1. Einleitung:
Als am 5.5.1955 mit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge die Bundesrepublik Deutschland substanzielle Souveränitätsrechte erhält, das Besatzungsstatut erlischt und die Alliierten Hohen Kommissare durch Botschafter ersetzt werden (vgl. Turner 1989) war den Deutschen in Ost und West klar, daß der Wunsch nach nationaler Einheit in Freiheit in näherer Zukunft nicht zu verwirklichen sein würde. Die Bundesrepublik war fest eingebunden in das westliche Bündnis und die DDR in die sowjetische Einflußzone. Die Deutschen betrachteten die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen mit ambivalenten Gefühlen. In der BRD herrschte Aufbruchsstimmung, das Wirtschaftswunder nahm seinen Lauf, politisch war die parlamentarische Demokratie in Westdeutschland gefestigter als je zuvor in der deutschen Geschichte, die (West-)Deutschen waren wieder wer. Dazu beigetragen hatte auch das Wunder von Bern 1954, bei dem der vermeintliche Fußballzwerg Deutschland Weltmeister wird und ein Land in Freudentaumel versetzt.
Dennoch betrachtete man die politische Situation in der DDR mit großer Sorge. Die Einheit des Landes schien in weiter Ferne.
Wie konnte es zu dieser rasanten politischen Entwicklung kommen?
Noch zehn Jahre zuvor, 1945, lag Deutschland am Boden, viele sprachen von der Stunde Null, das Land war zerstört, Millionen Menschen waren umgebracht, vernichtet worden. Die Nazidiktatur hatte Deutschland die bitterste denkbare geschichtliche Lektion erteilt. Es schien keine Hoffnung auf eine Zukunft zu geben, der Morgenthau-Plan sollte aus Deutschland einen vorindustriellen Agrarstaat machen (dieser wurde aber schon bald aus der Diskussion genommen).
In dieser Arbeit soll im folgenden ein kurzer Überblick über die wichtigsten Ereignisse und politischen Entwicklungen von 1945 bis 1955 gegeben werden. Dazu werden die Entwicklungen in der SBZ, später DDR und in den Westzonen, später Bundesrepublik gegenübergestellt.
2. Deutschland nach 1945:
Als das Deutsche Reich am 7./8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation verkündete, hatten sich die alliierten Siegermächte (außer Frankreich) USA, Großbritannien und die Sowjetunion bereits über bestimmte Maßnahmen nach einer Niederlage Deutschlands verständigt. Sie sahen eine vollständige Entwaffnung und Entmilitarisierung Deutschlands vor. Stalin besteht auf hohen Reparationszahlungen an sein vom Hitlerfaschismus besonders getroffenes Land. Die Siegermächte einigen sich auf eine gemeinsame Verwaltung des deutschen Staatsgebietes und sehen vier Besatzungszonen vor, von denen eine Frankreich zugestanden werden soll (vgl. Benz 1998).
Auf der Potsdamer Konferenz, die im Juli/August abgehalten wird, werden aber bereits die unterschiedlichen Vorstellungen der Siegermächte deutlich. Entgegen westlicher Bedenken fordert die Sowjetunion nicht nur hohe Reparationszahlungen, sondern sie schafft mit der systematischen Vertreibung deutscher Staatsbürger aus den Gebieten des Deutschen Reiches östlich der Oder-Neiße-Linie faktische Grenzziehungen, welche völkerrechtlich umstritten sind. Die Sowjetunion kompensiert ihre eigenen Annektionen im Osten mit der Westverschiebung der polnischen Grenze. Für die vier Besatzungszonen und Berlin als Ganzes übernehmen die Alliierten die Verwaltung und installieren einen Alliierten Kontrollrat. Die Konsequenzen, die sich aus den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz ergeben, sind für Millionen von Deutschen unvorstellbar hart. An die 10 Millionen Menschen werden gewaltsam aus ihrer angestammten Heimat vertrieben, ca. zwei Millionen Menschen kommen auf den zahllosen Flüchtlingstrecks