Gliederung
Einleitung
1. Der Schlaf
1.1 Das Schlaf-EEG
1.2 Physiologie des Schlafs
2. Der Traum
2.1 Der Traum in der Psychoanalyse
2.2 Traumphysiologie
3. Auswirkungen von Schlafmangel
3.1 Physiologische Auswirkungen
3.2 Psychologische Auswirkungen
4. Klassifikation von Schlafstörungen
5. Die Bedeutung von Schlaf und Traum bei psychiatrischen Störungen
5.1 Depression
5.2 Schizophrene Störungen
5.3 Manie
5.4 Panik- und Angsterkrankungen
6. Äußere Ursachen für Schlafstörungen
7. Medikamentöse Behandlung von Schlafstörungen
8. Pflege bei Schlafstörungen
8.1 Generelle Pflegemaßnahmen
8.2 Spezielle Pflegemaßnahmen
8.2.1 Bäder, Massagen, Tees, Auflagen, Aromatherapie
8.2.2 Kognitiv orientierte Maßnahmen
9. Abschließende Bemerkungen
10. Literaturverzeichnis
11. Erklärung
Einleitung
Schon seit Menschen Gedenken spielt der Schlaf und das damit verbundene Träumen in den verschiedensten Kulturen eine zentrale Rolle. In der griechischen Mythologie galten Hypnos, der Gott des Schlafes und Thanatos, der Gott des Todes als Zwillingskinder der Nacht. Laut Forschungen von Anthropologen ist es der Traum, der die Existenz einer Seele als vom Kör- per losgelöste Identität im Altertum manifestiert hat. Schlaf galt als ein vom Gehirn passiv erlebter Zustand. Aristoteles und Platon bezeichneten den Schlaf erstmals als Prozeß, der mit Körperfunktionen einhergeht; sie glaubten , daß Dämpfe aus der Nahrungsverdauung ins Ge- hirn steigen und den Schlaf auslösen. Erst mit den anatomischen Kenntnissen des fünf- zehnten Jahrhundert konnten diese Vorstellungen als anatomisch nicht haltbar widerlegt werden. Trotzdem hielten sich über viele Jahrhunderte Vorstellungen, die den Schlaf mit dem Zusammenwirken von Körpersäften zu erklären versuchten. Im neunzehnten Jahrhundert entstanden neue Theorien zur Erklärung des Phänomens Schlaf. Der Schlaf galt nunmehr als Zustand, bei dem das Gehirn ruht. Naturphilosophen deuteten den Schlaf als Zustand zwischen Wachleben und Tod, wobei das Wachleben als aktiver Zustand aller animalischen und intellektuellen Fähigkeiten und der Tod als deren totalen Aufhebung galt.
Mit der Entdeckung von Hirnaktivität bei schlafenden Tieren Ende des neunzehnten Jahrhunderts und deren Nachweis auch beim menschlichen Gehirn durch den Psychiater Hans Berger zu Beginn des vorigen Jahrhunderts wurde schließlich die heutige Schlafwissenschaft eingeleitet. Seit dem hat die Schlafforschung eine rasante Entwicklung erlebt, die v.a. durch Nathaniel Kleitmann in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts vorangetrieben wurde (Dement/Vaughan,1999,S.34-37).
Jeder Mensch schläft und macht sich in der Regel auch keine Gedanken über die Vorgänge während des Schlafs oder die Umstände, die dazu führen das er schläft. Erst wenn die für jeden Menschen subjektiv richtige Schlafqualität nicht erreicht wird, stellen wir fest, das uns etwas fehlt. Die wenigsten Menschen legen dann intuitiv zusätzliche Schlafphasen ein und begegnen so ihrer Schlafschuld. Schlaf unterliegt in einem hohen Maße kulturellen, sozialen und persönlichen Faktoren und der volkswirtschaftliche wie auch individuelle Schaden durch die Folgen von Schlafstörungen (Insomnien) wird allgemein unterschätzt. Der Mensch schläft heutzutage etwa 1,5 Std. weniger als noch unsere Vorfahren vor 100 Jahren und Untersuchungen aus den USA ergaben, das etwa 24.000 Menschen jährlich bei Unfällen sterben, die direkt oder indirekt mit einem Schlafdefizit einhergehen (Dement/Vaug han,1999,S.12-14).
In Deutschland durchgeführte Untersuchungen (Lauer,1997) belegen einen signifikanten Zusammenhang zwischen Schlafverhalten und dem Auftreten verschiedener psychiatrischer Krankheitsbilder. Dabei sind je nach Erkrankung deutliche Veränderungen des Schlafmuster festzustellen. Eine weitere Studie mit fast 8000 Personen (Morgan/Closs,2000,S.68) hat ergeben, das Insomnien häufig mit Angstgefühlen und depressiven Syndromen einhergehen.
Die Verantwortlichkeit der Behandlung von Schlafstörungen wird durch den Einsatz von Schlafmedikamenten v.a. den Ärzten zugesprochen. Hier stellt sich die Frage in wieweit die Pflege mit ihrer Position in der Gesundheitspflege und den ihr zu Verfügung stehenden Mitteln einen positiven Einfluß auf das Schlafverhalten von Insomiepatienten haben kann. Besonders im stationären Bereich ist es die Pflege, die unmittelbar mit Beschwerden und Folgen schlafgestörter Patienten konfrontiert ist.
Aus meiner eigenen Praxis weiß ich, daß die Pflegenden selten eigene Konzepte zur Begeg- nung von Schlafstörungen entwickeln bzw. anwenden. Meist sind es die Nachtwachen, die sich den Auswirkungen von Schlafstörungen stellen müssen, und der Griff zur Bedarfsarznei ist durch die meist verläßliche und oberflächlich betrachtet gute Wirkung oft Mittel der Wahl. Bei der Recherche zum Thema Schlaf / Schlafstörungen wurde mir bewußt, wie Komplex dieses Thema ist, aber auch welche Möglichkeiten Pflegende haben Patienten mit Schlafstörungen zu begegnen.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit möchte ich grundlegende Aspekte zum Thema Schlaf bzw. Traum darlegen, zum Anderen aber auch auf den Zusammenhang zwischen Schlafverhalten und psychischen Störungen eingehen und die Position der Pflege und deren Möglichkeiten auf Störungen des Schlafs einzuwirken aufzeigen.
1. Der Schlaf
Erst durch die Entdeckung moderner Untersuchungsmethoden ist der Schlaf allmählich als durchaus aktive Funktion des Menschen anzusehen, die deutlichen dynamischen Prozessen unterworfen ist. So sind im Bereich der Hirnstrommessung, des Herz- Kreislaufsystems, der Endokrinologie aber auch in der Forschung um das Schlafverhalten in den verschiedenen Lebensphasen hinreichende Erkenntnisse gewonnen worden.
