Die Ehe in der Bundesrepublik Deutschland. Bedeutungswandel und die aktuelle Stellung


Tesis (Bachelor), 2019

90 Páginas, Calificación: 1,0

Anónimo


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Unterscheidung von Ehe und Familie
2.1 Begriffsklärung
2.1.1 Die Ehe
2.1.2 Die Familie
2.2 Aufzeigen der Beziehung von Ehe und Familie

3. Golden Age of marriage 1950 – 1965
3.1 Begriffsklärung: Ehe als eine Institution
3.2 Bedeutung und historische Entwicklung des Golden Age of marriage

4. Darstellung des Bedeutungswandels der Ehe nach 1965
4.1 Gegenüberstellung BRD und DDR -Belege für die Destabilisierung der Ehe
4.1.1 Familiendemografische Prozesse
4.2 Deinstitutionalisierungsprozess der Ehe
4.3 Pluralisierung der Lebensformen
4.3.1 Aktueller Stand nichtehelicher Lebensgemeinschaften
4.3.2 Aktueller Stand gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
4.3.3 Aktueller Stand ausgewählter Lebensformen im Überblick

5. Die aktuelle Lage des demografischen Wandels im Überblick

6. Funktionen der Ehe
6.1 Die Reproduktionsfunktion
6.2 Die Sozialisationsfunktion
6.3 Die Platzierungsfunktion
6.4 Die Freizeitfunktion
6.5 Die Spannungsausgleichsfunktion

7. Die Scheidungsproblematik
7.1 Begriffsklärung
7.2 Gründe für eine Scheidung im Überblick
7.3. Folgen der Scheidung

8. Bedeutung der Ehe und der Scheidung für die schulische und personale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und die Auswirkungen im Erwachsenenalter

9. Zusammenfassung

10. Anhang

Abbildungsverzeichnis

Gender Erklärung

In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in manchen Fällen das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

1. Einleitung

In Deutschland gab es 2017, im Vergleich zu dem Jahr 2007 1,1 Millionen Ehepaare weniger zu verzeichnen, dies macht einen Rückgang von sechs Prozentpunkten aus.1

Am 14. November 2018 ist der neue Datenreport 2018 des Statistischen Bundesamtes erschienen. Die folgenden Ausführungen sollen rund um den soziodemografischen Wandel die heutige Stellung der Ehe in der Bundesrepublik Deutschland deutlich machen. Der Rückgang ehelicher Beziehungen gibt Anlass sich mit dem Bedeutungswandel und der aktuellen Stellung der Ehe in der Bundesrepublik Deutschland zu befassen. Zu Beginn der Arbeit werden die Begriffe Ehe und Familie sowie deren Zusammenhang erklärt. Die historische Entwicklung zum Golden Age of marriage und deren Bedeutung für die Ehe folgen. Der mit der Zeit zusammenhängende Begriff der Ehe als Institution wird im Rahmen des dritten Kapitels betrachtet. Daran anknüpfend wird die zunehmende Destabilisierung der Ehe zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland ab Mitte der 1960er-Jahre betrachtet. Als Beleg für die Destabilisierung der Ehe werden der familiendemografische Wandel sowie empirische Daten zur Heirats- und Scheidungsquote herangezogen. Der damit zusammenhängende Deinstitutionalisierungsprozess der Ehe und die daraus resultierende Pluralisierung der Lebensformen werden am Ende des vierten Kapitels in den Blick genommen. Als alternative Lebensformen zur 'klassischen' Ehe in Deutschland werden die nichtehelichen Lebensgemeinschaften, die gleichgeschlechtlichen Ehen, Partnerschaften mit Migrationshintergrund und die Ein-Eltern-Familien behandelt. Im fünften Kapitel wird ein Überblick der aktuellen Lage des demografischen Wandel bezüglich der Ehe gegeben. Hierbei steht die gestiegene Lebenserwartung, die Veränderung des multiethnischen Segments sowie die Kinderlosigkeit im Fokus der Betrachtung. Das sechste Kapitel setzt sich mit den fünf Funktionen der Ehe auseinander. Um die Aktualität dieser Funktionen zu prüfen, wird die derzeitige Lage der Ehe in der Bundesrepublik Deutschland durch das Aufzeigen aktueller Daten betrachtet. Anschließend werden die Hauptursachen sowie die Folgen einer Scheidung für die betroffenen Paare beleuchtet. Die vorliegende Arbeit schließt mit der Beschäftigung des Themas der Bedeutung der Ehe und Scheidung für die schulische und personale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und deren Auswirkungen im Erwachsenenalter ab.

