Christian Hofmann von Hofmannswaldau: Die Welt
Was ist die Welt / und ihr berühmtes gläntzen?
Was ist die Welt und ihre gantze Pracht?
Ein schnöder Schein in kurzgeefasten Gräntzen / Ein schneller Blitz bey schwartzgewölckter Nacht. Ein bundtes Feld / da Kumnmerdisteln grünen;
Ein schön Spital / so voller Kranckheix stekt. Ein Sclavenhauß / da alle Menschen dienen / Ein faules Grab / so Alabaster deckt.
Das ist der Grund/ darauff wir Menschen bauen / Und was das Fleisch für einen Abgott hält. Komm Seele / komm / und lerne weiter schauen / Als sich erschreckt der Zirkel der Zirkel dieser Welt. Streich ab von dir derselben kurtzes Prangen /
Halt ihre Lust vor eine schwere Last. So wirstu leicht in diesen Port gelangen / Da Ewigkeit und Schönheit sich umbfast.
Interpretation
Das Gedicht von Christian Hofmann von Hofmannswaldau handelt von „der Welt“, was sie ist und wie der Mensch sie eigentlich halten sollte.
Analyse:
Das Gedicht ist in vier Quartett-Strophen unterteilt, die im fünfhebigen Jambus stehen.
Das Reimschema lautet: abab, xcxc; ydyd, zeze, wobei a immer mit einer klingenden Kadenz endet, während dies bei den anderen eine stumpfe Kadenz als Ende hat. Auffällig ist auch, daß b, c, d und e alle mit t enden, während a, x, y, und z mit -en enden.
Es beginnt mit zwei provokativen, also zum Nachdenken auffordernden, rhetorischen Fragen, die nicht nur durch Parallelismus und Anapher ihre Gemeinsamkeit zeigen „Was ist die Welt und ihr berühmtes gläntzen? Was ist die Welt und ihre gantze Pracht?“, sondern auch besonders durch den gleichen Inhalt, der ja auch dieselbe Antwort zielen soll: nichts von Bedeutung. Die Antwortansätze darauf werden in Metaphern dargelegt; „ein schöder Schein in kurtzgefasten Gräntzen/ ein schneller Blitz bey schwartzgewölkter Nacht.“ Hier ist nicht nur eine Anapher zu erkennen, sondern auch eine Parallelismus. Die Anapher ist jedoch noch nicht am Ende, genau wie die Metaphern, obwohl wir die zweite Strophe betreten. Hier beginnt zudem ein neuer Parallelismus: „Ein bundtes Feld da Kummerdistel grünen. Ein schön Spital so voller Kranckheit steckt. Ein Sclavenhauß da alle Menschen dienen. Ein faules Grab so Alabaster deckt.“ In dieser Stropfe sind außerdem Gegensätze gut zu erkennen: buntes Feld (fröhliche Assoziation) - Kummerdiesteln, Spital - Kranckheit, Sklavenhauß - Mensch, faules Grab - Alabaster. Hier wird deutlich, daß es sich hier um ein klassisches Beispiel für den Manierismus handelt. In der dritten Strophe ist zum ersten Mal eine Aufforderung „Komm Seele, komm, und lerne weiter schaun“. In der vierten Strophe werden zwei weitere Anweisungen gegeben und die Konsequenz, die daraus folgt „... in diesen Port gelangen, da [wo] Ewigkeit und Schönheit sich umfast.“
Zeitunabhängige Interpretation:
Sollte in einem Gedicht oder Text etwas enthalten sein, daß in der Menschheitsgeschichte immer wieder und wieder auftritt, so ist dieses nicht an eine bestimmte Zeitepoche gebunden und kann deswegen als zeitunabhängig interpretiert werden. Beispiel: die Dummheit des Menschen. Sie tritt in der Menschheitsgeschichte zeitunabhängig auf. Dieses Gedicht handelt aber von etwas anderem.
Meiner Meinung nach geht es hier um das Weltliche, daß oftmals für viel edler und besser gehalten wird als es eigentlich ist. Auch dies tritt in der Geschichte stets wiederkehrend auf. Seit jeher gibt es Arm und Reich in materieller Hinsicht. Immer wieder finden wir Menschen in unserer Geschichte, die der Gier verfallen sind und dafür leben, mehr materielle Güter, mehr Reichtum, mehr Macht an sich zu reißen.