1.1 Das Schlaf - EEG
Schlaf geht mit deutlichen zyklischen Hirnwellenaktivitäten einher. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, das der Schlaf in 5 Stadien eingeteilt ist, die mit entsprechender Hirnwellenfrequenzen einhergehen.
So wird in der Entspannungsphase (Stadium 0) ein Alpharhythmus mit einer Frequenz von 8
- 13 Zyklen pro Sekunde gemessen der allmählich in einen Somnolenzzustand (Stadium 1) mit einer Verlangsamung der Hirnwellenfrequenz auf 4 -6 Zyklen pro Sekunde übergeht. In dieser Phase findet der Übergang von Bewußtsein zum Schlaf statt und der Geist isoliert sich wie durch einen Vorhang von der Außenwelt.
Das als „leichter Schlaf“ bezeichnete 2 Schlafstadium geht mit einem Alpharhythmus einher, der aber immer wieder von Episoden mit 12 -14 Zyklen pro Sekunde, sog. Spindeln, unter- brochen wird. Stadium 3 und 4 Stellen die Tiefschlafphasen ,auch „Slow Wave Sleeps“, dar und weisen eine Hirnwellenfrequenz von 1 - 4 Zyklen pro Sekunde auf. Eine Besonderheit weist das EEG des Rapid Eye Movement Schlaf (REM Schlaf) auf, in seiner Hirnaktivität gleicht es den Frequenzen, wie sie in Schlafstadium 1 zu sehen sind ist aber durch Episoden von schnellen Augenbewegungen (Rapid Eye Movement) und tiefer Entspannung der Haltemuskulatur (entspr. der Skelett- und Rumpfmuskulatur) gekenn- zeichnet. Diese Phänomene werden erst durch den Einsatz von EMG (Elektromyogramm) und EOG ( Elektrookulogramm) sichtbar. Alle 3 Untersuchungsmethoden (EEG, EOG und EMG) werden als Polysomnogramm zusammengefaßt und gelten als Standardinstrument zur Untersuchung des Menschlichen Schlafs (Morgan/Closs,2000,S.17-19). Schläft ein gesunder erwachsener Mensch so finden die einzelnen Schlafphasen in einer zyklischen Abfolge statt. So tritt die erste REM- Phase erst nach Durchlaufen der ersten Tiefschlafphasen ein und im EEG sind Muster zu erkennen, die denen der Somnolenz nahezu gleichen, ein aufwecken des Schlafenden im Verhältnis zu Stadium 1 aber um ein vierfaches erschwert ist (Huber- Weidmann,1976,S.12).Der Wechsel zwischen REM- und Non-REM-Phasen (alle Stadien außer der REM-Phase) findet bei gesunden erwachsenen Menschen zwischen 4 und 6 Mal statt wobei die REM - Phasen zum Morgen hin tendenziell häufiger auftreten.
1.2 Physiologie des Schlafes
Neben den charakteristischen Merkmalen im Polysomnogramm sind noch weitere physiologische Gesetzmäßigkeiten im Schlaf zu beobachten.
Senken sich im Non- REM - Schlaf Atmung und Herzkreislauftätigkeit, so ist während der REM - Phasen ein Anstieg von Puls, Blutdruck und Atemfrequenz sowie ein daraus resul- tierend erhöhter Sauerstoffverbrauch festzustellen. Experimente ( Dement/Vaughan,2000, S.43) in denen Probanden jeweils während des Non- REM- Schlafs und des REM- Schlafs nach ihren Erlebnissen befragt wurden weisen den REM - Schlaf als die Phase im Schlaf aus in der der Mensch intensiv träumt. 80 % der in der REM-Phase geweckten Probanden gaben an, sich an Trauminhalte zu erinnern, wogegen nur 7 % der in der Non-REM-Phase geweckten Personen eine Erinnerung an Trauminhalte hatte (Huber-Weidmann, 1976, S.41) Weiter ist eine Steigerung der Aktivität zumindest in Teilbereichen des endokrinen Systems festzustellen. Morgan weist darauf hin, das die Plasma - Renin - Aktivität während der REM- Phasen gesteigert ist. Ebenso ist die Cortisol- und Prolaktinsekretion gegenüber dem Wachzustand erhöht, weist aber laut Morgan keinen kausalen Zusammenhang zum Schlaf auf sondern ist als zirkadian (eine 24 Std.- Periodik aufweisend) geregelte endokrine Aktivität zu betrachten. Weitere Überlegungen gehen dahin ,das der Schlaf als Gegenpol zu Aktivität und gesteigerten Stoffwechsel fungiert und als Energiekonservierer für den menschlichen Organismus unbedingt notwendig ist. Versuche (Dement/Vaughan,2000,S.21) haben gezeigt, das es unmöglich ist, den Menschen über einen längeren Zeitraum vom Schlafen abzuhalten, und auch bei Tieren zeigt sich das Tiere mit gesteigerten Stoffwechsel (z.B. Mäuse) ein deutlich höheres Schlafpensum aufweisen als Tiere mit niedrigerem Stoffwechsel ( Lauer,1997, S.17-18).
Wie schon in der Einleitung erwähnt ist Schlaf ein Prozeß der zum einen von individuellen Gegebenheiten abhängig ist und in den verschiedenen. Lebensphasen variiert und nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern als sogenannter „ zikadianer Rhythmus“ einen Teil des menschlichen Schlaf- Wach- Zyklusses bildet. Ist in der Kindheit ein polyphasisches Schlaf- Wachmuster (mehrere Schlafphasen in 24 Std.) zu beobachten so entwickelt sich in der Adoleszenz allmählich ein monophasisches Schlaf - Wachmuster, das mit zunehmenden Alter wiederum in ein polyphasisches Schlaf- Wachmuster übergeht.
Eine „normale“ Schlafdauer ist nicht klar zu benennen, da sie von individuellen Gegebenheiten (Stoffwechsel, Tagesroutine, Arbeitszeiten ) aber auch von Licht, Dunkelheit und äußeren wie inneren Temperaturschwankungen abhängig ist. Eine Faustregel besagt, das 2/3 des Lebens wach und 1/3 schlafend verbracht werden. Schlafen Neugeborene noch bis zu 20 Std. am Tag, verringert sich die Schlafdauer eines Erwachsenen auf ca. 8 Std./d und geht im Alter noch weiter zurück. Schlafqualität und Schlafquantität nehmen mit zunehmenden Alter ab, so ist der Schlaf älterer Menschen von häufigeren Wachphasen und von einer Verminderung des Tiefschlafs gekennzeichnet (Morgan/ Closs,2000, S.22-23).
