Ziel dieser vorliegenden Arbeit ist es, die Bedeutung von Feedback zu Höhepunkt der Kybernetik in den 30er bis 70er Jahren zu beschreiben und dabei das Werk Wieners mit dem sogenannten Projekt SEEK des MIT auf diese Zirkularität zu analysieren. Zuerst soll der Begriff Kybernetik und Feedback bzw. Rückkopplung sowie die Forschungsziele der Anfangszeit der Kybernetik beschrieben werden. Die Anwendung der Kybernetik kann in technischen und nicht-technischen Systemen stattfinden, die es zu definieren gilt, um das Projekt SEEK zu verstehen. Zudem soll als Ausblick der Begriff Cyborg, der als Beispiel die Grenze zwischen Mensch und Maschine unlängst verschwimmen lässt, angedeutet werden, um die Nachhaltigkeit der kybernetischen Forschungsarbeit aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Forschungsstand
Definition der Kybernetik
Feedback/Ruckkopplung nach Wiener
Lernende und sich selbstreproduzierende
Maschinen
Beispiel Projekt SEEK
Ausblick auf die zukunftige Rolle fur Mensch und
Maschine - Cyborgs
Fazit
Quellenverzeichnis
Einleitung
Die Kybernetik ist ein relativ schwer definierbarer Begriff, den Norbert Wiener gepragt hat. Ihre Bedeutung fur die Wissenschaft ist jedoch unbestreitbar, Erich Horl bezeichnet die Kybernetik sogar als eine der „vier Krankungen der Menschheit“, neben der Evolutionsbiologie Darwins, der Psychoanalyse Freuds und Kopernikus' Weltbild.1 Als Norbert Wiener 1948 sein Buch „Kybernetik - Regelung und Nachrichtenubertragung im Lebewesen und in der Maschine“ veroffentliche, war sein Ziel Rechenmaschinen zu entwickeln, die Differentialgleichungen selbststandig also ohne „menschliches Eingreifen vom Zeitpunkt der Dateneingabe bis zur Auslieferung der Endresultate“2 bearbeitet.
In Anbetracht vom Ende des Zweiten Weltkrieges und der einhergehenden politischen Spannungslage sowie der Entwicklung elektrischer Netzwerke war dies auch von Noten, um den technischen Erneuerungen und Waffen mithalten zu konnen.3 Ein wichtiger Bestandteil, wenn nicht sogar die Neuheit in der Entwicklung der neuen Technik ist das Feedback bzw. die Ruckkopplung. Das Prinzip des Feedbacks als epistemische Erschutterung verandert grundlegend das Verhaltnis zwischen Mensch, Natur und Maschine. Die Beziehung zwischen diesen Systemen kann demnach als zirkular beschrieben werden, was dem Prinzip des Feedbacks zugrundeliegt.
Ziel dieser vorliegenden Arbeit ist es demnach die Bedeutung von Feedback zu Hohepunkt der Kybernetik in den 30er bis 70er Jahren zu beschreiben und dabei das Werk Wieners mit dem sogenannten Projekt SEEK des MIT auf diese Zirkularitat zu analysieren. Zuerst mochte ich den Begriff Kybernetik und Feedback bzw. Ruckkopplung sowie die Forschungsziele der Anfangszeit der Kybernetik beschreiben.Die Anwendung der Kybernetik kann in technischen und nichttechnischen Systemem stattfinden, die es zu definieren gilt, um das Projekt SEEK zu verstehen. Zudem mochte ich als Ausblick den Begriff Cyborg, der als Beispiel die Grenze zwischen Mensch und Maschine unlangst verschwimmen lasst, andeuten, um die Nachhaltigkeit der kybernetischen Forschungsarbeit aufzuzeigen.
Forschungsstand
Der Beginn der Kybernetik liegt in den dreiftiger Jahren und wurde eingeleitet durch Norbert Wiener mit seinem Werk „Kybernetik - Regelung und Nachrichtenubertragung im Lebewesen und in der Maschine.“ Die Kybernetik wurde erstmals auf der Macy Konferenz 1948 relevant, als Forscher_innen sich zusammentrafen, um erstmalig zirkulare Feedbackmaschinen zu diskutieren. Dabei wurde die Funktionsweise automatisierter Maschinen und des menschliche Nervensystems verglichen und daraus eine Theorie entwickelt, um den gesamten Bereich der Steuerung und Kommunikation in Maschinen und lebenden Organismen abzudecken.
