Ziel dieser Arbeit ist es zu prüfen, ob Unternehmerrisiko versicherbar ist und wie es versichert werden kann. Basierend auf einem breiten Verständnis des Unternehmerrisikos sollen Problemfelder identifiziert und Vorgehensweisen beschrieben werden, wie Unternehmerrisiko versichert werden kann. Dies soll eine Entscheidung über Versicherbarkeit ermöglichen, um die Ergebnisse abschließend anhand einer Fallstudie zu überprüfen.
Der Aufbau der Arbeit spiegelt diese Herangehensweise wider. Zunächst wird eine Bestimmung des Begriffs Unternehmerrisiko vorgenommen, bevor etablierte Risikokategorien bemüht und die Träger des Risikos identifiziert werden. Anschließend folgt eine kurze Einführung in Zweck und Bedeutung von Versicherung, wonach Versicherbarkeit aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird. Dabei wird überprüft, welche Kriterien der Versicherbarkeit bei Unternehmerrisiko nicht erfüllt sind. In Kapitel vier werden Lösungswege für die zuvor identifizierten Problemstellungen erarbeitet und somit versucht, die Grenzen der Versicherbarkeit von Unternehmerrisiko zu erweitern. Schließlich wird in Kapitel fünf ein konkretes Fallbeispiel beleuchtet, auf das die erarbeiteten allgemeinen Erkenntnisse und Herangehensweisen angewendet und dabei überprüft werden sollen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Unternehmerrisiko
2.1 Begriffsbestimmung Unternehmerrisiko
2.1.1 Begriffsbestimmung Risiko
2.1.2 Unternehmerrisiko im weiteren Sinne
2.1.3 Versicherungswissenschaftliches Verständnis
2.1.4 Synthese und Definition
2.2 Einordnung in Risikokategorien
2.2.1 Reines vs. spekulatives Risiko
2.2.2 Kern- vs. Randrisiko
2.3 Träger des Unternehmerrisikos
2.3.1 Grundlagen der Risikotragung
2.3.2 Finanzierungsstruktur
2.3.3 Mehrwert von Versicherung
2.3.4 Allokation von Unternehmerrisiko auf Träger
2.3.5 Synthese und Anwendung auf Unternehmerrisiko
3. Versicherung und Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos
3.1 Versicherung
3.1.1 Begriffsbestimmung
3.1.2 Funktion der Versicherung
3.1.2.1 Mikroökonomische Ebene
3.1.2.2 Makroökonomische Ebene
3.2 Versicherbarkeit
3.2.1 Begriffsbestimmung
3.2.2 Marktlogik
3.2.3 Kapitalmarktlogik
3.2.4 Versicherungstechnische Logik
3.2.5 Synthese
3.3 Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos gemäß etablierter Kriterien der Versicherungstechnik
3.3.1 Herangehensweise
3.3.2 Größe
3.3.3 Eindeutigkeit
3.3.4 Schätzbarkeit
3.3.5 Unabhängigkeit
3.3.6 Zufälligkeit
3.3.7 Synthese
4. Lösungsansätze zur Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos
4.1 Herangehensweise
4.2 Änderungsrisiko 3
4.3 Kumulkontrolle
4.4 Beeinflussbarkeit und Moral Hazard
4.4.1 Begriffsbestimmung Moral Hazard
4.4.2 Vermeidung eines Interessenkonflikts
4.4.2.1 Principal-Agent-Beziehung im Versicherungskontext
4.4.2.2 Principal-Agent-Beziehung im Unternehmenskontext
4.4.2.3 Einbezug langfristiger Anreize
4.4.2.4 Geschäftsmodell als Anreiz: Reputation
4.4.3 Einbezug von Monitoring
4.4.4 Vorgehensweise bei internem Moral Hazard
4.4.5 Externes Moral Hazard
4.4.6 Externe Einflüsse
4.4.7 Synthese
5. Fallstudie
5.1 Risikobeschreibung
5.2 Versicherbarkeitsprüfung
5.2.1 Größe und Eindeutigkeit
5.2.2 Schätzbarkeit und Änderungsrisiko
5.2.3 Unabhängigkeit und Kumulkontrolle
5.2.4 Zufälligkeit und Moral Hazard
5.3 Synthese
6. Fazit
6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
6.2 Würdigung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Herangehensweise für den Umgang mit internem Moral Hazard
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vorläufige Bewertung der Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos anhand des bestehenden Kriterienkatalogs
Tabelle 2: Maßnahmen zur Vermeidung internen Moral Hazards
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Im Risikomanagement existiert eine Zweiteilung der Risiken in nicht versicherbare Risiken, die von Unternehmen selbst zu tragen sind, und versicherbare Risiken, die transferiert werden können. BRÜHWILER et al. schreiben in diesem Zusammenhang von einem Dualismus im Risikomanagement, den es zu überwinden gilt.1 Dabei gilt es in der Versicherungswirtschaft schon lange als Gegebenheit, dass die als ureigen unternehmerisch angesehenen Risiken nicht versicherbar sind.2 Während sich die Versicherungswirtschaft als Risikopartner der Unternehmen darstellt, lässt sie die Unternehmen bei Unternehmerrisiko allein. Während dieses Dogma der Nicht-Versicherbarkeit u. a. für Terror- oder Nuklearrisiken überwunden wurde, steht dieser Schritt bei Unternehmerrisiko noch aus.3
Um die Rolle als vollumfänglicher Partner der Unternehmen im Risikomanagement verlässlich auszufüllen ist es unerlässlich, auch Möglichkeiten in diesem traditionell nicht versicherten Risikofeld anzubieten. Unternehmerrisiko ist für Unternehmen ein schwerwiegender Bestandteil des selbstgetragenen Risikos, das Kapital bindet und Handlungsmöglichkeiten reduziert. Versicherungslösungen in diesem Bereich können daher einen großen Beitrag dazu leisten, Kapital effizienter einzusetzen und Handlungsspielraum für Unternehmen zu schaffen.
Trotz dieser hohen Relevanz der Thematik findet sich nach sorgfältiger Literaturrecherche keine Forschung, die sich explizit der Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos widmet. Umfangreiche wissenschaftliche Grundlagen existieren einzig im Bereich der allgemeinen Versicherbarkeit. Dabei existieren verschiedene Ansätze, das Konstrukt der Versicherbarkeit durch Kriterienkataloge zu beschreiben, an die in dieser Arbeit angeknüpft wird. Zu nennen sind hier insb. KARTEN und BERLINER, die sich in ihrem Schaffen ausführlich mit Versicherbarkeit auseinandergesetzt haben.
Anwendungen dieser Kriterienkataloge existieren bspw. für Umweltrisiko4 und Cyberrisiko5. Beide Arbeiten bieten methodische Anhaltspunkte in der Prüfung der Versicherbarkeit, aber keinen Bezug zu Unternehmerrisiko.
Der Begriff des Unternehmerrisikos selbst ist weder eindeutig definiert noch umfangreich behandelt. Er wird einerseits in der Literatur zu Versicherung und Versicherbarkeit6 und andererseits in vereinzelten Veröffentlichungen zu Risikomanagement7 erwähnt; dies jedoch häufig nur am Rande. Da sich kein eindeutiges Verständnis des Begriffs findet, wird es erforderlich sein, eine eigene Begriffsbestimmung vorzunehmen.
Die Einbindung des Unternehmerrisikos in den Kontext der Versicherbarkeit stellt den Kern dieser Arbeit dar. Da diese Verknüpfung in der bestehenden Literatur nicht vorgenommen wurde, wird ein Transfer von Konzepten und Erkenntnissen aus verwandten Forschungsfeldern nötig sein, um eine umfassende Analyse vorzunehmen.
Ziel dieser Arbeit ist es zu prüfen, ob Unternehmerrisiko versicherbar ist und wie es versichert werden kann. Basierend auf einem breiten Verständnis des Unternehmerrisikos sollen Problemfelder identifiziert und Vorgehensweisen beschrieben werden, wie Unternehmerrisiko versichert werden kann. Dies soll eine Entscheidung über Versicherbarkeit ermöglichen, um die Ergebnisse abschließend anhand einer Fallstudie zu überprüfen.
Der Aufbau der Arbeit spiegelt diese Herangehensweise wider. Zunächst wird eine Bestimmung des Begriffs Unternehmerrisiko vorgenommen, bevor etablierte Risikokategorien bemüht und die Träger des Risikos identifiziert werden (Kapitel 2).
Anschließend folgt eine kurze Einführung in Zweck und Bedeutung von Versicherung, wonach Versicherbarkeit aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird (Kapitel 3). Dabei wird in Abschnitt 3.3 überprüft, welche Kriterien der Versicherbarkeit bei Unternehmerrisiko nicht erfüllt sind (Problemidentifikation).
In Kapitel 4 werden Lösungswege für die zuvor identifizierten Problemstellungen erarbeitet und somit versucht, die Grenzen der Versicherbarkeit von Unternehmerrisiko zu erweitern (Lösungsfindung).
Schließlich wird in Kapitel 5 ein konkretes Fallbeispiel beleuchtet, auf das die erarbeiteten allgemeinen Erkenntnisse und Herangehensweisen angewendet und dabei überprüft werden sollen.
Die Argumentation erfolgt somit in einem Dreischritt: Identifikation der Problemfelder (Abschnitt 3.3), Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten (Kapitel 4) und Anwendung der Ergebnisse (Kapitel 5). Dabei wird deduktiv vorgegangen, indem Aussagen allgemein begründet werden und schließlich auf einen Einzelfall angewendet werden. Da deduktiv hergeleitete Ergebnisse durch empirische Überprüfung falsifiziert, aber nicht belegt werden können, ist der Anspruch dieser Arbeit nicht die Aufstellung allgemeingültiger Theorien, sondern die Falsifizierung der Annahme der Nicht-Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos und die Bereitstellung praktisch umsetzbarer Handlungsempfehlungen auf Basis wissenschaftlicher Forschung.
Als Grundlage der Ausführungen ist zunächst der Begriff des Unternehmerrisikos zu bestimmen.
2. Unternehmerrisiko
2.1 Begriffsbestimmung Unternehmerrisiko
2.1.1 Begriffsbestimmung Risiko
Unternehmen sind vielfältigen Risiken ausgesetzt, die speziell im Feld der Risikomanagementliteratur umfangreiche Beachtung finden. Ein Begriff, der dabei häufig verwendet wird, ist das sog. Unternehmerrisiko. Ein einheitliches Verständnis dieses Konstrukts fehlt jedoch bisher ebenso wie eine klare begriffliche Abgrenzung8 und erschwert damit die Vergleichbarkeit der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Thema.9
Es soll daher versucht werden, den Begriff des Unternehmerrisikos aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und ein einheitliches Begriffsverständnis als Grundlage weiterer Ausführungen in dieser Arbeit zu erlangen. Hierzu ist zunächst eine Betrachtung des Risikobegriffs erforderlich.
HELTEN beschreibt Risiko als das „Informationsdefizit [...] über das Erreichen [...] der Ziele“10. Während dieses Verständnis die Richtung der möglicherweise eintretenden Zielabweichung nicht einschränkt, erfolgt in der Versicherungsliteratur oft eine Zweiteilung: das Risiko wird auf die Möglichkeit einer negativen Abweichung reduziert, während die
mögliche positive Abweichung als Chance bezeichnet wird.11 Wie im weiteren Verlauf ausgeführt wird, beinhalten viele Unternehmerrisiken jedoch eine enge Verknüpfung von Chancen und Risiken, weshalb eine Beschränkung des Risikobegriffs auf rein negative Abweichungen im vorliegenden Fall nicht funktional ist.12
KNIGHT verknüpft Risiko ebenfalls mit einem Informationsdefizit, unterscheidet dabei aber zwei Situationen:13 Bei Entscheidungen unter Unsicherheit sind objektive Wahrscheinlichkeiten der Umweltzustände und Ergebnisse bekannt, unter Ungewissheit dagegen sind diese Wahrscheinlichkeiten subjektiv. Risikosituationen gemäß KNIGHT sind Entscheidungssituationen unter Unsicherheit. Da in der Realität objektive Wahrscheinlichkeiten jedoch äußerst selten bestimmbar sind,14 wird im Folgenden die Risiko situation als Entscheidungssituation unter Ungewissheit betrachtet.
2.1.2 Unternehmerrisiko im weiteren Sinne
Verbindet man diese Risikoverständnisse und ordnet sie in den Unternehmenskontext ein, so umfasst Unternehmerrisiko im weiteren Sinne Entscheidungssituationen unter Ungewissheit über das Erreichen von Zielen in Unternehmen.
Diese Ungewissheit ist dabei in allen Entscheidungssituationen der Unternehmung präsent und kann sowohl aus internen als auch aus externen Quellen stammen.15 Während interne Risiken auf Faktoren innerhalb des Unternehmens basieren, die zu einem gewissen Grad kontrollierbar sind, werden externe Risiken von Entwicklungen außerhalb des Unternehmens beeinflusst und sind damit der Kontrolle des Unternehmers entzogen.16 Da Unternehmen in einem Marktumfeld agieren, sind auch interne Risiken für gewöhnlich von externen Faktoren beeinflusst, womit Marktrisiko in allen Bereichen des Unternehmerrisikos immanent ist.17
Risiken bilden dabei einen unabdingbaren Bestandteil jeder Unternehmung. Denn Unternehmertum ist eng verknüpft mit der Fähigkeit und der Bereitschaft Risiken selbst zu tragen. Diese Selbsttragung der Risiken dient dabei als Begründung für den Anspruch der Unternehmer auf mögliche Gewinne, die funktional einer Verzinsung des eingesetzten Kapitals entsprechen.18
Um alle Risiken, die eine Unternehmung betreffen, zu erfassen und zu beurteilen, existieren in der Literatur eine Reihe an Kategorisierungen, die eine präzise Beschreibung der Risiken ermöglichen.
In dieser Arbeit dient die Unterteilung nach Funktionsbereichen dazu, das Unternehmerrisiko i. w. S. zu konkretisieren und im weiteren Verlauf der Arbeit eine dezidierte Betrachtung einzelner Teilbereiche zu ermöglichen. Demnach umfasst Unternehmerrisiko i. w. S. die folgenden fünf Bereiche:19
a) Beschaffung: Beschaffungsrisiken umfassen die Gefahr einer Nichtlieferung bestellter Produktionsfaktoren oder die Beschädigung dieser Güter bei der Lieferung oder während der Lagerung, so dass eine Gefährdung der eigenen Produktionsfähigkeit eintritt.
b) Produktion: Ziel der Produktion ist das Erreichen eines bestimmten Outputs hinsichtlich Qualität und Quantität zu gewissen Kosten. Risiken für die Zielerreichung können u. a. maschinelle Probleme in der Produktion sein.
c) Absatz: Absatzrisiken sind Beschaffungs- und Produktionsrisiken in der Wertschöpfungskette zeitlich nachgelagert und beziehen sich auf die Gefahr, dass das Unternehmen seine Produkte nicht oder nicht zu einem angemessenen Preis am Markt absetzen kann. Ebenso könnten verkaufsfertige Produkte während der Lagerung oder beim Transport beschädigt werden oder Zahlungsausfälle auftreten.
d) Finanzierung: Unternehmen unterliegen hinsichtlich ihrer finanziellen Ausstattung Finanzierungsrisiken, etwa bei der Kapitalbeschaffung, der Kapitalanlage oder dem Liquiditätsmanagement.
e) Personal: Im Bereich Personal bestehen Risiken bzgl. der qualitativen und quantitativen Ausstattung mit Mitarbeitern. Personal muss dem Bedarf entsprechend qualifiziert und zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort einsetzbar sein.
Diese fünf Bereiche bieten einen umfassenden Überblick über die Risiken, denen Unternehmen alltäglich ausgesetzt sind. Preisrisiken spielen dabei bereichsübergreifend eine Rolle.
2.1.3 Versicherungswissenschaftliches Verständnis
In der Versicherungsliteratur ist der Begriff des Unternehmerrisikos vor allem in Diskussionen der Versicherbarkeit von Risiken präsent. Statt einer positiven Definition des Begriffs bleibt das Verständnis des Unternehmerrisikos oft vage und wird durch eine Abgrenzung beschrieben. Mitunter führt dies zu einem Zirkelschluss bei dem Versuch, verschiedene Verständnisse zu verbinden: So wird das nicht versicherbare Risiko eines Unternehmens pauschal als Unternehmerrisiko bezeichnet,20 umgekehrt wird argumentiert, dass ein gewisses Risiko nicht versicherbar sei, gerade weil es ein Unternehmerrisiko ist.21
Einigkeit besteht zumindest darin, dass die Komponente der Nicht-Versicherbarkeit das Unternehmerrisiko auszeichnet. Doch worin liegt dieses allgemein akzeptierte Attribut begründet?
Das bewusste Eingehen von Risiken ist zentraler Bestandteil von Unternehmungen und ermöglicht das Erzielen von Gewinn. Somit besteht durch die Selbsttragung dieser Risiken ein Leistungsanreiz und eine Eigenverantwortung des Unternehmers für den Erfolg seiner Unternehmung.22 Eine Versicherung dieser stark von unternehmerischen Entscheidungen beeinflussten Risiken könnte daher aus anreiztheoretischer Sicht nicht wünschenswert sein,23 Eigenverantwortung verringern und damit Verhaltensanreize verzerren. Die Beeinflussbarkeit des Unternehmerrisikos durch Manager ebenso wie durch Marktentwicklungen könnte der Versicherbarkeit im Weg stehen.
Im nächsten Schritt werden die gesammelten Erkenntnisse zum Unternehmerrisiko auf ein zweckdienliches Verständnis heruntergebrochen.
2.1.4 Synthese und Definition
Während zwar kein einheitliches Verständnis von Unternehmerrisiko existiert, so gibt es zumindest eine Reihe an Herangehensweisen an den Begriff. Die Versicherungsliteratur beschreibt das Risiko durch Abgrenzung: was Unternehmerrisiko auszeichnet ist vor allem die Nicht-Versicherbarkeit - gerade der Aspekt also, der in dieser Arbeit hinterfragt werden soll.
Das Unternehmerrisiko gemäß der Versicherungswissenschaft ist eine Teilmenge des Unternehmerrisikos im weiteren Sinne, auf das sich das Risikomanagement bezieht. Daher ist die Definition um einen zusätzlichen Bestandteil zu erweitern.
Im Zuge dieser Arbeit wird der Begriff Unternehmerrisiko im engeren Sinne (von nun an „Unternehmerrisiko“) verstanden als solche Ungewissheit über das Erreichen von Zielen in Unternehmen, die sich durch starke Einflussmöglichkeiten von Seiten der Manager oder Dritter auszeichnet.24
Nach der Analyse bestehender Kriterien der Versicherbarkeit wird in Kapitel 3.3 überprüft, welche Attribute die Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos erschweren, um im Anschluss zu eruieren, wie damit umgegangen werden kann (Kapitel 4).
Im nächsten Schritt folgt jedoch zunächst eine Bewertung des Unternehmerrisikos anhand gebräuchlicher Risikokategorien, um ein besseres Verständnis des Begriffs herauszuarbeiten, bevor die Träger des Unternehmerrisikos in einem Exkurs in die Finanztheorie ermittelt werden.
2.2 Einordnung in Risikokategorien
2.2.1 Reines vs. spekulatives Risiko
Die Unterteilung in reine und spekulative Risiken entspricht dabei der bereits bei der Definition des Risikos aufgeworfenen Frage, ob sich der Begriff auf negative Abweichungen begrenzt oder auch positive Abweichungen umfasst. Reine Risiken sind dabei solche, bei denen zwar die Gefahr einer negativen Abweichung besteht, aber keine positive Abweichung möglich ist. Spekulative Risiken dagegen enthalten auch Chancen.25
Während das Unternehmerrisiko i. w. S. sowohl reine Risiken, wie etwa die Gefahr eines Erdbebens, als auch spekulative Risiken, z. B. schwankende Ölpreise, enthält,26 beschränkt sich das Unternehmerrisiko vorwiegend auf Risiken, die gemeinhin als spekulativ gelten. Dies deckt sich mit der Annahme, spekulative Risiken seien nicht versicher- bar.27
Jedoch gibt es Zweifel an der Viabilität der Unterscheidung zwischen reinen und spekulativen Risiken.28 So ist die Unterteilung mathematisch rein eine Frage des Framings bzw. der Setzung des Null- oder Ausgangspunkts. Betrachten wir bspw. die Lieferung frischer Lebensmittel an einen Supermarkt. Geht der Betreiber davon aus, dass im Normalfall 90 Prozent der Lebensmittel den Transport überstehen, so ist er einem spekulativen Risiko ausgesetzt, da sowohl die Chance besteht, dass mehr als 90 Prozent der Lebensmittel einwandfrei sind, als auch die Gefahr, dass es weniger als 90 Prozent sind. Trifft er jedoch die Annahme, dass 100 Prozent der Güter unbeschadet ankommen, so ist das spekulative in ein reines Risiko umgewandelt worden, da nur noch negative Abweichungen möglich sind. Folglich ist eine Unterscheidung nur begrenzt zielführend und höchstens indikativ für das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen von Unternehmerrisiko.