2. Der Traum
Es gibt wohl kein Phänomen in der menschlichen Geschichte welches mehr Raum für Spekulationen und Thesen geboten hat als der Traum. In der Philosophie, der Literatur, der Kunst, wie auch in der Wissenschaft findet seit dem Altertum eine Auseinandersetzung mit dem Thema Traum statt.
So sind schon die Griechen hingegangen und haben dem Trauminhalten eine Symbolik zu- geordnet und Artemidor (96 -180 n. Chr.) wies in seinem Traumbuch schon daraufhin, das der Traum im engen Zusammenhang zu den Lebensumständen eines Menschen steht und die Gedanken vor dem Einschlafen unerläßliches Ergänzungsmaterial für eine Traumauslegung bilden. Andere Überlegungen gehen dahin, das Trauminhalte im Altertum weniger als Infor- mationsquelle zur Erforschung tieferer Seelenschichten sondern vielmehr als Vorboten für Ereignisse der Zukunft galten (Hammerschmidt,1992,S.20,Dement,2000,S.280).
2.1 Der Traum in der Psychoanalyse
Auch der Begründer der psychoanalytischen Traumdeutung Sigmund Freud bediente sich bei seinen Forschungen zum Traum und dessen Deutung immer wieder der Erkenntnisse und Thesen, die vom Altertum bis zum Ende des 19. Jahrh. diskutiert wurden. Freud ging davon aus, das innerhalb des Traumgeschehens verdrängte Wünsche und Impulse unseres Wachlebens in entstellter (symbolhafter) Form hervortreten und die Deutung des Traum und der Traumsymbolik als Königsweg (via regia) zur Entschlüsselung des Unterbewußten zu vestehen ist. Er unterscheidet zwischen dem manifesten Trauminhalt als vom Menschen akzeptierte und dem latenten Trauminhalt als die vom Menschen in Symbolik verpackte „wahre“. Version. Freud verstand den Traum als Sicherheitsventil des Geistes und ging davon aus das Wünsche und Impulse ,die nicht im Traum. ausgedrückt werden zu Neurosen und psychotischen Episoden führen. Sah Freud in Traumerleben v.a. eine Ersatzbefriedigung unerfüllter sexueller Wünsche , so distanzierten sich seine zeitweiligen Weggefährten Alfred Adler und C. G. Jung von dieser sehr einseitigen These. Sie deuteten das Traumerleben vielmehr die Auseinandersetzung mit bevorstehenden Ereignissen im Leben eines Menschen (Adler) und eine spontane Verarbeitung der aktuellen Lage eines Menschen in symbolischer Ausdrucksform (Jung) (Hammerschmidt-Hummel,1992,S.48-62) und sahen den Traum weniger als Ausdruck verdrängter frühkindlicher Wünsche und somit als regressiven Schritt sondern als etwas neues kreatives aus der Natur heraus geborenes, was dem Sterben nach Entwicklung und Reifung eines Menschen entspricht. Jung hielt die Assimilierung der als Ausdruck des Unterbewußten geltenden Trauminhalte in das Bewußtsein für die notwendige Voraussetzung eine innere Einheit zu erhalten und nicht am ``Spaltungirresein´´ zu erkran- ken.
Heutzutage ist die Frage , ob die eine oder andere Theorie richtig ist, eher der Erkenntnis gewichen, daß, sowohl die trieb- und regressionsorientierten Thesen Freuds wie auch die entwicklungsorientierten Möglichkeiten, die das Unterbewußte dem Bewußtsein im Traum anbietet (Dieckmann,1979,S.15-16) in der psychoanalytischen Traumdeutung ihre Berechti- gung haben.
2.2 Traumphysiologie
Neben diesen psychoanalytischen Theorien zur Traumentstehung und Deutung gibt es mittlerweile auch physiologische Erkenntnisse, die einen etwas anderen Weg weisen. Demnach wird jegliche Traumaktivität durch zufällige elektrische Ladungen aus dem Gehirn eingeleitet. Als Neurotransmitter des Traums fungiert möglicherweise das Acetylcholin, das während des REM-Schlafs im Hirnstamm aktiviert wird Diese elektrischen Ladungen stimulieren Hirnregionen (Kortex und Frontalhirn) in denen schließlich Erinnerungen ausgelöst und mit Erfahrungen des Träumenden verbunden werden. Diesen Erinnerungen werden durch ein unerbittliches Streben nach Bedeutung nachträglich zu einer möglichen Sinnhaftigkeit zusammengefügt, welche, durch die aktuellen Bedürfnissen und Sorgen sowie Erfahrungen und Erwartungen des Träumenden, entsteht (Zimbardo/Gerrig,2000,S.186 u. C.Lauer,1997,S.29-30).
3. Auswirkungen von Schlafmangel
3.1 Physiologische Auswirkungen
Im Bereich der Körperphysiologie kommt es durch langen Schlafentzug zu einer allgemeinen Verlangsamung der Hirnaktivität, die im EEG durch eine Abnahme der für die Wachzeit typischen Alphawellen gekennzeichnet ist. Der auf einen zirkadianen Zyklus eingestellte Organismus ist durch die vermehrte Beanspruchung der Muskulatur und Stoffwechsel- prozesse zur Umstellung gezwungen, was sich in Leistungsminderung und schneller Ermüdung niederschlägt (Huber-Weidmann,1976,S.32 u.45). Ein auf Schlafentzug folgender Erholungsschlaf weist eine Zunahme der Schlafdauer mit einer Verlängerung der Tiefschlafphasen in der ersten Schlafhälfte und einer Erhöhung der REM-Phasenanzahl auf. Die Sehfähigkeit kann herabgesetzt sein, die Körpertemperatur sinkt um ca. 0,4 ºC und das Immunsystem ist durch die v.a. in den Tiefschlafphasen aktiven Lymphozyten und Killerzellen gestört (Morgan/Closs,2000,S.213-214).
3.2 Psychologische Auswirkungen
Weitaus dramatischer als die physiologischen muten die psychologischen Auswirkungen des Schlafentzugs an, die die Erfüllung unserer alltäglichen Aktivitäten empfindlich beeinflussen können und sicher jeder von uns schon mal mehr oder minder ausgeprägt erlebt hat oder aus seiner beruflichen Praxis kennt. Bereits nach einer schlaflosen Nacht stellen sich Schwierig- keiten mit Konzentration und Aufmerksamkeit ein. Die mentalen Prozesse verlangsamen sich und bei längerer ( 72 Std.) Schlaflosigkeit treten erste Zeichen von Desorientiertheit, Stimmungsveränderungen in Form von Gereiztheit und Verwirrtheit auf (Morgan/Closs, 2000,S.214-215). Im Zuge einer langen schlaflosen Episode kann es zu Illusionen, optischen und akustischen Halluzinationen bis hin zu paranoiden Wahnideen und Depersonalisationen kommen (Leber,1996,S.32).
