach neuem, schriftlichen Gedankengut immer wieder in die Buchläden. Man will doch seinen Horizont erweitern, Neues aus der Welt der Bücher erfahren und die Nase nicht in den alten, schon ausgelesenen Stoff stecken. Also sprechen der Lustfaktor und der Zeitfaktor eindeutig gegen Krauses erste These.
Doch wenn der Leser gewillt ist und wirklich herausfinden will, ob sein Lieblingsautor wirklich ein guter Schriftsteller ist, dann dürfte der erste Rat nicht schwer zu befolgen sein. Bei Krauses zweiten These stoßen wir schon auf mehr Widersprüche, die und nachdenklich stimmen sollten.
Es gibt gute und schlechte Schriftsteller. Natürlich ! Nicht jeder Schriftsteller schreibt gleich, das wäre ja schlimm. Einmal ist das mit der Frage des Talentes zu erklären. Nicht jeder Autor, der seine Bücher veröffentlicht, hat das Talent eines John Grisham's. So wie es unterschiedlich gute Sportler und Schüler gibt, so ist dieser Unterschied auch in der Schriftsteller - Branche anzutreffen. Gleichermaßen zeichnen sich auch
Differenzen in der Themenwahl ab, was sich ja schon in den verschiedenen Belletristikbereichen, wie Fantasy, Krimi und Horror widerspiegelt. Zum Beispiel ist John Grisham sehr mit der Realität vertraut, wie sein Buch ,,Die Firma" beweist. Würde er versuchen einen Science - Fiction -Roman zu schreiben, wäre das bestimmt ein Schuss in den Ofen, denn das ist ein Terrain, auf dem er sich nicht auskennt und es bestimmt höchst ungern betreten würde. So wie es unterschiedliche Schriftsteller gibt, so sehr klaffen manchmal auch ihre Motive zum Schreiben auseinander. Die einen sehen ihren Beruf als eine Art Lebensaufgabe, der Welt von ihren Vorstellungen zu berichten, die Leute zu belehren oder ihnen mit Ratschlägen zu helfen, andere haben als Motiv die eigene ,,Seelenreinigung", also das Verarbeiten eigener Konflikte. Und wieder andere wollen einfach nur schnell Geld verdienen oder berühmt werden. Je nach dem Motiv des Schreibens oder besser gesagt je mehr der Autor hinter seinem Buch steht und entsprechend viel Zeit investiert hat, um so besser ist das Buch. Wenn man als Autor zum Beispiel emotionslos eine Liebesszene beschreibt, spricht aus ihr Oberflächlichkeit und wenig Gefühl und das bemerkt der Leser. Ist das ganze Buch lustlos geschrieben, könnte man es durchaus zu den schlechten zählen. Nur gibt es ein Problem mit dem Sinn von gut und schlecht. Wir reden hier über Kunst und Geschmack und darüber lässt sich ja bekanntlich streiten.
Zuerst einmal was bedeutet denn gut und schlecht ? Gut heißt den Anforderungen genügen, aber welchen Anforderungen ? Literaturkritiker haben hierfür bestimmt ihre Maßstäbe. Sie nehmen vermutlich Sprache und Inhalt näher unter die Lupe. Bei Sprache und Ausdruck lässt sich dieser Maßstab vielleicht akzeptieren, aber beim Inhalt ? Welcher Inhalt ist den gut und welcher schlecht ? Das ist einfach eine Frage des Geschmacks. Jeder Kritiker entscheidet danach. Ebenfalls steht Originalität immer wieder hoch im Kurs, doch was für den einen eine völlig neue Idee oder Thematik ist, ist für den andern schon ein alter Hut. Der Leser hat es hier noch schwerer. Ihm bleiben die tiefen Einsichten der Profis in Sprache und Ausdruck verborgen. Er kann nur entscheiden, ob ihm dieser Text gefällt oder nicht. Aber zuerst sprechen ihn andere Faktoren an, als das Wort und seine Verwendung. Da wäre zum Beispiel das Buchcover, das eindeutig den Anstoß zum Kauf eines Buches gibt. Das Auge kauft also mit. Die Spannung eines Buches kann schon durch ein interessantes Bild übermittelt werden, noch bevor der Leser weiß worum es überhaupt geht. Ein weitere Beeinflussung des Lesers zeigt sich durch den Preis des Lesestoffes. 40 bis 50 Mark kostet ein gut gebundenes Buch. Da wird schon zwei mal überlegt, ob man das für sein Vergnügen ausgeben will.