Daneben war Wieners Ziel in Anbetracht des Zweiten Krieges die Zielsicherheit der Luftwaffen zu verbessern mit Hilfe von Feedbacksystemen.4 Die Kybernetik war bis zu den siebziger Jahren ein Trend, der schnell wieder in Vergessenheit gerat, ohne dabei ihren weitreichenden Einfluss auf andere Disziplinen zu verlieren. „Heute also wird die Kybernetik nicht langer erst Epoche gemacht haben, sondern hat ihre Epoche schon hinter sich.“5 So beschreibt Bernhard J. Dotzler, dass von der Kybernetik heute nicht mehr als die Vorsilbe Cyber-, wie in Cyberspace, Cyberfiction etc. ubrig geblieben ist.6 Nichtsdestotrotz hat die Kybernetik viele Bereiche der Geistes- und Naturwissenschaften beeinflusst und ihre Prinzipien wie die der Ruckkopplung und der Nachrichtenubertrag gepragt.
Definition der Kybernetik
Kybernetik wurde als Begriff gepragt, um einen neuen Wissenschaftsbereich zu definieren. Unter einer einzigen Uberschrift vereinigt er die Erforschung dessen, was im Zusammenhang mit dem Menschen manchmal als Steuerung und Kommunikation bekannt ist. Mit anderen Worten unternimmt die Kybernetik den Versuch, gemeinsame Elemente in der Funktionsweise automatischer Maschinen und des menschlichen Nervensystems aufzufinden und eine Theorie zu entwickeln, die den gesamten Bereich von Steuerung und Kommunikation in Maschinen und lebenden Organismen abdeckt.7 Das Wort Kybernetik kommt aus dem griechischen ,kybernetike‘, was so viel wie ,Steuerkunde‘ bedeutet.8 Das Grundkonzept der Kybernetik sind ruckgekoppelte Regelungssysteme, was sich vor allem in der Antike in der Ruderanlage eines Schiffes wiederfindet.
Karl Steinbuch sagt, unter „ ,Kybernetik‘ wird einerseits eine Sammlung bestimmter Denkmodelle (der Regelung, der Nachrichtenubertragung und der Nachrichtenverarbeitung und andererseits deren Anwendung zwischen technischen und auftentechnischen Bereich verstanden.“9 Regelungen und Nachrichtenubertragungen gab es auch schon vor der Kybernetik, die mit der Einfuhrung als Uberbegriff dieser fungiert. Das neue ist jedoch genau diese Zusammenfuhrung technischer und nichttechnischer Systeme. Sie lasst sich nur schwer definieren, da sie einiges abdeckt, was mit anderen Wissenschaften gleich ist. Das besondere der Kybernetik liegt daher nicht in der Beschreibung technischer Systeme, sondern in denen der nichttechnischen.10
Feedback/Ruckkopplung nach Wiener
Die Kybernetik beinhaltet die ,Idee der Zirkularitat‘. Sie ist das Resultat des sogenannten Feedbacks, was einer der Hauptmerkmale der Kybernetik ist. An Steller geradlinig-kausaler Erklarungen wirken diese zirkular. Am besten lasst sich dies durch einen Regelkreis verdeutlichen. Die Kybernetik der sogenannten ersten Ordnung wurde hier einen einfachen Regelkreis beschreiben, der in der Regel ein technisches Ruckkopplungssystem beinhaltet. Das klassische Modell der Kommunikation von Claude E. Shannon und Weaver ware hierbei ein Beispiel, das die folgenden Elemente enthalt: 1. Quelle/ Source; 2. Transmitter/Ubersender/Encoder; 3.Nachricht/Message; 4.Kanal; 5.Decoder; 6.Empfanger und 7. Storquelle/Noise.11 Dabei hat die Nachricht ihre Quelle auf der Seite des Senders und wird dort kodiert und ubertragungsfahig gemacht. Die Information wird durch einen Kanal ubertragen und beim Empfanger entschlusselt bzw. dekodiert. Erst durch das Feedback entsteht ein in sich schlieftendes System, das direkt nachdem der Empfanger die Information erhalten hat, wieder an die Quelle, also dem Sender zuruckgesendet wird. Dieses Modell wird bei jeglicher Kommunikation zum Beispiel zwischen zwei Menschen beobachtet. Sobald Person A sich mit Person B unterhalt, ist die Entkodierung des Gesagten fur das Verstandnis relevant, um eine adaquate Antwort zu geben. Das Bedeutet, dass anstatt isolierte Objekte Relationen betrachtet werden. Die Verschiebung dieser Sichtweise leitet einen Paradigmenwechsel ein, da dadurch Machtstrukturen aufgebrochen werdend.
