Ursachen des Rechtsradikalismus


Essay, 2000

11 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Aufgabenstellung

2. Einleitung

3. Hauptteil
3.1. These
3.2. Nationalsozialistisches Regime
3.3. DDR Regime
3.4. Zusammenhang von 3.2. und 3.3.

4. Schlußteil

5. Literaturverzeichnis

1. Aufgabenstellung

Thema: wissenschaftliche Bearbeitung des Themas "Rechtsradikalismus"

Formulieren Sie eine These zu den Ursachen des gegenwärtigen Rechtsradikalismus. Skizzieren und erläutern Sie mit wissenschaftlichen Kriterien den Argumentationsstrang, mit dem Sie Ihre These stützen.

2. Einleitung

Bei der Frage nach den Ursachen rassistischer und rechtsextremer Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland gibt es inzwischen verschiedene Ansätze: Rassistische Gewalt als Protest, als Ausdruck von Jugendproblemen, als Ausdruck von psychosozialer Problemlage, als Angst vor dem Fremden, usw.

Es ist viel über das Phänomen des Rechtsradikalismus, sowie dessen Ursachen geschrieben und geforscht worden, und immer noch wird nach einer Antwort gesucht. Verschiedene Ansätze haben als Grundlage gedient, wurden erforscht und erklärt - doch meiner Ansicht nach hat es nie, und wird es vielleicht sogar nie, einen wirklich befriedigenden Ansatz mit einer plausiblen, rationalen Antwort geben.

Um das Problem der Ursachen des gegenwärtigen Rechtsradikalismus in Deutschland versuchen zu beleuchten und zu erklären, werde ich mich des historisch-genetischen Ansatzes bedienen. Ich werde also versuchen, das Problem des vor allem in Deutschland herrschenden Rechtsradikalismus aus seiner geschichtlichen Entstehung und Entwicklung heraus zu erklären.

Als Materialgrundlage dienen mir hierbei Berichte von Augenzeugen, Zeitzeugen, sowie einschlägige Geschichtsbücher, Forschungsberichte und philosophische Schriften. Immer geht es hierbei um die Ereignisse der Vergangenheit, ihrer Folgen und ihren Resultaten. Zunächst werde ich also die Struktur und Funktionalität des Nationalsozialistischen Regimes unter Hitler bearbeiten, dann die des DDR-Regimes unter Ulbricht/Honecker und schließlich den Zusammenhang dieser beiden Systeme in Bezug auf die heutige Situation.

3. Hauptteil

3.1. These

Der gegenwärtige Rechtsradikalismus in Deutschland ist zwar kein originäres deutsches Phänomen, aber in der Bundesrepublik Deutschland ausgeprägter als in anderen europäischen Staaten, da er an die totalitären, repressiven, absolutistischen und undemokratischen Strukturen des DDR-Regimes anschließt, die sich direkt aus dem deutschen Nationalsozialistischen Regime entwickelt haben.

3.2. Nationalsozialistisches Regime - Struktur und Funktionalität

Von 1920 an hat die NSDAP - Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - versucht, an Macht und Geltung in dem geschwächten Deutschland zu gewinnen, später mit Adolf Hitler an ihrer Spitze. Auch wenn es anfänglich noch "Unruhen" innerhalb der Partei gegeben hat, so treten diese in den Hintergrund und die Partei tritt nunmehr als geschlossen auf.

Der Kampf um die beherrschende Macht im Innern der Partei und Deutschlands hatte für die nationalsozialistische Führung bis zum Sommer 1933 den klaren Vorrang vor politischen Sachentscheidungen. Alle ihre Energie war in diesen Monaten, Jahren darauf ausgerichtet gewesen, Zug um Zug diejenigen Verfassungsschranken und politischen Gegenkräfte auszuschalten, die der Erlangung umfassender Regierungsvollmachten und der Inbesitznahme der Exekutive in Reich, Ländern und Kommunen im Wege standen. Bei der Verfolgung dieser negativen Zielsetzung, der Beseitigung wesentlicher Elemente der schon vor 1933 vielfach brüchig gewordenen Verfassungsordnung der Weimar Republik, bewies die nationalsozialistische Bewegung äußerste Zielstrebigkeit. Aus der Verbindung von diktatorischer Staatsmacht und plebiszitärer weltanschaulicher Massenbewegung ergab sich von Anfang an eine spezifische totalitäre Tendenz dieser Machtballung.