2. Unterscheidung von Ehe und Familie

2.1 Begriffsklärung

2.1.1 Die Ehe

Die Ehe unterlag in der Geschichte verschiedener Bedeutungen. Im Mittelalter war die Ehe das Zeichen einer Gemeinschaft, welche den Schutz, die Versorgung sowie das Zeugen von Nachkommen sicherstellte. Sie war kirchlichen Regelungen und Vorschriften unterlegen. Eine Auflösung der ehelichen Gemeinschaft war nicht vorgesehen. Auch heutzutage werden kirchliche Ehebekundungen mit dem Satz: „Bis dass der Tod euch scheidet“ beschlossen, ein Relikt aus alten Zeiten. Seit dem 18./19. Jahrhundert setzten sich die bürgerlichen Ideale durch, weswegen die Ehe aus Gründen der Liebe und ‚Sinnerfüllung‘ eingegangen wurde. Ende der 1960er- Jahre wurde die Ehe immer mehr als „Gefängnis“ wahrgenommen, aus welchem man nicht ausbrechen kann, wenn man einmal eingetreten ist. Diesem Verständnis wurde durch Lockerung der Ehe- und Scheidungsgesetzgebungen in den letzten Jahrzehnten entgegengewirkt. Mehrmalige Eheschließungen sowie die Scheidung der Ehen finden in der heutigen Gesellschaft immer mehr Akzeptanz.2 Im § 1310 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wird die Eheschließung wie folgt beschrieben: „Die Ehe wird nur dadurch geschlossen, dass die Eheschließenden vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.“3 Weiter heißt es im § 1311: „Die Eheschließenden müssen die Erklärung nach § 1310 Abs. 1 persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit geben“.4 Es gilt das Konsensprinzip, welches besagt, dass die Ehe durch den erklärten Ehewillen der Heiratswilligen zustande kommt. Eine Ehe kann nur zwischen zwei Personen geschlossen werden. Es beinhaltet das Prinzip der Gleichberechtigung. Generell gilt das Lebenszeitprinzip, dabei wird die Ehe auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehe kann nicht beliebig durch die Partner aufgelöst werden, allerdings bedeutet dies auch keine Untrennbarkeit der Verbindung, da nach § 1313 und § 1564 des BGB die Aufhebung der Ehe durch eine richterliche Entscheidung des Familiengerichts möglich ist.5 Die Ehe ist heutzutage kaum noch den Zwängen der Kirche oder des Staates unterworfen. Zwar wird diese nach deutschen Gesetzen und eventuell im Namen der Kirche geschlossen und als verbindlich angesehen, jedoch kann diese aus verschiedenen Gründen wieder aufgelöst werden. Scheidungsgründe werden in dem sechsten Kapitel betrachtet.

2.1.2 Die Familie

Eine gesetzliche Definition des Begriffs ‚Familie‘ gibt es nicht, aus diesem Grund wird im Folgenden versucht eine Begriffserklärung zu formulieren. Der Begriff ‚Familie‘ wurde schon vor dem 18. Jahrhundert verwendet. Bis heute wurden der Familie verschiedene Funktionen zugeschrieben. In der westlichen Kultur galt bis in das 18. Jahrhundert die Haushaltsfamilie mit der Produktionsfunktion als Leitbild. Im 18. Jahrhundert kam es zur Entwicklung der ‚bürgerlichen‘ Familie. Die traditionelle Rollenverteilung von Mann und Frau setzten sich durch, wobei die Frau für den Haushalt und die Kindererziehung zuständig und der Mann erwerbstätig war. Dieses Familienideal konnte sich zunächst nur bei der höheren sozialen Schicht durchsetzen, da die ärmeren Familien auf die Erwerbstätigkeit der Frau angewiesen waren. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts kam es erneut zu einem Wandel familiärer Strukturen.6 Dieser wird im vierten Kapitel genauer betrachtet. Eine Familie ist nach modernem Verständnis eine Gemeinschaft mit gegenseitigen Fürsorge- und Beistandsverpflichtungen. Sie stellt keine eigene Rechtspersönlichkeit dar, das heißt nur zwischen den Mitgliedern einer Familie besteht eine personenrechtliche und vermögensrechtliche Beziehung.7 Nach Nave-Herz (2013) gibt es drei Kriterien, die die Familie von anderen Lebensformen unterscheidet. Eine Familie ist gekennzeichnet:

„1. durch ihre „biologisch-soziale Doppelnatur“ (König 1946/2002), d.h. durch die Übernahme der biologischen und sozialen Reproduktions- und Sozialisationsfunktion neben anderen gesellschaftlichen Funktionen, die kulturell variabel sind,
2. durch die Generationsdifferenzierung (Urgroßeltern/ Großeltern / Eltern/ Kind(er)) und dadurch, dass
3. zwischen ihren Mitgliedern ein spezifisches Kooperations- und Solidaritätsverhältnis besteht, aus dem heraus die Rollendefinitionen festgelegt sind.“8

Eine Familie besteht dann, wenn sie aus mehr als einer Person besteht und die Mitglieder dieser Gemeinschaft zu einander in einer Beziehung stehen. Jedoch sind dieser Beziehungen intensiver, als bei Bekanntschaften oder Freundschaften, da die Mitglieder eine Verantwortung für einander haben, aus welchen sie sich sehr schlecht bis gar nicht lösen können. Bestehen beispielsweise starke Konflikte, so können Bekanntschaften und Freundschaften aufgelöst werden und die Person kann sich neue Freunde suchen. In einer Familie kann man sich keine neue Eltern, Großeltern, Verwandte, kein anderes Kind, etc. suchen, da die Person genetisch oder rechtlich nur mit diesen Personen verbunden ist. Bestimmte Pflichten, Rechte und Vorteile sind gesetzlich geregelt, wie beispielsweise im Kindschaftsrecht, Unterhaltsrecht, Erbschaftsrecht, uvm..

„[Die Familie] steht nach Art.6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Neben diesem Schutzgebot des Staates besteht auch ein besonderes Förderungsangebot.“9 Hierbei kann festgestellt werden, dass die Familie vor dem Grundgesetz (GG) Beachtung findet und staatliche Regelungen versuchen, diese Lebensform zu schützen und zu unterstützen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Aufzeigen der Beziehung von Ehe und Familie