Und wenn sich dann das Objekt der Begierde als absolute Enttäuschung entpuppt, dann ärgert man sich dreifach. Hiermit sei dann bewiesen, dass teure Bücher keine Garantie für guten literarischen Stoff sind.
Aber zurück zur Urfrage. Nicht nur das wir nicht wissen, was gut und schlecht bedeutet, wir müssen uns auch fragen, wer denn über solche Adjektive entscheidet. Die Kritiker und damit Fachleute natürlich. Sicher, sie haben den Überblick über alles und das entsprechende Fachwissen, aber sie streben meist nach Höherem. Sie lesen Bücher nicht zum Vergnügen, sondern müssen sie wissenschaftlich betrachten, an Fakten und Maßstäben messen. Natürlich schneidet dort ein philosophisches Werk wie ,,Nathan der Weise" besser ab, als eine Rosamunde Pilcher. Denn Gedankengut und deutsches Kulturerbe wiegt bei ihnen nun mal mehr, als ,,Gefühlsduselei“. Entscheidend bei den Kritikern ist auch deren Alter, deren Toleranz und Objektivität gegenüber jüngeren Schriftstellern. Jede Zeit hat ihre Probleme. Niemand wird in heutigen Friedenszeiten, zumindest nicht hier in Deutschland, wieder einen dermaßen aufwühlenden Anti-Kriegs Roman wie ,,Im Westen nichts neues“ von Erich Maria Remarque schreiben, weil uns die Schrecken des Krieges ferngeblieben sind. Aber Herr Remarque würde sicherlich erschrecken über die Drogenproblematik in Klaus Kordon’s ,,Die Einbahnstraße", wenn er sie überhaupt verstehen würde. Also wäre es auch falsch einen jungen Schriftsteller von heute mit einem Klassiker wie Goethe oder Schiller zu vergleichen. Die Verleger müssen ebenfalls entscheiden, ob es sich um gute oder schlechte Autoren handelt, deren Bücher sie vertreiben. Sie lassen sich aber weniger von der literarischen Qualität des Stoffes leiten, sondern sehen mehr den Profit in jedem Buch.
Für sie zählen die Verkaufszahlen oder die Bestseller - Listen aus Amerika. Sie vertreiben auch den schlimmsten Kitsch, solange der Käufer bei der Stange bleibt. Also bleibt die Entscheidung von gut und schlecht wieder beim Leser hängen. Seine Vorlieben und Abneigungen bestimmen den Markt. Und der Leser lässt sich, wie vorhin herausgearbeitet, von seinem Geschmack und seinem Gefühl leiten. Zwar können ihm die Kritiker hineinreden, aber wenn einer gerne Steven King ließt, lässt er sich von einer schlechten Kritik bestimmt nicht vom Kauf eines neuen King-Romans abbringen
Nun wenden wir uns den wohl strittigsten Punkten von Krauses Zitat zu. Wenn sich der Leser nun durchgerungen hat oder vielleicht auch mit Feuereifer zum zweiten Mal seine Leseerfahrung wiederholt, so soll er, nach Kraus, die guten Schriftsteller erkennen und die schlechten entlarven. Natürlich leuchtet dieser Rat ein. Erstens versteht sich der literarische Stoff, wo vorher vielleicht Probleme aufgetreten sind, besser, weil man sich vorher schon ,,eingelesen" hat. Der Leser kennt bereits die Namen der Figuren, die er beim ersten Mal vielleicht immer verwechselt hat oder ihm ist der Sprachstil des Autors nicht mehr ganz so fremd. Der zweite Vorteil ist, dass das Auge mehr auf die Details gerichtet werden kann, die zuvor nicht für wichtig gehalten wurden, am Ende aber entscheidend für die Auflösung waren. Bei Krimis ist das oft der Fall. Oder der Leser hat genau das Gegenteil beim ersten Lesen getan und mehr auf die Details geachtet, als auf den großen Zusammenhang. Beide Fehler können bei einem wiederholten studieren der Lektüre berichtigt werden. So wird dann zum Beispiel aus einer vorher verwirrenden und zusammenhanglosen Geschichte, eine geniale Verschwörung. Und das vom Leser zuerst verworfene Buch wird zum persönlichen Bestseller.
