Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Machtbilder
2.1. Dromomanie des Apparates Kommunikations-Kurzschlüsse und Vehikel-Medien
2.2. Virtualität und Macht "Mäuschen? Mr. President?"
2.3. Pole der Macht Wirtschaft / NGO, Moral / Sex, Machterhalt / Authentizität
2.4. Scheitern lernen Politik und Moral: Konstant unvereinbar?
3. Schlussbetrachtung
Endnoten
Bibliografie
1. Einführung
Mit wenigstens 13 Hollywoodproduktionen in den vergangenen 10 Jahren stehen die amerikanische Präsidentschaft und das politische Washington in einem für europäische Verhältnisse ungewohnt intensiven cineastischen spotlight, welches sich weniger der Politik als ästhetisch vereinnahmtes Set der Handlung bedient, als vielmehr ihre Akteure und Prozesse zu beschreiben sucht. Die intensivere mediale Präsenz der Akteure und ihrer politischen Inhalte produziert Projektionen, deren Oberflächen bei den Rezipienten die Neugier nach dem Darunter und Dahinter wecken. So hat die Vervielfachung der politischen Medienereignisse nicht zur informationalen Sättigung der Rezipienten geführt, sondern neue Ansprüche, gerade auf dem Feld der Unterhaltung, geschaffen. Das amerikanische Präsidentendasein oszilliert so zwischen seiner uneingeschränkten Macht über die Ereignisse und deren Bilder an einem Ende, und den Konstruktionen zur Befriedigung der Neugier am anderen Ende der Funktionsskala. An dieser Stelle soll analysiert werden, welches Bild der amerikanischen Präsidentschaft/-spolitik die ästhetisch-ökonomischen Produzentinnen in den späten 90er Jahren genreübergreifend entwarfen und somit unser heutiges Bild mitprägen.
- Welchen politischen Phänomenen wird durch die künstlerische Verarbeitung größere Relevanz in der ausserfilmischen Realität zugeschrie ben?
- Welche Diskurse werden als relevant vermittelt, und wie werden die verschiedenen Pole der Macht bewertet?
- Auf welchen Ebenen laufen Prozesse und Konflikte der Individuen ab?
Die vier zugrunde liegenden Filme als Quellen würden eine Einteilung nach verschiedensten Kriterien erlauben, sowohl des Inhaltes als auch der äu- ßeren Form. Im Rahmen dieser Arbeit scheint mir jedoch die Aneignung eines zentralen Momentes der Präsident-Werdung angemessener: der Umbruch zwischen der campaign mit ihrer medialen Hysterie, Anbiederung und Unsicherheit, und dem Einzug in das Weiße Haus mit seiner höfischen Symbolik der Macht. "Wag the Dog"[1] und "Mit Aller Macht"[2] verfolgen den campaign trail des
Präsidenten / des Kandidaten, während "Dave"[3] und "Hallo, Mr. President"[4] auf die Amtsgeschäfte im Weißen Haus konzentriert sind. Da die kategorialen Unterschiede der vier Komödien (Satire-Roadmovie-Liebeskomödie-Kammerspiel-usf.) nicht Teil dieser Arbeit sein sollen, werde ich bewußt darauf verzichten, künstlerische Darstellungen aus ihren jeweiligen Genres heraus zu analysieren. Allein die Entwürfe und Konstruktionen der politischen und sozialen Beziehungen und Prozesse in einer hoch aggregierten Umgebung wie der des amerikanischen Präsidenten werden erklären können müssen, welche Geschichten der populäre Film über Washington erzählt. Als wichtig erachte ich die Frage, auf welche Wirklichkeiten die Filme verweisen, und ob diese Zuschreibungen den gewichtigen Effekt von Überschreibungen erreichen können.