Sowohl die Ehe als auch die Familie stellen eine Lebensform dar. Die Abbildung 1 soll die Beziehungen der Lebensformen verdeutlichen. Die Ehe gilt dabei als „dyadische Lebensform“ oder auch „Partnerschaftsform“. Nach Nave-Herz (2013) spiegelt dieser Begriff eine Gleichberechtigung zweier Partner wider, welche nach ihrem Verständnis nicht für alle Kulturen allgemeingültig ist. Zur Verdeutlichung des Begriffs „dyadische Lebensform“ wird das Beispiel der polygamen Ehe angebracht, welche in der Bundesrepublik Deutschland nicht rechtsgültig ist. Nach § 1306 BGB darf eine Ehe nicht geschlossen werden, wenn eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft bereits mit einer dritten Person besteht. Eine polygame Ehe besteht aus verschiedenen Dyaden mit jeweils einer Personengleichheit. Diese Person heiratet nach einer selbst bestimmten Abfolge weitere Partner. Hierarchisch unterschieden wird nach der zeitlichen Reihenfolge der Heirat. Dabei steht jede Heirat, welche nur zwischen zwei Partnern statt finden kann, für eine Dyade. Aufgrund einer ausschließlichen Zweierbeziehung stellt die Ehe eine Unterkategorie der dyadischen Lebensform dar. Die Familie dagegen wird nicht der dyadischen Lebensform zugeordnet, sie stellt eine alleinstehende Lebensform dar, da sie aus mehr als zwei Personen bestehen kann.10 Wie bereits unter dem Gliederungspunkt 2.1.2 erwähnt, kann die Ehe auch als ein Teil der Familie gesehen werden, wenn man diese in Bezug auf gesetzliche Rechte und Pflichten betrachtet. Die Ehe kann in Verbindung mit der Familie gesehen werden, da beispielsweise kinderlose Partnerschaften auch eine Familie darstellen. Jedoch ist die Ehe keine notwendige Bedingung für eine Familie, zum Beispiel gibt es die „Ein-Eltern-Familie“ beziehungsweise die „Vater“- oder „Mutter“- Familie.11 Einschränkungen, bei denen das Kind in dem Fall minderjährig sein muss damit es als Familienmitglied angesehen wird, o.ä. bestehen nicht. „Art.6 → Grundgesetz (GG) unterstreicht den Charakter des Definitionsmerkmals von Kindern für [Familien], in dem er zwischen Ehe und [Familie] ausdrücklich unterscheidet und eine Institutionsgarantie für beide vorsieht.“12 Somit stellt die Existenz von Kindern, vor dem Grundgesetz, ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal zwischen den Begrifflichkeiten der Ehe und der Familie dar.

3. Golden Age of marriage 1950 – 1965

3.1 Begriffsklärung: Ehe als eine Institution

„Eine Institution sei – ganz knapp und allgemein gesagt - eine Erwartung über die Einhaltung bestimmter Regeln, die verbindliche Geltung beanspruchen.“13 Um den Begriff der Institution bezüglich einer Paarbeziehung soziologisch erklären zu können, werden die Überlegungen von Ginsburg bezüglich des Skript-Konzeptes und Goffman bezüglich des Rahmen-Konzeptes genutzt. Bei einem Skript handelt es sich um Denkschemata, welche in Handlungssituationen erscheinen. Diese bedingen die eigene Handlung in dieser Situation und ermöglichen dieser Person sich auf eventuelle Handlungen außenstehender Personen einzustellen. Das Rahmen–Konzept meint „Erfahrungs- und Handlungsschemata“, welche es einer Person ermöglichen, in einer Situation adäquat handeln zu können. Der Rahmen bildet dabei das handlungsspezifische Wissen. Dieses wurde durch ähnliche, vorherige Situationen und der daraus resultierenden Erfahrung aufgebaut. Durch dieses Wissen ist die betroffene Person in der Lage, schnell sowie möglichst passend in der gegebenen Situation handeln zu können.14 Zeitintensives Abwägen von Handlungsalternativen ist aufgrund dessen nicht nötig. Es kommt dazu, dass Menschen Situationen und Gegebenheiten als ‚normal‘ und ‚selbstverständlich‘ ansehen, da sie das Handeln in dieser Situation gewohnt sind. Nach Hartmut Esser (2000) entstehen Institutionen, da sie das Ergebnis von Problemlösungsprozessen sind, welche von Menschen für Menschen über einen längeren Zeitraum entwickelt und im Laufe der Zeit von der breiten Masse der Gesellschaft als funktionsfähig anerkannt wurden. Esser zeigt zwei Aspekte auf, welche den Sinn einer Institution verdeutlichen sollen. Zum einen ist es der subjektive Sinn. Dies meint Handlungsweisen, welche sich für das Subjekt in einer bestimmten Situation, wie der Ehe, als nützlich, sinnvoll und nachvollziehbar erweisen. Der subjektive Sinn berücksichtigt die individuelle Sichtweise des Menschen, in der dieser seine Handlungsmöglichkeiten abwägt und die Lösung findet, mit welcher er die Situation am besten bewältigen kann. Der zweite Aspekt ist der soziale Sinn. Hierbei findet eine Orientierung an Regeln statt, welche bereits allgemein anerkannt und geltend sind.15 Durch die Verbindung dieser zwei Aspekte erscheint eine Institution einem Menschen als sinnvoll und wird als ‚selbstverständlich‘ wahrgenommen. Es dient der Organisation von gesellschaftlichen Strukturen. Um einen konkreten Bezug zu der Ehe herzustellen, wird im Folgenden auf die institutionellen Merkmale einer Ehe eingegangen, beginnend mit einem historischen Rückblick.

Die Ehe galt in dem 18. Jahrhundert „[….] als sozial verbindliche Lebens-und Arbeitsform, abgesegnet durch Gott und die Autorität der Kirche und erzwungen durch die materiellen Interessen der in ihr Verbundenen. Eine gesicherte materielle Existenzbasis jenseits der Ehe war eher die Ausnahme. […] Den Ehepartnern war bis in die Einzelheiten des Alltags vorgegeben, was von ihnen erwartet wurde, und sie hatten bei Abweichungen mit Sanktionen zu rechnen.“16