Weiterhin lässt sich der Stoff aufgrund von einer größeren Lebenserfahrung, anderen Ansichten und Toleranz besser nachvollziehen. Als Jugendlicher verwirft man Goethes ,,Faust" vielleicht, weil man mit dem ,,Faustischen
Prinzip“ nicht viel anfangen kann, aber als Erwachsener spürt man diesen Forscherdrang viel stärker und kann ihn demzufolge auch besser verstehen.
Außerdem regt eine größere Leseerfahrung, die man mit wachsendem Alter bekommt oder bekommen sollte, zum öfteren Vergleich der Werke an. Wenn man vergleicht, dann denkt man über den gelesenen Stoff nach, man zweifelt auch und beschäftigt sich so intensiver mit einem Thema. Und so kann der tiefere Sinn hinter einer Geschichte gesehen, eine Botschaft oder eine Moral für sich heraus genommen werden. So bildet Literatur den Menschen, wenn er bereit ist, sich darauf einzulassen. Da sind wir aber schon wieder an einem Streitpunkt angekommen. Natürlich kann man die guten Schriftsteller nach wiederholtem lesen erkennen, wie Kraus es sagt, aber hängt das nicht hauptsächlich vom Leser selbst ab ? Was ist, wenn er die Botschaft eines Buches und damit des Schriftstellers, nicht verstehen will, weil sie gegen seine Überzeugung spricht, gegen tiefe moralische
Grundsätze. Wie kann man einem Realisten mit Ende's ,,Die unendliche Geschichte" klar machen, dass der Mensch nicht aufhören soll zu phantasieren und zu träumen, dass dies dem Menschen Kraft und Inspiration geben kann. Das widerspricht allem, woran ein Realist glaubt und er wird sich beharrlich weigern etwas anderes zu glauben. Das gleiche wäre es einem tief christlichen Menschen, der es ablehnt zu töten egal in welcher Situation, das Rachemotiv des ,,Hamlet" begreiflich zu machen. Er würde es nicht verstehen, denn es verstößt gegen seine Grundauffassung.
Des Weiteren muss man sich die Frage stellen, ob der Leser die Botschaft aus seiner
Lebenssituation heraus erkennen kann. Wenn in der Bibel eine Geschichte über die Vorteile von Armut geschrieben steht und der Leser ein Obdachloser ist, der einfach nur Pech gehabt hat, dann kann er die Botschaft der Geschichte kaum als Lehre für sich nehmen, denn er sieht ja nur die Nachteile der Armut.
Aber auch nach zweiter, intensiver Lektüre kann man den inneren Kern mancher Werke trotzdem nicht erkennen. Die Botschaft des Schriftstellers bleibt einem verborgen, weil er unverständlich ist, weil dem Leser der Bezug zu dem Autor fehlt oder anderes. Wenn einem zum Beispiel ein Steven King zu grausam oder blutig schreibt, irgendwelche bizarren Morde oder Vorstellungen in seine Geschichten einbaut und derjenige sich wirklich fragt, ob der Autor noch ganz bei Verstand ist, dann hat er eine Abneigung gegen ihn und das
Adjektiv schlecht liegt nahe, auch wenn die Kritiker etwas anderes sagen.
Weiterhin kann auch eine zweite Beschäftigung mit einem guten Stoff nicht unbedingt zur absoluten Erkenntnis führen, wenn man ihn ebenso oberflächlich liest, wie beim ersten Mal.
Beim zweimaligen Lesen muss der Leser gewillt sein, den guten Schriftsteller zu erkennen.
Im gleichen Atemzug will uns Kraus in seinem Zitat weismachen, dass nach doppelter Lektüre die schlechten Schriftsteller entlarvt werden.
Dieses ,,entlarven" spricht deutlich für eine Abneigung Karl Kraus' gegenüber
,,Möchtegern - Schriftstellern". Man könnte hineininterpretieren, dass diese Autoren ihren
Lesern etwas vorgaukeln, sich hinter schönen Formulierungen verstecken und so ihr
Manko einer löchrigen Story ausgleichen. Natürlich gibt es solche Autoren, die den Leser blenden. Sie warten mit großen, übertriebenen Gefühlen auf, wo man im normalen Leben sagen würde: ,,Mein Gott, so schlimm ist es nun auch wieder nicht." Im Fernsehen zeigt sich das besonders in den Daily Soaps. Ähnlich ist es mit Ärzte - oder Frauenromanen. Schicksale trümmern auf die Hauptfiguren ein und die sind unfähig sich zu wehren. Sie gaukeln einem das schreckliche Leben der Reichen vor, die ja vor schier unlösbaren Problemen stehen. Auch die Regenbogenpresse bietet hier einen enormen Gesprächsstoff.