Schenkten wir dem Essay 'Life vs. Art: The American President'[5] von Dick Rolfe, "President and CEO of The Dove Foundation a nonprofit organization whose mission is to encourage and promote the creation, production and distribution of wholesome family entertainment",[6] Glauben, fielen die Produzenten über die zur Genüge öffentlich diskutierten Unzulänglichkeiten von Präsident Clinton her, um aus einem Skandal Profit zu schlagen und "the credibility of the most powerful office in the most powerful nation in the world"[7] zu beschmutzen. Die Buchvorlagen wurden jedoch bereits vor Beginn der Lewinsky-Affäre geschrieben, und die Filme produziert. "Mit Aller Macht" profitierte von dem kurzen Abstand zur medialen Hysterie, denn der Film startete in den USA am 20. März 1998, genau zwei Monate ' after the scandal broke ', während "Wag the Dog", der bereits am 9. Januar gestartet war, nachträglich zusätzliche Zuschauer beschert worden sein mögen.
Zur Verdeutlichung, dass sich auch die kritische Reflektion künstlerischer Produktion permanent der Gefahr bewusst sein muss, die in diesem Falle filmische 'Wirklichkeit' mit der ausserfilmischen Wirklichkeit zur Deckung bringen zu wollen, zuvor ein kurzer Exkurs in die politische Filmrezeption.
Mas'ud Zavarzadeh[8] definiert vor marxistischem Hintergrund Film-Geschichten als Erklärungsmuster zur Unterstützung einer bestimmten Sichtweise auf die herrschende Ordnung, welche der historisch erschaffenen Welt einen Anschein der Natürlichkeit und Permanenz verleihen sollen. Gleich der Konstruktion gesellschaftlicher Realität durch soziale, politische, ökonomische, theoretische und ideologische Prozesse werden durch Film-Geschichten mediale Realitäten zur gesteuerten Lesbarkeit ihrer gesellschaftlichen Vor-Bilder geschaffen. Einem Film aufgrund der gebotenen Signifikanten Sinn zuzuschreiben bedeutet daher weniger einen künstlerischen Vorgang, als vielmehr einen politischen Akt durch welchen die Zuschauerin lernt, ihre kulturelle Umwelt und deren Zeichen zu interpretieren und zu akzeptieren, wobei die Diskrepanz zwischen filmischer und gesellschaftlicher Realität analysiert und funktionalisiert werden muss. Da jedoch im populären Film generell nur wenig Raum für individuelle Deutungsansätze der inszenierten Prozesse einkalkuliert wird, sind für die politikwissenschaftliche Betrachtung die vorgegebenen Erklärungsmuster bedeutend. Die Bevormundung der Rezipienten beruht laut Zavarzadeh nicht auf einem qualitativen Defizit der ästhetischen Produktion, sondern auf ideologischer Funktionalisierung des Mediums Film zur Installation fest umrissener Sichtweisen und Kontrollfunktionen der kulturellen Grammatik, um die Bewahrung der bestehenden sozialen Ordnung zu sichern. Im Gegenzug muss politische Filmrezeption daher zur Analyse der post-textualen Wirkung anstatt der textualen Film-Bilder führen, um aus einem Akt der ästhetischen Theorie einen Akt der politischen Praxis zu machen.
Dieser ideologiekritischen Analyse kann jedes [?] kulturindustrielle Produkt unterzogen werden. Die verstärkte Anbindung der cultural studies an politikwissenschaftliche Arbeit, die Aufweichung der strikten Trennung von E- und U-Kultur und die immer stärkere Vermengung politischer Inhalte mit ästhetischer Produktion machen es erforderlich, von der Politikwissenschaft her gesehen, das Feld der politischen Kulturanalyse immer weiter zu stecken. Allerdings beschränkte sich der Erkenntnisgewinn auf das vage Feld der Rezeption, wenn nicht die Grundlagen und inhaltlichen Absichten künstlerischer Produktion offen gelegt würden. Diese Öffnung liegt nahe, denn nicht nur das dezidiert politische oder avantgardistische, sondern auch das "kommerzielle Kino [...] reproduziert gesellschaftspolitische Tendenzen und ist gleichzeitig Leitbild für künftige Entwicklungen",[9] und muss daher als Meinungsbildner anerkannt werden.