Hierbei wird ersichtlich, dass es nicht die Liebe zweier Personen war, welche zu einer Eheschließung führte, sondern vor allem die Erfüllung des wirtschaftlichen Interesses und der Nutzen für die Familie und für die Kirche. Ehepartner mussten sich in der damaligen Zeit dem Willen der Kirche, welche die Pflichten vorschrieb, beugen. Aufgrund einer moralischen Abhängigkeit von der Kirche musste jede Person in der Gesellschaft nach diesen Pflichten und Regeln in der Zeit handeln. Die Erwartungen wurden als ‚selbstverständlich‘ anerkannt und in den meisten Fällen Folge geleistet. In den nachfolgenden Erläuterungen wird auf Rüdiger Peuckert (2012) Bezug genommen. In dem Zeitalter der Industrialisierung kam es zur Trennung des Wohn- und Arbeitsbereiches. Dieser Umbruch führte zu einer beginnenden Veränderung der Sichtweise auf die Familie. Weitere Bedingungen hierfür waren in den fortführenden Jahrzehnten die wachsende Selbstständigkeit hinsichtlich der freien Partnerwahl sowie die Liebe als Ausgangspunkt einer Partnerschaft. Im 19. Jahrhundert kam es zum lang bestehenden Rollenbild von Mann und Frau, in dem sich die Frau aus der Erwerbstätigkeit zurück zog und sich das ‚Ernährermodell‘ etablierte. Hierbei war der Mann der ‚Ernährer‘ der Familie und die Frau wendete sich der Organisation innerfamiliärer Tätigkeiten zu, wie dem Haushalt und der Kindererziehung. In dieser Zeit war das Eingehen einer Ehe nicht nur eine Möglichkeit für Paare, sie wurde als gesellschaftliche Pflicht gesehen. Es gehörte zum ‚guten Ton‘ verheiratet zu sein.17 Der Wandel der Institution begann Mitte des 20. Jahrhunderts. Mit dem Eintritt in die Ehe werden den Ehepartnern neue Rechte und Pflichten zugeteilt, welche beispielsweise im BGB festgelegt sind. Die Gesetzgebung ist eine Ordnung, welche die Gesellschaft organisiert und das Handeln innerhalb dieser Gesellschaft strukturiert. Dies betrifft z.B. den § 1353

Eheliche Lebensgemeinschaft. (1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung. [...]“18

An dem Auszug des BGB wird ersichtlich, dass es gesetzlich vorgeschrieben ist, dass die Ehepartner füreinander Verantwortung übernehmen. Jedoch in welcher Art und Weise dies geschehen soll, wird nicht näher erläutert. Diese Verantwortung wird in jedem Fall dann deutlich, wenn die Ehe scheitert und ein Ehepartner beispielsweise gegenüber dem anderen Partner unterhaltspflichtig ist. Es wird auf Rosemarie Nave-Herz (2012) verwiesen, welche den heutigen Akt der Eheschließung im institutionellen Rahmen betrachtet. Nave-Herz schreibt, dass im besonderen Fokus einer Eheschließung die Veränderung der gegenseitigen Beziehung der beiden Herkunftsfamilien liegt. Somit sind Menschen, welche vor einer Heirat nicht miteinander verwandt waren, nach der Heirat miteinander verwandt. Die Familien erweitern sich und dehnen sich auf die angeheiratete Familie aus. In den meisten Fällen werden von den Ehepartnern Symbole genutzt, welche die exklusive Verbindung der Ehepartner auch nach außen visualisieren sollen, dies kann beispielsweise das Tragen von Eheringen sein. Diese Symbole können je nach Kultur auch ganz unterschiedlich ausfallen, wie z.B. die Kennzeichnung mit bestimmten Farbzeichen auf der Stirn in Indien. Diese Symbole werden in den jeweiligen Kulturen als Erkennungszeichen betrachtet, welche eine bestimmte Funktion erfüllen und den institutionellen Charakter der Ehe unterstreichen. Die Funktion kann die Verdeutlichung dafür sein, dass eine Person bereits vergeben ist und auf dem Heiratsmarkt nicht weiter zur Verfügung steht.19 Zusammenfassend lässt sich formulieren, dass sich die Bedingungen der Institution Ehe im Laufe der Zeit verändert haben. Im 18. Jahrhundert war es vor allem die Kirche und der religiöse Glauben, später gewann die Meinung und das Interesse der Gesellschaft an Gewicht, weiter waren es Gesetze, welche Rechte und Pflichten für das Zusammenleben regelten. Die institutionellen Bedingungen werden heute vor allem zu Beginn der Ehe festgelegt, diese sollen dazu dienen, das gesellschaftliche Zusammenleben zu strukturieren und zu organisieren. Inwieweit sich heutzutage ein Deinstutionalisierungsprozess der Ehe abzeichnet, wird im vierten Kapitel betrachtet. Der Begriff der Ehe als Institution spiegelte sich jedoch zuvor in der Zeit des Golden Age of marriage wider, diese Bedeutung wird im Folgenden aufgezeigt.

3.2 Bedeutung und historische Entwicklung des Golden Age of marriage

„Die Nachkriegszeit der 1950er und 1960er Jahre ist als Ausnahmephase oder ‚Golden Age of marriage‘ in die europäische Sozialgeschichte eingegangen.“20 Im 17. und 18 Jahrhundert begann die Trennung des Arbeits- und Wohnraums in den hochbürgerlichen Familien. Vor allem die Industrialisierung ermöglichte einen Wandel des Familienlebens. Durch den wirtschaftlichen Fortschritt war es den Familienmitgliedern möglich, ein privates Leben zu gestalten. Auch weniger wohlhabende Bevölkerungsschichten orientierten sich an der neu aufgekommenen Lebensform des wohlhabenden Bürgertums. Auch im Wohnraum wollte man diesen Wandel repräsentieren. In den Häusern und Wohnungen wurden Flure integriert, um die Privatsphäre in den Räumen zu schützen. Zuvor wurden diese als Durchgangszimmer verwendet. Neu war, dass den Räumen verschiedene Funktionen zugeschrieben wurden, wie dem Esszimmer oder dem Kinderzimmer. Bedienstete lebten nicht mehr in dem Haus der Dienstfamilie. Sie hatten fortan ein kleines, eigenes Kämmerchen, entfernt von dem Wohnraum des Dienstherren. Auch wurden Angestellte nicht mehr mit den eigenen Kindern gleichgesetzt, sie wurden als Dienstleister und nicht als Familienmitglied angesehen. Der Bezug zu den eigenen Kindern veränderte sich ebenfalls, diese wurden nicht weiter als ‚kleine Erwachsene‘ behandelt, die Rolle des Kindes wurde ihnen zugestanden.21 Die Kinder bekamen mehr Raum zur freien Entwicklung bezüglich ihrer Persönlichkeit und ihrer Fähigkeiten. Ihnen wurde mehr Verständnis und Rücksichtnahme entgegen gebracht. Die Familie wurde fortan als privater, geschützter Raum angesehen, in welchem sich die Menschen von der Öffentlichkeit abgrenzen und zurückziehen konnten. Nave-Herz (2014) bezeichnete diese Entwicklung als Emotionalisierung der familialen Binnenstruktur.