Ebenfalls expandierte diese in den Raum des gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens, jedoch nur um hier durch staatliches Reglement oder parteipolitische Gleichschaltung und Kontrolle unerwünschte Einflüsse auszuschalten und die Energien der Nation so vollständig wie möglich zu erfassen. Die totalitäre Expansion der Macht spiegelt sich auch in grundlegenden Entscheidungen und Gesetzen, sowie die Bildung der wichtigsten Organisationen und Instanzen zur Gleichschaltung, Kontrolle oder Reglementierung wirtschaftlicher und beruflicher Interessengruppen sowie der Organe der öffentlichen Meinungsbildung, Erziehung und kulturellen Tätigkeit wieder. Als Beispiel der "Übernahme" könnte u.a. das wieder eingeführte Arbeitsbuch gelten: "Die Wiedereinführung des überall in Deutschland im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts im Zuge bürgerlicher Freizügigkeit aufgehobenen Arbeitsbuches zeigte deutlich die Rückkehr zu einer jetzt von Staats wegen wiederhergestellten unfreien Arbeits-Zunft-Verfassung an." (Broszat 1969: 205).

So war aber auch innerparteiliche Struktur und Funktionsweise maßgebend für ihre Funktion in Regierungressorts und in der Umsetzung von Reformen. Auch wenn es bezüglich der einheitlichen Führung intern und der Umsetzung weiterhin Schwierigkeiten gab, so besaß dennoch der bindende Charakter, der gemeinsame Glaube an Hitler und seine Visionen, größte Bedeutung. Hinzu kam die parteiinterne "Gesetzgebung", Widerspruch wurde nicht geduldet, Verstöße belangt.

Mit der schleichenden Übernahme der Regierung, sowie auch einzelner Regierungsressorts und Führungsstellen konnte die nationalsozialistische Bewegung im Inneren der Staatsorganisation ansetzten und somit ein gleiches Organisationsschema an all den verschiedenen Stellen durchsetzten.

1933 hatte die Machtergreifung vor allem zur Folge, daß der Pluralismus politischer Parteien, die Aufteilung zwischen Reich und Ländern, die rechtlichen Schranken der Machtausübung und eben die Balance zwischen Legislative und Exekutive annähernd beseitigt wurden. "Die Gleichschaltung hatte scharfe prohibitive Wirkungen und schloß bestimmte Personen, Konzeptionen und Organisationsformen bei der Etablierung des Hitler-Regimes kategorisch aus." (Broszat 1969: 245)

Aber das gesteigerte Verlangen der Bevölkerung nach einer starken Führung - nicht nur aufgrund der Weltwirtschaftskriese, sondern auch aus Mangel an Erfahrung an Eigenständigkeit - nach mehr Einheitlichkeit, Disziplinierung und Effektivität der Staatsorganisation und Regierung, spielte eine große Rolle; Millionen von Deutschen wählten nach 1929/30 Hitler und die NSDAP. Die Instabilität der Weimar Republik hatte den Wunsch nach einem autoritären Ordnungsstaat enorm gestärkt. Und eben diesen Traum, vom völkisch autoritären Rechtsstaat versprach Hitler zu erfüllen. Die Maßnahmen der Umsetzung allerdings sind äußerst zweifelhaft, zumal die Bevölkerung diesen Rechtsstaat mit nationalsozialistischer Prägung, also einer vorgegeben Ideologie, annehmen sollte. Aber um eben ein gutes, effektives, funktionierendes System zu erlangen, eine autoritäre und charismatische Führungsperson mit festen Vorsätzen und klaren Strukturlinien, einen "Leitwolf" zu bekommen, mußte der Kompromiß mit einer Ideologie eingegangen werden. Wobei fraglich ist, wie viele Deutsche dieser Ideologie lediglich aus Opportunismus gefolgt sind, und sie nicht doch daran glaubten: nämlich daß sie eine "Herrenrasse" seien.

Kurzum: die Instabilität der Weimar Republik und der Wunsch der Bevölkerung nach Stabilität ermöglichte es einem Menschen und einer Partei die Regierung zu übernehmen.