Wie intensiv die Verbindung und Interdependenz speziell der US-amerikanischen Politik und Filmwelt wirklich ist, wurde spätestens 1980 mit der Wahl des Schauspielers Ronald Reagan zum Präsidenten deutlich. Es "brach eine neue Ära in der Beziehung zwischen der Politik und den Medien an. Der 'große Kommunikator' Reagan verstand es, die Medien als Vehikel seines Selbstverständnisses zu nutzen. Willig griff Hollywood das von der Regierung propagierte Bild einer entschlossenen, starken und an konservativen Werten orientierten Nation auf."[10] Sylvester Stallone und Bruce Willis etwa verkörperten, im wahrsten Sinne des Wortes, die geforderte Einheit aus Wille, Kraft und Patriotismus, die durch populäre Filme effektiver vermittelbar scheinen, als durch einen nicht minder professionellen, aber durch die politische Kultur in der Wahl seiner Exekutivmittel eingeschränkten Präsidenten.
Mit William Clinton trat schliesslich ein 'ungelernter Schauspieler' als authentischere Figur des politischen Lebens ins Scheinwerferlicht, begeleitet und beraten wiederum von zahlreichen Medienprofis. Clinton dirigierte nicht die Inhalte, sondern wurde selbst zur Nachricht, kreierte sein eigenes image ausserhalb der Presseerklärungen und offiziellen Protokollveranstaltungen. "Unter seinen zahlreichen TV-Auftritten trug vor allem sein Auftritt als Saxofonist mit dunkler Sonnebrille in der Talkshow von Arsenio Hall zu seinem Image des unkonventionellen und sympathischen Mannes 'aus dem Volk' bei."[11] Wie sich später herausstellen sollte, steigt jedoch mit intensiverer Inszenierung der Authentizität auch die dramaturgische Fallhöhe eines Politikers. "Wag the Dog" kam hier die Ehre zu, aus der präzisen Analyse der Verbindung von Medien und Politik ein Bild zu entwerfen, welches kurz nach seiner Veröffentlichung Wirklichkeit werden sollte,[12] und so scheinbar die filmische Vorlage für die ausserfilmische Realität lieferte. Obwohl der jeweilige Umgang mit einem Fehltritt und die Bewältigung der Affäre sehr unterschiedlich verliefen, so warf "Wag the Dog" dennoch ein erhellendes Licht auf die Verfasstheit der amerikanischen Präsidentschaft, indem der Synergieeffekt aus den damals stabilsten Konstanten des öffentlichen Interesses, nämlich Sex, Medien und Macht konsequent zu Ende gedacht und entwickelt wurde. Aus einer Störung innerhalb dieser Verbindungen musste scheinbar unausweichlich, sowohl in ihrer künstlerischen Bearbeitung, als auch in ihren real ablaufenden Prozessen, ein Skandal erwachsen, der jedoch unmittelbar verarbeitet wurde durch die Selbstreinigungskräfte eben jener drei Verbindungen. Personalisiert treten diese Kräfte als Öffentlichkeitsspezialisten auf: professioinelle Medienschaffende und politisch vermittelnde spin doctors.[13]
Alle vier Filme inszenieren, in unterschiedlicher Intensität zwar, die amerikanische Präsidentschaft auch auf ihrer post-textualen Ebene als Medienereignis. Die Rolle der Rezipientin politischer Öffentlichkeit muss daher innerhalb der Film-Geschichten ebenfalls vorkommen, mit ihren individuellen Einwänden, mit den erkannten Widersprüchen und schliesslich mit ihrer Verarbeitung der durchschaubaren Inszenierung.[14] Die Inszenierung der Inszenierung versöhnt so den Zuschauer mit seinem zerbrochenen Anspruch an die ausserfilmische Realität. Textuale Elemente werden daher im Folgenden auf diese post-textuale Funktion hin untersucht.