„Die Emotionalisierung der familialen Binnenstruktur trägt ihren endgültigen Sieg davon, als ‚romantische Liebe‘ - nicht das Vermögen, die Arbeitskraft, die Gesundheit usw. - zum einzigen legitimen Heiratsgrund in diesen hochbürgerlichen Familien wurde.“22

Bis heute kann eine Ehe nur dann vor dem Gesetz geschlossen werden, wenn die Partner aufgrund freier Entscheidung und nicht aus Zwang die Eheschließung vollziehen wollen. Johannes Huinink und Dirk Konietzka (2007) beschäftigten sich in ihrem Werk ‚Familiensoziologie – Eine Einführung‘ mit der Geschichte der Familie. In den folgenden Ausführungen wird auf diese Erläuterungen Bezug genommen. Die Ehe galt, wie bereits beschrieben, fortan als privater Raum, welcher eine Abgrenzung zur Öffentlichkeit darstellen konnte. Es war nun möglich, einen Partner zu heiraten, welchen man sich selbst ausgesucht hatte und zu dem man eine emotionale Zuneigung verspürte. Innerhalb dieser Veränderungen des 19. Jahrhunderts entwickelte sich zunehmend eine Rollenverteilung der Geschlechter. Während des beschriebenen Wandels zur Emotionalisierung der familialen Binnenstruktur ging das Verständnis der Rollenverteilung aus soziologischer Sicht nicht zurück, es wurde verstärkt. Der Mann galt dabei als Versorger der Familie und erfuhr ein höheres Ansehen innerhalb der Gesellschaft. Die Frau war für die Kindererziehung und den Haushalt zuständig. Diese Rollenverteilung wird auch oftmals als ‚Ernährermodell‘ bezeichnet. Das Modell der bürgerlichen beziehungsweise modernen Familie blieb bis zur Mitte des 20. Jahrhundert in den wirtschaftlich und industriell entwickelten Ländern bestehen. Die Familien, welche keine finanziellen Mittel hatten, um sich diesen neuen Lebensstil leisten zu können, waren die proletarischen Familien. Das Heiratsalter in den ärmeren Familien war niedriger, die Anzahl der Kinder war höher, als die einer bürgerlichen Familie. Sie waren auf die Erwerbstätigkeit beider Partner sowie die der Kinder angewiesen. Sie lebten auf beengtem Raum und versuchten ihr Einkommen durch ‚Inwohner‘ aufzubessern. Diese Familien konnten den Luxus der Emotionalität und Intimisierung der Ehe nicht leben, bei ihnen stand die Existenzsicherung für sich und ihre Kinder im Vordergrund. Ein Austritt aus diesem Kreis war den Familien nach vorindustriellem Muster nur dann möglich, wenn der Mann ein höheres Einkommen besäße. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts war es der breiten Masse der Bevölkerung möglich, nach dem Muster der modernen, bürgerlichen Familie zu leben.23 Der Wandel des Verständnisses von Familie wurde somit nicht in allen Schichten gleichzeitig vollzogen, es dauerte Jahrzehnte bis nahezu alle Menschen das neue Familienbild realisieren konnten. Anfang des 20. Jahrhunderts begann erneut ein Umdenken bei den Menschen, welche nun die Entwicklung der Selbstständigkeit der Frauen verfolgten. In den 1920er-Jahren kam es zu einer Ehereformdiskussion, welche die Stellung der Männer in einer Ehe angriff. Die Arbeiterparteien forderten die Kameradschaftsehe und wollten die Zwangsehe abschaffen.24 Dieses Denken stagnierte während und nach dem Zweiten Weltkrieg, welcher von 1939 bis 1945 stattfand. Diese Zeit war geprägt von Unsicherheit, Angst und Hoffnung für die Menschen. Der Krieg forderte viele Todesopfer, wodurch das Familienleben, zum einen durch den Tod Angehöriger sowie durch die psychischen und physischen Leiden der verwandten und bekannten Kriegsopfer, belastet wurde.

„Die deutsche Nachkriegszeit war gekennzeichnet durch die Zerstörung von Produktionsstätten und der Infrastruktur, durch eine katastrophale Ernährungslage, tendenzielle Tausch- und Naturalienwirtschaft, einen enorm disproportionalen demographischen Bevölkerungsaufbau, regionale Wanderungsbewegungen, durch die Zerstörung von Wohnraum, der Wohnraumsbewirtschaftung, aber auch durch eine besondere Wertschätzung des Familienlebens.“25

Die gestiegene Bedeutung der Familie sowie der Wunsch nach Sicherheit, welche den Auslöser in der Extremsituation des Zweiten Weltkriegs fand, begünstigte den späteren Aufschwung des Golden Age of marriage in der Zeit von 1950 bis 1965. Der institutionelle Charakter der Ehe gewann an Bedeutung, die Zahl der Eheschließungen und Geburten stiegen in dieser Zeit. Belege hierfür folgen in dem vierten Kapitel.