durch ganz Deutschland ums Leben. Die meisten Flüchtlinge suchten in den westlichen Besatzungszonen Zuflucht. Daran hatte nicht nur die Sowjetunion ein Interesse - sie versprach sich davon eine nachhaltige Destabilisierung der westlich ausgerichteten Zonen -, die heimatlosen Menschen trauten zudem den Sowjets nicht und erhofften sich insbesondere von den angesehenen Amerikanern eine bessere Zukunft. Für die Deutschen, die etwa ein Viertel des ehemaligen Territoriums jenseits der Oder-Neiße- Grenze verloren glaubten, war die Integrationsaufgabe der zahllosen ‘Zugereisten’ die erste und schwierigste Belastungsprobe der jungen Nachkriegsgeschichte. Nicht nur, daß in etwa die Hälfte der Wohnungen zerstört war, die Städte v.a. aus Trümmerwänden und Ruinen bestanden, nun kamen auch noch Millionen deutscher Flüchtlinge und suchten ebenfalls nach einem Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Für die alliierten Siegermächte wurde die Situation allmählich prekär, da sie die von der UNO geforderten Mindestnahrungsrationen nicht gewährleisten konnten. Tagtäglich verhungerten auf den Straßen Hunderte von Deutschen. Anders als die Sowjetunion rückten die westlichen Alliierten unter Betreiben der Amerikaner von der Weigerung deutscher Industrieproduktion und Verwaltung ab, als den Volksdemokratien die Ernährung der besiegten Deutschen zu teuer wurde. Während die Sowjetunion in ihrer östlichen Besatzungszone eine rigorose Demontagepolitik betrieb (vgl. Ciesla 1997), konzentrierten sich die westlichen Alliierten darauf, sukzessive eine funktionierende deutsche Wirtschaftsstruktur aufzubauen. Frankreich, welches hinsichtlich der Fragen nach Selbstverwaltung durch deutsche Behörden und Stellen am restriktivsten eingestellt war, lenkt ein, als eine internationale Verwaltung der Schlüsselindustrien vorgesehen wird und amerikanische Finanzzusagen gemacht werden. Während die Sowjetunion mit Billigung deutscher Kommunisten bereits 1945 eine umfassende Bodenreform, d.h. Enteignung von landwirtschaftlichen Produktionsflächen umsetzt und somit offensichtlich auf eine staatlich gelenkte Planwirtschaft nach sowjetischem Vorbild abzielt, ist die Diskussion in den westlichen Zonen, insbesondere unter den Deutschen hinsichtlich der Wirtschaftsform, sehr uneinheitlich. Propagieren insbesondere die Amerikaner ihr kapitalistisches Wirtschaftssystem, so herrscht bei den deutschen Parteien, welche nach 1945 auch in den Westzonen zugelassen wurden, Unklarheit. Lehnen die Sozialdemokraten (SPD), Teile der CDU, einer auf regionaler Ebene gegründeten überkonfessionellen Partei (vgl. Ahlener Programm), die KPD und weitere Parteien die Marktwirtschaft grundsätzlich ab, so sehen weite Teile der Union, die sich unter Konrad Adenauer und Ludwig Erhardt auch innerparteilich durchsetzen und die liberale Partei (FDP) nur in einer sozialen Marktwirtschaft Chancen, um Deutschland wieder ökonomisch gesunden zu lassen.
Die Amerikaner und die Briten hatten sich Ende 1946 darauf verständigt, ihre Zonen wirtschaftlich zusammenzuschließen. Anfang 1947 wurde die ‘Bizone’ gegründet, welche später auf eine Trizone erweitert wurde. Der Begriff ‘Trizonesien’ für die westlichen Besatzungsgebiete war wohl einer der ersten Ausdrücke eines westdeutschen Zugehörigkeitsgefühls, welches sich deutlich von den Entwicklungen und Zuständen in der SBZ abhob. Dort setzten die Sowjets ihre Demontagepolitik fort und überführten zahllose Betriebe und Industrieanlagen in die Sowjetunion. Außerdem wurden aus der laufenden Produktion Reparationsleistungen entnommen, welche den wirtschaftlichen Aufbau Mitteldeutschlands erheblich erschwerten.
Nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD in der SBZ im April 1946 gab es mit der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) quasi nur noch eine zentrale politische Formation, welche in enger Absprache mit den sowjetischen Verwaltern die Neugestaltung des wirtschaftlichen und politischen Lebens in der Ostzone vornahm. Oppositionelle Kräfte und Gruppierungen, die eher westliche Vorstellungen von Demokratie hatten, wurden massiv unterdrückt, gegängelt und z.T. auch in regelrechten Lagern (z.B. Bautzen) interniert. Die westliche SPD unter ihrem charismatischen Vorsitzenden Kurt Schumacher hatte sich massiv gegen die Zwangsvereinigung der östlichen SPD mit der KPD ausgesprochen und wurde in den freien Wahlen in Berlin dafür von den Wählern belohnt, als sie mit Abstand stärkste Partei wurde.
Ein zentraler Aspekt der Politik der Alliierten war die Entnazifizierung, die anfangs in allen Besatzungszonen massiv und später etwas abgeschwächter durchgeführt wurde. Zwar wurden 1946 bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen zahlreiche NS-Größen verurteilt und mit dem Tode bestraft, vielen ehemaligen Nazis gelang es aber, über sogenannte Persilscheine wieder in die Strukturen des neuen Staates aufgenommen zu werden. Unter Adenauer gelangten einige ehemalige Nazis gar wieder in die Ministerien der noch jungen Republik. In der SBZ wurde die Entnazifizierung zunächst ähnlich offensiv verfolgt, bald aber ebenso nachlässig behandelt wie im Westen Deutschlands. In Deutschland war die Tendenz zur Verdrängung groß, Geschichte wurde nicht aufgearbeitet, sondern durch physische Arbeit kompensiert. Erst in den 60er Jahren stellt die heranwachsende Generation unangenehme Fragen.
3. Von der Währungsreform zur Gründung der Bundesrepublik
Die Wirtschaft in Deutschland lag 1945 darnieder. Erst im Nachkriegsdeutschland wurde offensichtlich, daß Hitler den Krieg mittels einer gnadenlosen Verschuldungspolitik finanziert hatte. Der Reichsmark stand als Währung kein adäquater Gegenwert entgegen, dadurch wurde die Inflation beschleunigt. Im Deutschland nach dem Krieg gab es keine reguläre Währung mehr, Lebensmittel- und Bezugsscheine regulierten das Notwendigste, ansonsten herrschten archaische Zustände. Der Naturalientausch blühte auf und westliche Zigaretten wurden zur neuen informellen Währungseinheit. Die Menschen mußten ihr Überleben irgendwie organisieren. Legendär wurden dabei die Trümmerfrauen, welche tatkräftig am Wiederaufbau teilnahmen, Trümmer und Steine beseitigten und sich dadurch das Überleben sicherten. Für den Aufbau rechnete man mit 50 Jahren. Aber es sollte glücklicherweise anders kommen.
Da die Sowjets aus politischen und ökonomischen Interessen den Geldumlauf per Druckerpresse drastisch erhöhten, fiel der Geldwert ins Bodenlose. Die Westmächte sorgten sich über den blühenden Schwarzmarkt (bzw. Graumarkt). Einher mit der Institutionalisierung und Schaffung des Wirtschaftsrates in Frankfurt 1947 wurden von diesen Pläne für eine eigene neue Währung geschmiedet. Die Währung wurde in den USA bereits im Winter 1947/48 gedruckt und sollte die inflationäre Reichsmark ersetzen. Die Währungspläne wurden streng vertraulich behandelt und dennoch schien die deutsche Bevölkerung in den Westzonen damit gerechnet zu haben. Am 20./21.6. 1948 war es dann soweit. Die Deutsche Mark wurde eingeführt. Mit Einführung der neuen Währung wurden über Nacht die Läden wieder gefüllt. Dem informellen Markt wurde der Boden unter den Füßen weggezogen, Geschäfte öffneten wieder aufs Neue und lang gehortete Waren wurden feilgeboten. Langsam machte sich in den westlichen Zonen eine Aufbruchsstimmung breit. Man glaubte wieder an die Zukunft. Die westliche Währung sollte auch in West-Berlin eingeführt werden. Die Sowjetunion reagiert auf die Währungsunion unverzüglich und läßt Tage später alle Zugangswege von und nach Berlin abriegeln. Die Sowjets bezichtigen die Westmächte des Vertragsbruches