Norbert Wiener beschreibt in seinem Buch, wie diese zirkularen Prozesse in der Physiologie, Technik und auch Psychiatrie Anwendung finden konnen. Er beschreibt zudem die mechanische Ruckkopplung am Beispiel des Thermostats zur Regulierung der gewunschten Raumtemperatur.12 Bei dieser ist eine Einstellvorrichtung, also ein Soll-Wert eingerichtet. Wenn die tatsachliche Temperatur, also der Ist-Wert, unter diesem gewunschten Wert liegt, wird ein Apparat in Gang gebracht, der den Heizol-Zufluss so beeinflusst bzw. erhoht, dass die gewunschte Temperatur erreicht wird. Ruckkopplungen werden jedoch nicht nur in der Mechanik verwendet, man findet diese auch in Lebewesen, wie beim menschlichen Korper. Beispielsweise muss das Gehirn die Temperatur des Korpers regulieren, um alle Korperfunktionen aufrechtzuerhalten. Diese werden nicht bewusst ausgeubt. Hierbei ist die Informationsubertragung zum sogenannten Regelzentrum entscheidend. Im jedem Regelkreis ist dieses Regelzentrum anders und muss definiert werden. „
Einfache Regelkreise sind linear: Der Ausgang eines Effektors ist ein linearer Ausdruck des Eingangs, und wenn wir Eingange addieren, so addieren sich auch die Ausgange. Der Ausgang wird durch irgendeinen Apparat gleichermaften linear abgelesen. Diese Ablesung wird einfach vom Eingang subtrahiert.13
Die Ruckkopplung kann mehrere Formen annehmen, wie zum Beispiel die doppelte Regelungs-Ruckkopplung wie bei der automatischen Schiffssteuerung oder die posturale Ruckkopplung, in der mehrere Ruckkopplungen verbunden sind, da eine nicht reicht, um z.B. die Korperfunktion in Lebewesen zu stabilisieren.14
Die groftte Schwierigkeit jedoch besteht in der sogenannten ,Voreilruckkopplung‘, die sowohl bei der Berechnung der neuen Luftwaffen bedacht werden muss, als auch bei allen Verbindungen mit nichttechnischen Systemen, sprich Lebewesen. Dabei wird ein sogenannter Kompensator oder auch Pradikator/Voreilgerat gebaut, durch diesen die Ruckkopplungsentnahme nach der Verarbeitung der Information versucht die Wirkung des Effektormechanismus zu beschleunigen. Die Schwierigkeit besteht also darin, dass keine prazise Berechnung vorweggenommen werden kann. Durch die Ruckkopplung und mehreren Wiederholungen wird jedoch versucht, eine Konstante bzw. Stabilitat zu berechnen, die dadurch ein voreiliges Ergebnis ermoglicht. Da es sich hierbei um Wahrscheinlichkeiten handelt, kann trotz der mechanischen Leistung keine Garantie gewahrleistet werden, wie diese bei menschlichen und tierischen Reflexe der Fall ist. „Diese informative Ruckkopplung und die Beispiele von Ruckkopplungen mit Kompensatoren [...] sind nur Spezialfalle einer sehr komplizierten Theorie, einer Theorie, die noch unvollstandig ist.“15 Ein Beispiel hierfur beschreibt Wiener bei der Jagd. Beim Zielen auf das Tier kann mit der Waffe nicht der genaue Standpunkt anvisiert werden, sondern nur die Position, in der sich das Tier wenige Sekunden nach Abschuss wahrscheinlich befindet.
Lernende und sich selbstreproduzierende Maschinen
Die bereits beschriebene zirkulare Wirkung durch Ruckkopplung konnen bestimmte Verhaltensweisen in Systemen beeinflussen und bilden die Grundlage von selbstreproduzierenden/selbstorganisierenden Systemen. Wiener sieht in der Fahigkeit zu lernen und die Fahigkeit sich selbst zu reproduzieren als Merkmale lebender Systeme.16 Erst durch die Lernfahigkeit des Tieres kann es sich im Verlauf seines Lebens an seine Umwelt anpassen. Dabei unterscheidet er zwischen phylogenetischen Lernen und ontogenetischen Lernen. Ersteres betrifft die Merkmale, die bei der Vererbung weitergegeben und durch Mutation verandert werden. Nach der Evolutionstheorie Darwins werden die Verhaltensweisen und physiologischen Merkmale weiterbestehen, die sich besser an die Umwelt anpassen.17
Durch Menschen geschaffene Maschinen konnen laut Wiener lernen und sich selbst reproduzieren, was jedoch sehr kompliziert ist. Um beispielsweise einen Computer zu programmieren, der Meisterschach spielen kann, musste eine Programmierung erster Ordnung, die linear verlauft, und eine Programmierung zweiter Ordnung, die im hochsten Grade nichtlinear verlauft, kombiniert werden. Nichtlinear bedeutet, dass mit Hilfe Ergebnisse aus der unmittelbaren Vergangenheit fur die Vorhersage eines zukunftigen Ereignisses ermittelt werden soll.