Huber-Weidmann (1976,S.38) weist darauf hin, das Schlafmangel potenzierend auf bestehende dispositionelle Anfälligkeiten und Erkrankungen und somit z.B. auch auf die Symptomatik von Depression und Schizophrenie wirkt.
Im Gegensatz zu diesen Aussagen berichtet Dement (2000,S.230) von einem Gymnasial- schüler, der 1965 den Guiness Rekord für die längste Wachzeit brechen wollte und während seines 264 Std. dauernden Wachmarathons bis auf geringfügige Einschränkungen des analy- tischen Denkens, seiner Wahrnehmung und Bewegungskontrolle keinerlei psychischer Auffälligkeiten aufwies.
Physiologische wie psychologische Auswirkungen des Schlaf- und Traumentzugs führen schließlich sekundär auch zu einer Beeinträchtigung im sozialen Bereich eines Menschen und machen sich u.U. im Verlust von Arbeit und sozialer Bindungen bis hin zur Isolation bemerkbar.
Neben diesen Beeinträchtigungen sind aber auch die Auswirkungen von Schlaf-/Schlafentzug bei Depressionen zu beachten, so faßt Lauer (1997,S.39) alle bisherigen Kenntnisse über die Zusammenhänge von Schlaf und Depression zusammen.
- Entzug des Schlafes für eine Nacht hat eine kurzfristige antidepressive Wirkung
- Selektive REM-Schlaf Deprivation hat eine antidepressive Wirkung
- Kurzschlaf-Episoden am Tag führen häufig zu einen Rückfall in die Depression
- Die Anwendung trizyklischer Antidepressiva unterdrücken den REM-Schlaf
4. Klassifikation der Schlafstörungen
Insgesamt befassen sich drei diagnostische Systeme, mit der Klassifikation von Schlaf- störungen
1. Die internationale Klassifikation der Krankheiten (International Classification of
Disorders, ICD 10), die organische und nicht-organische Schlafstörungen differenziert. Zu den nicht organischen Schlafstörungen gehören die:
- nichtorganische Insomnie (Einschlaf - und Durchschlafstörungen und Minderung der Schlafqualität),
- nichtorganische Hypersomnie (übermäßige Schlafneigung, Schlafanfälle),
- nichtorganische Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus
- Schlafwandeln
- Pavor nocturnus (nächtliche Wachphasen mit extremer Furcht und Panikattacken)
- Alpträume (Angstträume)
2. Das diagnostische und statistische Manual der psychischen Störungen (Diagnostic and
Statistical Manual of Mental Disorders, DSM-IV), welches in vier Haupttypen der Schlafstörungen unterscheidet.
- Schlafstörung in Verbindung mit anderen psychischen Erkrankungen
- Schlafstörungen aufgrund einer allgemeinen Erkrankung
- Substanzinduzierte Schlafstörungen
- Primäre Schlafstörungen
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3. Die Internationale Klassifikation der Schlafstörungen (International Classifikation of
Sleep Disorders, ICSD), welche am detailliertesten 12 Untergruppen von Schlafstörungen unterscheidet und 50 verschiedene Insomniesyndrome definiert, die aber für die Praxis aufgrund des hohen technischen Aufwandes (Monitoring) nicht praktikabel ist
Für die pflegerische Praxis in der Psychiatrie ist v.a. relevant, das Schlafstörungen in Ein- und Durchschlafstörungen, Aufwachstörungen, Störungen, des Schlaf-Wach-Rhythmus oder der Gesamtschlafzeit unterteilt werden und in ihrer Ausprägung bei den verschiedenen psychiatrischen Krankheitsbildern variieren und unterschiedliche Ätiologien haben. Auf die Besonderheiten von Schlafstörungen bei psychiatrischen Erkrankungen gehe ich im nächsten Punkt ein.
5. Die Bedeutung von Schlaf und Traum bei psychiatrischen Störungen
Die Beobachtung und Beurteilung des Schlafverhalten gilt in der psychiatrischen Praxis als ein entscheidendes Kriterium zur Untermauerung der Diagnose und stellt einen wichtigen Teil der Anamnese dar. Die Präsenz von Schlafstörungen gilt als ein entscheidendes Frühwarnzeichen für den Beginn einer psychischen Erkrankung. Die Behandlung von Schlafstörungen und deren individuelle Bedeutung für den Einzelnen tritt aber neben der Hauptdiagnose oft in den Hintergrund und wird meist monodisziplinär von den ärztlichen Mitarbeitern durchgeführt und erstreckt sich auf die Verordnung von Tranquilizern.
Für die verschiedenen Krankheitsbilder sind aber typische Störungen des Schlaf-Wach- verhaltens charakteristisch und bedürfen entsprechend einer individuellen Beachtung, Behandlung und Pflege.
5.1 Depression
Menschen mit Depressionen leiden vermehrt unter Ein- und Durchschlafstörungen und früh morgendliches Aufwachen. Gerade in diesen frühen Morgenstunden ist zu Beobachten, das sich die Stimmung ihren Tiefpunkt nähert. Durch diese negative Stimmung und verstärkte Antriebslosigkeit ziehen sich Depressive Tagsüber stärker zurück, es fehlt an körperlicher Aktivität und zeitweise werden auch tagsüber kurze Schlafphasen eingelegt, was wiederum eine Verschlechterung der Stimmung zur Folge haben kann (s. Punkt 3.2). Laut Faust und Hole (1992,S.62) sind Schlafstörungen und Schlafentzug im Rahmen eines präsuizidalen Syndroms häufig zu beobachten und können als Hinweiß für eine Suizidgefahr nicht nur bei depressiven sondern auch bei psychotischen Menschen angesehen werden.
5.2 Schizophrene Störungen
Bei schizophrenen Psychosen stehen wir dem Phänomen gegenüber, daß die uns ersichtlichen Symptome wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Verfolgungsideen dem Traumerleben im Schlaf sehr Nahe kommen und sich dem Betrachter vermeintlich als Ausdruck des Unterbewußten darstellen. Eine pathophysiologische Erklärung für das Durchdringen traumgleichender Wahrnehmungen während des Bewußtseins liegt vielleicht in der Unterdrückung der REM-Dichte und der im Vergleich zu Gesunden verkürzten ersten REMPhase und Gesammtschlafdauer (Lauer,1997,S.83).