des Potsdamer Abkommens und drohen damit, West-Berlin vom Westen abzuschnüren. Geschockt reagieren die Westmächte auf diese Maßnahmen und entdecken zu ihrem Entsetzen, daß sie keine vertraglichen Möglichkeiten haben, Berlin auf dem Landweg zu versorgen, ohne dadurch eine weitere Eskalation zu provozieren. Glücklicherweise hatten sich die Westmächte drei Luftkorridore vertraglich absichern lassen und so begann man - das Unmögliche möglich machen wollend- damit, das westliche Berlin über eine Luftbrücke mit Nahrungsmitteln und Versorgungsgütern zu versorgen. Im Minutentakt flogen die ‘Rosinenbomber’ von und nach West-Berlin, um die eingeschlossene Stadt mit dem Nötigsten zu versorgen. Beinahe ein Jahr währte die Isolation Berlins, bis die Sowjetunion einlenkt und aufs neue mit den Westmächten verhandelt. In der Zeit der Luftbrücke entsteht zwischen den Berlinern im speziellen, den Westdeutschen und den Westmächten eine besondere Beziehung.
Die westlichen Alliierten bewundern die Berliner für ihren festen Willen, personifiziert in der Person Ernst Reuters, des amtierenden Oberbürgermeisters, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. Die Westdeutschen wiederum reagieren ausgesprochen positiv auf die sichtbare Unterstützung durch die Westmächte. Psychologisch hatte die Luftbrücke bewirkt, daß aus ehemaligen Feinden Freunde geworden waren, die sich gegenseitig respektierten und in der Sowjetunion einen gemeinsame Bedrohung sahen. Ernst Reuters Appell läßt bei den Westdeutschen die letzten Bedenken fallen, einen separaten westdeutschen Staat zu gründen. Schon vor der Währungsreform hatte US-Außenminister Marshall ein umfassendes wirtschaftliches Aufbauprogramm angekündigt (der Marshall-Plan, ERP), mit dessen Hilfe die europäische Wirtschaft wieder auf die Beine kommen sollte (vgl. Bührer 1997). Verbunden mit den wirtschaftlichen Maßnahmen, die zu einer Integration der westlichen Zonen in das westliche Wirtschaftssystem führen sollten, wurde der Parlamentarische Rat ins Leben gerufen, der eine Verfassung bzw. ein Grundgesetz für einen separaten westdeutschen Staat erarbeiten sollte. Hatten die deutschen Vertreter an den Verhandlungen mit den Alliierten anfangs noch Bedenken, die sie auf der Münchener Ministerpräsidentenkonferenz (1947) auch zum Ausdruck brachten, so war spätestens nach der Berliner Luftbrücke klar, daß es hierzu keine realistische Alternative geben würde (vgl. Benz 1998). So arbeitete der Parlamentarische Rat ein Grundgesetz aus, welches am 23.5.1949 verkündet wurde. In der Präambel des Grundgesetzes wurde deutlich gemacht, daß es sich bei dem Grundgesetz nur um eine vorübergehende Verfassung (Provisorium) handeln sollte, welche die Möglichkeit einschließen sollte, daß ihr die anderen ostdeutschen Länder nach freien Wahlen beitreten können. Die Bundesrepublik nahm für sich in Anspruch alleinige Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches zu sein. Es handelt sich um eine parlamentarische Demokratie mit stark föderativen Strukturen. Der Bundespräsident hat in diesem Verfassungsmodell nur eine repräsentative Funktion, die Stellung des Kanzlers wurde gestärkt, die fundamentalen parlamentarischen Säulen sind der Bundestag und der Bundesrat, der Länderkammer. Die Justiz ist unabhängig. Aufgrund der Erfahrungen aus der Weimarer Zeit sind direkte plebiszitäre Elemente in der Verfassung nicht vorgesehen. Darüber hinaus handelt es sich um eine sogenannte wehrhafte Demokratie, welche solche Organisationen und Parteien verbietet, welche gegen die Verfassung agitieren bzw. diese beseitigen wollen. Darüber wacht der Bundesverfassungsschutz. Am 14.8. fanden die ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag statt, bei denen die CDU/CSU stärkste Partei wurde. Am 15.9.1949 wurde Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt (vgl. Turner 1989). Dabei erzielte er mit 202 von 402 Stimmen die denkbar knappste mögliche Mehrheit, es war seine eigene Stimme.