„Im allgemeinen operiert eine lernende Maschine mit nichtlinearen Ruckkopplungen.“18 Auch hier wird die (voreilige) Ruckkopplung und ihre Bedeutung ersichtlich. Passend dazu entwickelte Humberto R. Maturana den Begriff des autopoietschen Systems, das lebende Systeme einschlieftt, die nicht zwingend biologischer Natur sind. Die Selbstorganisation wird bei Maturanas primar in den Blick genommen. In diesen Systemen unterscheiden sich nicht lebendige Systeme und lebendige nicht voneinander. Sie haben gemeinsam, dass sie sich immer wieder selbstorganisierten und reproduzieren. Selbstproduktion meint damit, dass dass in einem geschlossenen System Elemente aus dieser Raumlichkeit verwendet wird, um wieder neue Elemente herzustellen, aus denen Sie bestehen.
Autopoietische Systeme sind operativ geschlossene Systeme, die sich in einer 'basalen Zirkularitat' selbst reproduzieren, indem sie in einer bestimmten raumlichen Einheit die Elemente, aus denen sie bestehen, in einem Produktionsnetzwerk wiederum mit Hilfe der Elemente herstellen, aus denen sie bestehen.19
Wie bereits beschrieben, unterscheidet man zwischen ,abgeschlossenen‘ und geschlossenen' Systemen, wobei biologische und psychologische wohl nie abgeschlossen sind, da „deren Objekte stets in einem Energie- und Informationstausch mit der Umwelt stehen“.20 Nichttechnische Systeme waren z.B. die Regelung der Korpertemperatur, der Korperhaltung oder der Blutzuckerkonzentration.
Die Kybernetik versucht sich also mit der Annaherung an nichttechnische Systeme die Dichotomie zwischenTechnik und Natur aufzutrennen und als gleichwertig zu betrachten. Das eine scheint dem anderen nicht mehr so unahnlich, sie funktionieren auf gleiche Art und Weise, wenn auch mit unterschiedlichen Problemen, die mit ihnen und ihrer Konzepte aufkommen. Karl Steinbuch konstatiert, dass mit dem Bau solcher Modelle „wir uns der Auftenwelt [nahern]“.21 Obwohl wir mit unserer Erkenntnis an Grenzen stoften und uns die biologische Aufbauweise mit der technischen nur annahern konnen, bleibt eine stetige Entwicklung nicht aus.
Die Anpassung mechanischer Systeme, die mit Hilfe eines Computers ausgefuhrt werden und eines lebendigen Organs, das sich selbst reguliert ist hier schon deutlich zu sehen. Die Grenzen verschwimmen zunehmend. Der Versuch eines Zusammenspiels zwischen technischen und nichttechnischen Systemen mochte ich im nachsten Kapitel anhand des Beispiels SEEK aufzeigen.