"Sie [die Partei, NSDAP] lebte von dem in Kriesenzeiten leicht mobilisierbaren Verlangen nach entschlossener Vertretung und Aktion, dem Ruf nach einer wirksamen, notfalls mit Zwangsmitteln herzustellenden Sanierung der Verhältnisse. [...], agitatorisch wirksamste Potenz zur Restauration autoritärer Ordnungsvorstellungen in Staat und Gesellschaft und zugleich die militante

Gegenkraft gegen Sozialismus und Kommunismus." (Broszat 1969: 14)

Für die Menschen stellte sich dieses durchaus positiv dar: man hatte einen starken, autoritären, vielversprechenden Menschen an der Spitze des Staates. Strukturen, Formen, Leitlinien waren wieder vorhanden und sogar die Glaubensrichtung wurde vorgegeben. Man wurde befreit von den Entscheidungen, die man in Freiheit hätte treffen müssen. In allen Lebensbereichen existierten nun wieder Regeln an die man sich halten mußte - keiner brauchte sich grundlegende Gedanken zu Politik, etc. mehr machen. Welch eine Befreiung!!!

3.3. DDR - Struktur und Funktionalität

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und der Zerstörung des NS-Regimes herrschte in Deutschland Chaos in allen Bereichen der Gesellschaft. Die deutsche Bevölkerung litt enorm unter den Folgen des Krieges und war schlicht orientierungslos. Aber auch in den Reihen der Alliierten - der "Gewinner" des Krieges - verspürte man eine gewisse Unsicherheit. Die USA, England, Frankreich und die Sowjetunion waren sich zwar darüber einig, daß ein Wiederaufbau Deutschlands stattfinden müsse, nicht jedoch über die Art und Weise wie dieser Wiederaufbau auszusehen habe. Dennoch stand es außer Frage, daß die Reste des Nationalsozialismus bekämpft und vernichtet werden mußten, sowie der Beschluß, Deutschland wirtschaftlich in Schacht zu halten, um so Stärke und Machtpotential des besiegten Landes zu kontrollieren. Auch die Entmilitarisierung war ein fester Bestandteil des Planes, Deutschland handlungsunfähig zu machen.

So kam es, daß im Jahr 1945 vertraglich besiegelt wurde (Konferenzen in Jalta, in Potsdam), daß Deutschland einem Kontrollverfahren der vier Siegermächte zu unterliegen, daß Deutschland in vier Besatzungszonen zu teilen sei, und daß man die Deutschen einer konsequenten Entnazifizierung und Demokratisierung unterziehen werde. In den darauf folgenden Jahren distanzierte sich die UdSSR immer mehr von den Plänen der USA, Englands und Frankreichs. Klare Fronten kristallisierten sich heraus - Kommunismus contra Demokratie, Kapitalismus contra sozialistische Planwirtschaft - denn es war für die Sowjetunion klar, daß die von der Sowjetunion besetzte Zone (SBZ) als Teil des Sieges ihres bleiben mußte. Nicht nur der sicherheitspolitische Faktor spielte hier mit ein, sondern eben auch der sozialökonomische Aspekt in Hinblick auf die Reparationen war wichtig. So kam es zur Eingliederung der SBZ in den sowjetischen Herrschaftsbereich und der der Westzonen mehr und mehr in den Interessensbereich der drei westlichen Siegermächte und damit auch zur Abgrenzung zwischen Ost und West, sodaß Deutschland gespalten war und schließlich im Frühjahr 1949 die Bundesrepublik Deutschland und im Herbst 1949 die Deutsche Demokratische Republik gegründet wurden.

So war es aber nicht alleiniger sowjetischer "Verdienst", daß es ein "separates", sozialistisches Deutschland entstanden war, sondern auch das der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED), welche schon 1946 gegründet wurde. Die SED verstand sich als marxistisch-leninistische Partei der Arbeiterklasse und des gesamten werktätigen Volkes. Die "weitere Ausprägung ihrer führenden Rolle in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens" sei "eine wesentliche Voraussetzung zum Heranreifen der Bedingungen für den allmählichen Übergang zum Aufbau der kommunistischen Gesellschaft". Ergo: politische Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung - das war die wichtigste Aufgabe im Programm der Partei. Aber die SED beanspruchte mit ihrer Gründung auch, daß sie die sozialistische Einheitspartei ganz Deutschlands sei. "Mit ihrem Namen erhob sie nicht nur die Einheit der Arbeiterklasse, sondern auch die Einheit Deutschlands zum Programmatischen Grundprinzip ihres Wirkens und setzte beides, die proletarische und die nationale Einheit, in enge Beziehung."