Weiter sind auch bei schizophrenen Menschen deutliche Einschlafstörungen zu beobachten, die mit den oft angsteinflössenden Wahrnehmungsstörungen, welche einen Eintritt in eine wirkliche Ruhephase nicht zulassen, in Zusammenhang zu bringen sind. Im Verhältnis zu Gesunden weisen Menschen mit schizophrenen Störungen eine deutlich erhöhte Einschlaf- latenz (Zeitdauer von der Schlafabsicht bis zum Einschlafen) auf (Lauer,1997,S.83). Ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus ist besonders bei Menschen mit chronischen Verläufen und einer Minussymptomatik zu beobachten. Leichte Ermüdbarkeit, verringerter Antrieb und das Fehlen einer geregelten Aktivität führen zu vermehrten Aufenthalt im Bett und Schlafphasen auch am Tage.
5.3 Manie
Bei Patienten mit maniformen Zustandsbildern treffen wir auf Menschen mit schier unermesslicher Energie und Aktivität gepaart mit einem übersteigerten Selbstwertgefühl bis hin zu Größenideen und Verkennungen der eigenen Person und der Umwelt. Aus dieser Stimmung heraus ist es für Menschen mit manischen Zustandsbildern selbstverständlich nur wenig oder auch gar nicht zu schlafen. Die an den Tag (und die Nacht!) gelegte gesteigerte Aktivität führt je nach körperlicher Konstitution früher oder später zu Schwierigkeiten mit der HerzKreislaufregulation und zu Erschöpfungszuständen und geht oft mit Stimmungsschwankungen und Anspannung mit Gereiztheit und Aggressionen einher.
5.4 Panik- und Angsterkrankungen
Menschen mit Panik-/Angsterkrankungen leiden oft unter chronischen Spannungszuständen, gesteigerter Nervosität und innerer Unruhe; dem zufolge fällt es ihnen schwer zu entspannen. Es fällt ihnen schwer ihre Ängste und Sorgen abzustellen, was zu Einschlaf- aber auch Durchschlafstörungen führt. Angstzustände führen in der Körperphysiologie zu einer Steigerung des Noradrenalins und des für die Wachphasen zuständigen sympathischen Nervensystems. Patienten mit Angsterkrankungen berichten über eine schlechte Schlafqualität, mit vielen Wachphasen (Morgan/Closs,2000,S.68-67).
6. Äußere Ursachen von Schlafstörungen
Neben diesen, mit der Grundproblematik eines Menschen zusammenhängenden Störungen, gibt es noch viele weitere Umstände, die für eine Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich gemacht werden und im Pflegealltag von Bedeutung sein können. Morgan (2000, S.58-67) faßt diese Ursachen wie folgt zusammen.
1. Ernährung - langfristiges Hungern, z.B. im Rahmen einer Anorexia Nervosa führt zu
Reduzierung der Gesammtschlafdauer und häufigen Wachphasen und frühzeitigen Erwachen; dem entgegengesetzt verhält sich Übergewicht genau umgekehrt 2. Genußmittel und Drogen
- der Konsum von Alkohol führt zu körperlicher Entspannung und damit zu einem einfacheren Einschlafen, ab der 3-4 Std. Schlaf kommt es jedoch zur Unterdrückung der REM-Phase und häufigeren Wachphasen, die durch Kopfschmerzen, Magenstörungen oder Blasenreizungen ausgelöst werden.
- Koffein gilt in seiner Wirkung als zentralwirksame Stimulans, ist in seiner Wirkung aber individuell sehr unterschiedlich, Untersuchungen im psychiatrisch-stationären Bereich belegen, das ein Absetzen des Kaffeekonsums das Schlafverhalten positiv beeinflußt hat.
- Kokain- und Amphetaminkonsum führen zur Unterdrückung des Schlafs; im Entzug ist erst mit einer Verlängerung der Gesammtschlafdauer und später mit einer Ab- nahme des Tiefschlafs zu rechnen
3. Lärm - besonders Menschen mit psychiatrischen Störungen haben ein sensibles Geräuschempfinden
4. Körperaktivität - erhöhte Körperaktivität hat einen positiven aber wohl indirekten Einfluß
auf das Schlafverhalten von Menschen mit schlechtem Schlaf
5. Arzneimittel
- Sedativa, Tranquilizer aber auch Antikonvulsiva, Betablocker und Antihistaminika führen zu allgemeiner Schläfrigkeit am Tag und führen z.T. auch zu Störungen des nächtlichen Schlafes; insbesondere Hypnotika der Benzodiazepingruppe werden bei der Behandlung von Schlafstörungen erfolgreich eingesetzt, können aber zu Reboundinsomnien1, Hang-Over-Effekten2, Gewöhnung und dadurch zur Abhängig- keit führen.
- Amphetamine, Sympathomimetika und Analeptika verzögern den Schlafbeginn und Reduzieren die gesamte Schlafdauer
6. Zu weiteren schlafstörenden Faktoren gehören Schmerzen, Licht- und Temperaturverhält- nisse aber auch die, unter stationären Bedingungen oft notwendige, Abkehr von Schlaf- gewohnheiten und Ritualen. Auch die Umstellung auf eine neue Umgebung, neue Menschen (Zimmernachbar) oder die Kontrollgänge der Nachtwachen können das Schlafverhalten negativ beeinflussen.
7. Medikamentöse Behandlung von Schlafstörungen
In der psychiatrischen Praxis gelten Schlafstörungen eher als ein Begleitsymptom der zugrundeliegenden Haupterkrankung. Trotzdem werden immer wieder die positiven Auswirkungen eines ausgeglichenen Schlaf-Wach-Rhythmus auf die Remission psychischer Erkrankungen betont. So stellt die Beeinflussung von Schlafstörungen einen wichtigen Teilbereich der medikamentösen Therapie dar. Häufig gelingt durch ein erfolgreiche Behandlung der Grunderkrankung auch eine Verbesserung des Schlafverhaltens. So wird die sedierende Wirkung von niederpotenten Neuroleptika (z.B. Atosil® und Neurocil®) oder auch verschiedener trizyklischer Antidepressiva (z.B. Aponal® und Saroten®), die dann vorzugsweise Abends verabreicht werden, genutzt. Weiter führt auch die Gabe von Carbamazepin, z.B. bei einer Manie, zu einem sedierenden und damit schlafunterstützenden Effekt.
Besonders zwei Arzneigruppen sind bezügl. ihrer Auswirkungen auf die Schlafqualität aber kritisch zu betrachten. Dazu gehören zum einen die Antidepressiva, die bis auf Stangyl® als REM-Phasen-Supressiva gelten und dadurch nach dem Absetzen zu einen REM- Rebound3 führen und somit in und nach der Behandlung ein normales Schlafmuster beeinflussen.