Beispiel Projekt SEEK
Das Projekt ,SEEK‘ war Teil der Ausstellung „SOFTWARE - information technology: its new meaning for art.“, die vom 16.September - 8.November 1970 im Jewish Museum in New York gezeigt wurde. Die Ausstellung beschaftigte sich mit der Beziehung zwischen den Besucher*innen und den Ausstellungsstucken und will auf das in den 60er Jahren popular gewordene Thema „Informationsverarbeitungssysteme“ aufmerksam machen. In der Ausstellung ging es nicht primar darum zu definieren was Kunst ist oder nicht. Viel mehr interessiert Kurator Jack Burnham sich fur eine Kunst, die die zugrundeliegenden Strukturen der Kommunikation untersucht und sich nicht wie in der formalistischen Methode fur auftere Betrachtungsweise eines Kunstwerkes, wie z.B. Struktur, Linienfuhrung, Farbe usw. beschaftigt. Seine These lautet also, dass Computer und andere Telekommunikationsgeraten das Bewusstsein fur Asthetik erneuern und auf nie dagewesene Weise erweitern, indem sie dem Zuschauer*innen die Interaktion mit den gegebenen Informationen/ Konzepten uberlassen.22 Auch bei dem Projekt ,SEEK'23 wurde der Frage nachgegangen, ob ein Computer so programmiert werden kann, so dass er auf ein unerwartetes Ereignis in seiner Umwelt reagiert. Dieser Aufgabe stellten sich die Architecture Machine Group des MIT, darunter Professor und Leiter Nicholas Negroponte sowie weitere Studierende der Bereiche Design, Architektur, Stadtplanung, Elektrotechnik und Programmierung. Dabei wurde eine ca. 150cm x 250 cm grofte Plexiglasbox aufgestellt, in der sich mehrere Wustenrennmause sowie 500 kleine Metallblocke befinden. In das Computerprogramm wurde ein 3D Plan dieser ,artifiziellen Stadt' eingespeichert. Die Aufgabe war es, die Box zu scannen, zu vergleichen und nach diesen 3D Plan intakt zu halten. Mit einem beweglichem Arm uber der Ausstellung konnten die Blocke mit Hilfe von Elektromagneten neu angeordnet und verschoben werden. Die Wustenrennmause brachten wahrend des Versuchs die Steine immer wieder durcheinander, sodass dies zu einer Diskrepanz zwischen dem eingespeichertem Plan und der Realitat fuhrte. Das eigentliche Ziel war es, das Programm selbststandig lernen und vorausberechnen zu lassen, welche Blocke die Wustenrennmause zerstoren oder verschieben werden. SEEK testet also die Interaktion zwischen zwei intelligenten Systemen in einem geschlossenen „Feedback Loop“. Es sollte also nicht nur durch Codierung funktionieren, sondern mit Hilfe eines kybernetischen Modells. Jedoch schneidet das Computerprogramm relativ schlecht ab, da es nicht fahig ist sich an die Umwelt zu adaptieren, die die Wustenrennmause immer wieder verandern. Einer der groftten Schwierigkeiten fur Computerprogramme besteht darin auf ein nicht-programmiertes Verhalten zu reagieren. Dadurch ging das eigentliche Ziel Negropontes verloren, der ein Programm entwickeln wollte, das bei einer Stadt(- planung) Hilfe leisten soll, indem mit den Bewohnern per Feedback kommuniziert wird.
Am Beispiel von SEEK wird das Problem der Berechnung ersichtlich, da keine prazise Berechnung vorweggenommen werden kann, da die Tiere die Wurfel willkurlich verschieben. Das Projekt verbindet nichttechnische Systeme (die Wustenrennmause) und technische Systeme (das Computerprogramm SEEK) in einem geschlossenen Raum, das als eines der ersten Beispiele uberhaupt fur die Vermischung beider Systeme und Gegenuberstellung/Gleichstellung dient. Auch wenn das Ergebnis nicht wie gewunscht ausgefallen ist, ist einer der ersten Versuche Systeme miteinander zu verbinden. Dabei wurden die typischen Merkmale der Ruckkopplung verwendet. Sowohl ein Ist-Wert als auch Soll-Wert wird permanent ermittelt, um mit Hilfe von Berechnungen als Voreilruckkopplung als Wahrscheinlichkeit vorauszusagen.
Ausblick auf die zukunftige Rolle fur Mensch und Maschine - Cyborgs
Als weiteres Beispiel kann die24 Cyborg angesehen werden, die als Mischung aus Mensch und Maschine die Grenzen verwischt und als vollkommen eigenstandige Entitat sich selbst regulieren und selbst produzieren kann. Wie bereits eruiert, wurde durch die Ruckkopplung ein Modell der Steuerung erschaffen, dass sich selber steuert. Dabei wurde am Anfang der Kybernetik das Gehirn und der Korper eines Lebewesen mit einer Maschine verglichen, die sich durch Soll und Ist-Werten reguliert. Der nachste Schritt war es ein Modell zu erfinden, das sowohl lebendige Systeme als auch nichtlebendige in einem System zu verbinden, das sich gegenseitig beeinflusst und reguliert. Die Maschine SEEK ist jedoch gescheitert, da die Rennmause fur den Computer nicht berechenbar war und somit die Ruckkopplung nicht ideal funktioniert hat.