Ähnlich wie also schon etwa 1920 und den Jahren danach, hatte sich eine einzige, absolutistische Partei durchgesetzt, und es sich zum Ziel gemacht, die deutsche Nation "zu retten". Wieder spielte der wirtschaftliche Aspekt eine große Rolle. Die Wirtschaftlichkeit der Besatzungszone, später der DDR, mußte enorm angekurbelt werden und das administrative, organisatorische und politische Leben reorganisiert werden. Erfolgreich schuf sich die SED also ein institutionelles gesellschaftliches und staatliches Gefüge in der Ostzone - konnte somit neue Vorschriften, Leitlinien, Gesetze und Regeln schaffen, die das Leben der Bevölkerung aufs neue bestimmten. Ein ähnliches Reglement und Organisationsschema also wie schon im verstörten NS-Regime, lediglich unter einem anderen extremen ideologischen Stern. Auch hier war der bindende Charakter ein wichtiger Punkt. Wie auch bei der NSDAP, gab es eine parteiinterne "Gesetzgebung": Widerspruch oder Verstoß gegen die Parteigesetzte wurden nicht geduldet.

In der vierzigjährigen Existenz der DDR sicherte die SED ihre verfassungsmäßig führende Rolle und baute sie immer weiter aus. Stark beeinflußt von Theorie und Praxis der KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjet Union) wurde in der DDR eine von administrativen und ideologischen Mitteln betriebenen Zwangsherrschaft der SED-Führung über die Gesellschaft durchgesetzt. Das zeigt sich auch darin, daß keine wichtige Position im Lande ohne die Zustimmung der Führungsgremien der Partei eingenommen werden konnte. Sie besetzte folglich die Führungsstellen in Staat, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und in den Militär- und "Sicherheitsorganen".

3.4. Zusammenhang

Die beiden vermeintlich Unterschiedlichen Systeme - Nationalsozialistisches Regime und DDR - weisen Gemeinsamkeiten auf. Wenn sie sich auch in ihrer Ideologie gänzlich von einander abgrenzen mögen, so sind sie sich in ihrer Funktionsweise und Struktur doch erschreckend ähnlich, ja sogar gleich.

In beiden Fällen beherrschte, herrschte, regierte eine extreme Partei, die mit ihren Strukturen und Organisationsschemata den Staat und die Regierung, aber auch das gesellschaftliche Leben bestimmt hat.

Auch die jeweilige Ausgangsposition der Wege zum Erhalt der Macht zeigen Ähnlichkeit. In beiden Fällen waren große Ereignisse, ja Kriege, vorhergegangen und die wirtschaftliche und soziale Lage der Bevölkerung labil. Zusätzlich war beiden Partei- Systemen eine politische Krise vorhergegangen, was die Lage nicht verbesserte. Die machtpolitischen und verfassungsmäßigen Voraussetzungen des Dritte Reiches sind vor allem auf die krisenreichen ersten Jahre der Weimar Republik (von Versailles bis zur Ruhrbesetzung und Inflation) zurück zuführen. Es kam aber erst mit der Wirtschafts- und Staatskrise 1929/30 zu den entscheidenden Ereignissen und Erfolgen der NSDAP. "Die Erfolgsgeschichte der NSDAP war das Spiegelbild der Leidensgeschichte der Republik und umgekehrt" (Broszat 1969: 14). Nicht nur aus eigener Kraft brachte es die NSDAP fertig, so mächtig zu werden: sie benötigte die Protektion oder mindestens die wohlwollende Duldung tonangebender bürgerlicher und konservativer Kräfte in Regierung, Verwaltung, Militär, Kirche, Wirtschaft und Politik.

Schließlich hatte sie die Macht, die Regierung Deutschlands übernommen und eine klare Linie, eine Einheit, eine Zugehörigkeit, Ideologie suggeriert, der die Menschen glaubten. Das sich die NSDAP mit ihren zugehörigen Sub-Organisationen (Hitlerjugend, SA, SS u.a.) dabei dem absolutistischen, repressiven, militanten Prinzip bediente schien nebensächlich. Befehl, Gehorsam, Ausführung, Verstoß, Bestrafung. Wer nicht "mit machte" wurde gezwungen, hat geschwiegen oder wurde gleich umgebracht. Es wurde verraten und bespitzelt.

Die Zerschlagung des Nationalsozialistischen Regimes Deutschland verbündete die gegensätzlichen Großmächte USA und UdSSR, doch dieser Zustand hielt nicht lange an. Schnell sah die Sowjetunion ihre Chance der Ausbreitung des kommunistischen Regimes mit der SBZ und auch das wirtschaftliche Potential. Wieder herrschte in den Jahren 1943 bis 1946 große Verwirrung und Instabilität, sodaß wieder eine Partei die Macht ergreifen konnte. Nur liegt ein großer Unterschied in der politischen Ausrichtung: waren es zuvor die extremen Nationalisten, so sind es dieses mal die extremen Sozialisten, die sich ein "Land genommen" haben, um sich dort ihre Macht anzueignen und diese dann unter dem Deckmantel des Sozialismus auszuspielen.