Sogenannte 'seriöse' journalistische Verarbeitung ist als essentieller Bestandteil der politischen Kultur etabliert, doch da der amerikanischen Präsidentschaft, nicht erst seit der Lewinsky-Affäre, ein öffentliches Interesse wie nur wenigen demokratisch gewählten Administrationen zuteil wird, kann davon ausgegangen werden, dass die journalistische Trennung in hard news und soft news nur sehr schwer aufrecht zu erhalten ist. Vermischt werden am Rande die globale Erwärmung und das Schicksal der Hauskatze Socks, die Lage auf dem Balkan und das Internatsleben einer Clinton-Tochter. Hier vermag es die Öffentlichkeitsarbeit, mit höfischer Berichterstattung die täglichen politischen Probleme und die qualitativen Besonderheiten der amerikanische Präsidentschaft in den Hintergrund zu drängen. Mit einem vermeintlichen Blick hinter die Kulissen werden daraufhin im Medium des populären Films diese 'weißen Flecken' aufgegriffen und vorgeblich (medien-)kritisch verhandelt.
Die Anzahl der Produktionen, welche sich der Kombination Washington
/ White House / Präsident bedienen, spricht dafür dass die amerikansiche Prä- sidentschaft erstens, wie oben bereits dargelegt, verstärkt mediale Neugier hervorruft und zweitens nicht durch Symbolismen zu transferrieren oder durch Referenzen substituierbar zu sein scheint, sondern allein im Rahmen größtmö- glicher Realitätsnähe funktioniert. Aufgrund dieser, für europäische Verhältnisse verblüffend expliziten Realitätstreue, gewährt durch Nachbildung bzw. Benutzung der Originalschauplätze[15], Aneignung internen Wissens und die Einbindung von Amtsträgerinnen potenziert sich die post-textuale Wirkung der Filme. Die Wirkung der Nachrichten-Bilder und die Wirkung der Kino-Bilder gleichen sich mehr und mehr an, überlappen sich sogar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2. Machtbilder
2.1. Dromomanie des Apparates
Kommunikations-Kurzschlüsse und Vehikel-Medien
Ungehindert schnelle Verkehrsmittel, rasche Fortbewegung durch die Gänge des Weißen Hauses in establishing shots, die Gesprächsgeschwindigkeit der Stabsmitarbeiter sowie instantane Anweisungen und der unverzögerte Austausch jedweder Information vermitteln den Rezipienten die bestimmende Konstante aller zukünftigen Situationen, welche in direktem Zusammenhang mit den politischen Entscheidungen des Präsidenten stehen: Geschwindigkeit.[16] Abgesehen von dramaturgisch notwendiger bzw. unvermeidbarer Beschleunigung der Handlungselemente wird Geschwindigkeit als Prinzip thematisiert und quasi als allgegenwärtiger und universell einsetzbarer 'Akteur' eingeführt.
Nach Paul Virilio handelt es sich bei Geschwindigkeit nicht um ein Phä- nomen an sich, sondern um eine Relation zwischen Phänomenen,[17] welche sich zu Macht und Gewalt verstärken kann, wenn die Zeitkomponente beispielsweise das Politische, das Diskursive und Offene verdrängt. Im unmittelbaren Umfeld des Präsidenten, d.h. während der Stabstreffen und der Ausschusssitzungen scheint die dromokratische die demokratische Diskursstruktur abgelöst zu haben, denn nicht der gemeinsam entwickelte Gedanke wird verwirklicht, sondern der zuerst artikulierte. (Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass den Vorschlägen des Präsidenten unter Umständen auch dann mehr Gewicht zugestanden würde, wenn sie nicht als erste artikuliert worden sein sollten.) Der Grossteil der direktiven Gespräche und der organisatorischen Information verlaufen in kurz gehaltenen Sätzen, meist während der raumgreifenden Bewegung durch Gebäude, oder werden in Telefonaten abgewickelt.