4. Die Gründung der DDR
Es ist historisch schwer zu entscheiden, ob es sich bei der Gründung der DDR eher um eine gezielte und geplante Aktion der Sowjets handelte oder ob sie v.a. eine Reaktion auf die Ereignisse und Umbrüche des Westens war. Es ist aber unstrittig, daß sowohl von sowjetischer Seite (v.a. Stalin) als auch von der SED-Führung kein Zweifel daran bestand, daß sie das Territorium der SBZ nicht über freie Wahlen zur Disposition stellen wollten, wie es der Westen immer wieder einforderte (vgl. Franke 1986). Vielmehr gingen die Sowjets und die SED-Kommunisten sehr rabiat vor, um ihre Macht und Herrschaft in der SBZ zu sichern. So hatte man sich nach der Zwangsvereinigung zur SED allzu schnell von den sozialdemokratischen, kritischen Politikern getrennt und diese hart dafür bestraft. Die Wirtschaft wurde radikal umstrukturiert, Schlüsselindustrien und Großbetriebe wurden sozialisiert, die Bodenreform wurde umgesetzt, Großgrundbesitzer zwangsenteignet (‘Junkerland in Bauernhand’) und Kapital von Banken beschlagnahmt. Nach der Entnazifizierung, setzte die bewußte Förderung von Kommunisten in zentralen Positionen der Verwaltung und Politik ein. Nichtsdestotrotz glaubten vor der Gründung der DDR, angesichts der politischen Provokationen, welche die einheitliche sowjetische Propaganda als imperialistische Bedrohung geißelte, viele Bewohner der SBZ an einen neuen demokratischen Anfang auf deutschem Boden. Es sollte der erste Arbeiter- und Bauernstaat entstehen und mehr noch als im Westen gab es in der SBZ zahlreiche Befürworter der Verstaatlichung und Sozialisierung von Privateigentum. Dies galt als antifaschistische Maßnahme, da nach ideologischer Auffassung ‘das Großkapital’ Hitler erst ins Amt verholfen habe (vgl. Franke 1986).
Nachdem die SED in freien Wahlen nicht auf eine gewünschte Mehrheit kam, tagte im Dezember 1947 der erste deutsche Volkskongreß. Obwohl diverse Vertreter aus dem Westen eingeladen waren, nahmen aus dem Westen nur die Kommunisten an ihm teil. Betont wurde die Einheit Deutschlands und es wurde dem Westen der Vorwurf gemacht, Deutschland spalten zu wollen (vgl. Benz 1998). Der zweite Volkskongreß beschloß die Einberufung eines Volksrates, der eine Verfassung ausarbeiten sollte für Gesamtdeutschland. Im Mai 1949 finden in der SBZ und in Ost-Berlin Wahlen statt. Über eine Einheitsliste ist die Sitzverteilung zwischen den einzelnen Parteien aber bereits im vorhinein festgelegt. ‘Nur’ 66% stimmen trotz massiver Propaganda für diese Liste (vgl. Franke 1986). Der Deutsche Volksrat beschloß am 7.10.1949 ein Manifest der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands. Er wandelte sich in eine ‘Provisorische Volkskammer’ um, setzte als solche die Verfassung der DDR in Kraft und kündigte Wahlen für Oktober 1950 an. Bei der Verfassung handelt es sich um eine bürgerliche parlamentarische Verfassung, welche den Bürgern zentrale Grundrechte zusichert. Allerdings konnten diese Rechte in der Realität nicht wahrgenommen werden, da es faktisch keine Gewaltenteilung gab, d.h. es gab keine unabhängige Justiz. Wilhelm Pieck wurde zum Präsidenten der DDR gewählt, Otto Grotewohl bildete die erste Regierung in Ost- Berlin (vgl. Turner 1989).