Zum anderen greifen, die als Hypnotika eingesetzten, Benzodiazepine wie in Punkt 6.5 beschrieben in das Schlaf-Wach-Verhalten eines Menschen ein und führen ähnlich wie früher die Barbiturate zu einer schnellen Abhängigkeit und ab einer Dosierung über 1mg zu einer Unterdrückung des REM-Schlafs. Mir ist klar das Antidepressiva und Benzodiazepine in der psychiatrischen Praxis erforderlich sind und es selten eine Alternative zu deren verläßlichen Wirkung gibt, denke aber, daß deren Wirkung auf das Schlaf-Wach-Verhalten berücksichtigt werden muß. Zudem sollte die Gabe von Benzodiazepinen möglichst eine vorübergehende sein und ständig auf die ursprüngliche Indikation hin überprüft werden. Eine Alternative zu den herkömmlichen Benzodiazepinen bilden die in den letzten Jahren entwickelten Imidazopyridine die unter den Handelsnamen Bicalm®, Stilnox® und Ximovan® verabreicht werden. Aus meiner praktischen Erfahrung weiß ich, daß diese Medikamente meist verläßlich wirken und ein geringeres Suchtpotenzial aufweisen.
Zu den weiteren im stationären Bereich verordneten Hypnotika zählen Antiepileptika, Chloralhydrat, Distraneurin® sowie pflanzliche Mittel wie Baldrian oder Extrakte aus der Kava-Kava Wurzel.
8. Pflege bei Schlafstörungen
Die Auseinandersetzung mit Schlafstörungen bei Patienten mit psychischen Störungen hat, meiner Meinung nach, für die Pflege verschiedene Ebenen.
1. Die Beobachtung, Einschätzung und Bewertung von Schlafstörungen,
2. Die Beziehungsgestaltung mit dem Patienten und die Auseinandersetzung über seine individuelle Situation und dessen Bedeutung für ihn, und
3. Die Entwicklung und Anwendung praktikabler schlaffördernder Maßnahmen, die vom Patienten erlernt, angenommen und über den stationären Rahmen hinaus angewandt werden können.
Schon Florence Nightingale betonte 1859 in ihren „Notes of Nursing“, die Erhaltung eines tiefen Schlafs für die unerläßliche Voraussetzung einer guten Pflege. Während meiner praktische Erfahrung, zu der auch etliche Nachtwachen auf einer psychiatrischen Akutstation gehören, habe ich erlebt, daß die meisten Pflegenden den geregelten Schlaf ebenfalls als besonders wichtig einstufen. Ich erlebe aber auch, nach dem Motto, „die Nacht ist zum Schlafen da“, daß es eine tatsächliche Auseinandersetzung mit der Schlafproblematik eines Einzelnen nur selten gibt und die Gabe von Hypnotika häufig die erste und einzige Maßnahme zur Begegnung einer Schlafstörung darstellt. Weiter erlebe ich, das die Auseinandersetzung mit Problemen des Schlafverhaltens v.a. in die Zeit verlegt wird, wo sie auftreten, also in den Abend und die Nacht. Sicher ist auch in den Nachtstunden ein professioneller Umgang mit Schlafstörungen geboten, doch halte ich die Nacht nicht für die richtige Zeit um eine konstruktive Auseinandersetzung mit einem gestörten Schlaf-Wach- Rhytmus zu beginnen.
Schlaf und Traum und das Empfinden über dessen Qualität und Bedeutung ist stark von subjektiven Einstellungen und Erfahrungen des Einzelnen abhängig. So ist auch die Auseinandersetzung mit bisherigen Copingstrategien des Patienten ein wichtiger Bestandteil der Schlafanamnese. Ein, an dem subjektiven Empfinden des Einzelnen orientierter und umfassender Fragebogen zum Schlafverhalten findet sich in dem Buch Schlaf, Schlaf- störungen, Schlafförderung von Morgan/Closs (2000,S.99) den ich als Anlage beigefügt habe. Er gibt z.B. Aufschluß über Stessfaktoren, Umgebung, Copinstrategien, Genuß- mittel- und Drogenkonsum, Ernährung, Körperaktivität, etc. und macht Angaben zur Art der Schlafstörungen. Dieser für die allgemeine Pflege entwickelte Fragebogen ist in der psychiatrischen Praxis sicher nur bedingt einsetzbar, gibt aber eine gute Zusammenfassung über schlafbestimmende Faktoren, die im direkten Kontakt mit dem Patienten berücksichtigt werden können. Besonders die subjektive Einschätzung des Schlaf-Wach-Verhaltens und der Traumerlebnisse, und das damit zusammenhängende Krankheitskonzept des Einzelnen halte ich von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung eines individuellen Verständnisses für die Situation eines Patienten.. Um einen Zugang zu den subjektiven Erklärungen und persönlichen Sichtweisen zu erhalten ist es von Seite der Pflegenden wichtig in der Beziehung eine interessierte, offene Haltung einzunehmen, die auch Platz dafür läßt, nicht Nachvollziehbares als solches stehen zu lassen und dem Patienten hilft nach der Sinnhaftigkeit seiner Wahrnehmungen und Deutungen zu suchen (Weigand/Bock, 1998, S.365-366). Was das Traumerleben und die damit oft verglichenen Wahrnehmungen bei paranoid-halluzinatorischen Psychosen angeht, so weist Dorothea Buck (Weigand/Bock, 1998, S.16-19) als Psychoseerfahrene darauf hin, daß es für Menschen mit schizophrenen Störungen überaus wichtig sein kann, die Symbolik dieser Wahrnehmungen und deren Bedeutung und Sinnhaftigkeit für sich zu verstehen um deren Integration ins Bewußtsein zu ermöglichen. Als Pflegekraft diese Schritte mit einem Patienten zu gehen, verlangt eine tragfähige und kontinuierliche Beziehung zum Patienten und stellt, wie ich finde, eine große Herausforderung dar.
8.1 Generelle Pflegemaßnahmen bei Schlafstörungen
- Da sich körperliche Aktivität bei Patienten mit schlechten Schlaf positiv auf das Schlaf- verhalten auswirkt gilt es diesen Menschen tagsüber ein angemessenes Maß an Körper- aktivität zukommen zu lassen. Aktivitäten wie Spaziergänge, Tischtennis oder auch Sport- und Bewegungstherapie sind daher zur Schlafförderung schlafgestörter Patienten geeignet. · Die Wirkung von Koffein auf das Schlafverhalten ist im Bedarfsfall mit dem Patienten zu thematisieren und sollte in Form von Absprachen in den Pflegeplan aufgenommen werden · Eventuelle Noxen für Schlafstörungen, z.B. Lärm, fehlende Frischluft, falsche Licht- verhältnisse, falsches Bett, etc. müssen erfragt und nach Möglichkeit beseitigt werden · Positive Copingstrategien und Gewohnheiten müssen eruiert und nach Möglichkeit auch im Krankenhaus ermöglicht werden, z.B. Musik hören, Lesen, Essen, Trinken, Privatbettwäsche, ein Bad nehmen, ein zweites Kopfkissen, usw.