Wie Wiener bereits beschreibt, ist Stabilitat eine Grundvoraussetzung fur eine einwandfreie Ruckkopplung. Die Technik versucht bis heute noch diese zu integrieren, um auf den Nutzer bestmoglich einzugehen, wie Beispiel bei Nutzer_innen und ihren Smartphones, Werbung usw. Gehen wir mit den Gedankenspiel weiter, wie bei Donna Haraway, sehen wir uns in der utopischen Welt der Cyborgs. Sie sagt, dass wir bereits Cyborgs sind, eine Synthese zwischen Mensch und Maschine.25 Die Maschinen sind also in unser alltaglichen Leben bereits integriert und wir konnen gar nicht mehr ohne sie leben. Grunde hierfur sind zum einen der Kapitalismus, als auch samtliche Kriege, die gefuhrt wurden. Wiener beschreibt selbst, dass er auf Idee der Kybernetik kam, um die Flugartellerie zu verbessern.
Auch wenn die Kybernetik als Disziplin heutzutage in Vergessenheit geraten ist, so bleibt sie nicht irrelevant. Im Gegenteil, Informationsubertragungen und Regelungseinheiten wie sie aufzeigt wurden, werden bis heute noch verwendet und bleiben erhalten. Wiener warnt in seinem Text ,Die Zukunft der Automaten‘ vor einer parallelen Gesellschaft der Maschinen, die die Menschen uber sich Stellen und das Denken und Arbeiten der Menschen ubernehmen. Obwohl er die Schwierigkeit in der Ubertragung von menschlichen Werten, Lernverhalten und ahnlichem sieht, was schon bei einer einfachen Ubersetzung der von einer Sprache in eine andere zu sehen ist, bleibt er dessen ungeachtet skeptisch und pladiert fur ein verantwortungsvolles Handeln.26 Dass es ca. 70 Jahre spater bereits Ubersetzungsmaschinen gibt, die durchaus in der Lage sind sinnvoll zu ubersetzen, widerspricht dieser Angst laut Wiener nicht. Die Furcht vor der Ubernahme kunstlicher Intelligenzen bewahrt sich bis heute anhand zahlreicher Literatur und Filme.
Ich denke, dass die Kybernetik und ihre Denkansatze ein Teil zu dieser Auflosung der Grenzen beigetragen hat, die ich nicht als positiv oder negativ zu deuten vermag. Erich Horl konstatiert, dass die Kybernetik auf die „Unhaltbarkeit einer Sonderstellung des Menschen verweist, [...] indem sie das Denken nicht mehr ausschlieftlich dem Menschen vorbehalten betrachtet.“27 Der Mensch befindet sich demnach nicht mehr als Position des Denkers, Erfinder und Herrscher der Welt, sondern als ein integraler Bestandteil von Systemen, die mit Hilfe von Feedback gesteuert werden.
Fazit
Die Kybernetik wurde als Disziplin in den 20er /30er Jahren bis zu den 70er popular und verschwand danach abrupt aus dem Mittelpunkt der Wissenschaft. Nichtsdestotrotz hat sie mit einem ihrer Hauptmerkmale das Feedback bis heute ein grundlegendes Paradigmawechsel eingeleitet, dass gewisse Machtstrukturen zwischen Natur, Mensch und Maschine aufgebrochen hat.
Auch wenn die Kybernetik relativ schwierig zu definieren ist, hat sie als Uberbegriff der Regelsysteme Anwendung in der Gesellschaft, Natur, Technik und auch der Wirtschaft gefunden.28 Sie bietet eine Moglichkeit fur das Verstandnis von geschlossenen und offenen Systemen, in denen wir tagtaglich bewusst oder auch unbewusst leben, und gibt Erklarungsversuche fur verschiedene Problematiken, sowie Verbindungen von technischen und nichttechnischen Systemen und ihre Vereinbarkeit. Die Kybernetik brachte nachhaltig in den Natur- und Geisteswissenschaften neue Denkanstofte fur die Entwicklung neuer Denkmodelle. Sie erlaubt es unkontrollierbare, naturliche Dynamiken zu kontrollieren und zu steuern. Dabei ist die automatisierte von selbst gesteuerte Voreinstellung notwendig. Der Eigenwert oder Ist-Wert, der im Realzustand gemessen wird, soll in den sogenannten ,Sollwert‘, der erwunschte Wert, nachdem sich die Selbstregulierung richten soll. Anhand des Beispiels SEEK und den Wustenrennmausen wurde die Schwierigkeit dieser Vereinbarkeit sichtlich. Geht man im Gedankenspiel weiter, so ist das Beispiel Cyborg ein nicht zu utopisches Konstrukt, wie der Mensch im Zusammenspiel mit Technik gedacht werden kann. Letztendlich wird das Feedbackmodell bis heute und vermutlich in Zukunft noch in verschiedenen Disziplinen angewandt, auch wenn die Kybernetik nicht mehr relevant zu scheinen vermag.