5. Die Bundesrepublik von 1949 bis 1955
Mit dem Sieg der CDU/CSU bei den Bundestagswahlen wurde die erste grundsätzliche Entscheidung der Bundesdeutschen über die zukünftige Wirtschaftsform und politische Ausrichtung getroffen. Die parlamentarische Mehrheit bedeutete einerseits ein deutliches Votum für die von Ludwig Erhardt konzipierte Soziale Marktwirtschaft, andererseits unterstützte sie die Integration der Bundesrepublik in den Westen, wie Konrad Adenauer sie befürwortete. Die oppositionelle SPD konnte sich in diesen beiden zentralen Fragen nicht durchsetzen und akzeptierte diesen Kurs erst später auf ihrem legendären Parteitag in Bad Godesberg 1959 (vgl. Körner 1986). Neben den außenpolitischen Überlegungen standen Anfang der 50er Jahre v.a. innenpolitische Entscheidungen an. Wichtige Gesetze waren das Wohnungsbaugesetz von 1950, welches das vorhandene Defizit von Millionen von Wohnungen schnellstmöglich senken sollte und das Lastenausgleichsgesetz von 1952, welches v.a. den Flüchtlinge, welche in ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches Hab und Gut verloren hatten zugute kam (vgl. Bührer 1997). Die Integrationsleistung von Millionen von Deutschen gilt weithin als die bedeutendste Errungenschaft der noch jungen Republik. Ein zentraler Faktor, der die Integration dieser Menschen beschleunigte, war sicherlich das ab 1951/1952 einsetzende Wirtschaftswunder, welches zum einen begünstigt wurde durch die Folgen des Koreakrieges, durch den Marshallplan (European Recovery Program), aber v.a. durch den unbedingten Willen der Deutschen ihr Land wieder aufzubauen und dabei hart zu arbeiten.
Bereits 1955 ist die wirtschaftliche Situation und die Ernährungslage der Bevölkerung besser als beispielsweise in Großbritannien. Ende der 50er Jahre gehört die Bundesrepublik bereits zu den reichsten Nationen der Welt (vgl. Bührer 1997). Für die Westdeutschen hatte die zeitliche Verbindung von Wirtschaftsaufschwung und Demokratisierung der Gesellschaft psychologisch eine entscheidende Wirkung. Mit dem wachsenden Wohlstand stieg nicht nur die allgemeine Zustimmung zu demokratischen Strukturen und Institutionen, auch der Umgang mit der eigenen Geschichte des Dritten Reiches änderte sich nachhaltig. Konrad Adenauer prägte diese Epoche wie kein zweiter Politiker. Er suchte den Ausgleich mit dem einstigen Erzfeind Frankreich und befürwortete daher eine enge Verflechtung der beiden wichtigsten Kontinentalstaaten Westeuropas.
Im wirtschaftlichen Bereich kam es auf Betreibung des französischen Außenministers Schuman 1951 zur Montanunion. Diese sah eine enge Verflechtung der Kohle- und Stahlindustrien Frankreichs, Italiens, der BRD und der Benelux-Länder vor. Diese Industrien sollten einer supranationalen Behörde unterstellt werden. Gegen mächtigen Widerstand der SPD setzte Adenauer dieses Abkommen durch.
Ein zentrales innenpolitisches Thema Anfang der 50er Jahre war der Streit um die Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Adenauer suchte auch angesichts des militärischen Vorgehens der Kommunisten in Korea die Unterstützung der Westmächte für einen sukzessiven Aufbau einer eigenen Verteidigungsarmee. Adenauer fürchtete, daß sich die Bundesrepublik als nicht verteidigungsfähig erweisen könnte, wenn es zu einem Konflikt mit der Sowjetunion kommen sollte. In der Bevölkerung herrschte jedoch weitgehende Ablehnung einer Remilitarisierung Westdeutschlands. Die Stimmung drückte sich in dem Motto „Ohne mich“ deutlich aus. Die Westmächte hingegen hatten zunehmendes Interesse an der Verteidigungsfähigkeit Westdeutschlands. 1952 verhandelt die Regierung Adenauers mit den Franzosen über die EVG (Europäische Verteidigungsgemeinschaft). Adenauer erhofft sich von der Wiederbewaffnung eine weitergehende Souveränität der Bundesrepublik. Gegen die genannten innenpolitische Widerstände setzt er sein Vorhaben durch, es scheitert letztlich an der fehlenden Ratifizierung durch das französische Parlament. Die EVG scheitert und dennoch wird die Bundesrepublik bald Teil eines westlichen Verteidigungsbündnisses, der NATO.