Die Zeit des Golden Age of marriage wird zeichnete sich als „[ …] legale, lebenslange, monogame Ehe zwischen einem Mann und einer Frau [aus] […], die mit ihren gemeinsamen Kindern in einem Haushalt leben und in der der Mann Haupternährer und Autoritätsperson und die Frau primär für den Haushalt und die Erziehung der Kinder zuständig ist.“26

Das Bild der traditionellen Kernfamilie des 19. und 20. Jahrhunderts bildete sich innerhalb dieser Zeit erneut ab und ließ das Gefühl von Sicherheit bei den Menschen entstehen. Die Merkmale des traditionellen Verständnisses von Ehe und Familie werden unter dem Gliederungspunkt 4.3 zum Thema ‚Pluralisierung von Lebensformen‘ näher betrachtet. Abschließend lässt sich festhalten, dass das Familienleben in der Zeit des Golden Age of marriage von der Rückbesinnung auf das traditionelle bürgerliche Familienleben des 19. Jahrhunderts geprägt war. Der Ausgangspunkt war die Extremsituation der Kriegs- und Nachkriegszeit, welche den Wunsch nach einem Familienleben in den Menschen neu erwachen ließ.

4. Darstellung des Bedeutungswandels der Ehe nach 1965

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und der Phase des Golden Age of marriage wandelte sich die Bedeutung der Ehe innerhalb der Gesellschaft. Der institutionelle Charakter der Ehe nahm ab. Gründe und Folgeerscheinungen dieses Bedeutungswandels sollen in diesem Kapitel im Fokus der Betrachtung stehen. Zu Beginn wird auf die allgemeinen Merkmale des Familienlebens in Westdeutschland und Ostdeutschland eingegangen. Durch empirische Belege des familiendemografischen Prozesses soll die Annahme bezüglich der Destabilisierung der Ehe in der Mitte der 1960er-Jahre unterstützt werden. Anschließend wird die Bedeutung und Entwicklung des Deinstitutionalisierungsprozesses der Ehe betrachtet. Die daraus resultierende Folge einer Pluralisierung der Lebensformen und der aktuelle Stand verschiedener Lebensformen werden am Ende des Kapitels näher ausgeführt.

4.1 Gegenüberstellung BRD und DDR -Belege für die Destabilisierung der Ehe

Gabriele Muschter und Rüdiger Thomas gewähren einen Einblick in die Zeit des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), welche von Umbrüchen geprägt war. In den Nachkriegsjahren der 1950er-Jahre begann eine gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Teilung Deutschlands. 1961 wurde diese Teilung für die ganze Welt durch den Bau der Berliner Mauer deutlich. Die DDR war fortan, bis zum Fall der Mauer im November 1989, ein sozialistischer Staat, welcher eng mit der Sowjetunion verbunden war. Es wurde das Ziel der ‚sozialen Planwirtschaft‘ verfolgt. Die BRD wiederum war fortan ein sozialdemokratischer Staat. Es herrschte das Prinzip des Kapitalismus, welches sich durch die Kooperation der britischen, amerikanischen und französischen Besatzungszonen entwickelt hatte. Die BRD erlebte in der Nachkriegszeit ein Wirtschaftswunder. Die DDR konnte mit diesem Wachstum nicht mithalten. Die Enteignungen von Großgrundbesitzern, der Großindustrie und die Zwangskollektivierung von bäuerlichen Betrieben in der Zeit von 1945 bis in die 1960er-Jahre waren nur einige Gründe, weswegen sich die materiellen Lebensverhältnissen der Menschen in West- und Ostdeutschland immer weiter von einander unterschieden. Obwohl sich die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lebensverhältnisse im getrennten Deutschland unterschieden, blieben die Werteinstellungen bezüglich des Familienlebens nahezu identisch.27 „So blieben beide deutsche Gesellschaften in der Privatsphäre weitgehend traditionellen Lebensvorstellungen verhaftet und zeigten in vieler Hinsicht weiterhin ein habituelles Erscheinungsbild.“28 Die Ehe und die Familie hatten sowohl für DDR-BürgerInnen, als auch für die BürgerInnen der BRD eine große Bedeutung.

4.1.1 Familiendemografische Prozesse

Der demografische Wandel der Ehe und Familie in der DDR und in der BRD soll in Bezugnahme auf Rosemarie Nave-Herz (2002) dargestellt werden. In Westdeutschland galt zunächst das ‚Ernährermodell‘ als Familienideal. Hierbei ist eine klare Rollenverteilung zwischen Ehemann und Ehefrau zu erkennen. Die Frauen gaben ihre Erwerbstätigkeit bei dem Eintritt in die Ehe mehrheitlich auf und widmeten sich fortan dem Haushalt und der Kindererziehung. Die Männer hingegen sorgten für das Einkommen und sicherten den gesellschaftlichen Status der Familie. Vor allem die Kirche unterstützte und forderte dieses Ideal.29 Der Anteil konfessionsloser Menschen in Ostdeutschland betrug nach dem Fall der Mauer knapp 60%, in Westdeutschland dagegen nur knapp 7%.30 Die Nähe zur Kirche und die Bindung an die kirchlichen Wertvorstellungen in Westdeutschland war deutlich höher, als im östlichen Teil des Landes. Ein Wandel des traditionellen Familienbildes in der BRD begann mit der späteren Frauenbewegung, dem steigenden Bildungsniveau und Selbstbewusstsein der Frauen. In Ostdeutschland galt das ‚sozialistische Frauenbild‘ als Familienideal, welches von Seiten des Staates gefördert wurde. Die Frauen blieben, wie der Mann, nach der Heirat erwerbstätig. Gründe hierfür lagen in den staatlichen ‚arbeitsmarkt- und bevölkerungspolitischen‘ Interessen (Pflicht zur Arbeit anstelle von Recht auf Arbeit). Ein weiterer Grund stellte die fehlende gesetzliche Regelung im Scheidungsfall dar. Unterhaltszahlungen und weitere Absicherungen im Fall einer Scheidung sah der Staat nicht vor, so stellte eine Nicht- Erwerbstätigkeit für die Frau die Gefahr dar, allein nicht für ihren Unterhalt sorgen zu können.31 In der BRD wurden die ehelichen Beziehungen unter den Schutz des Staates gestellt, dies war im Grundgesetz Art. 6 festgehalten worden. Dieser untersagte es in den privaten Raum der Ehe einzudringen und diesen zu kontrollieren. In der DDR wurde der Ehe auch eine besondere Stellung von Seiten des Staates zugesprochen. Alternative Lebensformen zur Ehe wurden offiziell nicht gern gesehen. Allerdings wurde der staatliche Zugriff auf den privaten und intimen Raum der Ehe nicht, wie in der BRD, gesetzlich verboten.32 Somit war die Ehe und Familie sowohl für die Staatsbürger der DDR, als auch für die Staatsbürger der BRD von Bedeutung. Allerdings unterschied sich das Leben in der Partnerschaft aufgrund der äußeren Bedingungen.