Quellenverzeichnis
-Hagner, Michael; Horl, Erich: Die Transformation des Humanen : Beitrage zur Kulturgeschichte der Kybernetik. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2008.
-Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur: Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 1995.
-Kuppers, E.W. Udo: Kybernetische Systeme in der Praxis. in: Eine transdisziplinare Einfuhrung in die Welt der Kybernetik. Grundlagen,Modelle, Theorien und Praxisbeispiele. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag, 2019.
-Maturana, Humberto R.: Erkennen. Die Organisation und Verkorperung von Wirklichkeit. Braunschweig: Fried. Vieweg& Sohn, 1982.
-Negroponte, Nicholas: Life in a computerized environment. The Architecture Machine Group M.I.T SEEK 1969-1970. in: Ausstellungskatalog Software. Information Technology: it's New Meaning for Art (16 Sept. - 8.Vov.1968, The Jewish Museum New York). New York, 1968.
-Shannon, Claude Elwood; Weaver, Warren: Mathematische Grundlagen der Informationstheorie. Munchen: Oldenbourg, 1976.
-Skrebowski, Luke: All Systems Go: Recovering Jack Burnam's ,System Aestetics‘. in: Tate's online Researchjournal unter: https://www.tate.org.uk/ search?q=Luke%20skrebowski [zuletzt geoffnet 15.03.2020].
-Steinbuch, Karl: Automat und Mensch. : Kybernetische Tatsachen und Hypothesen. Dritte Auflage, Berlin/ Heidelberg/ New York: Springer-Verlag, 1965.
-Wiener, Norbert: Futurum Exactum. Ausgewahlte Schriften zur Kybernetik und Kommunikationstheorie. Hrsg.v. Dotzler,Bernhard, Berlin, Heidelberg: Springer, 2002.
-Wiener, Norbert: Kybernetik. Regelung und Nachrichtenubertragung im Lebewesen und in der Maschine. Zweite Auflage, Dusseldorf und Wien: Econ-Verlag, 1963.
[...]
1 Hagner, Michael; Horl, Erich: Die Transformation des Humanen : Beitrage zur Kulturgeschichte der Kybernetik. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2008, S.10.
2 Wiener, Norbert: Kybernetik. Regelung und Nachrichtenubertragung im Lebewesen und in der Maschine. Zweite Auflage, Dusseldorf und Wien: Econ-Verlag, 1963, S.29.
3 Ebd., S.28.
4 Wiener, Kybernetik, S. 28-31.
5 Wiener, Norbert: Futurum Exactum. Ausgewahlte Schriften zur Kybernetik und Kommunikationstheorie. Hrsg.v. Dotzler,Bernhard, Berlin, Heidelberg: Springer, 2002, S.4.
6 Ebd., S. 4.
7 Wiener, Futurum Exactum, S.15.
8 Steinbuch, Karl: Automat und Mensch. : Kybernetische Tatsachen und Hypothesen. Dritte Auflage, Berlin/ Heidelberg/ New York: Springer-Verlag, 1965, S. 322.
9 Ebd., S. 325.
10 Ebd., S.326.
11 Vgl. Shannon, Claude Elwood; Weaver, Warren: Mathematische Grundlagen der Informationstheorie. Munchen: Oldenbourg, 1976, S.7.
12 Wiener, Kybernetik, S. 147.
13 Wiener, Kybernetik, S.148.
14 Ebd., S.160.
15 Wiener, Kybernetik, S.169.
16 Ebd., S.241.
17 Ebd., S.241.
18 Wiener, Kybernetik, S.247.
19 Maturana, Humberto R.: Erkennen. Die Organisation und Verkorperung von Wirklichkeit. Braunschweig: Fried. Vieweg& Sohn, 1982, S.58.
20 Steinbuch, Automaten und Menschen, S.330.
21 Steinbuch, Automaten und Menschen, S.327.
22 Skrebowski, Luke: All Systems Go: Recovering Jack Burnam's ,System Aestetics‘. in: Tate's online ResearchJournal unter: https://www.tate.org.uk/search? q=Luke%20skrebowski [zuletzt geoffnet 15.03.2020] S.7.
23 Negroponte, Nicholas: Life in a computerized environment. The Architecture Machine Group M.I.T SEEK 1969-1970. in: Ausstellungskatalog Software. Information Technology: it's New Meaning for Art (16 Sept. - 8.Vov.1968, The Jewish Museum New York). New York, 1968, S.23.
24 Donna Haraway nutzt den Artikel ,die‘ in dem Fall, um ihre feministische Position hervorzuheben.
25 Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur: Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 1995, S. 36.