POWERS wählt stattdessen die Begriffe empirisches Risiko und Marktrisiko. Empirisches Risiko ist von Menschen unbeeinflussbar und überschneidet sich zu großen Teilen mit dem Bereich des reinen Risikos, während Marktrisiko von innerhalb oder außerhalb der Unternehmung beeinflussbar ist und Schnittmengen mit dem spekulativen Risiko aufweist.29
Um dieser Argumentation zu folgen, ist nicht die Unterteilung in reine und spekulative Risiken entscheidend, sondern die Abgrenzung gemäß der Beeinflussbarkeit des Risikos durch menschliches Handeln. Unternehmerrisiko ist beeinflussbar und unterscheidet sich dadurch von empirischem Risiko in Unternehmen.
2.2.2 Kern- vs. Randrisiko
Ein weiterer aus dem Risikomanagement stammender Ansatz ist die Unterteilung in Kern- und Randrisiken. Kernrisiken stellen dabei die für den Unternehmenserfolg essenziellen Risiken dar, die vom Unternehmen selbst zu tragen sind, um Gewinn erzielen zu können. Randrisiken dagegen sind solche Risiken, die den Unternehmenserfolg negativ beeinflussen können bzw. bei denen kein Anreiz für das Unternehmen besteht, sie selbst zu tragen.30
Daher versuchen Unternehmen Randrisiken zu minimieren, wobei der Transfer dieser Risiken zu Versicherern eine wichtige Rolle spielt. Identifizierte Kernrisiken dagegen werden selbst getragen, weshalb die finanzielle Tragfähigkeit dieser Risiken durch das Unternehmen sichergestellt werden muss.31
Bei Anwendung dieser Unterscheidung auf das Unternehmerrisiko liegt es nahe, dieses mit dem Bereich der Kernrisiken des Unternehmens gleichzusetzen. Dies muss jedoch nicht der Fall sein. In der Realität sind nicht alle Risiken, die das Unternehmen selbst hält und die mit obiger Definition des Unternehmerrisikos übereinstimmen, freiwillig gehaltene Kernrisiken.
Stattdessen lassen sich die selbst getragenen Risiken eines Unternehmens in zwei Bereiche unterteilen:32 ungedeckte Risiken, insb. Kernrisiken, die bewusst getragen werden, und nicht versicherbare Risiken, die das Unternehmen zwar nicht halten möchte, aufgrund fehlender Alternativen33 aber halten muss. Bei ebendiesen besteht somit ein Bedarf an Versicherungsdeckung, der bisher nicht bedient wurde. Eine Versicherung dieser Unternehmerrisiken macht Kapital frei, das Unternehmen zum Tragen von Kernrisiken einsetzen können.
Diese Tragfähigkeit ist abhängig von der Kapitalisierung des Unternehmens und folglich von der Finanzierungsstruktur. Hier anschließend folgt daher ein kurzer Exkurs in die Theorie der Unternehmensfinanzierung, um die Träger des Unternehmerrisikos zu identifizieren und darauf aufbauend zu prüfen, wann eine Versicherung dieser Risiken einen Mehrwert schaffen könnte.
2.3 Träger des Unternehmerrisikos
2.3.1 Grundlagen der Risikotragung
Die Antwort auf die Frage nach den Trägern des Unternehmerrisikos erscheint intuitiv offensichtlich: die Eigentümer des Unternehmens. Jedoch sind neben den Eigentümern (Shareholder) alle sog. Stakeholder in gewisser Weise Risikoträger. Vertragliche Stakeholder34 sind dabei u. a. Mitarbeiter, Manager, Kunden und Lieferanten, die in einer Austauschbeziehung mit der Unternehmung stehen. Aus Gründen der modelltheoretischen Einfachheit beschränkt sich die Betrachtung jedoch zunächst auf die Eigentümer.
Gemäß der Shareholder-Theorie soll das Ziel der Unternehmung die Maximierung des Unternehmenswerts sein.35 Anhand dieses Ziels wird folglich auch die Finanzierungsstruktur des Unternehmens ausgerichtet, die vereinfacht das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital beschreibt. Ist das Unternehmen teilweise fremdfinanziert, so tragen auch die Fremdkapitalgeber über das Kreditausfallrisiko einen Teil seines Unternehmerrisikos. Die theoretisch optimale Gestaltung der Finanzierungsstruktur ebenso wie der für diese Arbeit relevante bestmögliche Einsatz von Versicherung ist dabei abhängig von den zugrundeliegenden Annahmen. Im Weiteren wird zu Beginn argumentiert, dass Unternehmen Fremdkapital einsetzen und Fremdkapitalgeber somit auch als Risikoträger in Frage kommen. Anschließend wird der Mehrwert von Versicherung überprüft, um sich durch die Veränderung von Annahmen an reale Gegebenheiten modellbasiert anzunähern.
2.3.2 Finanzierungsstruktur
Die folgende Argumentation basiert auf den Annahmen eines vollkommenen Kapitalmarkts und vollkommener Information. Hervorzuheben ist insbesondere, dass die Annahme vollkommener Information einen gleichen, kostenlosen Zugang zu dieser impliziert sowie dass keine Transaktionskosten oder Steuern am Markt existieren, kein Insolvenzrisiko besteht und keine Arbitrageaktionen möglich sind.
MODIGLIANI und MILLER argumentieren, dass unter diesen Annahmen die Finanzierungsstruktur keinen Einfluss auf den Wert der Unternehmung hat, eine Aufnahme von Fremdkapital die Maximierung des Unternehmenswerts also nicht beeinflusst.36 Der Unternehmenswert wird durch die diskontierten Cash Flows der Unternehmung bestimmt. Bei Gültigkeit der genannten Annahmen führt der Einsatz von Fremdkapital zu einer Aufteilung der Zahlungsströme auf Eigenkapital- und Fremdkapitalgeber, der Gesamtfluss ist aber ebenso hoch wie bei reiner Eigenkapitalfinanzierung, weshalb der Unternehmenswert unverändert bleibt.37
Bereits durch den Einbezug von Gewinnsteuern mit Abzugsfähigkeit von Zinsen verändert sich die Situation: die Nutzung von Fremdkapital (zu einem Zinssatz > 0 Prozent) erhöht den freien Cash Flow (FCF) nach Steuern im Vergleich zur Variante der Eigenfinanzierung. Ein höherer Anteil an Fremdfinanzierung führt also zu einem höheren Unternehmenswert (Leverage-Effekt). Bei zusätzlicher Existenz von direkten und indirekten Insolvenzkosten im Modell steigen diese Kosten jedoch bei zunehmendem Fremdfinanzierungsanteil an,38 da gleichzeitig die Insolvenzwahrscheinlichkeit steigt.39 Folglich finanzieren sich Unternehmen sowohl aus Eigenmitteln als auch aus Fremdkapital, womit Fremdkapitalgeber über das Gegenparteiausfallrisiko einen Teil des Risikos der Unternehmung tragen.
2.3.3 Mehrwert von Versicherung
Welcher Funktion kann Versicherung in diesem Kontext dienen? Gemäß dem anfangs formulierten Ziel der Investoren müsste Risikotransfer via Versicherung ebenso wie der Einsatz von Fremdkapital den Unternehmenswert vergrößern, um Verwendung zu finden. Um dies zu bewerten, ist zunächst ein Blick auf die Risikosituation nötig.
Das Risiko in Unternehmen unterteilt sich in zwei Komponenten: systematisches Risiko, das alle Unternehmen gleich betrifft, und unsystematisches Risiko, das aus den individuellen Charakteristika der Unternehmung entsteht. Das unsystematische Risiko können Investoren über den perfekten Kapitalmarkt durch Diversifikation vollständig ausglei- chen.40 Die Risikopräferenz des Investors lässt sich folglich durch eine Kombination aus Aktien, die systematischem Risiko ausgesetzt sind, und risikolosen Anleihen beliebig genau abbilden.
Da jeder Investor seine individuelle Präferenz selbständig am Kapitalmarkt abbilden kann, besteht aus Eigentümersicht keine Notwendigkeit auf Unternehmensebene Risikomanagement zu betreiben und Versicherungen einzusetzen. Versicherung ist somit eine wertneutrale Transaktion und hat keine Daseinsberechtigung.41
Sobald jedoch Transaktionskosten und ein Zustand unvollständiger Information einbezogen werden, zeigt sich die Relevanz von Versicherung: Denn nun ist es nicht mehr für jeden Investor effizient, seine Risikopräferenz selbst am Kapitalmarkt zu verwirklichen.42 Ebenso herrscht keine vollständige Transparenz mehr über die Risikoposition der einzelnen Unternehmen. MAYERS und SMITH argumentieren, dass Versicherungsunternehmen sowohl bei der Schadenregulierung als auch beim laufenden Monitoring der Risikosituation gegenüber den Unternehmen komparative Vorteile durch Skaleneffekte haben.43 Versicherung auf Unternehmensebene kann das Risiko unter diesen Voraussetzungen effizienter und damit kostengünstiger tragen als die Eigentümer, wodurch die Unternehmung besser gestellt wird.
2.3.4 Allokation von Unternehmerrisiko auf Träger
Während Versicherung also für das Unternehmen als Ganzes vorteilhaft sein kann, stellt sich die Frage, welche Anspruchsgruppen von ihr profitieren. Neben Eigen- und Fremdkapitalgebern betrifft der Unternehmenserfolg auch das anfangs angeführte Netz aus sog. Stakeholdern, wie es bspw. die Mitarbeiter sind.44 Über ihr Arbeitseinkommen sind die Mitarbeiter stark von der Unternehmung abhängig, können dieses Risiko aber nur begrenzt diversifizieren. Träger des Unternehmerrisikos sollten daher jene Anspruchsgruppen sein, die das Risiko effizient diversifizieren können.45 Durch Reduktion der Insolvenzwahrscheinlichkeit ebenso wie der Volatilität von Zahlungsströmen auf Unternehmensebene mindert Versicherung das Risiko der Stakeholder, die keine effizienten Diversifikationsmöglichkeiten besitzen. Da die Ausfallwahrscheinlichkeit zukünftiger Zahlungen nun geringer ist, sinkt auch die Höhe der von den Stakeholdern an die Unternehmung gestellten Forderungen. Dies wiederum deckt die Kosten der Versicherung, da Versicherung als effizientere Lösung kostengünstiger ist. Durch den Transfer des Risikos auf die Träger, die es am effizientesten und somit zu den niedrigsten Kosten tragen, steigt der Wert der Unternehmung. Neben Versicherungsunternehmen sind das auch die Eigen- und Fremdkapitalgeber.46
Aus der Gruppe der Stakeholder tragen Eigen- und Fremdkapitalgeber einen großen Teil des Unternehmerrisikos. Die Risikoteilung zwischen beiden Gruppen ist dabei abhängig von der Finanzierungsstruktur und dem Investitionsprogramm der Unternehmung. Gerade bei der Auswahl der Investitionsprojekte durch den Manager47 kann ein Anreiz zur Übervorteilung der Fremdkapitalgeber bestehen.48 Eine bekannte Problematik stellt dabei etwa die Unterinvestition dar, die stattfindet, wenn ein Manager sich gegen die Umsetzung eines den Unternehmenswert steigernden Projekts entscheidet, weil es zum Vorteil der Fremdkapitalgeber die Eigentümer schlechter stellen würde.49 So fallen etwa die Kosten einer effizienten Versicherung primär bei den Eigentümern an, während die Senkung der Insolvenzwahrscheinlichkeit überproportional stark den Fremdkapitalgebern zugutekommt.
Durch Abschluss einer Versicherung findet ein solcher Vermögenstransfer von den Aktionären zu den Fremdkapitalgebern statt, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:50 Erstens kommt die Versicherungsleistung im Insolvenzfall den Fremdkapitalgebern zugute und nicht den sowieso haftungsbeschränkten Aktionären,51 zweitens antizipieren Fremdkapitalgeber den Effekt der Versicherung nicht, sodass der Preis des Fremdkapitals unverändert bleibt. Rationale Aktionäre würden in diesem Szenario folglich keine Versicherung abschließen, da sie sich schlechter stellen würden.
Trifft man jedoch die Annahme, dass Fremdkapitalgeber die Senkung der Insolvenzwahrscheinlichkeit durch Versicherung antizipieren, so verringert sich der Preis des Fremdkapitals. Durch diese Preissenkung wird die Versicherung statt von den Eigentümern von den Fremdkapitalgebern finanziert, die auch von ihr profitieren. Somit lässt sich das Unterinvestitionsproblem lösen, da in einer versicherten Unternehmung riskante Projekte, die aus Sicht der Aktionäre vorteilhaft sind, die Fremdkapitalgeber nicht mehr schlechter stellen.52 Zuvor angeführte Effizienzvorteile der Versicherung lassen sich auch hier anführen, um zu argumentieren, dass eine Versicherungslösung kostengünstiger ist und somit den Wert des Eigenkapitals vergrößert.
2.3.5 Synthese und Anwendung auf Unternehmerrisiko
Um die Träger des Unternehmerrisikos zu identifizieren, wurden zunächst die Stakeholder einer Unternehmung als mögliche Träger betrachtet, um im nächsten Schritt zu beobachten, dass eine Versicherung dieses Risikos bei Anpassung gewisser Annahmen einen Mehrwert schaffen kann. Auf Basis dieser Ergebnisse lässt sich abschließend feststellen, dass Risiko den Trägern allokiert werden sollte, die es am effizientesten tragen können. Dies sind neben der Versicherung die Eigentümer der Unternehmung.
Unter der Annahme, dass Unternehmen den versicherbaren Teil ihres Risikos zu großen Teilen versichert haben, das Risiko also bereits von Stakeholdern auf die Versicherung als effizienten Risikoträger transferiert wurde, ist davon auszugehen, dass die Investoren das Unternehmerrisiko soweit selbst tragen, wie es die Eigenkapitalausstattung ermöglicht. Eine Versicherung des Unternehmerrisikos stellt Investoren somit besser, falls Versicherungsunternehmen das Risiko effizienter tragen können als die Investoren.
Rückblickend hat das Konzept der Versicherbarkeit in der Auseinandersetzung mit dem Begriff des Unternehmerrisikos bereits eine wichtige Rolle gespielt. Da die Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos der zentrale Fokus dieser Arbeit ist, erfolgt nun anschließend eine begriffliche Einführung, bevor beide Bereiche verknüpft werden. In den folgenden Ausführungen wird die Unternehmung erneut als Ganzes und nicht mehr nach Anspruchsgruppen getrennt betrachtet.
3. Versicherung und Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos
3.1 Versicherung
3.1.1 Begriffsbestimmung
Unternehmen betreiben Risikomanagement, um den Firmenwert zu steigern. Im Zuge des Risikomanagements versuchen Unternehmen Risiken, die sie nicht selbst tragen möchten, soweit wie möglich auf Dritte zu übertragen. Versicherung ist dabei das meist genutzte Instrument des Risikotransfers. Folglich ist Versicherung eine Austauschbeziehung, in der die Übernahme der Gefahr negativer Abweichungen gegen Zahlung einer Prämie er- folgt.53 Gemäß HAX wird Versicherung darüber hinaus verstanden, als die „Deckung eines im einzelnen ungewissen, insgesamt aber schätzbaren Geldbedarfs auf der Grundlage eines zwischenwirtschaftlichen Risikoausgleichs“54. Versicherung spielt somit sowohl aus der Sicht einzelner Unternehmen als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht eine zentrale Rolle.
3.1.2 Funktion der Versicherung
3.1.2.1 Mikroökonomische Ebene
Für das einzelne Unternehmen schafft Versicherung primär Sicherheit.55 Dies verbessert die Planungsgenauigkeit, spiegelt sich in einer Glättung der Ergebnisse wider, da unsichere, hohe Aufwendungen gegen niedrige, sichere Aufwendungen eingetauscht werden, und senkt die Ruinwahrscheinlichkeit des Unternehmens.
Zusätzlich ermöglicht Versicherung durch Übernahme von Randrisiken, dass sich Unternehmen auf die Kernrisiken ihres Geschäfts konzentrieren können und vorhandene Ressourcen gezielt einsetzen können. Vorhandenes Kapital wird dort eingesetzt, wo es aufgrund des spezifischen Fähigkeitenpotenzials des Unternehmens den größten Mehrwert schafft, statt als Rücklage für Randrisiken gebunden zu sein.56
Eine Erweiterung der Grenzen der Versicherbarkeit ermöglicht es Unternehmen noch genauer zu selektieren, welche Risiken selbst getragen werden sollten und welche zediert werden und optimiert damit die Effizienz des eingesetzten Kapitals.
3.1.2.2 Makroökonomische Ebene
Die auf der mikroökonomischen Ebene beobachteten Effekte wirken aggregiert ebenso auf der Makroebene. Risiko lässt sich dabei als Produktionsfaktor interpretieren, der die Wagnisbereitschaft erhöht und dadurch Innovation begünstigt.57 Somit dient Versicherung auch auf der volkswirtschaftlichen Ebene als Katalysator privater Investition, der Wohlstand schafft und technischen Fortschritt unterstützt.58
Weiterhin agieren Versicherer als Berater und Prüfer des Risikomanagements der Versicherungsnehmer (VN).59 Indem gutes Risikomanagement zu geringeren Versicherungsprämien führt und das Vorliegen gewisser Risikomanagementstandards sogar Grundvoraussetzung für das Erlangen von Versicherungsschutz ist, incentiviert die Versicherungswirtschaft Unternehmen Risikomanagement zu betreiben.60 Sie unterstützt dabei mit ihrer Expertise und trägt über Mindestanforderungen dazu bei Branchenstandards zu etablieren.
Um Innovationen zu unterstützen, stehen Versicherungen laufend vor der Herausforderung neuartige Risiken zu versichern, die an die Grenzen der Versicherbarkeit stoßen. Dies bietet Versicherern jedoch gleichzeitig die Chance, ihren Mehrwert für Unternehmen sowie für die Gesellschaft als Unterstützer des technischen Fortschritts kontinuierlich neu zu beweisen.
Doch nicht nur aus gesellschaftlichen, sondern auch aus wettbewerblichen Gründen verfolgen Versicherer die Strategie, nach Lösungen zu suchen, um die bestehenden Grenzen zu erweitern und sich von der Konkurrenz abzusetzen, indem sie für den Bedarf ihrer Kunden Lösungen finden.
Im folgenden Kapitel werden das Konzept der Versicherbarkeit und mögliche Grenzen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, um eine theoretische Basis für die nachfolgende Überprüfung dieser Grenzen zu schaffen.