4.1.1.1 Empirische Daten zur Heiratsquote

In der DDR wurde früher geheiratet, als in der BRD. Das durchschnittliche Erstheiratsalter in der DDR lag bei den Männern ungefähr zwei Jahre und bei den Frauen etwas mehr als ein Jahr unter dem Durchschnitt in der BRD. Bei den Frauen in der DDR betrug das Erstheiratsalter durchschnittlich 2 2,5 Jahre und bei den Männer durchschnittlich 23,9 Jahre.33 In Abbildung 2 wird die Zahl geschlossener und geschiedener Ehen in dem Zeitraum von 1950 bis 2006 betrachtet. Da die Nachkriegszeit vom Bild der traditionellen Normalfamilie geprägt war, wurde die Ehe als Teil der Familie angesehen und die Anzahl an Eheschließungen stiegen. 1950 wurden in Deutschland 750°000 Ehen geschlossen und im selben Jahr 135°000 Ehen geschieden. Die Nachkriegszeit der 1950er-Jahre zeichnete sich somit durch die höchste Eheschließungsquote des dargestellten Zeitfensters aus. Sechs Jahre später nahm zwar die Anzahl an geschlossenen Ehen ab, es wurden nur noch 631°000 Ehe geschlossen, jedoch sank auch die Zahl geschiedener Ehen auf 69°000. Der Rückgang an Scheidungen konnte jedoch den Rückgang der Eheschließungen nicht auffangen. Im Jahr des Mauerbaus 1961 stieg die Anzahl der Eheschließungen stark um 68°000 Ehen an und die Anzahl der Scheidungen veränderte sich nur gering und stieg um 6°000 an. Am Höhepunkt des Golden Age of marriage wurden viele Ehen geschlossen und wenig Ehen wieder geschieden, dies ist ein kennzeichnendes Merkmal der Zeit. Ab diesem Zeitpunkt sank die Anzahl der Eheschließungen erheblich und die Anzahl an Scheidungen stiegen. Dieser Wandel ist vor allem ein Zeichen für den stattgefundenen Deinstitutionalisierungsprozess der Ehe, welcher im vierten Kapitel näher beleuchtet. Abschließend zu dieser Abbildung 2 lässt sich der anhaltende Deinstitutionalisierungsprozess feststellen, wenn das Jahr 2006 betrachtet wird.

In diesem Jahr waren nur noch knapp die Hälfte an Eheschließungen durchgeführt wurden, als zur Zeit des Golden Age of marriage 1961. Die Zahl der Scheidungen dagegen verdoppelte sich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 zeigt die Nichtehelichenquote für West- und Ostdeutschland von 1946 bis 2009 auf. Der prozentuale Anteil von nichtehelichen Lebensgemeinschaften war in Ostdeutschland schon in der Nachkriegszeit mit knapp 20% höher, als in Westdeutschland mit rund 16%. Während der Zeit des Golden Age of marriage bis in die Mitte der 1960er-Jahre sank in beiden Teilen Deutschlands die Anzahl nichtehelicher Partnerschaften, somit kann daraus geschlossen werden, dass die Ehe eine hohe Attraktivität für die Menschen besaß. Der prozentuale Anteil an nichtehelichen Lebensgemeinschaften war in der DDR und in den späteren ehemaligen Gebieten der DDR größer, als in der BRD. Ab dem Jahr 1973 stieg die Nichtehelichenquote in beiden Teilen Deutschlands an, wobei die Zahl in der DDR einen stärkeren Anstieg erfuhr. Zur Zeit der Vereinigung Deutschlands im Jahr 1990 bestanden rund 35% der Partnerschaften im Osten ohne eine Eheschließung, im Westen waren es nur rund 10%. 20 Jahre nach dem Fall der Mauer gab es in den neuen Bundesländern knapp 58% nichteheliche Lebensgemeinschaften, in den alten Bundesländern nur knapp 28%. Daraus ist zu schlussfolgern, dass die Institution Ehe in der DDR und später in den neuen Bundesländern an Attraktivität verloren hatte. Im Westen ist zwar ebenfalls eine Zunahme nichtehelicher Partnerschaften zu verzeichnen, doch fällt diese deutlich geringer aus.

Der aktuelle Stand und die Entwicklung der nichtehelichen Lebensgemeinschaften als attraktive Lebensform wird ausführlich unter dem Punkt 4.3 Pluralisierung von Lebensformen geklärt.

Die Gründe für eine gesunkene Anzahl geschlossener Ehen sowie der Anstieg nichtehelicher Lebensgemeinschaften in Ost- und Westdeutschland lässt sich mit dem Bedeutungswandel der Ehe in der Mitte der 1960er-Jahre erklären. Erstens haben sich die gesetzlichen Regelungen verändert, wie die Abschaffung des Kuppelei-Paragraphen 1973 und die Umsetzung der Scheidungsreform 1976. Zweitens haben sich die Rahmenbedingungen, wie das bessere Bildungsniveau und die wachsende Selbstständigkeit der Frauen verändert. Und drittens hat der gesellschaftliche Zwang zur Eheschließung abgenommen und die Akzeptanz gegenüber alternativer Lebensformen, wie die der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hat zugenommen. Nähere Erläuterungen folgen unter dem Punkt der Deinstitutionalisierung und Pluralisierung von Lebensformen.