26 Wiener, Kybernetik, S. 211.
27 Horl, Transformation des Humanen, S. 10.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Hauptthema des Textes?
Der Text behandelt die Kybernetik, insbesondere die Bedeutung von Feedback/Rückkopplung in den 1930er bis 1970er Jahren. Es wird das Werk von Norbert Wiener analysiert und mit dem Projekt SEEK des MIT in Bezug auf Zirkularität untersucht. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf die zukünftige Rolle von Mensch und Maschine in Form von Cyborgs gegeben.
Wer war Norbert Wiener und welche Bedeutung hat er für die Kybernetik?
Norbert Wiener war ein Mathematiker und Kybernetiker, der den Begriff Kybernetik geprägt hat. Sein Buch "Kybernetik - Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine" aus dem Jahr 1948 gilt als grundlegend für das Feld. Wiener zielte darauf ab, Rechenmaschinen zu entwickeln, die Differentialgleichungen selbstständig bearbeiten können, und legte den Fokus auf Feedbacksysteme.
Was versteht man unter Feedback oder Rückkopplung im Kontext der Kybernetik?
Feedback oder Rückkopplung ist ein zentrales Konzept der Kybernetik. Es beschreibt einen zirkulären Prozess, bei dem die Ausgabe eines Systems als Eingabe zurückgeführt wird, um das System zu steuern oder zu regulieren. Dieses Prinzip verändert das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Maschine grundlegend und ermöglicht selbstregulierende Systeme.
Was war das Projekt SEEK und welchen Zweck hatte es?
Das Projekt SEEK war ein Projekt der Architecture Machine Group des MIT, das im Rahmen der Ausstellung "SOFTWARE - information technology: its new meaning for art" im Jahr 1970 vorgestellt wurde. Das Projekt umfasste eine Plexiglasbox mit Wüstenrennmäusen und Metallblöcken. Ein Computerprogramm sollte die Box scannen, einen eingespeicherten 3D-Plan aufrechterhalten und auf Veränderungen durch die Mäuse reagieren. Das Ziel war es, ein selbstlernendes Programm zu entwickeln, das die Interaktion zwischen zwei intelligenten Systemen in einem geschlossenen Feedback-Kreislauf testet.
Was sind lernende und sich selbst reproduzierende Maschinen im kybernetischen Kontext?
Wiener betrachtete die Fähigkeit zu lernen und sich selbst zu reproduzieren als Merkmale lebender Systeme. Lernende Maschinen nutzen nichtlineare Rückkopplungen, um sich an ihre Umgebung anzupassen. Humberto Maturana entwickelte den Begriff des autopoietischen Systems, das lebende und nicht-lebende Systeme umfasst, die sich selbst organisieren und reproduzieren.
Was ist ein Cyborg und welche Rolle spielt er in der Diskussion um Kybernetik und die Zukunft von Mensch und Maschine?
Ein Cyborg ist eine Mischung aus Mensch und Maschine, die die Grenzen zwischen beiden verwischt. Cyborgs können als eigenständige Entitäten betrachtet werden, die sich selbst regulieren und produzieren. Donna Haraway argumentiert, dass wir bereits Cyborgs sind, da Maschinen in unser tägliches Leben integriert sind. Der Cyborg dient als Beispiel für die Verschmelzung von Mensch und Technologie und wirft Fragen nach der Zukunft unserer Spezies auf.
Welche Kritik und Warnungen äußerte Norbert Wiener bezüglich der Kybernetik und Automatisierung?
Wiener warnte vor einer parallelen Gesellschaft der Maschinen, die die Menschen über sich stellen und ihre Aufgaben übernehmen könnten. Er betonte die Schwierigkeit, menschliche Werte und Lernverhalten auf Maschinen zu übertragen, und plädierte für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Automatisierung.
Welche Bedeutung hat die Kybernetik heute, obwohl sie als Disziplin in den Hintergrund getreten ist?
Obwohl die Kybernetik als eigenständige Disziplin weniger präsent ist, haben ihre Prinzipien und Konzepte, insbesondere das Feedback, einen nachhaltigen Einfluss auf verschiedene Bereiche wie Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Technik und Wirtschaft. Sie bietet ein Rahmenwerk für das Verständnis von Systemen und deren Steuerung und hat zur Auflösung von vermeintlichen Gegensätzen zwischen Natur, Mensch und Maschine beigetragen.
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- Anonym (Author), 2018, Die Bedeutung kybernetischer Feedbackmodelle für technische und nicht-technische Systeme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1043184