Während "Mit Aller Macht" situationsbedingt persuasion in den Vordergrund politischer Kommunikation stellt, könnten "Dave" und "Hallo, Mr. President" auf einem weiter gefassten Feld der Interaktion Dialoge kreieren, bleiben jedoch dem Diktat der Geschwindigkeit verhaftet.
Dass es in einer solchen dromomanischen Umgebung, wie im Straßenverkehr auch, zu Unfällen kommt eröffnet ergiebige Möglichkeiten, das Scheitern von Kommunikation als filmischen Effekt einzustreuen. So erfordert die instantane Kommunikation Übung und Gewöhnung (Daves Schreck über die prompte Meldung "Mr. President?" am anderen Ende der Telefon- / Standleitung, ohne gewählt zu haben), und die Überschreitung des auf Effizienz und Geschwindigkeit getrimmten Vorzimmerprotokolles seitens des Präsidenten führt meist zu kommunikativen Kurzschlüssen:
Präsident: "Suchen Sie mir bitte die Nummer eines Blumenladens heraus." Sekretärin: "Bitte?"
Präsident: "Ich möchte die Blumen selbst bestellen." Sekretärin: "Das verstehe ich nicht!"
Diese Kurzschlüsse verlieren schnell ihre subversive Wirkung des ersten Eindrucks, denn sie verweisen nicht auf grundlegend zu kritisierende Verhältnisse, sondern sie funktionieren als Beweise für deren affirmative Intensivierung durch dromomanisches Verhalten in einer Umgebung der Macht, als Erklärung für die wichtigste Strategie, und gleichzeitig einen höchst kritischen Unsicherheitsfaktor der politischen Macht. Vor allem die Beherrschung der Geschwindigkeit und ihrer Effekte scheint in dieser Umgebung den Machterhalt sichern zu können.
Im filmischen Kontext muss das Verschwinden des diskursiven Raumes nicht unbedingt auch das Verschwinden der Diskurssubjekte bedeuten, sondern es wird dramaturgisch funktionalisiert, um die vielschichtige Struktur der Beziehungen zwischen den Akteuren und den verschiedenen Ebenen zu verdeutlichen. Sowohl Refugien als auch Räume der Verbannung treten an die Stelle der alten dia-logbasierten Diskursform des Politischen. In keinem der vier Filme wird beispielsweise der freiwillige Rückzug in das Private als Option präsentiert, vielmehr setzt "Mit aller Macht" drastischerweise den Selbstmord der troubleshooterin [18] Libby als letztes Mittel zur Wahrung persönlicher Integrität ein. Markant scheint mit Blick auf die weiter unten stehende Tabelle auch das suizidale Setting, in dem das Automobil als Kommunikationsund Transportplattform in einem diskursiven Jammerbild stehen gelassen wird: die altgediente Strategin erschiesst sich in ihrem privaten Pick-Up auf einem verlassenen einspurigen Strassendamm in suburbia.
Im Umfeld des kulturwissenschaftlichen Dromologie-Diskurses, und dort vor allem in den Bereichen der globalen Instantaneität des Internet, wird grundlegene Kritik geübt an der Beschreibung sozialer Prozesse anhand ihrer physikalischen Determinanten.[19] Soziobiologische Prozesse seien weder durch soziophysikalische erklärbar, noch würden sie von ihnen abgelöst. Entgegen dieses Standpunktes, der in diesem Zusammenhang als kritische Mahnung zur Entschleunigung der eigenen Praxis dienen kann, fordern die vier Filme es heraus, neben der Beschleunigung der Diskursformen auch die mechanischen Erweiterungen einer näheren Betrachtung zu unterziehen, denn ein dromologisches Erklärungsmuster kann hier helfen, ihre post-textualen Funktionen zu verdeutlichen. Da die Referenzen popular-filmischer Darstellung zumeist innerhalb der Bereiche liegen, die sich mit den alltäglichen Erfahrungen der Rezipienten verbinden lassen, kommt der Präsentation von Verkehrsmitteln eine wichtige Rolle zu, und deren Fetischisierung kann von breiten Schichten der Bevölkerung relativ einfach nachvollzogen und interpretiert werden.