3.2 Versicherbarkeit
3.2.1 Begriffsbestimmung
Im Rahmen der Versicherung von Risiken wird häufig unterschieden zwischen sog. versicherbaren und nicht versicherbaren Risiken. Diese Abgrenzung unterstellt eine Grenze der Einsatzmöglichkeiten von Versicherung, die es näher zu betrachten gilt. Die grundsätzlichste Form der Unterscheidung basiert auf der realen Ausprägung: versicherbar ist, was versichert wird.61 Nicht versicherbar sind somit solche Risiken, die Kunden abdecken möchten, für die sie am Markt aber keine Versicherung kaufen können.62 BERLINER fügt dieser Schwarz-Weiß-Unterscheidung einen Graubereich hinzu. Während Risiken, die niemand am Markt versichert (objektiv nicht versicherbar), in der schwarzen und Risiken, die jeder versichert (objektiv versicherbar), in der weißen Zone liegen, fallen Risiken, für die nur manche Versicherer Deckung anbieten (subjektiv versicherbar), in den dazwischenliegenden Graubereich.63
Diese Definitionen sind jedoch aus zwei Gründen ungenügend: erstens sind sie Momentaufnahmen, und zweitens lassen sie keinen Rückschluss auf die Ursachen der Nicht-Versicherbarkeit zu. KARTEN schreibt „Insurability knows no basic formula'"64. Die Frage, ob ein Risiko versicherbar ist, ist folglich eine Frage der Definition von Versicherbarkeit. Dazu werden nun drei Ansätze betrachtet, die Ursachen und Grenzen der Versicherbarkeit definieren.
3.2.2 Marktlogik
Die Marktlogik (bzw. Entscheidungslogik) basiert auf dem Konzept der Versicherung als Ergebnis einer Austauschsituation. Dabei findet ein Austausch von Prämie und Risiko zwischen Versicherer und VN statt.65
Risiko ist damit versicherbar, wenn beide Seiten einen positiven Nutzen aus dem Vertrag ziehen, eine Einigung über Deckungsumfang (Ausmaß des übertragenen Risikos) und Prämie besteht.66
Die Grenze der Versicherbarkeit kann hier in drei Situationen erreicht werden:67
1. Die gesuchte Deckung wird nicht angeboten.
2. Die angebotene Deckungskapazität ist nicht ausreichend.
3. Die Prämie für die Versicherungsdeckung ist prohibitiv hoch.
Da wie oben beschrieben ein subjektiver Bereich der Versicherbarkeit existiert, liegt es nahe, dass individuelle Gegebenheiten die individuellen Grenzen einzelner Versicherer determinieren. Hier sind drei Aspekte von Bedeutung, die die Strategie des Versicherers widerspiegeln:68
1. Der Grad der Risikoaversion des Versicherers.
2. Die aktuelle Risikosituation verbunden mit der verfügbaren Kapazität.
3. Die individuelle Einschätzung des zu versichernden Risikos.
Die Marktlogik spiegelt somit die aktuelle Situation am Versicherungsmarkt wider und betrachtet Versicherbarkeit aus der Perspektive der Akteure am Markt, die anhand ihres individuellen Nutzens entscheiden. Indem sie sich auf den Markt in seiner aktuellen Form bezieht, schafft sie eine klare Grenze zwischen Versicherbarkeit und Nicht-Versicherbarkeit, die jedoch zeitpunktbezogen ist und sich auf die beteiligten Akteure, aber nur indirekt auf das Produkt bezieht. Konkrete Implikationen zur Beziehung zwischen Versicherbarkeit und Attributen des zu versichernden Risikos lassen sich aus der Marktlogik daher nicht ableiten. Stattdessen lässt sich die Marktlogik (erneut laut KARTEN) auf „eine Frage des Preises"69 herunterbrechen.
3.2.3 Kapitalmarktlogik
Eine weitere Herangehensweise stellt die Kapitalmarktlogik dar. Unternehmen sind ihren Eigentümern verpflichtet. Sofern die Eigentümer private Investoren sind (im Gegensatz zu bspw. öffentlich-rechtlichen Trägern) ist das Versicherungsunternehmen mit einer Anforderung an die zu erzielende Eigenkapitalrendite konfrontiert. Den Grundprinzipien der Lehre von Investition und Finanzierung entsprechend, wird der Versicherer somit nur Policen zeichnen, deren erwartete Rendite mindestens der geforderten Eigenkapitalrendite entspricht. Deckungszusagen mit geringerer Rendite sind nicht versicherbar. Damit markieren die Ansprüche der Eigentümer gemäß der Kapitalmarktlogik die Grenze der Versicherbarkeit.70
Diese Grenze ist, gleichsam den Forderungen der Investoren, abhängig von der Verzinsung alternativer Anlageformen auf dem Kapitalmarkt und somit exogen determiniert und zeitpunktabhängig. Die in der Kapitalmarktlogik dominierende finanzielle Perspektive ermöglicht folglich keine Entscheidung bzgl. der Versicherbarkeit aus Risikosicht.
3.2.4 Versicherungstechnische Logik
Der dritte Ansatz, der in diesem Kapitel beleuchtet werden soll, ist die versicherungstechnische Logik, die die Versicherbarkeit aus einer Risikoperspektive bewertet. Hierzu wurden in der Wissenschaft verschiedene Kriterienkataloge erarbeitet.71
KARTENs Modell aus fünf Kriterien ist dabei ein weit verbreiteter Ansatz, der sowohl umfassend als auch pragmatisch gehalten ist. Um versicherbar zu sein, muss ein Risiko demnach den folgenden Kriterien genügen:72
1. Größe: Eine maximale Schadenhöhe pro Risiko sollte bestimmbar sein, die vom Versicherer getragen werden kann. Sollte das zu versichernde Risiko in sich keine zuverlässig begrenzte Schadenhöhe73 aufweisen, die etwa bei Haftpflichtrisiken für gewöhnlich fehlt, ist die maximale Schadenzahlung durch ein Deckungslimit zu begrenzen. Der Versicherer kann eine Deckung möglicher Schadenersatzansprüche andernfalls nicht gewährleisten.74
2. Eindeutigkeit: Der Deckungsumfang der Versicherung muss eindeutig definiert und somit klar abgrenzbar sein. Ebenso müssen die fälligen Schadenzahlungen bestimmbar sein. Unklarheiten können zu Betrug genutzt werden und in Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien enden. In der Praxis ist hier oft ein inverser Zusammenhang zwischen Deckungsumfang und Eindeutigkeit zu beobachten: Je klarer die Deckung definiert wird, desto eingeschränkter ist sie.
3. Schützbarkeit: Das Kriterium der Schätzbarkeit fordert, dass das Schadenausmaß eines Risikos abschätzbar sein muss. Unter schätzbar wird grundsätzlich verstanden, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Schadenanzahl und Schadenhöhe bekannt sind.75 Es ist jedoch in der Praxis unmöglich, die objektiven Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu kennen.76 Beim Versuch, sich etwa mittels Vergangenheitsdaten an die objektive Verteilung anzunähern, entsteht immer Diagnoserisiko, das das Risiko der Abweichung von der wahren Verteilung bezeich- net.77 Folglich bietet dieses Kriterium nur eine fließende Grenze, die zudem von der Risikopolitik des Versicherungsunternehmens abhängt.
4. Unabhängigkeit: Die Forderung der Unabhängigkeit der Risiken hat zum Ziel, dass mehrere Versicherungspolicen möglichst nicht derselben Gefahr ausgesetzt sind, dass also sog. Kumulschäden vermieden werden können. Zwei Risiken sind unabhängig, wenn der Eintritt eines Schadenereignisses bei Risiko A keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens bei Risiko B hat. Je geringer die positive Korrelation zwischen zwei Risiken, desto besser der Ausgleich im Kollektiv. Da Risiken häufig teilweise denselben Gefahren ausgesetzt sind wird vollständige Unabhängigkeit nicht als hartes Kriterium verwendet. Entscheidend ist stattdessen die Exponierung des Versicherers gegenüber einer Gefahr im gesamten Portfolio: die mögliche Gesamtschadenhöhe eines Ereignisses. Die Herausforderung der Unabhängigkeit hängt somit eng mit dem Kriterium der Größe zusammen.
5. Zufälligkeit: Der Eintritt des Schadenereignisses muss darüber hinaus zufällig sein. Das bedeutet in diesem Fall, dass der Eintritt vom VN unbeeinflussbar und ungewiss ist, der VN also bei Abschluss der Versicherung keine Kenntnis über mögliche Schadeneintritte besitzt. Falls keine vollständige Unbeeinflussbarkeit gegeben ist, entsteht Moral Hazard: die Gefahr, dass der VN sich mit Versicherungsschutz anders verhält, als er es tun würde, wenn er nicht versichert wäre.78
Vertragskomponenten wie Selbstbehalte oder Obliegenheiten dienen der Begrenzung des Moral Hazards, können es aber nicht vollständig ausgleichen. In der Versicherungspraxis ist Zufälligkeit in vielen Fällen nur begrenzt gegeben.79
Gemäß der versicherungstechnischen Logik gilt ein Risiko als versicherbar, wenn es die genannten Kriterien erfüllt.
3.2.5 Synthese
Versicherbarkeit ist ein vielschichtiges Thema. Während die Marktlogik das Resultat von Entscheidungsprozessen der Akteure ex post als eine harte Grenze definiert, besteht die Grenze gemäß der Kapitalmarktsicht in der exogenen Renditeforderung der Eigentümer. Sowohl die Rendite als auch der am Markt entscheidende Preis der Deckung sind Folgeerscheinungen der Gestaltung des Versicherungsprodukts und der Auswahl des Risikos. Auf die Eigenschaften des zu versichernden Risikos lassen beide Ansätze jedoch nur begrenzt Rückschlüsse zu.
Die versicherungstechnische Logik formuliert dazu Kriterien zur Bewertung der Risiken. Jedoch sind diese Kriterien bei Anwendung gemäß Wortsinn praxisfern und sind daher subjektiv anzupassen. Aus der versicherungstechnischen Sichtweise lässt sich somit keine universale Grenze der Versicherbarkeit identifizieren, sondern nur „je, desto“-Beziehun- gen.80 Bestehende Kriterienkataloge dienen stattdessen als Analyseschemata für Risiken, die Versicherer nutzen können, um individuelle Entscheidungen zu treffen.81
Da die versicherungstechnische Ausgestaltung von Risiken die Grundlage für Prämien- und Renditeüberlegungen bildet, wird im weiteren Verlauf der Argumentation der Schwerpunkt auf ebendiesen Bereich gelegt, während Markt- und Kapitalmarktlogik nachrangig beleuchtet werden.
3.3 Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos gemäß etablierter Kriterien
der Versicherungstechnik
3.3.1 Herangehensweise
Sowohl aus gesamtwirtschaftlichem Interesse als auch aus eigenen Wettbewerbsmotiven verfolgen Versicherer die Strategie, mögliche Grenzen der Versicherbarkeit zu erweitern. Während diese Grenzen in vielen Bereichen immer wieder ausgeweitet werden konnten,82 gilt Unternehmerrisiko gemeinhin weiterhin als nicht versicherbar. Um diese Annahme zu hinterfragen, ist zunächst zu prüfen, welche Unzulänglichkeiten bzw. Herausforderungen sich bei der Versicherbarkeitsprüfung des Unternehmerrisikos mit den etablierten Kriterien abzeichnen, um in der Folge zu beleuchten, welche Lösungsmöglichkeiten existieren könnten. Die Prüfung der Versicherbarkeit erfolgt anhand der Kriterien der Versicherungstechnik.
3.3.2 Größe
Die Größe eines Risikos stellt grundsätzlich eine Hürde dar, wenn die Deckung sich nicht auf einen konkreten, messbaren Gegenwert bezieht und somit kein „natürliches“ Schadenlimit existiert und gegebenenfalls auch die Bestimmung der Schadenhöhe nicht eindeutig ist. Ein solcher messbarer Gegenwert ist z. B. das Haus in einer Wohngebäudeversicherung. Da dies u. a. in der Haftpflichtversicherung nicht der Fall ist, existiert in Policen ein Haftungslimit des Versicherers. Die Risikolebensversicherung bspw. ist als Summenversicherung strukturiert, um die Problematik, den monetären Wert eines Lebens bestimmen zu müssen, zu umgehen.83 Ohne Zweifel existieren auch im Bereich des Unternehmerrisikos viele Risiken ohne einen solchen messbaren Gegenwert. Wie die Beispiele aus bestehenden Versicherungsprodukten zeigen, lassen sich unlimitierte Deckungszusagen vermeiden, womit das Kriterium der Größe als Gefahr für die Deckungskapazität des Versicherers aus versicherungstechnischer Sicht handhabbar ist.
Notwendige Deckungskapazität ist in der Branche aktuell umfassend vorhanden.84 Das Wachstum im Bereich des Alternativen Risikotransfers (insb. bei Insurance Linked Securities)85 gibt Versicherern neue Möglichkeiten im Umgang mit Spitzenrisiken im Katastrophenbereich und befreit damit bisher gebundene Reserven, die nun zur Besicherung anderer Risiken verwendet werden könnten.
3.3.3 Eindeutigkeit
Das Kriterium der Eindeutigkeit des Risikos fordert eine klare, abgrenzbare Definition der Gefahren. Das zuvor gewählte Begriffsverständnis des Unternehmerrisikos ist bewusst breit genug gehalten, um verschiedene Arten von Unternehmerrisiko und entsprechende Deckungsmöglichkeiten zu umfassen. Eine Einschränkung der Deckung ist daher je nach Bedarf des VN zu treffen.86 Dabei muss Klarheit herrschen, ob ein eingetretenes Schadenereignis versichert ist und wie hoch die zu leistende Schadenzahlung ist.87 Beide Aspekte lassen sich durch eine klare Gestaltung des Versicherungsvertrags beherrschen, die wiederum die Ergebnisse eines Dialogs abbildet, in dem die Vertragspartner dezidiert die gewünschte und zu gewährende Deckung vereinbaren.
Die Frage, ob ein Schadenereignis versichert ist, ist mittels einer geeigneten Trigger-Konstruktion zu klären. Der sog. Trigger ist dabei der Auslösemechanismus der Entschädigung. Klassischerweise muss ein Schaden an einem versicherten Gegenstand bzw. einer versicherten Person entstanden und durch eine versicherte Gefahr verursacht worden sein (indemnity trigger). Alternativ könnte auch aufgrund einer versicherten Gefahr ein Parameter unter eine vordefinierte Grenze gefallen sein (parametric trigger), z. B. der Output der Produktion. Besonders bei Eintritt mehrerer Gefahren könnte sich die Zuordnung einer (Teil-)Schadenhöhe zu einer der Gefahren schwierig gestalten, weshalb auch hierzu klare Regeln zu definieren sind.
Für die Bestimmung der Schadenhöhe bieten sich die bereits beschriebenen Optionen: Begleichung des real entstandenen Schadens im Sinne einer Schadenversicherung oder Auszahlung einer ex ante bestimmten Summe im Sinne einer Summenversicherung.88 In der Betriebsunterbrechungsversicherung etwa werden anfallende Kosten während der Unterbrechung der Produktion und unter Umständen zusätzlich ein Teil des Umsatzausfalls gedeckt.89
Obwohl zweifelsohne wichtig, stellt die Eindeutigkeit selbst keine unabdingbare Grenze der Versicherbarkeit dar.90 Stattdessen verweist das Kriterium auf die anderen Komponenten: So können uneindeutige Risiken die Schätzbarkeit erschweren, bei unklarer Ausgrenzung von beeinflussbaren Risiken zu Moral Hazard führen oder bei unklarem Umfang der Deckung zu Herausforderungen der Unabhängigkeit und der Größe führen. Die Erfüllung des Kriteriums der Eindeutigkeit ist weiterhin vorrangig von der Vertragsgestaltung abhängig und nicht vom Risiko selbst, weshalb sie aufgrund der Neuheit der Deckung bei der Versicherung von Unternehmerrisiko teils herausfordernd aber erfüllbar sein sollte.91 Dabei ist zu beachten, dass sich Eindeutigkeit umso schwieriger gestaltet, je breiter der Deckungsumfang ist.92
3.3.4 Schätzbarkeit
Ein weiteres Kriterium ist die Schätzbarkeit des Risikos, die sich für gewöhnlich anhand der verlässlichen Bestimmbarkeit eines Gesamtschadenerwartungswerts und einer dazugehörigen Varianz bewerten lässt.93 Die Gesamtschadenverteilung basiert auf einer Schadenzahl- und einer Schadenhöhenverteilung. Relevant für die Schätzbarkeit eines Risikos sind somit die Frequenz sowie die Schwere möglicher Schäden, welche sich jedoch nicht objektiv vorhersagen lassen. Eine Annäherung in Abhängigkeit ihrer Schadenursache lässt sich mittels verschiedener etablierter Bewertungsmethoden durchführen, die in der Wissenschaft umfangreich beschrieben sind.94
Die Anwendung dieser Methoden bedarf einer gewissen Datengrundlage. Im Gegensatz zu Elementarrisiken ist Unternehmerrisiko jedoch meist stark von menschlichem Verhalten beeinflusst und damit schwierig aus historischen Daten schätzbar. Dennoch werden im Unternehmensalltag Entscheidungen getroffen, bei denen eine bewusste Risikoabwägung stattfindet, um die für das Unternehmen beste Alternative zu wählen.
Diese Entscheidungen sollten auf Basis umfangreicher Informationen getroffen werden, die die Grundlage für eine Schätzbarkeit des Risikos bilden. Unternehmen besitzen meist große Mengen an Vergangenheitsdaten zu Geschäftsprozessen, realisierten Risiken und den Effekt dieser aufgetretenen Gefahren. Bei neuartigen Risiken fehlen dagegen häufig notwendige Informationen. Die Schätzbarkeit eines Risikos ist daher abhängig von der rechtzeitigen Verfügbarkeit aussagekräftiger Informationen für den Versicherer. Entscheidend für die Verfügbarkeit ist dabei, dass der VN dem Versicherer die nötigen Informationen offenlegt. Aussagekräftig sind die Informationen, wenn sie validiert und anwendbar, also für das vorliegende Risiko weiterhin gültig sind.95
Unternehmerische Entscheidungen basieren dabei auf internen und externen Informationen. Während interne Informationen, bspw. zur Qualifikation der Mitarbeiter, verfügbar und aussagekräftig sind, können externe Faktoren, wie etwa die Konjunkturentwicklung oder Gesetzesänderungen, nicht verlässlich geschätzt werden. Dieses Risiko der Veränderung äußerer Einflussfaktoren ist grundsätzlich in allen Versicherungen inhärent,96 wiegt jedoch bei der Versicherung von Unternehmerrisiko besonders schwer, da Marktrisiko einen großen externen Einflussfaktor darstellt.
Es wurde bereits festgehalten, dass auch Schätzbarkeit ein subjektives Kriterium ist, das je nach Versicherer unterschiedliche Anforderungen umfasst. Folglich ist sowohl von der Art des Unternehmerrisikos als auch von den subjektiven Anforderungen des Versicherers abhängig, ob ein bestimmtes Risiko versicherbar ist. Hervorzuheben ist, dass auch Unternehmen Risiken bewusst einschätzen, bevor sie darüber entscheiden, ob ein Risiko eingegangen wird.97 Eine informierte Abschätzung des Risikos sollte daher auch für Versicherer möglich sein, sofern der VN die relevanten Informationen mit seinem Versicherer teilt und der Versicherer die nötige Kompetenz besitzt, eine korrekte Risikoeinschätzung vorzunehmen.
Die Tendenz der Versicherungswirtschaft auch neuartige Risiken zu zeichnen, unterstreichen Beispiele wie die Versicherung unerprobter Satellitentechnologie98 oder das Wachstum der Cyberversicherung trotz fehlender historischer Schadendaten und hohen Ände- rungsrisikos.99
Während die Neuartigkeit von Risiken im Bereich der Schätzbarkeit kein grundsätzliches Ausschlusskriterium ist, könnte die Beeinflussbarkeit der Risikosituation insb. durch Verhalten Dritter (Marktrisiko) durchaus ein großes Änderungsrisiko darstellen, das eine Herausforderung für die Risikoprüfung und -tarifierung des Versicherers ist. Denn während diese Prozesse meist periodisch stattfinden, sind im Unternehmen und am Markt laufend risikobeeinflussende Entscheidungen zu treffen. Je mehr solcher Entscheidungen während der Laufzeit einer Police anfallen, desto größer ist die Unsicherheit über die Risikosituation des Unternehmens, weshalb die ex ante Bestimmung einer fixen Prämie unzureichend sein könnte und hohe Risikozuschläge erfordern würde. Eine Anpassung der Zuschläge anhand ex post verfügbarer Informationen könnte eine risikoadäquate Prämie ermöglichen.