8.2 Spezielle Pflegemaßnahmen bei Schlafstörungen
Neben diesen generellen gibt es noch eine Reihe weiterer Maßnahmen, die das Schlafverhalten positiv beeinflussen können
8.2.1 Bäder, Massagen, Tees, Auflagen und Aromatherapie
Alle folgenden Maßnahmen basieren unter anderen auf der beruhigenden und ausgleichenden Wirkung verschiedener Heilpflanzen und deren Wirkung auf das limbische System. Bei einigen ist die Wirkung wissenschaftlich bewiesen, was die empirische Wirkung der anderen aber nicht schmälern soll. In meinem privaten Bereich wende ich Heilpflanzenöle oder Tees bei verschiedenen Beschwerden an und bin von deren Wirkung überzeugt.
- Beruhigende Bäder treffen bei vielen Patienten auf Zuspruch und werden auch auf meiner Station gerne angewandt. Dafür wird dem Badewasser ein Zusatz beigemischt und der Patient badet ca. 15 Min. bei einer Temperatur von 36-38 °C. Als Zusatz eignet sich Hopfen, Baldrian oder Melisse als Öl oder fertiger Badezusatz. Bei dem Gebrauch von Ölen ist darauf zu achten, daß es sich um reine Öle handelt, ein Emulgator (z.B. Sahne) beigemischt und auf eventuelle Hautreizungen geachtet wird. Auch Fußbäder werden als angenehm und schlaffördernd empfunden.
- Massagen und Einreibungen stellen sehr intensive und auf direkten Körperkontakt beruh ende Maßnahmen dar und sind für Menschen mit psychotischen Erleben nur bedingt und auf Grundlage eines guten Vertrauensverhältnisses geeignet. Auch hier können beruhigende und ausgleichende Öle verwendet werden. Zur Massage geeignete Körperpartien sind: Gesicht, Hände, Füße (Reflexzonenmassage) und der Schulter- Rückenbereich. Massagetechniken bedürfen der Übung und sollten extra erlernt werden · Eine Teemischung aus Herzgespann 20 g, Johanniskraut 15g, Melisse10g und Baldrian- wurzel 10g kann bei Angstzuständen und Einschlafstörungen angeboten werden. Zwei Teelöffel der Teemischung werden mit kochenden Wasser übergossen, ziehen 5 Min. und werden dann in kleinen Schlucken getrunken.
- Die einfachste Form der Auflage ist die Wärmflasche, aber auch die so zugeführte Wärme kann mit ätherischen Ölen kombiniert werden, dazu wird ein Baumwolltuch in, durch ein ätherisches Öl angereichertes, heißes Wasser getaucht, ausgewrungen und mit der Wärmflasche zusammen auf den Bauch aufgelegt. Um Verbrennungen zu vermeiden wird um Wärmflasche und Baumwolltuch nochmals ein Wolltuch geschlagen.
- Eine weitere Möglichkeit zur Anwendung ätherischer Öle bei Schlafstörungen bietet die
Aromatherapie mit Duftlampen, dabei werden einige Tropfen des Öls (z.B. Melisse oder Baldrian) in eine Duftlampe gegeben und im Zimmer aufgestellt.
8.2.2 Kognitiv orientierte Maßnahmen zur Behandlung von Schlafstörungen
Besonders für Einschlafstörungen ist es charakteristisch, das es die Gedanken und deren Interpretationen sind, die uns vom Schlafen abhalten. Bei einigen Menschen haben sich bestimmte Denkmuster so sehr manifestiert, daß sie auch vor dem Einschlafen nicht abgelegt werden können und so, das Einschlafen oder das Wiedereinschlafen nach nächtlichen Aufwachen, negativ beeinflussen. Denkmuster, die unser Einschlafen behindern sind:
- Übergeneralisierung ’ aus bestimmten Situationen allgemeine aber zu eng gefaßte Schlußfolgerungen ziehen, z.B. aus einem Streit zu schließen: „ Jeder haßt mich“
- Übertreibung/Untertreibung ’ Unter- bzw. Überschätzung der Bedeutung best. Ereig- nisse und Erfahrungen für die eigene Person
- Personalisierung ’ externe Ereignisse ohne Zusammenhang auf sich selbst beziehen
- Selektive Abstraktion oder Verharren ’ gedankliches Verharren auf einen einzelnen Gedanken oder ein Detail einer bestimmten Situation
- Zweigeteiltes Denken ’ Tendenz, Ereignisse in Alles-oder-nichts-Kategorien einzuteilen und sich selber entweder in einer Allmacht oder Ohnmachtssituation zu sehen
(aus Morgan,Closs,2000,S.157)
Einige dieser Denkmuster sind typisch für verschiedene Krankheitsbilder, so finden wir zweigeteiltes Denken häufig in Verbindung mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, Übergeneralisierungen und Verharren bei Depressionen und Übertreibungen und Personal- isierungen bei schizophrenen Psychosen. Die Existenz solcher Denkmuster mit dem Patienten zu erarbeiten und mit ihm zusammen Strategien zu entwickeln, wie man diesen schlaf- störenden Gedanken entgegenwirken kann ist nun die Hauptaufgabe der Pflegekraft. Dazu eigenen sich verschiedene kognitive Ansätze, die ebenfalls von Morgan und Closs (2000,157- 168) zusammengefaßt wurden.
- Didaktisch ’ der Patient verbessert durch Information sein Wissen über Schlaf und
Schlafstörungen und deren Bedeutung
- Präventiv ’ schlafstörenden Gedanken wird dadurch begegnet, daß sie schon tagsüber thematisiert werden und Erklärungen und Lösungsstrategien erarbeitet werden, bei auftreten der Gedanken beim Einschlafen soll der Patient diese dadurch abfangen, das er sich ja schon damit beschäftigt hat und die Probleme bereits in Bearbeitung sind · Gedankenblockierung und Ablenkung ’ hierzu zählen Strategien, die störende, penetrante Gedanken blockieren, z.B. Schäfchenzählen oder die Wiederholung eines bestimmten Wortes in unregelmäßiger Reihenfolge, oder die Ablenkung durch klassische Entspannungstechniken wie PMR (Progressive Muskel Relaxion) und Autogenes Training · Paradoxe Intention ’ Eine Strategie, mit der ich selber schon positive praktische Erfahrung gemacht habe; dem Patienten wird der Druck des „Einschlafen-Müssens“ dadurch genommen das er Angehalten wird möglichst lange wach zu bleiben und nicht verpflichtet ist zu schlafen
- Kognitive Restrukturierung ’ Anstelle einer Ablenkung oder Blockierung der störenden
Gedanken tritt hier eine Auseinandersetzung mit eben diesen um sie als Störungen der gedanklichen Verarbeitung zu erkennen und diese störenden Denkvorgänge schließlich durch beruhigendere und rationalere zu ersetzen. Diese Methode sollte von qualifizierten Personal durchgeführt werden, da sie recht aufwendig ist, sich in verschiedene Prozeßschritte (Erfassen, Hinterfragen und Ersetzen d. Gedanken) unterteilt und ein Beherrschen der Methode erfordert.