Insofern kann eine strukturierende Betrachtung der Verkehrsmittel, als funktionale Akteure der Handlung, Rückschlüsse auf die erwünschten Deutungen der Referenzen liefern. Die hier zu untersuchenden Filme machen die Relevanz der Wahl der Verkehrsmittel deutlich, welche parallel zur jeweiligen Diskursstruktur mit entsprechend wechselnden Funktionen belegt werden.
[...]
[1] Originaltitel: Wag the Dog, mit Dustin Hoffman und Robert DeNiro, Regie: Barry Levinson, US-Start: 09.01.1998. "Less than two weeks before election day, a scandal erupts that threatens to cripple the President's bid for a second term. But before the incident can cause irreparable damage, a mysterious fixer is called to the White House. The ultimate spin doctor, Conrad Brean has the uncanny ability to manipulate politics, the press and most importantly, the American people. Anticipating the reaction of a frenzied press corps, Brean deftly deflects attention from the President by creating a bigger and better story - a war. With the help of Stanley Motss (the "t" is silent), a famed Hollywood producer and his irreverent entourage, Brean assembles an unlikely crisis team who orchestrate a global conflict unlike any ever seen on CNN. Wickedly fictional with historical overtones truer than many care to admit, Wag The Dog examines the blurred lines between politics, the media and show business." http://www.wag-the-dog.com
[2] Originaltitel: Primary Colors, mit John Travolta und Emma Thompson, Regie: Mike Nichols, US-Start: 20.03.1998. "Südstaaten-Gouverneur Jack Stanton ist angetreten, um bei den Primaries [...] zum Präsidentschafts- Kandidaten der demokratischen Partei gewählt zu werden. Mit seinem charismatischen Auftreten und unwiderstehlichem Charme fesselt er die Wähler und schwört auch sein kleines Team von Strategen und Beratern auf sich ein. Die haben alle Hände voll zu tun, denn Stantons unersättlicher Appetit auf das pralle Leben gilt nicht nur zuckersüßen Doughnuts. Je näher der Wahltermin rückt, desto mehr häufen sich die Skandale - und der ohnehin dornige Weg ins Weiße Haus entwickelt sich endgültig zum Spießrutenlauf und Hindernis-Parcours, in dessen Verlauf alle Beteiligten gezwungen sind, Farbe zu bekennen." http://www.kinoweb.de
[3] Originaltitel: Dave, mit Kevin Kline und Sigourney Weaver, Regie: Ivan Reitman US-Start: 07.05.1993. "Dave Kovic looks so much like President Bill Mitchell that he's asked to stand in for him, while the Bill occupies his time elsewhere. When Bill falls into a coma, a secret and highly illegal plot is hatched by Bob Alexander to keep Dave on as the president. Unknown to Dave, Bob is working on making himself president, but he doesn't count on Dave being so popular and keen to continue." http://www.imdb.com
[4] Originaltitel: The American President, mit Michael Douglas und Annette Bening, Regie: Rob Reiner, US-Start: 17.11.1995. "Michael Douglas [...] verkörpert das Idealbild des Präsidenten. Er ist smart, charmant, rechtschaffen und ein Demokrat reinsten Wassers, ein idealisiertes Porträt Bill Clintons. Er hat nur einen kleinen Makel, er ist alleinerziehender Witwer. Doch dann taucht die schöne Öko-Lobbyistin Sydney Wade im Weißen Haus auf. Jetzt aber zeigen sich die Probleme seines Amtes: Blumen kaufen, sich einfach 'mal verabreden oder verschiedene Polit-Interessen gegeneinander abwägen... Rob Reiner [...] ist [...] im Vorjahr der US-Präsidentenwahl wieder eine köstliche Komödie gelungen, ganz im Stile von Frank Capras »Mr. Smith geht nach Washington« [...]‚." http://www.kinoweb.de
[5] Rolfe
[6] Rolfe
[7] Rolfe
[8] Zavarzadeh. S. xi, 1, 11, 92.