Die Art und Weise wie diese beiden Parteien an die Macht gekommen sind, nämlich der Prozeß der langsamen aber sicheren "Umstrukturierung" der administrativen Verwaltungen, sowie der Regierungsstellen und schließlich die Vorgabe der Richtung an die Bevölkerung; aber auch die Handlungsmaßnahmen, der absolute Gehorsam, der ausschließliche Glaube an das Richtige, die Abgrenzung, die Ausmerzung von Andersdenkenden, der Militarismus, die absolute Ordnung, Struktur sind die Ähnlichkeiten dieser beiden Regime.

4. Schlußteil

"Um zu zeigen, dass es möglich ist, die Welt nach den Geboten einer Ideologie zu verändern, mussten die Nazis [und die SED, J.L.] eine fiktive Welt aufbauen, die abgeschottet war gegen jede störende Erfahrung. Ihr Unternehmen bestand also darin, die Realität durch ein Wahnsystem zu ersetzen.

Diese Schein-Welt schuf sehr wohl eine Gemeinsamkeit, eine `Bewegung`, aber es war dies eine Gemeinschaft isolierte Individuen, völlig unfähig zu wirklichem gemeinsamem Handeln. Was sich von außen wie ein `Irrenhaus` ausnahm, war für die Menschen in diesem System völlig vernünftig und stimmig. Und sobald diese fiktive Welt zusammenfällt, zerfällt auch die `Bewegung`, und übrig bleiben die Menschen, die nun wieder das sind, was sie vorher waren: vereinzelte, `heimatlose` Individuen." (Prinz, 1998: 138)

Die Fortsetzung der repressiven, absolutistischen und totalitären Maßnahmen des NSRegimes in dem der DDR, und schließlich das Scheitern der beiden Systeme, hat die Menschen, die in diesem System lebten in eine ungewohnte Freiheit entlassen.

Das erklärt auch, warum der gegenwärtige Rechtsradikalismus vermehrt in der alten DDR, im Bereich der "neuen" Bundesländer stattfindet. Viele der Menschen aus der Zeit der alten Regime, auch viele der 20- bis 30-jährigen, kommen mit dem äusserst liberalen BRD-System nicht zurecht. Einerseits hat es zwar große Freiheit gebracht, andererseits aber auch eine große Verunsichertheit, da es keine klaren und eindeutigen Handlungs- und Wertvorschriften angibt, nach denen sich jeder richten muss. Das war aber sowohl im NS- Regime als auch in der DDR so. Das System musste sich schützen, indem es Abweichungen von der "deutschen" Norm erst verpönte, dann bestrafte, dann vernichtete.

"Mit dem Zusammenbruch ihrer fiktiven Heimat kehren die Massen wieder in die Welt zurück, vor derern Realität die Bewegung sie geschützt hatte, werden wieder zu den isolierten Individuen, als die sie sich massenhaft zusammengefunden hatten, und übernehmen entweder neue Aufgaben in einer veränderten Welt oder fallen in die verzweifelte Überflüssigkeit zurück, von der die Fiktion sie für einen Moment erlöst hatte. [...] In aller Stille, als handele es sich um nichts als einen dummen Reinfall, werden sie ihre Vergangenheit aufgeben und, wenn es Not tut, verleugnen, sich nach einer neuen viel versprechenden Fiktion umsehen oder warten, bis die alte Ideologie wieder an Stärke gweinnt und eine neue Massenbewegung ins Leben ruft." (Arendt, 1951: Elemente S. 765)

In Bezug auf Ausländerfeindlichkeit, einen Aspekt den ich bisher ausgelassen habe, gibt es auch "Parallelen". Wohingegen der Antisemitismus im NS-Staat propagiert und unterstützt wurde, ja ein Bestandteil dieser kranken Ideologie war, wurde er im DDR-Staat verpönt und absichtlich zunichte gemacht. Vielmehr war von "Völkerfreundschaft" und "Internationalismus" die Rede. Berichte belegen jedoch, daß die sog. Ausländerfreundlichkeit der alten DDR Herrschaft und der dazu zwangsverpflichteten DDR-Bürger nur aufgesetzt, künstlich war und nicht emotional nachvollzogen wurde. Da war ein Schwarzer natürlich in gut-Deutsch immer noch "der Neger". Alles Anders-Sein was vorhanden war, wurde als als solches erkannt und an sich nicht geduldet.