9. Abschließende Bemerkungen
Bei der Anwendung schlaffördernder Maßnahmen müssen diese der individuellen Situation und den Fähigkeiten und Ressourcen eines Patienten angepaßt und mit ihm zusammen erarbeitet werden. Wie auch bei allen anderen Maßnahmen kann sich bei einem Patienten eine intrinsiche Motivation für die Anwendung schlaffördernder Maßnahmen nur dann entwickeln und einen positiven Effekt bewirken, wenn der Patient aktiv an der Entwicklung der Maß- nahmen beteiligt ist In der Praxis habe ich erlebt, daß manche Schlafstörungen so hartnäckig sind, daß auf den Einsatz von Hypnotika nicht verzichtet werden kann. Insbesondere bei massivst beeinflußten Patienten und maniformen Zustandsbildern entwickelt sich ein geregelter Schlaf erst über die Behandlung und Reduzierung der Grundsymptomatik. Ich habe aber auch Situationen erlebt, in denen sich, trotz maximaler Dosierung, ein geregelter Schlaf nicht einstellen wollte und die medikamentöse Therapie an ihre Grenzen stieß. Um klarzustellen, es geht mir nicht darum, ob die eine oder andere Methode die bessere ist um Schlafstörungen zu begegnen. Ich denke aber, daß die Pflege mit ihrer intensiven Beziehungsarbeit in der Bezugspflege (wenn sie denn stattfindet) die Möglichkeit hat, die individuelle Situation eines Menschen und die Gründe für die Schlafstörungen zu erfassen um gemeinsam Maßnahmen zur Begegnung von Schlafstörungen zu entwickeln.
Die Auseinandersetzung mit der Problematik eines Patienten geschieht in der Psychiatrie selten monodisziplinär; auch im Bereich Schlafstörungen ist eine enge Zusammenarbeit mit den verschiedenen Berufsgruppen sinnvoll, da behandelnder Arzt, Ergo- und Sporttherapeut , Sozialarbeiter und Pflegende mit ihrem Handeln direkt und indirekt zur Verbesserung des Schlafverhaltens beitragen.
Einen Vorteil in den nichtmedikamentösen Maßnahmen zur Schlafförderung sehe ich in dem langfristigen Nutzen für den Patienten, da sie leicht erlernbar und über den Klinikaufenthalt hinaus anwendbar sind. Auch unter psychoedukativen Gesichtspunkt halte ich eine Auseinandersetzung mit dem Thema Schlaf für sinnvoll, da der Patient Zusammenhänge zwischen Schlafverhalten und Krankheit erfährt, Schlafstörungen u.U. als Frühwarnzeichen erkennen und adäquate Copingstrategien anwenden kann.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, daß man den Umgang mit Schlafstörungen nicht allein den Nachtwachen überlassen darf sondern schon tagsüber, z. B. in Gesprächsrunden wie im Einzelkontakt, dieses Thema bearbeiten und Maßnahmen vermitteln und ermöglichen kann. Die Ausstattung der Station mit den erforderlichen Pflegehilfsmitteln sollte das kleinste Problem sein. Schwieriger ist es sicher die Teammitglieder von der Sinnhaftigkeit der Ent- wicklung eigener Konzepte zur Pflege schlafgestörter Patienten zu überzeugen und diese zu implementieren.
Ich glaube, daß es für Pflegende eine Bereicherung darstellt sich mit den Zusammenhängen von Schlaf, Traum und Schlafstörungen auseinanderzusetzen um einen eigenen Standpunkt und folgend Konzepte zur Minderung von Schlafstörungen zu entwickeln.
10. Literaturverzeichnis
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Bock,Th./Weigand,H. (1998) Hand-werks-buch Psychiatrie, Bonn: Psychiatrieverlag
Bouren,R. (1997) Pflegemöglichkeiten bei psychisch kranken Menschen (Psychosen) mit Schlafstörungen, Hausarbeit im Rahmen des XV. Lehrgangs für psychiatrische Pflege Dement,W.C./Vaughan,Ch.(2000) Der Schlaf und unsere Gesundheit, München: Limes Verlag
Dieckmann, H. (1979) Träume als Sprache der Seele- Einführung in d. Traumdeutung d. analytischen Psychologie C.G. Jungs, Fellbach: Adolf Bonz Verlag
Hammerschmidt- Hummel,H. (1992) Die Traumtheorien des 20.Jahrhunderts...,Heidelberg: Universitätsverlag
Huber-Weidmann,H. (1976) Schlaf, Schlafstörungen, Schlafentzug, Köln: Kiepenheuer und Witsch
Huber-Weidmann,H (1977) Schlafverkürzung und Schlafstörungen, Zürich: Juris Druck und Verlag
Hippius,H./Lauter,H./Greil,W (1989) Psychiatrie für die Praxis - Der gestörte Schlaf, München: Medizin Verlag
Initiative zur Förderung des Anthroposophischen Heilwesens Herdecke, Kleines Wickelpraktikum, 7. Auflage
Lauer,Ch.J. (1997), Der Schlaf bei psychiatrischen Erkrankungen - Der Beitrag der Polysomniegraphie zum Verständnis der Pathophysiologie psychiatrischer Erkrankungen, München: Medizin Verlag
Leber,St. (1996) Der Schlaf und seine Bedeutung, Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben
Morgan,K/ Closs, J.S. (2000), Schlaf - Schlafstörungen - Schlafförderung Ein Handbuch für die Pflegepraxis Göttingen: Verlag Hans Huber
Pahlow,M (1993) Das grosse Buch der Heilpflanzen, München: Gräfe und Unzer
Peters,U. (1990) Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie, Orbis Verlag
Zimbardo/Gerrig (2000) , Psychologie
Zink,Ch. (1986) Pschyrembel Klinisches Wörterbuch,Berlin: de Gryter
[...]
1Reboundinsomnie - Schlafstörung nach Absetzen eines Benzodiazepins
2Hang-Over-Effekt - das Wirken eines Hypnotikas über den erwünschten Wirkzeitraum hinaus
3der während der Antidepressiva ungenügende REM-Schlaf wird nach Absetzen durch vermehrte REM-Phasen kompensiert
- Quote paper
- Dirk Kampmeier (Author), 2001, Pflegerische Aspekte im Umgang mit Schlafstörungen in der Psychiatrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104779
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