3.3.5 Unabhängigkeit
Um Risikoausgleich im Kollektiv zu ermöglichen, sollten Risiken möglichst unabhängig voneinander sein.100 Die Versicherung abhängiger Risken könnte bei Eintritt eines Ku- mulschadenszenarios die Leistungsfähigkeit des Versicherers überschreiten.101 Wichtiger als die Unabhängigkeit der einzelnen Risiken ist damit die mögliche Gesamtschadenhöhe des Portfolios bezogen auf eine versicherte Gefahr.102
Damit ist entscheidend, ob Unternehmerrisiko von den gleichen Gefahren bestimmt wird wie die Risiken, die Versicherer bereits im Portfolio haben. Wie u. a. in Abschnitt 2.2.1 ausgeführt wird, ist Marktrisiko ein zentraler Bestandteil des Unternehmerrisikos,103 während viele objektiv versicherbare Risiken empirische Risiken und somit unbeeinflussbar sind.104 Folglich wäre eine Abhängigkeit nur dort gegeben, wo eine Korrelation zwischen natürlichen Gefahren und Marktentwicklungen besteht.
Um dies zu beleuchten lohnt ein Blick auf den Markt für Alternativen Risikotransfer, auf dem in den letzten Jahren eine Zunahme von Investitionen in Insurance Linked Securities (ILS) durch institutionelle Investoren zu beobachten war.105 Ein zentrales Argument von Seite der Investoren für diesen Trend ist die Diversifikation des Portfolios: ILS-Produkte werden als größtenteils unkorreliert mit klassischen Anlageformen auf den Kapitalmärkten106 wahrgenommen, was sie für die Portfoliodiversifikation prädestiniert.107 Während dies jedoch insofern gilt, dass eine Wirtschaftskrise keine Naturkatastrophen auslöst, besteht umgekehrt durchaus eine gewisse Kausalität. Speziell in stark globalisierten Wertschöpfungsketten können sich aufgrund lokaler Extremereignisse Risiken auch für Unternehmen in anderen Regionen der Welt manifestieren. Jedoch ist die Deckung solcher empirischer Extremereignisse, wie es etwa Naturkatastrophen sind, zumindest auf der Seite des direkt betroffenen Unternehmens bereits ein Schwerpunkt der Versicherungswirtschaft. Derartige Risiken sind somit häufig bereits versichert. Fraglich ist daher, ob bei einer zusätzlichen Versicherung von Unternehmerrisiko wirklich eine Erhöhung der Kumulschadenexponierung der Versicherungsbranche erfolgen würde.
Unternehmerrisiko muss genau auf seine Diversifikationseffekte untersucht werden. Gleichzeitig müssen Exponierungen gegenüber möglichen Kumulszenarien laufend weltweit kontrolliert und koordiniert werden, wobei das Vorliegen eindeutiger Deckungen Voraussetzung ist. Entscheidend ist weniger die Unabhängigkeit der Risiken, als die Verteilung der Gesamtschadenhöhe bei Eintritt von Kumulereignissen.
Während Kumulrisiko die Versicherungsseite betrifft, könnten adverse Marktentwicklungen zusätzlich die Aktivseite der Versicherer belasten. Damit ist weiterhin zu prüfen, ob die Versicherung des Unternehmerrisikos zu möglichen gleichzeitigen Belastungen auf Aktiv- und Passivseite führen könnte.
3.3.6 Zufälligkeit
In den bisherigen Ausführungen wurde bereits festgestellt, dass das Unternehmerrisiko eine Risikokategorie ist, die stark verhaltensbeeinflusst ist - einerseits von den Entschei- dern im Unternehmen selbst und andererseits von weiteren Akteuren am Markt. Die intuitive Annahme, dass Unternehmerrisiko mit dem Kriterium der Zufälligkeit nur schwierig vereinbar ist, ist dabei nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Es lässt sich jedoch hinterfragen, wie relevant das Kriterium für die Versicherbarkeitsentscheidung ist.
Der Anspruch der Ungewissheit an das Risiko wird damit begründet, dass ein sicherer Schaden nicht versichert werden kann,108 während der Aspekt der Unbeeinflussbarkeit
formuliert wird, um Moral Hazard zu vermeiden.109 Die Logik dahinter ist simpel: der VN wird weder die Eintrittswahrscheinlichkeit noch die Höhe des Schadens zu Ungunsten der Versicherung beeinflussen, wenn er dies nicht kann. Die ex ante vom Versicherer vorgenommene Einschätzung des Risikos behält ihre Gültigkeit.
Hinter diesem Szenario steht die Annahme, dass die Interessen des VN und des Versicherers gegenläufig sind.110 Der Versicherer möchte eine hohe Prämie einnehmen, aber möglichst geringe Schadenaufwendungen leisten. Der VN dagegen möchte eine möglichst geringe Prämie zahlen und eine möglichst umfangreiche Leistung erhalten.111 Er könnte bspw. versucht sein, unbeobachtet vom Versicherer Risikomanagementausgaben zu reduzieren und auf Sicherheitsmaßnahmen zu verzichten, um selbst Kosten zu sparen, da er sich bewusst ist, dass im Schadenfall der Versicherer zahlt. Ebenso besteht ein Anreiz Versicherungsbetrug zu begehen, indem der VN einen Schaden herbeiführt, falls er sich im Schadenfall besserstellen würde.112 Im Bereich des Unternehmerrisikos haben Ent- scheider viele Möglichkeiten, nach Versicherungsabschluss die Risikosituation zu verändern.
Eine Ursache für die Notwendigkeit des Kriteriums der Unbeeinflussbarkeit ist die Mo- ral-Hazard-erzeugende Divergenz der Interessen zwischen den Vertragsparteien. Falls beide Parteien jedoch gemeinsame Interessen haben, verliert das Kriterium in gewissem Maße an Relevanz. Ziel muss es daher sein, ein alignment of interest zwischen VN und Versicherer herzustellen. In diesem Fall können auch Risiken versichert werden, die vom VN beeinflussbar sind.
Darüber hinaus ist Unternehmerrisiko abhängig vom Verhalten Dritter, u. a. von Kunden, Lieferanten oder Konkurrenten.113 Unternehmen stehen am Markt in einer Wettbewerbssituation und treffen Entscheidungen daher mit dem Ziel, am Markt bestehen zu können. Folglich lassen sich unternehmerische Entscheidungen nicht unabhängig vom jeweiligen Marktumfeld betrachten. Während solche spieltheoretischen Situationen teilweise als nicht versicherbar gelten,114 lässt sich der Einfluss Dritter aus dem Unternehmerrisiko grundsätzlich nicht ausschließen. Eine Versicherung von Unternehmerrisiko muss also neben internen auch externe Risikofaktoren beachten.
Besonders offensichtlich wird dies bspw. bei der Betrachtung des Absatzrisikos einer Unternehmung. Während ein Teil des Angebots vom Unternehmen intern bestimmt wird, ist die Nachfrage der Kunden nach den Produkten des Unternehmens abhängig von Marktprozessen und externen Faktoren.
Ebenso darf die Gefahr von externem Moral Hazard nicht vernachlässigt werden.115 Dieser Begriff beschreibt das Phänomen, dass das Vorliegen einer Versicherung Dritte zu einer Verhaltensänderung veranlasst. Dies könnten u. a. Geschäftspartner der versicherten Unternehmung sein, die versuchen werden, ihren Nutzen auch in der Versicherungssituation zu optimieren. Externes Moral Hazard kann zu einer unerwarteten, erheblichen Veränderung von Frequenz und Höhe der Schadenereignisse führen, weshalb mögliche dahingehende Effekte einer Versicherung immer vorher zu prüfen sind.
Die Prüfung des Kriteriums der Zufälligkeit ergibt folglich drei Felder, die es zu beachten gilt: die Kontrolle von internem und das Monitoring von externem Moral Hazard sowie die Beeinflussbarkeit des Unternehmerrisikos durch Dritte.
3.3.7 Synthese
Aus obiger Analyse ergibt sich ein gemischtes Bild. Zunächst lässt sich jedoch erneut festhalten, dass die Subjektivität der Kriterien auch für die Versicherung von Unternehmerrisiko viel Spielraum lässt. Die allgemein gehaltene Definition des Unternehmerrisikos in dieser Arbeit ermöglicht nach dieser kurzen Analyse erwartungsgemäß keine harten Aussagen zur Versicherbarkeit, jedoch lassen sich kritische Bereiche identifizieren, die eine tiefergehende Auseinandersetzung erfordern. Dies trifft insb. auf die Zufälligkeit möglicher Schäden ebenso wie auf das Kriterium der Unabhängigkeit und die daraus folgende Kumulgefahr zu. Ein dritter Aspekt ist das möglicherweise verstärkt vorliegende Änderungsrisiko aufgrund imperfekter Zufälligkeit. Ein Überblick der bisherigen Ergebnisse erfolgt in Tabelle 1:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Vorläufige Bewertung der Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos anhand des bestehenden Kriterienkatalogs
Im nun anschließenden Kapitel sollen die identifizierten Schwierigkeiten bzw. Unzulänglichkeiten des Unternehmerrisikos bzgl. der bisherigen Kriterien aufgelöst werden. Dazu werden die noch nicht erfüllten Kriterien genauer beleuchtet.
4. Lösungsansätze zur Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos
4.1 Herangehensweise
Gemäß der dreistufigen Vorgehensweise wurde soeben die Problemanalyse durchgeführt, die darin besteht, die Grenzen der bekannten Kriterien der Versicherbarkeit in Bezug auf Unternehmerrisiko zu identifizieren. Im nächsten Schritt wird versucht, Lösungsansätze für die identifizierten Problemstellungen zu finden, bevor diese wiederum im Rahmen einer Fallstudie angewandt und überprüft werden sollen.
Das Kapitel zielt darauf ab, Vorgehensweisen zu identifizieren, die Versicherer zur Lösung der Herausforderungen nutzen können, und somit eine Versicherbarkeit von Unternehmerrisiko ermöglichen.
4.2 Änderungsrisiko
Bei der Prüfung des Kriteriums der Schätzbarkeit wurde das Änderungsrisiko als Herausforderung identifiziert. Änderungsrisiko bezeichnet die Instabilität „des Schadenursa- chenkomplexes im Betrachtungszeitraum“116. Neben dem Risiko der Änderung rechtlicher Rahmenbedingungen, dem grundsätzlich jede Versicherung ausgesetzt ist, kommt im Fall der Versicherung von Unternehmerrisiko ein weiterer Aspekt hinzu: Unternehmerrisiko ist von internen Entscheidungen117 und dynamischen Märkten beeinflusst. Unternehmen agieren auf verschiedenen Märkten (Beschaffungsmarkt, Absatzmarkt, Arbeitsmarkt, etc.) und sind damit von Veränderungen auf diesen Märkten betroffen. Aufgrund der Vielzahl an Akteuren auf einem Markt sind diese Veränderungen dynamisch und schwierig abschätzbar. Ebenso fehlen aussagekräftige Informationen, die eine verlässliche Prognose von Marktentwicklungen und deren Effekten ermöglichen könnten.
Schätzbarkeit ist grundsätzlich nötig, um eine Gesamtschadenverteilung und eine adäquate Risikoprämie zu bestimmen. Fehlende Schätzbarkeit aufgrund hohen Änderungsrisikos würde zusätzliche Risikoaufschläge erfordern, die die Attraktivität des Versicherungsprodukts für Unternehmen senken. Je größer dabei die bestehende Unsicherheit, desto höhere Risikoaufschläge sind zu erheben.118 Diese werden ex ante bestimmt, um die zusätzliche Unsicherheit in der Prämie abzubilden. Die Wahl konservativer Risikozuschläge würde bedeuten, dass in der Regel ein Teil der Prämie rückerstattet wird.
Es bestehen zwei Ansätze eine faire Prämie zu bestimmen, die miteinander verknüpft werden können. Zuerst kann versucht werden, ex ante eine möglichst genaue Schätzung des zu versichernden Unternehmerrisikos vorzunehmen. Anschließend kann die Prämie ex post korrigiert werden, wenn mehr Informationen zum versicherten Risiko vorlie- gen.119
Ersteres basiert auf einer sorgfältigen Risikoanalyse, in der Gefahren identifiziert und diese bspw. in Verbindung mit einer Szenarioanalyse bewertet werden.120 Die Risikoein- Schätzung umfasst die Diagnose der aktuellen Situation und die darauf aufbauende Prognose der weiteren Entwicklung.121 Dabei entstehen ein Diagnose- und ein Prognoserisiko.122
Da Risikoanalysen somit nur eine begrenzte Annäherung an die reale Ausprägung ermöglichen und das Änderungsrisiko nicht reduzieren, kann ex post eine Anpassung der Prämie stattfinden, falls nach Ende der Haftungsperiode mehr aussagekräftige Informationen vorliegen.
Ex post besteht zwar Sicherheit über eingetretene Schäden, jedoch bedeutet das nicht, dass die Risikosituation der vergangenen Periode objektiv beurteilt werden kann (Diagnoserisiko). Die Aussagekraft der eingetretenen Schäden für die (unbekannte) objektive Gesamtschadenverteilung ist begrenzt, auch wenn die Schadenhistorie in Ansätzen der Erfahrungstarifierung breite Anwendung findet.123
Daher werden weitere Indikatoren genutzt, um ex post Unsicherheit zu reduzieren. Versicherungsprämien werden mitunter an den Umsatz geknüpft oder enthalten gewisse Usage-Based-Insurance-Komponenten.124 Die Nutzung von Telematics-Konzepten ermöglicht eine Reduktion der Unsicherheit über das Fahrverhalten eines VN im Laufe der Versicherungsperiode.125
Damit existieren messbare Indikatoren, deren Ausprägung die Gesamtschadenverteilung und somit in ex ante festgelegtem Maße die finale Prämie beeinflusst. Erforderlich ist, dass diese Indikatoren die reale Risikosituation näherungsweise abbilden. Für den Einbezug solcher Prämienanpassungsklauseln sind bei Vertragsabschluss Indikatoren und eine Berechnungsformel zu vereinbaren, anhand derer sich nach Ende der Hafungsperiode die finale Prämie bestimmen lässt.
Eine Risikoeinschätzung und Szenarioanalysen können ex ante helfen, mögliche Effekte des Änderungsrisikos zu erfassen und Risikozuschläge zu bestimmen. Die verbleibende Unsicherheit erfordert dennoch höhere Rückstellungen, die die Effizienz des Versicherungsprodukts senken. Eine Anpassung der Prämie ex post kann diese Effizienz erhöhen, indem zusätzlich gewonnene Informationen genutzt werden, um sich an die risikoadäquate Prämie anzunähern. Voraussetzung dafür ist, dass relevante Faktoren, die die reale Risikosituation bedingen oder abbilden, beobachtbar sind. Dynamische Entwicklungen auf vielschichtigen Märkten und deren Effekte auf die Exponierung des versicherten Risikos sind jedoch schwierig zu identifzieren und zu messen. Der Bewertung des Änderungsrisikos und der Bestimmung einer risikoadäquaten Prämie sind somit auch ex post Grenzen gesetzt.
Daher könnten Versicherer zusätzlich eine weitere Maßnahme nutzen, um Änderungsrisiko zu reduzieren. Die Vereinbarung kürzerer Versicherungsperioden begrenzt insb. das Prognoserisiko und bietet Versicherern häufiger die Möglichkeit, Deckung und Prämie anzupassen oder eine Erneuerung sogar abzulehnen. Durch entsprechend häufigere Risikoprüfung wird darüber hinaus die Aktualität der Versicherungsbedingungen vergrößert.
Änderungsrisiko lässt sich bei der Versicherung von Unternehmerrisiko weder vollständig vermeiden noch objektiv bewerten. Dennoch bieten sich Versicherern über eine ex post Anpassung der Prämie oder kürzere Versicherungsperioden Möglichkeiten, es beherrschbar zu machen und Unternehmerrisiko zu versichern.
4.3 Kumulkontrolle
Der zweite Punkt, der als mögliche Hürde der Versicherbarkeit von Unternehmerrisiko identifiziert wurde, ist die Unklarheit des Effekts, den es auf die Exponierung des Versicherers gegenüber Kumulereignissen hat. Dies sind solche Schadenereignisse, die zeitgleich Schäden bei vielen versicherungstechnischen Einheiten hervorrufen.126 Das kann eintreten, wenn Risiken voneinander abhängig sind. Ein gewisser Grad an Unabhängigkeit ist somit Voraussetzung für Risikoausgleich im Kollektiv.127
Beim Aufbau eines Buchs an Unternehmerrisiken sind zwei Arten von Kumulrisiken128 zu beachten: einerseits bestehende Kumulszenarien, die durch die Versicherung von Unternehmerrisiko verschärft werden, und andererseits neue Kumulszenarien, die in der Sparte des Unternehmerrisikos entstehen.
Neue Kumulszenarien sollten dabei möglichst vor Aufbau eines Buchs an Unternehmerrisiken erkannt werden. Dazu sind die Gefahren zu betrachten, die in dieser Sparte versichert werden sollen, da Kumulszenarien an Schadenereignisse (und damit an Gefahren) geknüpft sind.129 Kumulrisiko besteht, wenn viele Risiken der selben Gefahr ausgesetzt sind und potenziell vom selben Schadenereignis betroffen sind.
Anschließend ist die Korrelation des Unternehmerrisikoportfolios mit dem bestehenden Portfolio zu betrachten.130 Erforderlich ist dafür zunächst Transparenz über die Kumul- schadenexponierung im aktuellen Portfolio, die einen Abgleich mit den im Unternehmerrisikoportfolio zu versichernden Gefahren ermöglicht. So wird das Kumulrisiko des neu entstehenden Gesamtportfolios abschätzbar. Ebenso besteht Klarheit über Gefahren, die Kumulrisiko verstärken. Dadurch können gezielt Maßnahmen wie Deckungslimits oder Ausschlüsse vereinbart werden.
Der Aufbau eines Portfolios an Unternehmerrisiken ist ein Prozess, in dem Risiken einzeln geprüft und versichert werden. Bei der Analyse der Versicherbarkeit eines Risikos ist daher wie folgt vorzugehen: Zu prüfen ist, ob Gefahren versichert werden sollen, bei denen aktuell ein Kumulschadenszenario existiert und falls dem so ist, wie groß die zusätzliche Exponierung ist. Wenn diese Prüfung ergibt, dass der Versicherer das Kumulri- siko des neuen Portfolios tragen kann, ist Versicherbarkeit gemäß dem Kriterium der Unabhängigkeit gegeben.
Damit ist hervorzuheben, dass die fehlende Unabhängigkeit der Risiken nur eine Grenze der Versicherbarkeit darstellt, wenn das Kumulrisiko aufgrund seiner Größe nicht mehr tragbar ist.131 Wird die Exponierung des gesamten Portfolios und der Effekt der Hinzunähme zusätzlicher Einzelrisiken betrachtet, so kann eine Entscheidung auf Einzelfallebene erfolgen. Die Frage der Versicherbarkeit ist damit immer im Kontext der Risikotragfähigkeit des Versicherers und seines bestehenden Portfolios zu beantworten.
Ökonomisch ist bei der Frage der Versicherbarkeit zusätzlich relevant, wie viel Deckungskapazität Versicherer benötigen, um ein Risiko zu besichern. Risiken erfordern mehr Kapazität, wenn der Risikoausgleich im Kollektiv nicht funktioniert, weil die Risiken untereinander abhängig sind. Daher muss der Versicherer entsprechend hohe Risikozuschläge fordern, die die Attraktivität der Deckung senken.132 Ein Portfolio untereinander unabhängiger Risiken dagegen benötigt weniger Deckungskapital, wodurch die Prämien geringer und damit attraktiver sind.
Die Selektion möglichst unabhängiger Risiken und die effiziente Allokation des Gesamtrisikos sind Grundlagen der Wettbewerbsfähigkeit. Dazu können Versicherer Risiken weltweit und branchenübergreifend diversifizieren, Teile des Risikos an Rückversicherer zedieren oder alternative Formen des Risikotransfers nutzen.