Adenauers umstrittene Politik wird 1953 bei den zweiten Bundestagswahlen eindrucksvoll bestätigt. Die Bundesdeutschen legitimieren somit die gewählte ‘Politik der Stärke’, mit der Adenauer die Einheit Deutschlands langfristig anpeilt (vgl. Kistler 1985).
6. Die DDR von 1949 bis 1955
Mit der Staatsgründung unternimmt die DDR weitere wirtschaftliche und politische Schritte zum Aufbau eines sozialistischen Staates. Die Wirtschaft wird weiter verstaatlicht, die DDR wird Mitglied des „Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe“, einem wirtschaftlichen Zusammenschluß der unter sowjetischen Einfluß stehenden Staaten Osteuropas und der erste Zweijahresplan wird aufgestellt (später Fünfjahrespläne). Trotz der massiven Demontagepolitik der Sowjets gilt der wirtschaftliche Aufbau der SBZ als respektabel. Ähnlich wie im Westen sind die Menschen bereit, ihr Land wiederaufzubauen. Dennoch sind die Schwierigkeiten auch angesichts der Entflechtung der Wirtschaft mit den westdeutschen Industrien unverhältnismäßig größer als im Westen, wo zudem der Marshall-Plan erhebliche finanzielle Ressourcen bereitstellt (vgl. Ciesla 1997). Die Sowjets waren zu solchen Maßnahmen weder ökonomisch in der Lage noch dazu gewillt. Die SED sicherte sich ihre Vorherrschaft und schaltete oppositionelle Kräfte weitgehend aus. Dennoch spitzt sich die ökonomische Situation 1952 allmählich zu. Durch die entschädigungslose Enteignung zahlreicher Bauern und Unternehmer setzte ein starker Flüchtlingsstrom v.a. fachlich hoch qualifizierter Menschen in den Westen ein. Als sich die wirtschaftliche Situation in der BRD stark verbessert und die Entwicklung in der DDR offensichtlich nicht Schritt halten kann, wählen immer mehr Menschen den einfachen Weg über die noch offene innerdeutsche Grenze (vgl. Franke 1986).
Insbesondere in Berlin nutzen viele Bürgerinnen und Bürger der DDR die Gelegenheit und kehren dem Arbeiter- und Bauernstaat den Rücken zu. Durch den unablässigen Übersiedlerstrom ist es der SED-Führung unter Walter Ulbricht kaum möglich, kalkulierbare Planungen für die Wirtschaft aufzustellen. Die Folgen sind, daß die Regierung die Arbeitsnormen und Anforderungen an die Arbeiter monatlich drastisch erhöht. Trotz der Warnungen aus der UdSSR beharrt das ostdeutsche Regime im Frühjahr 1953 auf der Erhöhung der Arbeitsnormen für Arbeiter (vgl. Kleßmann 1997).
Am 17.6.1953 kommt es in der DDR zu zahllosen Protestaktionen und Demonstrationen gegen die Beschlüsse der Regierung. Arbeiter ziehen auf die Straße und lassen ihrem Unmut freien Lauf. Die DDR-Regierung ist sichtlich verstört und es bedarf der Unterstützung von sowjetischen Truppen und Panzern, um der revolutionären Stimmung ein blutiges Ende zu bereiten. Dennoch wirkte dieser 17.Juni wie ein Fanal in der Geschichte der DDR. Das sozialistische Regime hatte sein wahres Gesicht gezeigt. Viele Intellektuelle und Arbeiter wandten sich in der Folgezeit von den sozialistischen Ideen ab und gingen in den Westen. Für Ulbricht bedeutete der 17.6. jedoch eine Festigung seiner Macht, da sich die Sowjetunion eine weitere Destabilisierung des DDR-Regimes nicht leisten wollte (vgl. Franke 1986). Nach der Niederschlagung dieses Aufstandes zogen sich viele DDR-Bürger frustriert in ihr privates Nieschenleben zurück (bis 1989).