Der Beginn, der die Frage ’Was ist das Weltliche denn schon?“ in versteckter Weise sehr betont, gibt zusammen mit der zweiten Strophe eine Antwort, die einseitig ganz gut klingt „schöder Schein“, „schön Spital“, „schneller Blitz“, aber auf der anderen Seite etwas Schlimmes verbirgt „Kummerdiesteln“, „Kranckheit“. Nur auf das gut Klingende bezogen ist „der Grund darauff wir Menschen bauen und was das Fleisch für einen Abgott hält“. Das Verhalten vieler Menschen, die ähnlich wie oben begründet sich auf das, was an den weltlichen Gütern so positiv erscheint. Aber nicht nur das Streben nach Macht, im Sinne der Triebfeder Gier, sondern auch das Streben des „Fleisches“ im Sinne der Begierde begründet sich auf das positiv Erscheinende. Aber dieses Verhalten ist nach Aussagen des Autors falsch, denn nur wenn wir es schaffen, uns von diesem „Zirckel dieser Welt“ zu lösen, sind wir in der Lage, das wahre Positive zu erkennen. Schon Seneca erwähnt in seinem Buch „de brevitate vitae“ (von der Kürze des Lebens):
Nur ein kleiner Teil des Lebens ist es, in dem wir leben. Der ganze übrige Zeitraum ist freilich nicht Leben, sondern Zeit. Von allen Seiten bedrängen und umlagern uns Laster und lassen es nicht zu, sich wieder zu erheben oder die Augen zum Anblick der Wahrheit zu erheben, sondern drücken die in Begierde(n) gestürzten und an dieser gefesselten Menschen (in die Tiefe).
Um den im Gedicht zweiten erwähnten Typ nicht zu vernachlässigen schiebe ich hier folgendes Zitat ein: Den nächsten führt die jähe Gier, Geschäfte zu tätigen, über alle Länder, alle Meere in der Hoffnung auf Profit.
Beides führt hierzu:
Niemals ist es jenen erlaubt, zu sich zu kommen. Wenn einmal durch irgendeinen Zufall Ruhe eintritt, werden sie doch wie auf dem hohen Meer, auf (und in) dem auch nach dem Sturm Bewegung herrscht, umhergetrieben und niemals ist ihnen vor ihren Begierden eine Pause vergönnt.
Ich finde, diesem Ausschnitt ist der Zirckel gut zu entnehmen, niemals Ruhe, er dreht sich weiter! Anders Als Seneca verklagt Hofmann den Menschen nicht, sein Leben auf diese Art zu vergeuden, sondern fordert ihn direkt auf, zu lernen, zur „Wahrheit“ zu schauen. Dies ist mit Leiden „kurtzes Prangen“ verbunden, aber man kann so den Ort erreichen, wo die - ich nenn es hier einfach Freiheit - herrscht.
Das auffälligste mir bekannte Beispiel ist Mercutio (Romeo und Julia). Dieser ist nur ein Spielball seiner Emotionen, wenn man sich sein Handeln einmal genauer anschaut.
Ich bin ebenfalls der Meinung man sollte die Freiheit anstreben. Nur wenn man sich über seine Emotionen stellt ist man in der Lage unabhängig von diesen zu handeln, also eben frei. Dabei ist nicht auszuschließen ein emotionaler Typ zu sein, sondern lediglich die Möglichkeit, auch anders zu handeln, als seine Emotionen es verlangen. Diese individuelle Interpretation, die auf das wichtigste abzielt, was ich in meinem Leben bisher gelernt habe, läßt sich auf die übertragen, die ihre Metaphysik ebenfalls auf das Freiheitsprinzip stützen, so daß sie nicht nur für mich Geltung haben müßte.
Zeitabhängige Interpretation:
In erster Linie spielt er aber sicherlich auf seine Zeitepoche an (1616-1679). Auf seinen Reisen durch Europa dürfte ihn die Schere, die zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklaffte nicht entgangen sein. Ähnlich wie Casanova später und Seneca früher kritisiert er wahrscheinlich die geistige Verflachung der Reichen, die sich nur noch dem Genuß und Begierden, bei Seneca beispielsweise die Freßorgien der einflußreichsten Römer, hingaben und sich von dieser Einseitigkeit nicht mehr lösen wollten oder gar konnten. Anders als Casanova wagte er nicht, den Adel in seiner völligen Verflachung nieder bewertend darzustellen, sondern versucht durch ein harmonisches Gedicht wohl darauf aufmerksam zu machen, daß es sich lohnt, sich unter Entzug zu stellen, was ein großes Leiden für den verweichlichten Adel darstellen müßte, da dann die Möglichkeit besteht, etwas noch viel Schöneres zu erfahren.
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.