Neben Kumulereignissen ist auch die Korrelation von Risiken zur Asset-Seite der Versicherer von Bedeutung. Versicherer halten Kapital vor, um Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen bedienen zu können. Der Mindestumfang dieses Kapitals und die Anlagemöglichkeiten sind dabei streng reguliert.133 Dennoch sind auch Versicherer gegenüber einem Wertverfall ihrer Finanzanlagen exponiert, der die Erfüllung entstehender Verpflichtungen gefährden könnte. Das gleichzeitige Auftreten eines Wertverfalls der Finanztitel und hoher Schadenersatzansprüche der VN könnte zum Ruin führen. Versicherer müssen daher versicherte Gefahren auch bzgl. ihres Effekts auf die Asset-Seite untersuchen. Die Exponierung gegenüber Gefahren, die sowohl die Versicherungsseite als auch die Seite der Aktiva belasten, ist genau zu betrachten und zu limitieren. Dies könnten im Unternehmerrisikokontext insb. Gefahren im Zusammenhang mit einer negativen Konjunkturentwicklung sein.
Im Folgenden wird auf Herausforderungen im Bereich der Zufälligkeit des Risikos eingegangen.
4.4 Beeinflussbarkeit und Moral Hazard
4.4.1 Begriffsbestimmung Moral Hazard
Das Kriterium der Zufälligkeit umfasst zwei Dimensionen: Ungewissheit und Unbeein- flussbarkeit des Risikos. In Abschnitt 3.3.6 wurde festgestellt, dass speziell letzteres bei Unternehmerrisiko meist nicht gegeben ist, um gleichzeitig zu hinterfragen, ob Unbeein- flussbarkeit wirklich gegeben sein muss. Dabei wurden drei Bereiche identifiziert, die eine tiefergehende Auseinandersetzung erfordern, um die Relevanz dieses Kriteriums zu bewerten: internes Moral Hazard, externes Moral Hazard und externe Einflüsse. Zunächst soll auf das interne Moral Hazard eingegangen werden.
Grundsätzlich entsteht Moral Hazard, wenn das Verhalten des VN vom Versicherer nicht perfekt beobachtet werden kann (imperfekte Information) und der Abschluss von Versicherung die Anreize des VN verändert. Gleichzeitig sind perfekte Verträge unmöglich, die Moral Hazard ausschließen würden.134 Damit basiert das Phänomen des Moral Hazards auf zwei zentralen Voraussetzungen: Erstens existieren zumindest nach Vertragsabschluss divergierende Interessen der beiden Vertragsparteien (Interessenkonflikt). Zweitens besteht eine Informationsasymmetrie zwischen Versicherer und VN, da das Verhalten des VN nicht beobachtet werden kann (Unmöglichkeit des Monitorings).135 Diese Informationsasymmetrie kann vom Versicherer nicht perfekt antizipiert werden und resultiert in einem Anreiz für den VN sich nach Abschluss der Versicherung anders zu verhalten, als er es ohne Versicherung getan hätte. Das rationale Individuum maximiert seinen Nutzen und würde damit gegebenenfalls den Versicherer übervorteilen.136
Die zwei Annahmen, die als Grundlage der Moral-Hazard-Theorie identifiziert wurden, stellen gleichzeitig Problemstellungen dar und sind damit Anhaltspunkte, um sich einer Lösung des Problems anzunähern.
4.4.2 Vermeidung eines Interessenkonflikts
4.4.2.1 Principal-Agent-Beziehung im Versicherungskontext
Damit gilt es zunächst zu prüfen, inwiefern ein Interessenkonflikt zwischen VN und Versicherer vermieden werden kann. Um diesen Zusammenhang tiefergehend zu analysieren lohnt es, Moral Hazard als Principal-Agent-Problematik zu verstehen. Es liegt somit eine Situation vor, in der die ökonomische Position des Versicherers (Principal) vom Verhalten des VN (Agent) beeinflusst wird, dessen Verhalten aber nicht perfekt beobachtet werden kann.137 Das Ziel des Prinzipals dabei ist eine perfekte Angleichung der Interessen, sodass der Nutzen des Prinzipals maximiert wird, wenn der rationale Agent seinen persönlichen Nutzen maximiert.138 Zentrales Instrument zur Erreichung dieser Angleichung ist die Gestaltung eines Vertrags.
Ein perfekter Vertrag zur Lösung des Problems ist jedoch aufgrund unvollständiger Information und der Annahme hoher Transaktionskosten139 für die Ausarbeitung nicht möglich. Folglich ist ein unter diesen Nebenbedingungen optimaler Vertrag zu gestalten, der eine Balance zwischen dem Mehrwert zusätzlicher Versicherung und der größeren Anreizwirkung bei einem geringeren Versicherungsanteil finden muss.140
Grundlegend ist dabei zuerst zu verstehen, wie der zu lösende Interessenkonflikt entsteht. Dieser entsteht, weil der Abschluss einer Versicherung die Anreize des VN verzerrt und dessen Verhalten weder perfekt antizipiert noch beobachtet werden kann. Der VN kann sich entscheiden zwischen vorsichtigem Verhalten, das ihm Kosten (z. B. zeitlichen Aufwand) erzeugt, und riskantem Verhalten, das keine Kosten hervorruft.141 Ohne Versicherung verhält sich das Individuum vorsichtig, solange der positive Ertrag der Risikoreduktion die Kosten übersteigt. Nach Abschluss einer Versicherung trägt das Individuum weiterhin die vollen Kosten des vorsichtigen Verhaltens, jedoch nur noch einen Teil des positiven Ertrags, weshalb sich sein individuell optimales Verhalten verändert.142 Der Anteil des Risikos, den der VN trägt, muss groß genug sein, um ihn zu vorsichtigem Verhalten zu motivieren. Eine vollständige Übernahme des Risikos ist aus Sicht des Versicherers damit nie optimal.143
In der Versicherungswirtschaft existieren daher verschiedene Konstrukte, die eine Beteiligung des VN an Frequenz und Höhe der Schäden ermöglichen. Der Einsatz dieser Möglichkeiten wird von der gewünschten Anreizwirkung bestimmt. Vereinfacht kann sich der VN für vorsichtiges oder unvorsichtiges Verhalten entscheiden. Eine genauere Betrachtung führt zur Unterscheidung von vorsichtigen Verhaltensweisen in solche, die die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts bzw. die Frequenz reduzieren und solche, die die Schadenhöhe senken. Erstere werden als self protection, letztere als self insurance bezeichnet.144 Ein Anreiz zum Einsatz von Self-Protection-Maßnahmen kann erzeugt werden, indem feste Selbstbehalte pro Schadeneintritt (deductibles) eingeführt werden, da dem VN selbst somit durch jeden eingetretenen Schaden Aufwand entsteht.145 Um self insurance zu fördern, ist eine proportionale Risikoteilung (coinsurance) vorteilhaft.146
Auch wenn Vertragskonstruktionen verschiedene Formen der Risikoteilung ermöglichen, ist das Erreichen des optimalen Zustands von den bei Vertragsschluss verfügbaren Informationen abhängig.147 Das Verhalten des VN wird bedingt durch seine Risikoneigung, die Kosten vorsichtigen Verhaltens und das selbst getragene Risiko. Letzteres wird durch den Versicherungsvertrag determiniert und ist damit beobachtbar. Die Kosten vorsichtigen Verhaltens sind zwar individuell, jedoch besitzen Versicherer in der Regel umfangreiche Erfahrungswerte in der Bewertung der Kosten und des Nutzens risikomindernder Maßnahmen.148 Die exakte Ausprägung der Risikoneigung des Agenten dagegen ist schwierig zu bestimmen.149 Der optimale Vertrag steht somit unter dem Vorbehalt unvollständiger Information.
Entstehende Interessenkonflikte zwischen Versicherer und VN lassen sich durch vertragliche Risikoteilung reduzieren. Informationsasymmetrien sind ein zentraler Grund, wieso perfekte Verträge unmöglich sind und optimale Verträge angestrebt werden. Die Ausführungen zeigen, dass eine gleichzeitige Nutzung von festen Selbstbehalten (deductibles) und proportionalen Selbstbehalten im Sinne einer Mitversicherung eine Angleichung der Interessen insofern erreicht, dass beide Akteure Schäden reduzieren und Schadenhöhen begrenzen möchten - vorausgesetzt der VN trägt genug Risiko, damit der Nutzen vorsichtigen Verhaltens die Kosten übersteigt.
4.4.2.2 Principal-Agent-Beziehung im Unternehmenskontext
Der bisher beschriebene Ansatz findet in Versicherungen generell Anwendung, beschränkt sich also nicht auf Unternehmerrisiko. Speziell im Kontext des Unternehmerrisikos offenbart sich jedoch eine Unzulänglichkeit im Vorgehen. Die Moral-Hazard-The- orie in der Versicherungswirtschaft bezieht sich auf die Versicherung reiner Risiken, solcher Risiken also, bei denen nur negative Abweichungen auftreten können.150 Da das gemeinsame Interesse von Versicherer und VN im obigen Fall die Reduktion von Schadenaufwendungen ist, lässt sich die beschriebene Herangehensweise nur begrenzt auf Unternehmerrisiko anwenden, das eine spekulative Komponente enthält. Denn sobald die versicherte Unternehmung mögliche negative Abweichungen gegen positive abwägt, entsteht eine Verzerrung der Anreize.151 Versicherer sind proportional an möglichen Schadenaufwendungen beteiligt, werden jedoch durch eine fixe Prämie vergütet.152 Somit besteht ein zusätzlicher Anreiz für den VN, riskantere Verhaltensweisen zu wählen und spekulative Risiken einzugehen. Eine proportionale Beteiligung an negativen Abweichungen bei gleichzeitiger fester Prämie (und damit limitierter Beteiligung an positiven Abweichungen) reicht damit nicht aus, um eine Anreizverzerrung im Zuge von Moral Hazard bei spekulativen Risiken zu verhindern.153 Daher sind weitere Maßnahmen erforderlich.
Wie am Anfang dieses Abschnitts beschrieben ist Moral Hazard grundsätzlich ein Principal-Agent-Problem. Die Thematik findet dabei über den Bereich der Versicherungs- Wirtschaft hinaus Anwendung und erhält entsprechend viel Aufmerksamkeit in der Literatur. Daher können Lösungsansätze aus vergleichbaren Anwendungsfeldern herangezogen werden, um Moral Hazard bei spekulativen Risiken zu reduzieren.
Ein bekanntes Anwendungsgebiet ist die Beziehung zwischen Eigentümer (Principal) und Manager (Agent) in Unternehmen. Die Eigentümer legen die Entlohnung der Manager vertraglich derart fest, dass diese möglichst im Interesse der Eigentümer handeln.154 Versicherungen legen im Versicherungsvertrag jedoch nur die Teilung von Schadenaufwendungen und eine feste Prämie fest; über die Verteilung möglicher Erträge der Unternehmung hat der Versicherer keine Kontrolle. Somit kann er im Gegensatz zum Unternehmenseigentümer das Einkommen des jeweiligen Agenten nicht bestimmen und sein Handeln folglich nur begrenzt determinieren. Eine Betrachtung von Methoden der Eigen- tümer-Manager-Beziehung ist nur bedingt hilfreich, da die Relation zwischen Principal und Agent eine andere ist als im Versicherungskontext.
Stattdessen könnte der Blick auf eine weitere Anspruchsgruppe lohnen. Versicherer nehmen eine ähnliche Rolle ein wie Fremdkapitalgeber, die Unternehmen Kapital gegen einen festen, möglichst risikoadäquaten Zinssatz zur Verfügung stellen. Beide Relationen kennzeichnen sich durch die Übernahme von Risiko gegen eine fixe, ex ante festgelegte Prämie, womit sie gegenüber nicht beobachtbaren, risikoerhöhenden Handlungen des VN nach Vertragsabschluss exponiert sind. Ein solches Phänomen ist die Gefahr der asset substitution durch die Manager, die darin besteht, dass Manager ein für sie aufgrund ihrer begrenzten Risikotragung vorteilhaftes, aber riskanteres Verhalten wählen, das die Versicherer bzw. Fremdkapitalgeber schlechter stellt.155 Unter Umständen können die Prinzipale derartiges Verhalten der Agenten antizipieren und das erhöhte Risiko in die Prämie miteinbeziehen oder sich vertraglich alternative Handlungsspielräume schaffen.156 Erster Schritt ist somit eine ex ante Risikoprüfung, die auch im Versicherungskontext den Ausgangspunkt sorgfältiger Underwriting-Prozesse und die Grundlage einer risikoadäquaten Prämie darstellt.
Während in der Position von Versicherern und Fremdkapitalgebern gewisse Ähnlichkeiten bestehen, ist die Ausgangslage für beide Anspruchsgruppen eine andere. Versicherer einerseits verfügen selbst über ihr Haftungskapital, für dessen Auszahlung vordefinierte Bedingungen erfüllt sein müssen, während sich andererseits das Kapital der Fremdkapitalgeber unter der Kontrolle der Manager befindet. Damit besteht eine direkte Exponierung gegenüber Liquiditätsrisiken der Unternehmung und einer gläubigerschädigenden Mittelverwendung, die für Versicherer nicht vorliegt. Direkt relevant könnten diese Risiken für Versicherer nur sein, wenn Unternehmen sie versichern möchten.157
Fremdkapitalgeber versuchen diese Risiken zu reduzieren, indem sie die Stellung von Sicherheiten, Verbote (z. B. Dividendenausschüttung, Aufnahme weiteren Fremdkapitals), Eingriffsrechte oder Berichtspflichten fordern.158
Bei Anwendung auf Versicherer lässt sich festhalten, dass speziell die Vereinbarung von Berichtspflichten und Informationsrechten eine sinnvolle Lösung ist, da sie Informationsasymmetrien reduziert und Verhalten beobachtbar macht. Darüber hinaus kann ein vertraglicher Einbezug von Eingriffsrechten im Fall einer materiellen Veränderung des Risikos das Moral Hazard teilweise heilen.159 Solche Rechte könnten bspw. eine Prämienerhöhung oder sogar eine außerordentliche Kündigung ermöglichen.
Ebenso ist die Vereinbarung vertraglicher Obliegenheiten im Versicherungskontext ein häufig genutztes Instrument. Dadurch verpflichtet sich der VN zur Erfüllung gewisser Bedingungen (etwa Sicherheitsstandards) oder der Umsetzung bestimmter Maßnahmen, die vom Versicherer sozusagen als Grundvoraussetzungen für die Deckung des Risikos formuliert werden.160 Eine Nichteinhaltung der Obliegenheiten kann im Schadenfall zu einer verhältnismäßigen Reduktion der Versicherungsleistung führen.161
Nachdem zuvor die optimale Risikoteilung als Instrument zur Kontrolle des Moral Hazards angeführt wurde, hat sich nun gezeigt, dass die Teilung negativer Abweichungen nicht ausreicht, wenn die Möglichkeit positiver Abweichungen besteht. Da dies bei Unternehmerrisiko häufig der Fall ist, wurde der Blick auf weitere Principal-Agent-Szena- rien erweitert. Dabei lassen sich Methoden, die von Fremdkapitalgebern genutzt werden, auch im Versicherungskontext anwenden. Die Antizipation des Verhaltens verbunden mit Berichtspflichten und Eingriffsmöglichkeiten sowie risikoadäquate Bepreisung reduzieren Moral Hazard und dessen Folgen. Darüber hinaus eröffnet die Betrachtung eines längeren Zeithorizonts weitere Möglichkeiten.
4.4.2.3 Einbezug langfristiger Anreize
Risikoteilung dient dazu, VN zu vorsichtigem Verhalten zu motivieren, indem dieses auch ihr eigenes Risiko senkt. Beim stark beeinflussbaren Unternehmerrisiko spielt Verhaltenssteuerung damit eine große Rolle. Da das Verhalten jedoch erst nach Vertragsabschluss und Bestimmung der Prämie realisiert wird, kann die Prämie ex ante nicht entsprechend gesenkt werden, wenn das Verhalten nicht perfekt antizipierbar ist.
Erweitert man die Betrachtung auf mehrere Perioden, kann der Versicherer stattdessen einen Schadenfreiheitsrabatt bei Erneuerung der Police in Aussicht stellen oder einen gewissen Anteil der gezahlten Prämie bei Schadenfreiheit rückerstatten. Voraussetzung dafür ist, dass eine positive Korrelation zwischen Schadenfreiheit und vorsichtigem Verhalten besteht.162 Durch sog. Erfahrungstarifierung beteiligt sich der Versicherer ex post an den Kosten des vorsichtigen Verhaltens und incentiviert den VN mit langfristigen Anreizen, sich vorsichtig zu verhalten.
Die Schadenerfahrung des VN dient somit als beobachtbarer Indikator für unbeobachtbares Verhalten. Je größer die Güte des Indikators (die Korrelation zur realen Verhaltensausprägung), desto geringer ist der Anreiz zu riskantem Verhalten, da eine Reaktion des Versicherers in der kommenden Periode und darüber hinaus zu erwarten ist. Diese könnte in einer Erhöhung von Prämie oder Selbstbehalten liegen oder eine Reduktion der Deckung zur Folge haben. Die Vorteile riskanten Verhaltens entstehen bis zum Erkennen des Verhaltens, während die negative Reaktion ab diesem Zeitpunkt wirkt. Bei perfekter
Korrelation des Indikators zum Verhalten würden die Vorteile riskanten Verhaltens nur eine Periode andauern, während die Reaktion unendlich aufträte.163
In einem Mehr-Perioden-Modell ist es dem Versicherer möglich, sich an den Kosten vorsichtigen Verhaltens zu beteiligen und eine Situation zu schaffen, in der der VN zwischen kurzfristigen Vorteilen riskanten Verhaltens und langfristig erzielbaren Vorteilen vorsichtigen Verhaltens wählen muss. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines beobachtbaren Verhaltensindikators.
4.4.2.4 Geschäftsmodell als Anreiz: Reputation
Zuletzt sind auch Faktoren zu beachten, die auf dem Geschäftsmodell der zu versichernden Unternehmung basieren. Am Markt steht ein Unternehmen in laufenden Austauschbeziehungen mit Partnern, Kunden oder Lieferanten, gegenüber denen Verpflichtungen und Erwartungen bestehen.164 Eine Nichterfüllung dieser Verpflichtungen gefährdet die Reputation des Unternehmens. Sicherheit der Leistungserbringung ist ein wertvolles Gut. Die Reputation eines Unternehmens ist dabei essenziell für das Vertrauen anderer Marktteilnehmer. Ein entstandener Schaden, der die Erfüllung von Verpflichtungen gefährdet, kann ein Unternehmen auch schädigen, indem es die Reputation belastet, auch wenn die Versicherung den direkt entstandenen Schadenaufwand ersetzt.165 Folglich kann die Motivation, die eigene Reputation zu erhalten dazu beitragen, Moral Hazard zu reduzieren.
Während die angestrebte Angleichung der Interessen zwischen Versicherer und VN im Ein-Perioden-Modell bei Vorliegen spekulativer Risiken an ihre Grenzen stoßen kann, ermöglichen die Erweiterung auf eine längerfristige Perspektive und der Einbezug externer Faktoren eine gewisse Entschärfung der Thematik.
4.4.3 Einbezug von Monitoring
Anfangs wurde neben Interessenkonflikten die fehlende Beobachtbarkeit des Verhaltens als Problem identifiziert, das Moral Hazard begünstigt. In den bisherigen Ausführungen zur Angleichung der Interessen ist die Relevanz von Monitoring zur Lösung dieses Problems bereits sichtbar geworden.
Die Möglichkeit einer ex post Feststellung des Verhaltens, wie in Abschnitt 4.4.2.3 beschrieben, ist Voraussetzung für Ansätze der Erfahrungstarifierung und somit der Setzung langfristiger Anreize.
Ebenso baut der Ansatz der Fremdkapitalgeber zur Reduktion des Principal-Agent-Problems mittels Eingriffsmöglichkeiten auf ein laufendes Monitoring der Risikosituation.
Eine Reduktion der vorliegenden Informationsasymmetrie ermöglicht folglich Maßnahmen zur Mitigation von Moral Hazard. Zentrale Instrumente des Monitorings sind die Vereinbarung von Berichtspflichten und Prüfrechten auch während der Vertragslaufzeit, die Informationsasymmetrien verringern. Die Kenntnis des Verhaltens spielt eine zentrale Rolle dabei, die Unzulänglichkeiten des optimalen, ex ante bestimmten Vertrags zu reduzieren und das darin enthaltene Moral Hazard zu limitieren.