Aber der Leser lässt sich auch blenden. Blind kauft er das, was am meisten in der
Werbung angepriesen wird. So gelingt es vielen schlechten Autoren gut verkauft zu werden und wenn es nur für eine kurze Zeit ist. Diesen ganzen Werberummel ist am deutlichsten beim Phänomen ,,Harry Potter" zu beobachten. Dem Buch kann man seinen pädagogischen Wert nicht absprechen, aber muss es deshalb so hoch gejubelt werden. Ist bei Astrid Lindgren's ,,Pippi Langstrumpf" so ein Rummel gemacht worden ? Nein, und es ist trotzdem ein bekanntes und beliebtes Kinderbuch geworden. Manchmal macht auch die Werbung einen Schriftsteller und seine Werke gut oder schlecht.
Viele Leser lassen sich auch narren vom Preis der Bücher, aber die kann man wohl kaum zu qualifizierten Lesern zählen, wenn sie sich nur daran orientieren, ob ein Buch im Sonderangebot ist, oder nicht.
Trotzdem kann man Kraus in seiner Verurteilung der schlechten Schriftsteller nicht uneingeschränkt zu stimmen.
Natürlich wird die ,,Schundliteratur" von Kritikern verschrien, aber ihre Berechtigung hat sie trotzdem, solange die Leute sie kaufen. Denn wie schon vorhin beschrieben hängt grundsätzlich alles vom Leser ab. Wenn sich der Leser zu großen Gefühlen hingezogen fühlt, dann soll er sie bekommen. Ebenso kann man die Werke eines Autors nicht einfach verteufeln, nur weil sie schlecht sind. Kunst ist schließlich jedem frei zugänglich, also auch den schlechten Autoren. Und Kunst muss nicht immer gut sein, manchmal ist auch Schlechtes gerade in Mode. Ein schlechter Autor muss nur ein dickes Fell haben und den Mut besitzen seinen schlechten Geschmack zu verteidigen, dann findet auch er sein Publikum, die dann seine geniale Schlechtigkeit oder seine schlechte Genialität bewundern.
Zusammenfassend wäre zu sagen, dass Kraus durchaus in vielen Punkten mit seinem Zitat Recht behält, beispielsweise ist es eine gute Idee jedes Werk zweimal zu lesen.
Dann würde man öfter Vorurteile gegenüber bestimmten Schriftstellern einsehen. Daraus noch eine Lehre für sich selbst ziehen und auch mal einen zweiten Blick auf einen anderen Menschen werfen, den man vorher als asozial abgestempelt hat, wäre natürlich ein gewaltiger Fortschritt für unser Zusammenleben. Auch ist es durchaus möglich gute und schlechte Schriftsteller zu erkennen, wenn nicht schon beim ersten Mal, dann beim zweiten. Das könnte unsere Urteilsfähigkeit gegenüber anderen Situationen und uns selbst stärken. Einem vorher selbstverliebten Blick in den Spiegel, sollte ein kritischer zweiter folgen.
Aber nur mit Einschränkungen sind Kraus' Thesen auf die Welt der Bücher übertragbar. Das gut und schlecht in der Literatur und eigentlich in allen Bereichen sollte uns zum Nachdenken anregen. Kann das überhaupt so genau abgegrenzt werden ? Kraus betreibt mit seinem Zitat Schwarz-Weiß-Malerei und das sollte man besonders in der Kunst nicht tun. Letztendlich entscheidet doch der Leser, was für ihn persönlich gut und schlecht ist und von dieser Entscheidung war auch Kraus als Schriftsteller abhängig.
Ein philosophischer oder hoch geistiger Autor kann durchaus verhungern, wenn keiner seine Bücher kauft und lesen will. Ähnliche Schicksale sind uns aus der Kunst bekannt. Wird heute der Maler Vincent van Gogh nicht als Genie verehrt, aber zu Lebzeiten soll er kein einziges Bild verkauft haben ?