[9] Hollstein
[10] Hollstein
[11] Hollstein
[12] "Das Timing ist von geradezu unheimlicher Präzision: (...) Zum einen geht es in der Geschichte um einen amtierenden amerikanischen Präsidenten, der beschuldigt wird, eine Pfadfinderin im Weissen Haus zu sexuellen Aktivitäten genötigt zu haben, zum anderen geht es um das Ablenken von dieser Affäre durch die (fiktive) Anzettelung eines Krieges - 'Thank heaven for Monica Lewinsky and Saddam Hussein', könnte man im Terminus von Wag the Dog dazu sagen. Die Ähnlichkeit des Filmfotos, auf dem der Präsident die Schulter der Pfadfinderin berührt, mit jener Aufnahme, in der Clinton Lewinsky begrüßt, ist jedenfalls frappierend." Arnold
[13] "Wenn für Politik und Politiker immer mehr ihre Medientauglichkeit zum Kriterium wird, dann ist es doch nur konsequent, mit der Inszenierung des schönen Scheins jene zu beauftragen, für die die Kunst der Illusion für die Massen das tägliche Brot ist und die dabei auf eine hundertjährige Erfahrung zurückblicken können: die Profis in Hollywood." Arnold
[14] " 'Mit aller Macht' führt ein menschliches Prinzip vor, das uns aus der Kunst und speziell dem Kino bestens bekannt ist. Von etwas berührt zu sein, obwohl (und gerade weil) uns die Künstlichkeit und der inszenatorische Charakter dessen voll bewußt ist, gehört nicht nur zu unserer Erfahrungswelt im Kino, sondern hat grundsätzlich mit der Frage zu tun, wie wir für uns Glaubwürdigkeit, also Realität herstellen." Distelmeyer
[15] "Das Innenleben des Weißen Hauses wurde in den Sony Studios in Los Angeles rekonstruiert. Außenaufnahmen davon wurden vor Ort gedreht, teilweise aber auch vor einem Modell in den Sony Studios." http://www.kinopolis.de
[16] zu Virilios Dromologie siehe: Wallnöfer
[17] "Ich glaube, daß man in einer dromologischen Sicht der Welt, in der die Geschwindigkeit in ihrem Wert als organisierende Kraft begriffen wäre, keinen Unterschied mehr machen könnte zwischen dem, was statisch, und dem, was dynamisch, dem, was fest, und dem, was nicht fest ist, weil es die Geschwindigkeit ist, die die absolute Referenz darstellt, nicht mehr das Gewicht, die Masse. Es ist die Geschwindigkeit, die die Ordnung der Dinge organisiert." Lischka
[18] In diesem Satz von troubleshooterin zu sprechen erscheint unpassend. Doch fehlt für die Funktion der Figur Libby ein äquivalente Bezeichung im Deutschen. Siehe Distelmeyer.
[19] "Sowohl dromophile als auch dromophobe Positionen sind bei allen Unterschieden in der Bewertung dadurch charakterisiert, daß sie (1) die physikalische Geschwindigkeit elektronischer Schaltungen zum Fetisch machen und soziale Prozesse durch deren Physik determiniert sehen, (2) kulturelle und soziale Prozesse in physikalischen Kategorien zu erfassen suchen (...) wodurch alten soziobiologischen Argumenten die Konkurrenz einer neuen Soziophysik erwächst, (3) Geschwindigkeitssteigerung als Steigerung der Beherrschbarkeit verstehen (...)." Beck
- Quote paper
- joerg blecher (Author), 2000, Die amerikanische Präsidentschaft und die Konstruktion von Machtbildern im Medium des Popularfilms, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104430
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