4.4.4 Vorgehensweise bei internem Moral Hazard
Ziel der bisherigen Ausführungen war es, internes Moral Hazard bei der Versicherung von Unternehmerrisiko zu vermeiden. Insbesondere der spekulative Charakter vieler Unternehmerrisiken hat sich in diesem Kontext als Herausforderung erwiesen. Über verschiedene Ansätze wurden Maßnahmen gesammelt, die dazu beitragen können, dieses Ziel zu erreichen. Daher gilt es nun zusammenfassend darzulegen, wie sie sinnvoll eingesetzt werden können.
Grundsätzlich lassen sich die Maßnahmen zwei Wirkungsebenen zuordnen: der Anreizebene und der Pflichtebene. In einem ersten Schritt ist das Ziel, Moral Hazard durch Anreize zu verhindern. Auch nach Abschluss einer Versicherung muss der VN incentiviert sein, das vorsichtige Verhalten zu wählen. Zu dieser Maßnahmengruppe zählen bspw. Instrumente der Risikoteilung. Falls dennoch Anreize bestehen könnten, nach Versicherungsabschluss ein riskantes Verhalten zu wählen, können Maßnahmen der Pflichtebene angewendet werden. Diese umfassen bspw. die Vereinbarung von Obliegenheiten oder Berichtspflichten und sind meist mit Transaktionskosten verbunden.166 Eine Übersicht der beschriebenen Maßnahmen findet sich in Tabelle 2.167166 167
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Versicherer sollten zuerst auf der Anreizebene versuchen, Moral Hazard auszuschließen, und können im Anschluss möglichen Unzulänglichkeiten auf der Pflichtebene begegnen (siehe Abbildung 1). Dabei ist jedoch zu beachten, dass Risikoteilung den Mehrwert der Versicherung reduziert und Maßnahmen der Pflichtebene Transaktionskosten generieren, die die Effizienz und damit die Attraktivität der Versicherungslösung senken. Ebenso ist hervorzuheben, dass beide Ebenen auf verfügbaren Informationen basieren, weshalb Informationsasymmetrien die Qualität der Lösung und die Zuverlässigkeit der Ergebnisse belasten. Eine sorgfältige Risikoprüfung ist damit grundlegend für die Anwendung des Prozesses.
4.4.5 Externes Moral Hazard
Während internes Moral Hazard das Risiko beschreibt, dass sich die Anreize des VN nach Abschluss einer Versicherung verschieben, bezeichnet das externe Moral Hazard eine Veränderung der Anreize Dritter bei Vorliegen einer Versicherung.168 Dritte in diesem Sinne können u. a. staatliche Akteure sein, bspw. Richter, möglicherweise durch den VN geschädigte Anspruchssteller oder auch jegliche Akteure, die mit dem VN in einer Beziehung stehen. Prominente Formen des externen Moral Hazards sind demnach insb. juristisches Moral Hazard und das Anspruchssteller-Moral-Hazard.169
So existiert bei Gerichtsurteilen mitunter das Phänomen, dass versicherte Personen oder Unternehmen höhere Schadenzahlungen leisten müssen als solche, die nicht versichert sind.170 Ebenso besteht die Gefahr, dass Richter bestehende, eindeutige Deckungen zu Gunsten der VN oder Dritter Anspruchssteller ausweiten.171 Externes Moral Hazard umfasst hier die Gefahr, dass die rechtsprechende Instanz ihr Verhalten ändert, wenn eine Versicherung vorliegt.
Anspruchssteller-Moral-Hazard beschreibt Situationen, in denen Anspruchssteller (die in diesem Fall nicht identisch mit dem VN sind) versuchen, ungerechtfertigte Klagen gegen versicherte Parteien anzustoßen, weil diese finanziell gut abgesichert sind und damit eine höhere Entschädigung erwartet wird.
Auch wenn sich beide Moral-Hazard-Szenarien auf die Versicherung von Haftpflichtrisiken beschränken, ist externes Moral Hazard auch bei Eigenschadendeckungen nicht völlig auszuschließen. Das Wissen, dass ein Unternehmen versichert ist, könnte Geschäftspartner zu Verhaltensänderungen anregen. Im Kontext der Versicherung von Unternehmerrisiko könnte externes Moral Hazard auftreten, indem Kunden höhere Vertragsstrafen bei Nichtlieferung fordern, wenn bekannt ist, dass ein Unternehmen im Zuge der Versicherung seines Produktionsrisiko auch Vertragsstrafen entschädigt bekommt.172 Externes Moral Hazard kann sowohl die Höhe als auch die Eintrittswahrscheinlichkeit von Schäden beeinflussen.
Eine separate Betrachtung des Phänomens ist nötig, da weder die Handlungen Dritter effizient beobachtet werden können noch die Interessen Dritter an die Interessen der Versicherung angeglichen werden können.173 Somit bleiben Maßnahmen, die internes Moral Hazard reduzieren, bei externem Moral Hazard wirkungslos.
Aufgrund des hohen Schadenpotenzials ist eine Betrachtung der Exponierung im Zuge der Risikoanalyse unerlässlich. Instrumente, um die Gefahr externen Moral Hazards zu reduzieren, sind u. a. die Strukturierung als Summenversicherung, womit eine Einflussnahme auf die Schadenhöhe limitiert wird, die Nutzung von Selbstbehalten, die den VN zur Beseitigung externen Moral Hazards motivieren, und die Limitierung der Entschädigung für gewisse, besonders exponierte Schadenaufwendungen (etwa Vertragsstrafen).174
4.4.6 Externe Einflüsse
In den vorangegangenen Kapiteln wurde argumentiert, dass Unternehmerrisiko eine inhärente Marktrisikokomponente aufweist. Entsprechend ist die Risikosituation einer Unternehmung nicht nur intern direkt beeinflussbar, sondern direkt oder indirekt auch von außerhalb der Unternehmung.175 Damit stehen sowohl interne als auch externe Faktoren im Widerspruch zum Anspruch der Unbeeinflussbarkeit des Risikos.
Da die Gefahr des Moral Hazards der Grund für dieses Kriterium ist, wurden internes und externes Moral Hazard bereits umfangreich beleuchtet und Lösungsansätze aufgezeigt. Fraglich ist damit, ob die Versicherung dieser Faktoren über externes Moral Hazard hinaus aus der Perspektive der Zufälligkeit bzw. der Unbeeinflussbarkeit des Risikos noch eine Hürde darstellt.176
Dies ist nur insofern der Fall, dass die Schadenhistorie des VN neben internen auch von variablen, externen Faktoren beeinflusst wird. Diese fungieren als Störgröße und reduzieren damit die Güte der Schadenausprägung als Indikator des Verhaltens. Dies erschwert Erfahrungstarifierung, da es die Messbarkeit des Verhaltens beschränkt, und unterstreicht die Relevanz eines genaueren Monitorings der Risikosituation und des Verhaltens des VN.
4.4.7 Synthese
In Kapitel 3 wurde die Beeinflussbarkeit des Unternehmerrisikos als zentrale Hürde der Versicherbarkeit identifiziert. Daher wurden in diesem Abschnitt internes und externes Moral Hazard sowie externe Einflüsse betrachtet, um zu prüfen, ob sich Voraussetzungen schaffen lassen, Unternehmerrisiko zu versichern.
Dies lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Eindeutig ist einerseits, dass auch gewisse beeinflussbare Risiken versichert werden können, andererseits, dass die vorhandenen Instrumente nicht ausreichen, um bei allen Risiken Moral Hazard ausschließen zu können. Moral Hazard ist bei Risiken mit möglichen hohen positiven Abweichungen nur unzureichend kontrollierbar. Insbesondere aufgrund dieser spekulativen Komponenten sind Maßnahmen der Risikoteilung daher nur begrenzt wirkungsvoll. Informationsasymmetrien limitieren optimale Lösungen der Risikoteilung.
Umfangreiches Monitoring zur Reduktion dieser Informationsasymmetrien ist ebenso mit Transaktionskosten verbunden wie Versuche einer Annäherung an einen perfekten Vertrag, indem bspw. Obliegenheiten oder Eingriffsrechte vereinbart werden.
Die Versicherbarkeitsentscheidung ist daher subjektiv und abhängig von der individuellen Position einzelner Versicherer. Ebenso ist sie risikoindividuell. Eine mögliche Herangehensweise für den Umgang mit internem Moral Hazard wurde ausgeführt.
Eine objektive Entscheidung über die Versicherbarkeit lässt sich gemäß der versicherungstechnischen Logik nicht treffen. Das Zustandekommen einer Versicherung ist darüber hinaus offensichtlich abhängig von den Transaktionskosten und damit der Effizienz der Lösung. Versicherer müssen aus der Perspektive der Versicherungstechnik entscheiden, ob sie eine Deckung anbieten möchten. Limitierend wirkt hier insb. die Möglichkeit hoher positiver Abweichungen bei Risiken. Unternehmen entscheiden sich für den effizientesten Risikoträger. Dabei bestimmen die risikoadäquate Prämie und die Transaktionskosten die ökonomische Effizienz der Deckung, die über das Zustandekommen eines Vertrags entscheidet. Denn der Abschluss einer Versicherung ist nur dann wertschaffend, wenn der Versicherer das Risiko effizienter und damit kostengünstiger tragen kann als die Eigentümer. Die Marktlogik determiniert also, ob ein versicherbares Risiko auch versichert wird.
Die in diesem Kapitel identifizierten Vorgehens weisen sollen nun auf ein Fallbeispiel angewendet werden, um zu testen, ob sie sich bewähren und die Versicherbarkeit eines konkreten Unternehmerrisikos zu prüfen.
5. Fallstudie
5.1 Risikobeschreibung
Hier soll eine realitätsnahe Fallstudie betrachtet werden. Daher wird ein seit 2018 bestehender Versicherungsvertrag gewählt, der bereits Unternehmerrisiko gemäß der in dieser Arbeit gewählten Definition versichert. Im April 2018 wurde vom Rückversicherer Munich Re über die Erstversicherungstochter Great Lakes Insurance SE eine Versicherung mit dem Startup Fraugster abgeschlossen.177 Fraugster prüft Transaktionen im Internet mit dem Ziel, betrügerische Vorgänge zu identifizieren und zu verhindern.178 Diese Prüfung wird von einem proprietären, selbstlernenden Algorithmus durchgeführt, den Frau- gster Bezahldienstleistern in verschiedenen Produktvarianten anbietet.
Fraugster verspricht Kunden dabei eine Verbesserung des Betriebsergebnisses, die auf zwei Säulen beruht:179
- Einerseits werden betrügerische Transaktionen identifiziert, verhindert und somit Schäden reduziert.
- Andererseits werden weniger valide Transaktionen blockiert als bei Nutzung bisheriger betrugsverhindernder Anwendungen.
Daher sind die Qualität des Algorithmus bzw. die Verlässlichkeit der Bewertung die entscheidenden Komponenten der Wertgenerierung. Je verlässlicher der Algorithmus Transaktionen als valide oder betrügerisch einordnet, desto größer ist der Mehrwert für den Bezahldienstleister und dessen Kunden, u. a. Onlinehändler.
Die verbesserte Erkennung betrügerischer Transaktionen reduziert das Betrugsrisiko der Kunden. Der Vertrag mit Munich Re befähigt Fraugster nun dieses Betrugsrisiko vollständig zu übernehmen. Dabei haftet Fraugster im Sinne einer Produktgarantie für die Schäden, die Kunden durch nicht erkannte betrügerische Transaktionen entstehen, zediert dieses Risiko jedoch an Munich Re. Somit wird die Leistung von Fraugsters Produkt versichert: Munich Re haftet für Fehler in der Transaktionsprüfung.
Das Risiko der Entwicklung des Algorithmus und der Erhaltung der Aktualität kann als Produktionsrisiko klassifiziert werden. Der Verkauf der Produkte fällt in den Bereich des Absatzrisikos. Munich Re übernimmt folglich einerseits einen Teil des Produktionsrisikos, andererseits unterstützt die Versicherung auch den Vertrieb, da das Vorliegen der Deckung als Signal wirkt, das die Produktqualität bezeugt.180
Damit trägt Munich Re die Ungewissheit über die Qualität der Prüfungsergebnisse. Diese basiert auf Fraugsters Algorithmus, der selbst lernt und der vom Startup laufend angepasst wird, und auf dem externen Umfeld. Damit liegt ein Unternehmerrisiko gemäß anfangs gewählter Definition vor.
Während dieses Risiko bereits versichert und damit empirisch versicherbar ist, soll dies in der Folge aus versicherungstechnischer Sicht überprüft werden. Die anschließenden Ausführungen befassen sich mit der strukturierten Überprüfung und Versicherung des Risikos und basieren auf öffentlich verfügbaren Informationen und den Ergebnissen dieser Arbeit bis hierhin.
5.2 Versicherbarkeitsprüfung
5.2.1 Größe und Eindeutigkeit
Der Versicherer hat zunächst zu prüfen, ob das Risiko für ihn versicherbar ist. Dazu dient der Kriterienkatalog der Versicherbarkeit in Verbindung mit den identifizierten Herangehensweisen. Bei der Analyse der Kriterien in Abschnitt 3.3 wurden die Kriterien Größe und Eindeutigkeit für Unternehmerrisiko bereits als grundsätzlich erfüllbar bewertet, weshalb sie hier nur kurz ausgeführt werden.
Die Größe des Gesamtschadens kann durch Vereinbarung einer Summenversicherung oder durch Einbezug von Deckungslimits begrenzt werden. Fraugster entschädigt seinem Kunden den bei Betrug entstandenen Schaden, womit eine Schadenversicherung vorliegt. Haftungslimits im Versicherungsvertrag können jedoch die Gesamtschadenhöhe effektiv begrenzen. Ebenso wäre ein Ausschluss der Haftung bei Anbietern möglich, bei denen häufig hohe Transaktionssummen Vorkommen oder die Betrugsfrequenz als hoch eingeschätzt wird. Ersteres könnte bei Online-Auktionshäusern der Fall sein, beide Aspekte in der Glücksspielbranche.
Weiterhin sollte Eindeutigkeit der Versicherungsbedingungen insb. über Schadeneintritt und Versicherungsleistung bestehen. Im Vorliegenden Fall wird nur die Gefahr der Nichterkennung betrügerischer Transaktionen versichert. Damit ist eine eindeutige Definition dieses Begriffs nötig, ebenso wie eine klare Herangehensweise zur Bestimmung der zu entschädigenden Schadensumme. Dies stellt keine Hürde dar.
Während Größe und Eindeutigkeit des Risikos die Versicherbarkeit nicht verhindern, bleibt zu prüfen, wie mit den weiteren Kriterien umgegangen werden kann.
5.2.2 Schätzbarkeit und Änderungsrisiko
Zunächst ist die Schätzbarkeit des Risikos eine Herausforderung. Fraugster ist ein junges Unternehmen ohne umfangreichen Leistungsausweis und mit wenigen bewertbaren Vergangenheitsdaten. Die Risikoanalyse bezieht sich daher auf die Gegenwart und basiert auf dem Personal, den Prozessen und dem Produkt der Firma.
Zudem agiert Fraugster in einem dynamischen Umfeld, in dem Kriminelle aktiv an Lösungen arbeiten, betrügerische Transaktionen unerkannt durchzuführen.181 Entsprechend muss sich auch der selbstlernende Algorithmus anpassen. Somit verändert sich sowohl das Produkt, dessen Leistung versichert ist, als auch das Umfeld, das die Leistungserbringung beeinflusst. Interne Änderungen sind dabei beobachtbar, externe Änderungen sind es nur begrenzt.
Die Einschätzung der internen Risikokomponente beginnt mit der Prüfung der aktuellen Leistung und Anpassungsfähigkeit des Algorithmus. Dies würde die Bereitschaft des Unternehmens zur Offenlegung des proprietären Codes erfordern. Alternativ könnte die Funktionalität des Algorithmus mittels Testdaten analysiert werden.
Ebenso wären Änderungen des Codes während der Versicherungsperiode mitzuteilen und zu begründen. Neben der Prüfung der Änderungen bietet sich eine Analyse des verantwortlichen Teams bei Fraugster an. Das Fortbestehen eines qualifizierten Teams sollte erfolgreiche Änderungen ermöglichen, während bspw. hohe Fluktuation ein Warnsignal wäre. In gewisser Weise wird somit nicht nur der Algorithmus versichert, sondern auch die Fähigkeit des Fraugster-Teams diesen und sich im Zeitverlauf effektiv weiterzuentwickeln.
Externe Veränderungen zu beobachten und deren Effekt zu messen gestaltet sich dagegen schwieriger, da verlässliche externe Informationen etwa zu Frequenz und Erfolg von Betrugsversuchen nicht zeitnah verfügbar sind. In diesem Fall dient jedoch die Schadenerfahrung bzw. -entwicklung im versicherten Portfolio als Indikator für die Risikosituation. Die Schadenerfahrung spiegelt einerseits die Qualität des Produkts und andererseits die Anzahl und Qualität der Betrugsversuche wider. Weitere Einflussfaktoren neben diesen existieren kaum. Dies eröffnet u. a. die Möglichkeiten einer ex post Anpassung der Prämie oder einer Erfahrungstarifierung.
Die hohe Güte des Indikators ermöglicht es, das Diagnoserisiko zu reduzieren. Verbunden mit der Vereinbarung kurzer Versicherungsperioden lässt sich das Änderungsrisiko in diesem Fall somit beherrschen. Da das Risiko mit der Anzahl an geprüften und versicherten Transaktionen korreliert, sollte die Prämie an die Zahl der Transaktionen oder den Umsatz geknüpft werden, sofern dieser die Exponierung abbildet.182
5.2.3 Unabhängigkeit und Kumulkontrolle
Die Voraussetzung der Unabhängigkeit dient der Verhinderung existenzbedrohender Ku- mulschadenereignisse, weshalb der Aspekt der Kumulkontrolle vertieft wurde. Kumulkontrolle funktioniert einerseits mittels eines Abgleichs bestehender Kumulszenarien und der beim neuen Risiko zu versichernden Gefahren. Das Nichterkennen betrügerischer Transaktionen ist im vorliegenden Fall die einzige zu versichernde Gefahr. Es lässt sich davon ausgehen, dass mit dieser Gefahr bei international diversifizierten Versicherern kein bestehendes Kumulszenario verbunden ist. Internet-Betrug ist zwar häufig ein Baustein in Cyber-Versicherungen, stellt jedoch kein Kumulszenario dar.183
Andererseits ist zu prüfen, ob im Versicherungsvertrag mit Fraugster Kumulrisiko enthalten ist. Fraugster ist weltweit und branchenübergreifend aktiv.184 Daher müsste in verschiedenen Bereichen gleichzeitig eine große Anzahl betrügerischer Transaktionen erfolgen, die von der Betrugserkennungssoftware nicht erkannt werden. Die Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios erfordert eine Analyse des Algorithmus und eine gewisse Kenntnis über Fähigkeitenpotenzial und Vorgehensweise von Cyber-Kriminellen. Sollten die Risiken abhängig sein und ein schwerwiegendes Kumulsze- nario existieren, ist eine Limitierung der Versicherungssumme entscheidend, um die Risikotragfähigkeit und damit die Versicherbarkeit zu gewährleisten. Solange der mögliche Gesamtschaden vom Versicherer getragen werden kann, ist Unabhängigkeit keine Voraussetzung für Versicherbarkeit und das vorliegende Risiko versicherbar.
Weiterhin muss überprüft werden, ob eine positive Korrelation zwischen Versicherungsschäden und der Asset-Seite des Versicherers vorliegt. In diesem Fall entstehen Schäden durch unerkannten Betrug. Der Anteil der Aktiva des Versicherers, der stark exponiert gegenüber Betrug bei Transaktionen im Internet ist, ist als gering anzunehmen. Somit ist das zu versichernde Risiko auch von den Aktiva des Versicherers unabhängig.