Anders als in der Bundesrepublik hat es in der DDR keine öffentliche Diskussion über die Wiederbewaffnung gegeben. Das DDR-Regime setzte von Anfang an auf polizeiliche Überwachungsstrukturen und militärische Verbände. So ist es auch nicht verwunderlich, daß die DDR alsbald Mitglied des Warschauer Paktes wird und mit der Volksarmee eigene Truppen stellt.
7. Zusammenfassung und Ausblick
Als 1955 die erste Nachkriegsdekade zu Ende geht, herrschen auf deutschem Boden zwei völlig konträre Gesellschafts- und Staatssysteme vor. Zwar haben es beide Systeme, die BRD und die DDR auf ihre Weise geschafft, in ihrem jeweiligen Bündnisrahmen Anerkennung und Respekt zu erlangen. Die nationale Einheit in freier Selbstbestimmung schien jedoch Mitte der 50er Jahre weiter entfernt denn je zuvor. Nachdem die Regierung Adenauers die Stalinnoten, welche eine Neutralisierung Deutschlands vorsehen, ablehnte und die Westintegration forciert, nachdem das ostdeutsche Regime am 17.6. ihre Bereitschaft zur gewaltvollen Unterdrückung jeglicher Opposition auf blutige Art und Weise dokumentierte, war den Deutschen in Ost und West klar, daß der Wunsch nach nationaler Einheit in der näheren Zukunft auf friedlichem Wege nicht zu erlangen sein würde.
Dennoch hatten es die Deutschen in beiden Teilen vermocht, ihr Land wieder aufzubauen und wirtschaftlich beachtliche Leistungen zu vollbringen (vgl. Bührer 1997). Dennoch wurde bereits Mitte der 50er Jahre deutlich, daß das zunehmende ökonomische Gefälle zwischen Ost und West das Regime in der DDR stärker gefährdete als die noch vorhandenen sozialen Probleme der BRD (z.B. Arbeitslosigkeit).
Konrad Adenauer hatte die politischen Weichen gestellt und die partielle Souveränität, die am 5.5.1955 für die Bundesrepublik erzielt wurde, war ein günstiger Ausgangspunkt um langfristig das Ziel der deutschen Einheit in Freiheit zu realisieren.
Retrospektiv hat ihm die Geschichte 1989 Recht gegeben. Seine Politik der Stärke hatte sich bewährt und durchgesetzt.
Literatur:
- Bundeszentrale für politische Bildung (1997 Hg.): Informationen zur politischen Bildung: Deutschland in den fünfziger Jahren. Heft Nr.256, München: Franzis-Druck.
- Bundeszentrale für politische Bildung (1998 Hg.): Informationen zur politischen Bildung: Deutschland 1945-1949, Heft Nr.259, München: Franzis-Druck.
- Bundeszentrale für politische Bildung (1986 Hg.): Informationen zur politischen Bildung: Die Bundesrepublik Deutschland 1949-1955, Heft Nr.168, München: Franzis-Druck. - Holtmann, E. (1985): Nach dem Krieg vor dem Frieden - Der gesellschaftliche und historische Neubeginn nach 1945 im Kreis Unna. Köln: Grote
- Kistler, H. (1985): Die Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart: Verlag Bonn aktuell. Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung.
- Pleticha, H. (1986): Geteiltes Deutschland nach 1945. Gütersloh: Lexikothek.
- Prinz, F. (1989): Frauenschicksale im Trümmeralltag. In: Damals - das Geschichtsmagazin, Ausgabe 10, S.898-911.
- Teppe, K. (1995): Trümmergesellschaft im Wiederaufbau. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Ausgabe 18/19, S.22-33.
- Turner, H.-A. (1989): Geschichte der beiden deutschen Staaten seit 1945. München: Piper.
- Arbeit zitieren
- Manuel Höfs (Autor:in), 2000, Deutschland nach 1945, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104620
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