Ins Geweicht fällt aber auch, daß die meisten Deutschen den Nationalsozialismus und den Sozialismus befürworteten und akzeptierten. Unter der totalen Herrschaft vielen schwierige Entscheidungsprozesse völlig weg.

Dies könnte erklären, warum so viele Menschen gerne in der DDR lebten, denn sie hatten sich arrangiert. Hier greift wieder eine Verbindung zum gegenwärtigen Rechtsextremismus, mit marscheirenden "Glatzen" im Osten der BRD. Das Motiv könnte wieder die Sehnsucht nach klarn Führungs- und Führer-Strukturen sein, unter die sich jeder einordnen kann, was das Leben einfacher macht. Es würde wieder Antworten auf alle Fragen geben, Erklärungen, Lösungen. Alles Abweichende jedoch ist schlecht, schädlich, böse, unnütz, undeutsch und muss weg, ausgemerzt werden. Die heutigen Rechtradikalen sehnen sich nach einem deutschen Totalitären System zurück, NS oder SED, nur bitte auf der richtigen Seite, und natürlich mit den gleichen Methoden.

5. Literaturverzeichnis

Arendt, Hannah (1986): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. 7. Aufl. 2000 München: Piper Verlag. [Orig.: The Origins of Totalitarianism. Harcourt Brace Jovanovich, New York 1951]

Arendt, Hannah (1986/1999): Zur Zeit. Politische Essays. Übers. von Eike Geisel. Hrsg. von Marie Luise Knott. Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe Hamburg: Rotbuch- Verlag.

Bracher, Karl Dietrich (1978): Schlüsselwörter in der Geschichte. Mit einer Betrachtung zum Totalitarismusproblem. In Zusammenarbeit mit Dorothee Bracher. Düsseldorf: Droste Verlag

Broszat, Martin (1969): Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung. Hrsg. von M. Broszat und H. Heiber. München: Deutscher Taschenbuchverlag (= dtv-Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts; 9).

Erdmann, Klaus (1996): Der gescheiterte Nationalstaat: die Interdependenz von Nationsund Geschichtsverständnis im politischen Bedingungsgefüge der DDR. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien: Peter Lang Verlag (= Europäische Hochschulschriften : Reihe 31, Politikwissenschaft; Bd. 301)

Fest, Joachim (1973): Hitler. Eine Biographie. Erster Band: Der Aufstieg. Frankfurt/Main, Berlin, Wien: Verlag Ulstein.

Fest, Joachim (1973): Hitler. Eine Biographie. Zweiter Band: Der Führer. Frankfurt/Main, Berlin, Wien: Verlag Ulstein.

Goldhagen, Daniel Jonah (1998): Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust. Übers. von Klaus Kochmann, 1. Auflage Berlin: Wolf Jobst Siedler Verlag. [Orig.: Hitlers Willing Executioners. Alfred A. Knopf Inc., New York 1996]

Herbst, Andreas (Hg.)/Stephan, Gerd-Rüdiger (Hg.)/Winkler, Jürgen (Hg.)(1997): Die SED, Geschichte, Organisation, Politik. Ein Handbuch. In Zusammenarbeit mit C. Krauss und D. Nakath. Berlin: Dietz Verlag (= XIX, 1127 S.)

Heuer, Wolfgang/Kusenberg, Kurt/Müller, Wolfgang (Hg.)/Naumann, Uwe (Hg.) (1987): Hannah Arendt. 5. Aufl. 1999 Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag (= rowohlts monographien)

Ploetz, Dr. Karl Julius (Begründer)(1986): Der große Ploetz. Auszug aus der Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. 31., aktualisierte Auflage 1991 Freiburg, Würzburg: Verlag Ploetz (Hg.)

Prinz, Alois (1998): Beruf Philosophin oder Die Liebe zur Welt. Die Lebensgeschichte der Hannah Arendt. Weinheim und Basel: Beltz & Gelberg.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Ursachen des Rechtsradikalismus
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Veranstaltung
Einführung in die Politikwissenschaft
Note
1,7
Autor
Jahr
2000
Seiten
11
Katalognummer
V104834
ISBN (eBook)
9783640031399
Dateigröße
351 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ursachen, Rechtsradikalismus, Einführung, Politikwissenschaft
Arbeit zitieren
Johanna Lehmann (Autor:in), 2000, Ursachen des Rechtsradikalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104834

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