Außerdem ist entscheidend, was jeder einzelne Leser von einem Buch und somit dem Schriftsteller erwartet. Die einen wollen den inneren Kern eines jeden Buches aufdecken, eine große Lebensweisheit für sich herausnehmen oder sich belehren lassen, wie es Schillers Vorstellung von den Aufgaben des Theaters war. Viele wollen auch nur Antworten auf ihre Lebensfragen finden. Andere wollen wiederum nur von den Büchern unterhalten werden, einfach nur herzhaft lachen oder stundenlang heulen. Die heutige Art der ,,Kartasis“ sozusagen. Ein Schriftsteller wird nie allen Anforderungen gerecht werden, denn er ist auch nur ein Mensch. Und gerade wenn das aus seinen Werken spricht, dann können wir seine kleinen und großen Weisheiten beherzigen.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dem Text über das Zitat von Karl Kraus?
Der Text analysiert Karl Kraus' Zitat "Man muss alle Schriftsteller zwei Mal lesen, die guten und die schlechten. Die einen wird man erkennen, die anderen entlarven." Er untersucht, ob es notwendig und sinnvoll ist, alle Schriftsteller zweimal zu lesen, und ob man tatsächlich gute und schlechte Schriftsteller erkennen kann.
Was sind die Hauptargumente für das zweimalige Lesen von Schriftstellern?
Einige Argumente für das doppelte Lesen sind, dass manche Bücher beim ersten Lesen schwer verständlich sind, entweder aufgrund der Sprache oder des Inhalts. Außerdem können sich die Meinungen und Ansichten des Lesers im Laufe der Zeit ändern, was zu einem neuen Verständnis des Werkes führen kann.
Welche Argumente sprechen gegen das zweimalige Lesen?
Gegen das nochmalige Lesen von Büchern spricht der Zeitfaktor, da die Menschen oft wenig Freizeit haben. Auch der Lustfaktor spielt eine Rolle, da es wenig Anreiz gibt, als schlecht befundene Werke erneut zu lesen. Die Suche nach neuen Texten ist oft stärker als die Auseinandersetzung mit bereits gelesenem.
Wie beurteilt der Text die Aussage, dass es gute und schlechte Schriftsteller gibt?
Der Text argumentiert, dass die Einteilung in gute und schlechte Schriftsteller problematisch ist, da es sich um Kunst und Geschmack handelt, worüber sich bekanntlich streiten lässt. Kriterien wie Sprache, Inhalt und Originalität sind subjektiv und können unterschiedlich bewertet werden. Auch die Rolle von Kritikern, Verlegern und Lesern bei der Beurteilung von Schriftstellern wird hinterfragt.
Was bedeutet "erkennen" und "entlarven" im Kontext des Kraus-Zitats?
Der Text interpretiert "erkennen" als ein besseres Verständnis des literarischen Stoffs nach dem zweiten Lesen, wodurch Details deutlicher werden und Zusammenhänge klarer. "Entlarven" wird als das Aufdecken von Schwächen und Mängeln bei "Möchtegern-Schriftstellern" verstanden, die ihre Leser täuschen und sich hinter schönen Formulierungen verstecken.
Inwiefern hängt die Erkenntnis guter und schlechter Schriftsteller vom Leser selbst ab?
Die Fähigkeit, gute und schlechte Schriftsteller zu erkennen, hängt stark vom Leser selbst ab, seinen Überzeugungen, seiner Lebenserfahrung und seiner Bereitschaft, sich auf den Stoff einzulassen. Auch die oberflächliche Lektüre kann eine Erkenntnis verhindern. Die eigene Weltanschauung kann beeinflussen, wie ein Buch aufgenommen und bewertet wird.
Welche Rolle spielt die Werbung bei der Beurteilung von Schriftstellern?
Der Text kritisiert, dass Werbung einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Schriftstellern und ihren Werken hat. Schlechte Autoren können durch gezielte Werbung gut verkauft werden, während überbewertete Werke (wie "Harry Potter") unangemessen hochgejubelt werden. Der Preis der Bücher und das Buchcover spielen ebenfalls eine Rolle bei der Kaufentscheidung.
Welches Fazit zieht der Text bezüglich des Zitats von Karl Kraus?
Der Text kommt zu dem Schluss, dass Kraus' Zitat in vielen Punkten Recht behält, insbesondere die Idee, Werke zweimal zu lesen, um Vorurteile abzubauen. Allerdings betont der Text, dass die Einteilung in gut und schlecht in der Literatur subjektiv ist und dass der Leser letztendlich entscheidet, was für ihn persönlich gut und schlecht ist. Es wird empfohlen, auch "verschriene, schlechte Bücher" zu lesen, um herauszufinden, dass sie vielleicht doch gut sind.
- Quote paper
- Josephine Günther (Author), 2000, Zitaterörterung von Karl Kraus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105342