5.2.4 Zufälligkeit und Moral Hazard
Zuletzt ist das Kriterium der Zufälligkeit zu betrachten, das Ungewissheit und Unbeein- flussbarkeit der Schäden fordert. Da weder Fraugster noch dessen Kunden im Vorhinein Gewissheit über einen Schadeneintritt haben, ist ersteres erfüllt. Unbeeinflussbarkeit dagegen liegt per definitionem bei diesem Risiko, wie bei jedem Unternehmerrisiko, nicht vor. Es wurde bereits ausgeführt, dass das Unternehmen das Produkt auch während der Versicherungsperiode anpassen und damit die Risikosituation verändern kann. Aufgrund des proprietären Charakters des Algorithmus können Änderungen nicht immer vollständig beobachtet werden. Eine perfekte Antizipation der Änderungen ist ebenso wenig möglich. Der Abschluss der Versicherung hat Einfluss auf die Anreize der Vertragsparteien. Fraglich ist dabei jedoch, ob ein Interessenkonflikt entsteht, der zu Moral Hazard führen könnte.
Dazu wird zunächst die Anreizebene betrachtet. Ohne Versicherung wäre Fraugster wohl nicht in der Lage eine Leistungsgarantie anzubieten. Fraugsters Produkt würde geringeren Mehrwert schaffen, da der Kunde das Betrugsrisiko weiterhin selbst tragen müsste. Bei Abschluss einer Versicherung und Vertrieb der Leistungsgarantie könnte Fraugster jedoch incentiviert sein, z. B. Instandhaltungsausgaben zu reduzieren, da nun weder der Kunde noch Fraugster die entstehenden Kosten tragen muss. Hier bieten sich bekannte Möglichkeiten der Risikoteilung, um diesen Anreiz aufrechtzuerhalten. Da Fraugster über die Bewertungsqualität des Algorithmus Einfluss auf die Frequenz der Schäden hat, würden feste Selbstbehalte pro Schaden zu Verhalten motivieren, das die Frequenz senkt (self protection). Die Vereinbarung proportionaler Selbstbehalte würde bspw. einen Anreiz setzen, nicht in Branchen mit besonders hohen Einzelschäden durch Betrug zu agieren (Self-Insurance-Maßnahme).
Darüber hinaus beeinflussen weitere Faktoren die Anreize der Unternehmung. Bei der Betrachtung eines langfristigen Horizonts ist es für Fraugster vorteilhaft, Versicherungsdeckung zu haben, da diese Deckung ein Signal der Qualität von Fraugsters Algorithmus ist. Ein Wegfall der Deckung würde daher Fraugsters Reputation ebenso beschädigen, wie es eine schlechte Leistung ihres Algorithmus tun würde, auch wenn die entstandenen Kosten erstattet werden. Das Geschäftsmodell ist somit abhängig von der Qualität der Leistung und der Signalwirkung der Versicherung. Die Wahl riskanter Verhaltensweisen, die die Leistung belasten könnten, würde damit die Unternehmung als Ganzes gefährden.
Folglich sind sowohl der Versicherer als auch das Unternehmen an möglichst hoher Bewertungsqualität des Produkts interessiert. Moral-Hazard-Risiko besteht im Allgemeinen somit nicht.
Unter Umständen könnten in einer unternehmerischen Entscheidungssituation jedoch die Chancen gegenüber den negativen Folgen riskanten Verhaltens überwiegen. Da Fraugster auf unterschiedlichen Märkten in verschiedenen Branchen aktiv ist, ist anzunehmen, dass der Bewertungsalgorithmus nicht in allen Fällen die gleiche Verlässlichkeit aufweist. Sofern nicht für alle Bereiche eine risikoadäquate Prämie bestimmt wurde, könnte Versicherung als Subvention von Investments ausgenutzt werden.
Falls die Bewertungsgenauigkeit des Algorithmus z. B. in der exponierten Branche A in Land C bisher gering ist, könnte Fraugster dennoch in den Markt einsteigen in der Hoffnung, durch die Prüfung von Transaktionen den Algorithmus zu trainieren und die Bewertungsgenauigkeit zu erhöhen, während der Versicherer einen großen Teil der Kosten trägt. Derartige Handlungen können auf der Pflichtebene verhindert werden. Möglich wäre ein Monitoring der Performanz des Algorithmus je nach Einsatzgebiet, bspw. im Rahmen einer Testphase mit anschließendem Vetorecht, ebenso wie der Ausschluss der Deckung für gewisse Branchen oder Länder.
Die Beeinflussbarkeit dieses Risikos ist folglich keine Hürde für seine Versicherbarkeit.
5.3 Synthese
Die Fallstudie zeigt, dass das vorliegende Unternehmerrisiko auch aus versicherungstechnischer Sicht versichert werden kann. Die Anwendung der erarbeiteten Herangehensweisen ermöglicht dabei eine strukturierte Analyse der entscheidungsrelevanten Faktoren und folglich eine qualifizierte Entscheidung über die Versicherbarkeit.
Der betrachtete Fall ist dahingehend besonders, dass er ein vollkommen neuartiges Risiko darstellt (die Performanzgarantie eines Algorithmus) und damit eine komplizierte Risikoanalyse erfordert. Eine Hürde könnte dabei darstellen, dass der VN sein geistiges Eigentum nicht vollständig offenlegen möchte. Der Versicherer muss sicherstellen, dass er genug Informationen für eine verlässliche Risikoprüfung erhält.
Gleichzeitig wirkt vereinfachend, dass nur eine einzige Gefahr versichert ist (unerkannter Betrug). Darüber hinaus ist die versicherte Leistung zentral für den Geschäftserfolg des VN, weshalb nur geringes Moral Hazard besteht.
Entscheidend für die Versicherbarkeit ist schließlich einerseits, dass riskantes Verhalten wenig positive Folgen für Fraugster bietet und somit keine starke Anreizverzerrung erfolgt. Andererseits schafft die Versicherung für Fraugster einen hohen Mehrwert. Dieser basiert auf der Signalwirkung der Versicherung, der Erweiterung des Produkts um eine Leistungsgarantie und nicht zuletzt der effizienten Risikotragung.
Unternehmerrisiko wird von individuellen Charakteristika der Unternehmen bestimmt, weshalb unterschiedliche Ausprägungen möglich sind. Der geprüfte Fall unterstreicht, dass die beschriebene Herangehensweise geeignet ist, diese Unterschiede abzubilden.
Weiterhin zeigt der Fall eine über die Versicherungsbeziehung hinausgehende Maßnahme zur Angleichung der Interessen, die bisher nicht beschrieben wurde. Der Versicherer Munich Re hat sich einige Monate nach Abschluss der Versicherung mit einer Investition an Fraugster beteiligt und ist somit nicht mehr nur Versicherer, sondern auch Miteigentümer des Unternehmens.185 Der Versicherer hat damit einerseits weitere Informations- und Kontrollmöglichkeiten, andererseits profitiert er nun auch von Chancen, die das Unternehmen durch bewusstes Eingehen von Unternehmerrisiko wahrnimmt. Indem die Versicherung den Wert der Unternehmung erhöht, profitiert Munich Re auf der Ver- sicherungs- und der Investmentseite.
Während das Investment im vorliegenden Fall zwar aus versicherungstechnischer Sicht Vorteile aufweist, wird die Maßnahme keine häufige Anwendung finden. Nennenswerte Investments in Unternehmen sind mit finanziellen Risiken verbunden, die den Vorteil einer möglichen Angleichung der Interessen auf der Versicherungsseite für gewöhnlich übersteigen. Investment-Entscheidungen sollten folglich nur in bestimmten Situationen als Komplement zu Versicherungsverträgen getroffen werden. Dies könnte bei der Versicherung kleiner, nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen, insb. bei Startups, der Fall sein, wo die Versicherung durch effizientere Risikotragung und bspw. aufgrund ihrer Signalwirkung einen großen Mehrwert schafft, der den Wert der Investition des Versicherers positiv beeinflusst.
Abschließend werden die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst, bewertet und interpretiert.
6. Fazit
6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
Ziel dieser Arbeit war zu prüfen, ob Unternehmerrisiko versichert werden kann und wie dies geschehen kann. Dazu wurde die These, Unternehmerrisiko sei nicht versicherbar, falsifiziert. Ebenso wurden praktisch umsetzbare Handlungsempfehlungen für die Versicherung von Unternehmerrisiko erarbeitet.
Die Versicherung von Unternehmerrisiko könnte effizientere Risikotragung ermöglichen und Unternehmen Handlungsspielräume eröffnen, indem unerwünschte, kapitalintensive Risiken transferiert werden können, die Unternehmen bisher selbst tragen mussten.
Zunächst wurde der Begriff des Unternehmerrisikos betrachtet. Gekennzeichnet ist Unternehmerrisiko durch eine starke Beeinflussbarkeit seitens der Manager oder Dritter, aus der häufig die Annahme der Nicht-Versicherbarkeit gefolgert wird. Es ist gezeigt worden, dass eine Versicherung dieses Risikos Mehrwert schafft, wenn Versicherer es effizienter tragen können als die Eigentümer.
Anschließend wurden die Begriffe Versicherung und Versicherbarkeit aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, wobei die versicherungstechnische Logik für die weitere Analyse gewählt wurde. Bei der Anwendung eines Katalogs an Kriterien der Versicherbarkeit auf Unternehmerrisiko wurde zunächst festgestellt, dass die darin enthaltenen Kriterien subjektiv auszulegen sind und keine trennscharfen Grenzen der Versicherbarkeit abbilden. Der Katalog fungiert stattdessen als heuristische Methode der Risikobewertung. Eine eindeutige Entscheidung über die Versicherbarkeit war bei der Anwendung der Kriterien auf Unternehmerrisiko folglich nicht möglich.
Gezeigt worden ist jedoch, dass die Kriterien der Größe und Eindeutigkeit als erfüllbar eingestuft werden können, während Schätzbarkeit, Unabhängigkeit und Zufälligkeit als mögliche Hürden bewertet worden sind.
Die Schätzbarkeit stellt insbesondere aufgrund des Änderungsrisikos eine Herausforderung dar, die sich jedoch u. a. durch ex post Anpassungen der Prämie und verkürzte Versicherungsperioden beherrschen lässt. Im Rahmen des Kriteriums der Unabhängigkeit besteht Unklarheit über die Kumulexponierung bei der Versicherung von Unternehmerrisiko, die mittels eines laufenden Abgleichs der versicherten Gefahren bestehender und neuer Risiken reduziert werden kann. Zuletzt schließt die Beeinflussbarkeit des Unternehmerrisikos das Kriterium der Zufälligkeit aus. Dabei wurde eine zweistufige Herangehensweise identifiziert, die eine Reduktion des entstehenden Moral Hazards ermöglicht. Die Anwendung von Maßnahmen der Anreiz- und der Pflichtebene reduziert somit die Relevanz der Erfüllung des Kriteriums.
Nach dieser Analyse resultieren zwei Faktoren als entscheidende Kriterien der Versicherbarkeit von Unternehmerrisiko: die Höhe möglicher positiver Abweichungen des Risikos und die ökonomische Effizienz der Versicherung.
Schließlich veranschaulicht die Fallstudie über Fraugster die Anwendbarkeit der Ergebnisse und unterstreicht die Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos an einem realen Versicherungsvertrag.
Somit ist gezeigt worden, dass Unternehmerrisiko zum Teil versicherbar ist, da die notwendigen Kriterien häufig erfüllbar sind. Die Annahme, Unternehmerrisiko sei nicht versicherbar, ist damit in dieser allgemeinen Form unzutreffend. Die Versicherbarkeitsentscheidung erfordert eine differenzierte Betrachtung und hängt von den Charakteristika des einzelnen Risikos und der individuellen Einschätzung sowie dem Risikoappetit des Versicherers ab. Die in dieser Arbeit dargelegten Herangehensweisen ermöglichen eine qualifizierte Entscheidung und befähigen Versicherer dazu, Entscheidungen der Versicherbarkeit zu treffen und Unternehmerrisiko unter gewissen Bedingungen zu versichern.
6.2 Würdigung und Ausblick
Das Ergebnis der Arbeit muss im Hinblick auf bestimmte Limitationen betrachtet werden. Zunächst existieren keine ausführlichen Arbeiten, die das Feld der Versicherbarkeit mit Unternehmerrisiko verknüpfen und umfangreiche Grundlagen schaffen, auf denen diese Abhandlung aufbauen hätte können. Die Argumentation basiert daher häufig auf einem Transfer verschiedener Konzepte aus inhaltsverwandten Bereichen.
Zweitens war es erforderlich, zwischen einer Detailbetrachtung eines einzelnen Risikos, um die Versicherbarkeit eindeutig feststellen oder ablehnen zu können, und einem gene- ralistischen Ansatz abzuwägen, der die Gesamtheit des Unternehmerrisikos erfasst, gleichzeitig aber keine eindeutige Entscheidung auf Einzelfallebene ermöglicht. In diesem Fall wurde letztere Herangehensweise gewählt, um eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für weitere Auseinandersetzungen mit der Thematik zu schaffen und die weite Anwendbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten.
Mit dieser Wahl eröffnet sich ein breites Feld, in dem priorisiert werden musste und somit Bereiche ausgegrenzt werden mussten, die sich für weitere Forschung anbieten. Ein besonders relevantes Feld könnte in diesem Zusammenhang der Vergleich der Effizienz verschiedener Finanzierungslösungen von Unternehmerrisiko darstellen. Dabei ließe sich eine Selbsttragung des Risikos auf Basis von Eigen- oder Fremdfinanzierung mit Lösungen des Risikotransfers (Versicherung, Captives, Derivate, o. ä.) vergleichen. Weiterhin könnte eine Unterscheidung nach Unternehmensgröße oder Rechtsform wichtige Ergebnisse liefern.
Darüber hinaus könnte eine tiefere Auseinandersetzung mit der Korrelation zwischen unterschiedlichen Unternehmerrisiken und der Aktivseite der Versicherungsbilanz einen relevanten Beitrag zur Versicherbarkeit der Risiken leisten.
Bzgl. der Interpretation der Ergebnisse und Vergleichen mit anderen Arbeiten ist zu beachten, dass kein eindeutiges Verständnis des Begriffs Unternehmerrisiko in der Literatur besteht. Daher sind Ergebnisse immer in Zusammenhang mit der zugrunde liegenden Definition von Unternehmerrisiko zu sehen.
Trotz dieser Limitationen erweitert die Arbeit die existierende Literatur bzgl. der Grenzen der Versicherbarkeit um eine neue Richtung. Obwohl die Versicherbarkeit ein Bereich mit hoher Praxisrelevanz ist, erhält sie in aktuellen Veröffentlichungen wenig Aufmerksamkeit. Vor diesem Hintergrund soll diese Arbeit als Denkanstoß und wissenschaftliches Fundament für weitere Auseinandersetzungen mit der Thematik dienen. Darüber hinaus können die identifizierten Vorgehensweisen auch in der Versicherungspraxis Mehrwert stiften und dazu beitragen, den zu Anfang der Arbeit angeführten Dualismus im Risikomanagement zu überwinden. Unterstützend wirkt dabei die fortschreitende Digitalisierung, im Zuge derer die Verfügbarkeit und Aktualität von entscheidungsrelevanten Daten zunimmt. Somit verbessert sich die Beobachtbarkeit des Verhaltens des Versicherungsnehmers und die Genauigkeit der Risikoeinschätzung.
In einem dynamischen Umfeld verändern sich nicht nur die Risiken, sondern auch die Fähigkeiten der Versicherer. Es muss daher Aufgabe der Wissenschaft sein, diesen dynamischen Entwicklungen durch aktuelle Erkenntnisse gerecht zu werden. Da die Grenzen der Versicherbarkeit sowohl forschungstheoretisch als auch praktisch von großer Bedeutung sind, bietet die Thematik der Wissenschaft eine Chance, ihre hohe Relevanz aufs Neue unter Beweis zu stellen.
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[...]
1 Vgl. Brühwiler et al. (1999), S. 91-92.
2 Vgl. etwa Karten et al. (2018), S. 105; Hax (1964), S. 27.
3 Siehe Insurance Information Institute (2019), (2011).
4 Siehe Endres und Schwarze (1992). Die Prüfung erfolgt anhand KARTENs Kriterienkatalog.
5 Siehe Biener et al. (2015). Grundlage ist BERLINERs Ansatz.
6 Siehe etwa Helten und Karten (1991); Schradin (1994), S. 34-36; Karten (1997).
7 Siehe etwa Diederichs (2017), S. 7-90; Rogler (2002), S. 1-19; Pongratz und Simon (2010), S. 27-32; Brühwiler et al. (1999).
8 Während in deutschsprachiger Literatur die Begriffe Unternehmerrisiko und unternehmerisches Risiko geläufig sind, werden im Englischen sowohl business risk, entrepreneurial risk als auch corporate risk verwendet.
9 Vgl. Karten et al. (2018), S. 105.
10 Helten (1994), S. 21.
11 Vgl. Hax (1964), S. 23.
12 Dabei ist jedoch hervorzuheben, dass sich die Versicherung von Unternehmerrisiko auf die Übernahme negativer Abweichungen beschränkt. Ursache ist das Prinzip der Versicherung. Siehe Absatz 3.1.
13 Vgl. Knight (1921), S. 228-232.
14 Vgl. Karten (1993), S. 3.
15 Vgl. Toma et al. (2011), S. 88-92.
16 Vgl. Nguyen (2007), S. 74-75.
17 Vgl. Schradin (1994), S. 35-36.
18 Vgl. Pongratz und Simon (2010), S. 27.
19 Vgl. Rogler (2002), S. 9-19.
20 Vgl. etwa Brühwiler et al. (1999), S. 91.
21 Vgl. Karten (1993), S. 8; Karten et al. (2018), S. 105.
22 Vgl. Jannott (1987), S. 497; Karten et al. (2018), S. 105.
23 Vgl. v.d. Schulenburg (1986), S. 6.
24 Die anfangs angestrebte Definition als eine Situation der Ungewissheit, die durch eine enge Verknüpfung von Leistungsanreizen und Gewinnchancen für die Eigentümer charakterisiert ist, wurde aufgrund von Schwierigkeiten in der Operationalisierung verworfen.
25 Vgl. Hax (1964), S. 26-27.
26 Vgl. Ferrer und Mallari (2011), S. 119.
27 Vgl. etwa Hax (1964), S. 26-27.
28 Vgl. Helten und Karten (1991), S. 201; Powers (2006), S. 345-347.
29 Vgl. Powers (2006), S. 345-347. Die Gefahr eines Erdbebens stellt ein empirisches Risiko dar, während der schwankende Ölpreis ein Marktrisiko und damit nicht versicherbar ist.
30 Vgl. Gleißner (2017), S. 289.
31 Vgl. Pompella (2017), S. 85-86.
32 Vgl. Pompella (2017), S. 89-92.
33 Siehe Kapitel 3.2.2 für einen Überblick möglicher Ursachen.
34 Nicht vertragliche Stakeholder werden nicht betrachtet, da faire Risikoteilung stark von staatlichen Akteuren abhängt und somit nur begrenzt vergleichbar ist. Staatliches Handeln wird in dieser Arbeit nicht beleuchtet.
35 Vgl. Friedman (1970).
36 Vgl. Modigliani und Miller (1958), S. 261-297.
37 Diese Beobachtung, dass die Finanzierungsstruktur den Unternehmenswert nicht beeinflusst, ist in der deutschsprachigen Literatur als Irrelevanztheorem bekannt.
38 Vgl. Trah (1998), S. 58.
39 Entsprechend existiert eine optimale Finanzierungsstruktur. Diese ist erreicht, wenn der Anstieg der Insolvenzkosten die Erhöhung des FCF nach Steuern durch zusätzliches Fremdkapital gerade ausgleicht. In der Praxis ist die optimale Finanzierungsstruktur nicht eindeutig bestimmbar. Siehe Swoboda (1994), S. 194-206 für einen Überblick verschiedener Ansätze zur Bestimmung des Optimums.
40 Vgl. Mayers und Smith (1982), S. 281-282.
41 Vgl. MacMinn (1987), S. 658-659.
42 Vgl. Swoboda (1994), S. 218-220. Investoren fehlt die vollständige Kenntnis der Risikosituation der Unternehmen, um das unsystematische Risiko perfekt zu diversifizieren. Ebenso belasten Transaktionskosten speziell kleinere Investoren überproportional stark und reduzieren die Effizienz von Diversifikation.
43 Vgl. Mayers und Smith (1982), S. 285-286.
44 Siehe Swoboda (1994), S. 245-247 für weitere Ausführungen zu den Folgen einer Insolvenz für Arbeitnehmer.
45 Vgl. Mayers und Smith (1982), 283-284 Effiziente Träger können Risiko kostengünstig diversifizieren.
46 Deren Risikokapazität ist jedoch durch die begrenzte Kapitalisierung der Unternehmung beschränkt.
47 Der Manager der Unternehmung ist Agent der Eigentümer (Prinzipal) und agiert daher mit dem Ziel, den Wert des Eigenkapitals zu maximieren. Vgl. Jensen und Meckling (1976), S. 310.
48 Vgl. MacMinn (1987), S. 669.
49 Siehe Myers (1977), S. 147-155.
50 Vgl. Trah (1998), S. 43-44.
51 Die Versicherung verhindert annahmegemäß den Kreditausfall im Insolvenzfall bzw. reduziert sein Ausmaß. Eigenkapitalgeber dagegen verlieren ihr eingesetztes Kapital im Insolvenzfall.
52 Vgl. MacMinn (1987), S. 670-677.
53 Vgl. Diederichs (2017), S. 174-175.
54 Vgl. Hax (1964), S. 22.
55 Vgl. Sinn (1988), S. 13.
56 Vgl. Jannott (1987), 495-496.
57 Vgl. Jannott (1987), S. 495; Sinn (1988), S. 15.
58 Vgl. Stahel (2010), S. 81-82.
59 Vgl. Giarini (1995), S. 421.
60 Vgl. Karten (1997), S. 519.
61 Vgl. Karten (1997), S. 516.
62 Vgl. Holsboer (1995), S. 407.
63 Vgl. Berliner (1985), S. 321-322. BERLINERs Unterteilung ist nach Sparten getrennt anzuwenden. Dass manche Versicherer bspw. keine Kfz-Haftpflichtversicherung anbieten, bedeutet nicht, dass dieser Versicherungszweig per se im Graubereich der Versicherbarkeit liegt.
64 Karten (1997), S. 516.
65 Vgl. Eszler (1999), S. 14-15.
66 Vgl. Pompella (2017), S. 65.
67 Vgl. Holsboer (1995), S. 408.
68 Vgl. Karten (1997), S. 517; Karten et al. (2018), S. 206.
69 Karten (1993), S. 9.
70 Vgl. Eszler (1999), S. 16-17.
71 Siehe Karten (1993), S. 8-15; Berliner (1985), S. 325-326; Hax (1964), S. 23-34.
72 Vgl. Karten (1993), 8-15.
73 Dies ist für gewöhnlich der Sachwert des Versicherungsgegenstands. In der Haftpflichtversicherung steht hinter den Ansprüchen Dritter kein ex ante erkennbarer Sachwert und somit kein Höchstschaden.
74 Vgl. DAV (2017), S. 17.
75 Vgl. Helten und Hartung (2002), S. 260.
76 Vgl. Endres und Schwarze (1992), S. 94.
77 Vgl. Karten et al. (2018), S. 119-123.
78 Vgl. Helten und Karten (1991), S. 134-135.
79 Ein aktuelles Beispiel ist hier die noch nach Eintritt des Schadenfalls rückwirkend abschließbare Zahnzusatzversicherung der ERGO. Siehe Welt (2014). Ebenso ist bspw. der Suizid ein versichertes Schadenereignis in der Lebensversicherung.
80 Ein solcher Zusammenhang ist etwa: Je besser ein Risiko schätzbar ist, desto eher ist es versicherbar.
81 Vgl. Endres und Schwarze (1992), S. 87.
82 Siehe Nguyen (2007), S. 113-117. NGUYEN beschreibt die Entstehung der Maschinenbruchversicherung, der Kernenergieversicherung und der Terrorismusversicherung. Ein aktuelles Beispiel ist die Versicherung von Rückwirkungsschäden aufgrund von Cyber-Vorfällen. Siehe Munich Re (2020b).
83 Vgl. Hax (1964), S. 28.
84 Vgl. Property Casualty 360 (2019).
85 Vgl. Artemis (2020).
86 Vgl. Karten (1993), S. 12.
87 Vgl. Endres und Schwarze (1992), S. 90.
88 Vgl. Karten (1993), S. 23-34.
89 Vgl. Skorna (2016), S. 215.
90 Vgl. Endres und Schwarze (1992), S. 90.
91 Während in etablierten Versicherungszweigen häufig ein gewisser Marktstandard bzgl. Versicherungsverträgen und Klauseln existiert, muss sich ein solcher für unkonventionelle Deckungssysteme oder neue versicherte Gefahren erst bilden.
92 Vgl. Endres und Schwarze (1992), S. 90.
93 Vgl. DAV (2017), S. 18-19.
94 Siehe Helten und Hartung (2002), S. 255-271 für eine Betrachtung der Methoden zur Risikobewertung in Industrieunternehmen.
95 Vgl. DAV (2017), S. 19-20.
96 Vgl. Helten und Karten (1991), S. 186-190.
97 Es besteht offensichtlich ein gewisses Irrtumsrisiko, das in die Versicherungspolice übernommen werden würde. Irrtumsrisiko besteht ebenso bei jeder Risikoprüfung durch Versicherer.
98 Vgl. Munich Re (2020a).
99 Vgl. Carrier Management (2019).
100 Vgl. DAV (2017), S. 17-18.
101 Rückversicherung ist ein häufig genutztes Instrument, um die Leistungsfähigkeit insb. gegenüber Ku- mulschadenereignissen zu erhöhen.
102 Vgl. Karten et al. (2018), S. 123-125.
103 Vgl. Schradin (1994), S. 35-36.
104 Vgl. Powers (2006), S. 345-347.
105 Vgl. Artemis (2020).
106 Investoren tragen schwerpunktmäßig Unternehmerrisiken, sind also gegenüber Marktrisiken exponiert.
107 Vgl. Albertini (2009), S. 119-120.
108 Vgl. Karten (1993), S. 10. Ein sicheres Ereignis (z. B. Tod) mit unsicherem Zeitpunkt oder unsicherer Schadenhöhe ist jedoch versicherbar.
109 Vgl. Endres und Schwarze (1992), S. 89.
110 Vgl. MacMinn und Garven (2013), S. 487-489.
111 Kosten sind neben Schadenaufwendungen auch Aufwendungen für z. B. Schadenvermeidung.
112 Bspw. wenn die Versicherungsleistung höher als der reale Schaden ist.
113 Vgl. Porter (1985), S. 4-11.
114 Vgl. Karten (1993), S. 10.
115 Vgl. Karten (1997), S. 518.
116 Schmid-Grotjohann (1995), S. 31.
117 Auf den Umgang mit Verhaltensweisen des Unternehmens vor dem Hintergrund von Moral Hazard wird in Abschnitt 4.4 umfangreich eingegangen.
118 Unsicherheit bzw. fehlende Information sind dabei von Versicherern vorsichtig zu bewerten und entsprechend mit hohen Risikoaufschlägen zu versehen.
119 Vgl. Schmid-Grotjohann (1995), S. 84-85.
120 Die Bestimmung eines Probable Maximum Losses (PML) basiert bspw. auf einer solchen Szenarioanalyse. Vgl. Helten und Hartung (2002), S. 263.
121 Vgl. Bittl und Müller (1998), S. 382-383.
122 Vgl. Helten und Karten (1991), S. 187-189. Es liegt somit ein Irrtumsrisiko bei der Bestimmung des Änderungsrisikos vor.
123 Siehe Karten (1993), 67-71.
124 Vgl. NAIC (2020). Der Begriff findet v.a. in der Kfz-Versicherung Anwendung. Ein Beispiel dafür ist die Verknüpfung von jährlicher Fahrleistung und Versicherungsprämie.
125 Dabei wird über Sensorik das Fahrverhalten einer Person gemessen und bewertet. Vorsichtige Fahrer erhalten anschließend Prämiennachlässe, da sie als „gutes“ Risiko wahrgenommen werden. Im Gegensatz zu Telematics sind hier Indikatoren zu finden, die externe Risikofaktoren abbilden.
126 Vgl. Nguyen (2007), S. 77.
127 Vgl. DAV (2017), S. 17-18.
128 Der Begriff Kumulrisiko umfasst hier Ansteckungs- und Kumulrisiken. Siehe Helten und Karten (1991), S. 212 für eine Abgrenzung.
129 Bekannte Kumulschadenereignisse sind Naturkatastrophen, Terrorismus oder bspw. Cyber-Vorfälle.
130 Vgl. Nguyen (2007), S. 89-90.
131 Vgl. Helten und Karten (1991), S. 212-213.
132 Vgl. Brühwiler et al. (1999), S. 28.
133 Vgl. BaFin (2016).
134 Vgl. Stiglitz (1983), S. 5; Winter (2013), S. 205-206. Diese Bedingungen können im Versicherungsbezug grundsätzlich als gegeben angenommen werden.
135 Unbeobachtbares Verhalten nach Vertragsabschluss wird als Moral Hazard bezeichnet. Unbeobachtbare Eigenschaften des VN vor Vertragsabschluss führen zum Phänomen der adversen Selektion. Diese Arbeit konzentriert sich auf unbeobachtbares Verhalten.
136 Auch wenn die Annahme rationaler Individuen in wissenschaftlichen Modellen nicht immer von Grund auf vertretbar erscheint, belegen empirische Studien durchaus die weite Verbreitung von opportunistischem Verhalten, wie u. a. Versicherungsbetrug, der durch die Unbeobachtbarkeit der Handlung ermöglicht wird. Siehe Litton (1995) für Ausführungen zu Moral Hazard und Versicherungsbetrug.
137 Vgl. Stiglitz (1983), S. 7.
138 Vgl. Arrow (1964), S. 400-401.
139 Vgl. Jensen und Meckling (1976), S. 45-46.
140 Vgl. Winter (2013), S. 207. Versicherung ermöglicht effiziente Risikotragung. Jedoch könnte eine Risikominderung kostengünstiger und damit effizienter als ein Risikotransfer sein.
141 Vgl. Kami (2008), S. 3-4. Vorsichtiges Verhalten des VN hat jedoch einen rein positiven Effekt für den Versicherer. Somit existieren divergierende Präferenzen.
142 Der Versicherer kann das Verhalten des VN nach Vertragsabschluss nicht mit Sicherheit antizipieren, weshalb die spätere Wahl eines vorsichtigen Verhaltens keinen Einfluss auf die Prämie bzw. die Vertragsgestaltung hat.
143 Vgl. Winter (2013), S. 208-212.
144 Vgl. Ehrlich und Becker (1972), S. 633.
145 Vgl. Holmström (1979), S. 75-81
146 Vgl. Winter (2013), S. 208-215. Der Einsatz dieser Instrumente ist auch in der Praxis weit verbreitet, reduziert aber den Mehrwert der Versicherung für den VN.
147 Vgl. Kami (2008), S. 1-2.
148 Vgl. Heimer (1985), S. 42-43.
149 Für gewöhnlich ist dabei die Annahme von Risikoaversion gerechtfertigt.
150 Wie in Kapitel 2 ausgeführt, beschränkt sich das versicherungstechnische Verständnis von Risiko für gewöhnlich auf reine Risiken.
151 Riskantes Verhalten könnte somit nicht nur zu einer Erhöhung erwarteter Schadenaufwendungen, sondern ebenso zu möglichen positiven Erträgen führen. Die Opportunitätskosten nicht gewählter, riskanter Handlungsalternativen erhöhen die Kosten vorsichtigen Verhaltens.
152 Eine Beteiligung des Versicherers an positiven Abweichungen widerspricht dem Charakter der Versicherung und würde in den Bereich der Eigenkapitalfinanzierung fallen.
153 Dies impliziert nicht, dass spekulative Risiken nicht versicherbar sind. Sofern die Wahl riskanten Verhaltens in die risikoadäquate Prämie einfließt, kann das Risiko versichert werden. Wichtig ist daher, mögliche positive Anreize zu riskantem Verhalten in der Risikobewertung zu beachten.
154 Vgl. Ross (1973), S. 134-139.
155 Vgl. Jensen und Meckling (1976), S. 42-45; Mayers und Smith (1982), S. 287. Die Bezeichnung asset substitution wurde erst später eingeführt.
156 Solche Klauseln, die eine Übervorteilung der Fremdkapitalgeber verhindern sollen, sind als Covenants bekannt. Mögliche Covenants sind ein Ausschüttungsverbot oder das Verbot weiterer Kreditaufnahme.
157 Die Versicherung von Unternehmerrisiko könnte damit Schnittmengen zum Kreditausfallrisiko haben. Zusätzlich sind indirekte Effekte zu beachten. So kann die geringe Liquidität eines Unternehmens bspw. dazu führen, dass es Ausgaben für Sicherheitsmaßnahmen reduziert und damit die Schadenwahrscheinlichkeit beeinflusst.
158 Vgl. Myers (1977), S. 156-162.
159 Solche Klauseln sind bereits am Versicherungsmarkt vorhanden und sind bekannt als „material change of risk clause“.
160 Vgl. Winter (2013), S. 206.
161 Vgl. Karten et al. (2018), S. 110-111.
162 Eine Reduktion der Prämie eines VN mit riskantem Verhalten, der zufälligerweise keinen Schaden erlitten hat, wäre offensichtlich nicht gerechtfertigt. Je stärker der Einfluss externer Faktoren auf das Risiko ist, desto geringer ist die Korrelation zwischen Schadenerfahrung und Verhalten.
163 In der Spieltheorie ist dieser Zusammenhang als ein unendlich wiederholtes Spiel bekannt, in dem Akteure sich für Kooperation belohnen und für Defektieren bestrafen. Siehe Bartholomae und Wiens (2016), S. 141-154.
164 Vgl. Porter (1985), S. 4-11.
165 Vgl. Heimer (1985), S. 13-14.
166 Transaktionskosten sind bspw. der Verhandlungsaufwand, der Aufwand der Einhaltung der Obliegenheit für den VN und der Aufwand des Versicherers zur Kontrolle der Einhaltung.
167 Die Maßnahme Risikoprüfung ist der Vollständigkeit halber aufgenommen und erfolgt im Vorhinein des beschriebenen Prozesses.
168 Vgl. Karten et al. (2018), S. 113.
169 Vgl. Parsons (2003), S. 460-467.
170 Vgl. Karten (1997), S. 518. Siehe Abraham und Jeffries (1989), S. 415-425 für Kritik am Einbezug der finanziellen Stärke des Angeklagten in die Bestimmung der Schadenersatzzahlung.
171 Vgl. Abraham (1988), S. 960-961.
172 In diesem Fall wird ein Vertrag mit dem Kunden nach Abschluss der Versicherung ausgehandelt.
173 Vgl. Heimer (1985), S. 199.
174 Vgl. Karten et al. (2018), S. 115-116.
175 Direkt wird die Unternehmung bspw. durch Nichtleistung eines Lieferanten beeinflusst, während ein indirekter Einfluss das Verhalten eines Wettbewerbers sein könnte, das Entscheidungen der Unternehmung tangiert.
176 Erforderlich ist dennoch, externe Einflussfaktoren in die Risikoanalyse miteinzubeziehen.
177 Vgl. Munich Re (2018b).
178 Vgl. Fraugster (2020).
179 Vgl. Reinsurance News (2018).
180 Eine Versicherung des Absatzrisikos findet dabei nicht statt.
181 Vgl. OECD (2017), S. 10.
182 Bei der Vereinbarung eines Festpreises für das Produkt wäre dies bspw. nicht der Fall.
183 Vgl. Munich Re (2018a).
184 Vgl. Fraugster (2020).
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Unternehmerrisiko gemäß dieser Arbeit?
Unternehmerrisiko wird in dieser Arbeit verstanden als Ungewissheit über das Erreichen von Zielen in Unternehmen, die sich durch starke Einflussmöglichkeiten von Seiten der Manager oder Dritter auszeichnet. Es ist eine Teilmenge des allgemeineren unternehmerischen Risikos, auf das sich das Risikomanagement bezieht.
Ist Unternehmerrisiko versicherbar?
Diese Arbeit argumentiert, dass Unternehmerrisiko teilweise versicherbar ist. Die traditionelle Annahme, dass es generell nicht versicherbar ist, wird widerlegt. Die Versicherbarkeit hängt von den spezifischen Charakteristika des Risikos und der individuellen Risikobereitschaft des Versicherers ab.
Welche Kriterien der Versicherungstechnik werden zur Beurteilung der Versicherbarkeit herangezogen?
Die Arbeit verwendet etablierte Kriterien der Versicherungstechnik zur Beurteilung der Versicherbarkeit, darunter:
- Größe (maximale Schadenhöhe)
- Eindeutigkeit (klare Definition des Deckungsumfangs)
- Schätzbarkeit (Abschätzung des Schadenausmaßes)
- Unabhängigkeit (Vermeidung von Kumulschäden)
- Zufälligkeit (Unbeeinflussbarkeit des Schadenereignisses)
Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Anwendung dieser Kriterien auf Unternehmerrisiko?
Die Hauptherausforderungen bei der Versicherung von Unternehmerrisiko liegen in der:
- Schätzbarkeit aufgrund von Änderungsrisiko (Veränderung äußerer Einflussfaktoren)
- Unabhängigkeit, insbesondere in Bezug auf Kumulrisiken (wenn viele Risiken gleichzeitig betroffen sind)
- Zufälligkeit, da Unternehmerrisiko stark von internen und externen Faktoren beeinflusst wird (Moral Hazard)
Welche Lösungsansätze gibt es, um diese Herausforderungen zu bewältigen?
Die Arbeit schlägt verschiedene Lösungsansätze vor, um die Versicherbarkeit von Unternehmerrisiko zu verbessern:
- Ex post Anpassung der Prämie basierend auf der tatsächlichen Schadenentwicklung
- Verkürzung der Versicherungsperioden, um schneller auf Veränderungen reagieren zu können
- Kontinuierliche Kumulkontrolle zur Überwachung der Gesamtschadenexponierung
- Risikoteilung durch Selbstbehalte, um Anreize für risikobewusstes Verhalten zu schaffen
- Vereinbarung von Berichtspflichten und Eingriffsrechten, um die Risikosituation besser zu überwachen und Einfluss auf das Verhalten des Versicherungsnehmers zu nehmen.
- Langfristige Anreize schaffen durch zum Beispiel Schadenfreiheitsrabatt bei Erneuerung der Police.
Was ist Moral Hazard und wie kann es bei der Versicherung von Unternehmerrisiko vermieden werden?
Moral Hazard entsteht, wenn der Versicherungsnehmer nach Abschluss einer Versicherung sein Verhalten ändert, da er nicht mehr die vollen Konsequenzen seines Handelns trägt. Zur Vermeidung von Moral Hazard werden zwei Hauptebenen unterschieden: die Anreizebene und die Pflichtebene. Die Anreizebene setzt darauf, dass VN durch die Verknüpfung von Leistung und Risikoverhalten ein vorsichtiges Verhalten gewählt wird. Pflichtebene setzt auf Berichtspflichten und Prüfrechte um der Informationsasymmetrien zu reduzieren.
Was zeigt die Fallstudie über Fraugster?
Die Fallstudie über das Startup Fraugster, das Transaktionen im Internet prüft, zeigt, dass Unternehmerrisiko in der Praxis versicherbar ist. Munich Re bietet eine Versicherung an, die für Fehler im Algorithmus des Startups haftet. Die Studie belegt, dass eine strukturierte Analyse der Risiken und die Anwendung der vorgeschlagenen Lösungsansätze zu einer fundierten Entscheidung über die Versicherbarkeit führen können.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Versicherung von Unternehmerrisiko?
Die fortschreitende Digitalisierung verbessert die Verfügbarkeit und Aktualität entscheidungsrelevanter Daten. Dies erleichtert die Beobachtung des Verhaltens des Versicherungsnehmers und die Genauigkeit der Risikoeinschätzung, was wiederum die Versicherbarkeit von Unternehmerrisiko erhöht.
- Quote paper
- Patrick Eckstein (Author), 2020, Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos? Eine Reevaluation der Grenzen der Versicherbarkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1042669