4.1.1.2 Empirische Daten zur Scheidungsquote

Einen weiteren Beleg für die Destabilisierung der Ehe, beginnend Mitte der 1960er-Jahre, bildet die Betrachtung der Scheidungsquote. In Abbildung 4 ist die Scheidungshäufigkeit zwischen 1970 und 2015 der alten Bundesländer (BRD) und der neuen Bundesländer (DDR) sowie des vereinigten Deutschlands dargestellt. Betrachtet wird die Anzahl der Scheidungen je 100 geschlossener Ehen des selben Jahrgangs. 1970 lag die Scheidungshäufigkeit in der DDR mit 20,7% höher, als in der BRD mit 15,1%. Sowohl im Osten als auch im Westen stieg die Anzahl an Scheidungen an, wobei in der BRD mehr Scheidungen durchgeführt wurden, als in der DDR. Mit dem Fall der Mauer 1989 kehrte sich dieser Trend um und ein Wandel des Verhaltens bezüglich der Durchführung einer Ehescheidung ist erkennbar. Bis Mitte der 1990er Jahre sank die Anzahl an Ehescheidungen in Ostdeutschland, welche vermutlich mit dem veränderten sozialen Umstand der Vereinigung Deutschlands und damit einhergehenden Umbrüchen und Unsicherheiten zu erklären ist. Durch den Fall der Mauer veränderte sich die soziale und wirtschaftliche Lebenssituation der Menschen in Ostdeutschland stärker, als die der Menschen aus Westdeutschland.

„Reisefreiheit, Freiheit der politischen Meinungsäußerung, die Freiheit, ein Unternehmen oder einen Verein zu gründen, ein größerer Spielraum für ganz persönliche Entscheidungen, gewachsene Rechtssicherheit – das sind Errungenschaften des Lebens in der westlichen Moderne, die die Ostdeutschen keineswegs geringschätzen […].“34

Auf dem Gebiet der alten BRD hingegen stieg die Anzahl der Ehescheidungen weiter. Der fortan wahrnehmbare Unterschied besteht in dem Verhältnis der Ehescheidungen. So waren es vor 1990 noch mehr Menschen in Ostdeutschland, welche eine Scheidung durchführen ließen. Nach der Aufhebung der Grenze waren es mehr Menschen in den westdeutschen Gebieten. Insgesamt stieg die Scheidungshäufigkeit bis zirka 2004 an, ab da blieb sie in beiden ehemalig getrennten Teilen Deutschlands auf dem selben Niveau. In den alten Bundesländer war es ein Prozentsatz von rund 40%, in den neuen Bundesländern lag dieser bei rund 33%.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.2 Deinstitutionalisierungsprozess der Ehe

In der Mitte der 1960er-Jahre zeichnete sich ein Prozess der Deinstitutionalisierung in beiden Teilen Deutschlands ab. Hierbei handelte es sich um den Bedeutungsverlust und den Verlust der Stellung der Familie und der Ehe innerhalb der Gesellschaft. Zuvor gab es in der Bevölkerung kaum Zweifel bezüglich der Stabilität und Funktionalität der Ehe. Vor allem die Zeit des Golden Age of marriage ließ die Vorstellung der Institution Ehe erneut aufleben. Die Ehe galt als der natürliche Ort für die Erziehung eines Kindes und das Leben in einer Partnerschaft. Zu Beginn waren es kirchliche und später staatliche Regelungen sowie die gesellschaftliche Legitimation die den institutionellen Charakter prägten. Am Ende der 60er-Jahre wuchs die Kritik an dem Modell der Ehe. Hartmann Tyrell spricht dabei von „[…] Legitimitätseinbußen des bürgerlichen Familienmusters […].“35 Hierbei wurde die Monopolstellung der Ehe als Lebensform hinterfragt und kritisiert. So kam es, dass Alternativen hinsichtlich der Lebensformen in dem Blick genommen wurden.

„Seit Mitte der 60er Jahre haben sich in Deutschland wie überall in Europa die Strukturen des Familienlebens stark verändert, so daß […] weniger Ehen geschlossen, weniger Kinder geboren und mehr Ehen geschieden werden. Der Anteil Alleinerziehender hat zugenommen und immer mehr Frauen sind erwerbstätig. Gleichzeitig haben nicht-eheliche Formen des Zusammenlebens zugenommen .“ 36

Diese Einstellung steht im Kontrast zu der Zeit des Golden Age of marriage, in dem die Anzahl der Eheschließungen stieg und die Bedeutung der Ehe und Familie wuchs. Ein Grund für die Deinstitutionalisierung der Ehe zeigt sich in der Studentenbewegung 1968, der Veränderung des Bildungssystems sowie dem veränderten Recht. Die folgenden Ausführungen werden sich auf die Erläuterungen von Nave-Herz (2014) stützen. Diese sollen die Veränderung der Bildung und der Erwerbstätigkeit von Frauen als einen der auslösenden Gründe für das Bestehen von alternativen Lebensformen, wie die nichtehelicher Lebensgemeinschaften näher betrachten. Bis 1960 waren unverhältnismäßig wenig Mädchen in einer Bildungseinrichtung anwesend, auch wenn der Schulbesuch gesetzlich vorgeschrieben war. Als Ursache wurden die Familien gesehen, welche die Mädchen nicht zur Schule schickten. In Mädchenschulen wurden die jungen Frauen vor allem auf ihre zukünftig vorgesehene Tätigkeit im Haushalt und als Mutter vorbereitet, wie in den Fächern Hauswirtschaftslehre und Handarbeitsunterricht. Eine Vorbereitung auf eine Erwerbstätigkeit wurde nur in dem Rahmen für notwendig erachtet, als dass diese eine Übergangsphase bis hin zum Eingehen einer Ehe darstellte. In den 1970er-Jahren kam es zu einem Wandel des Bildungssystems, in der Zeit, als die Ehe an Bedeutung verloren hatte.37

„Die Folge der Bildungsexpansion in jener Epoche bewirkte nämlich nicht nur die Verlängerung der institutionellen Lernzeit für immer mehr Jugendliche, sondern auch, dass die Qualifizierung für eine zukünftige Erwerbstätigkeit für beide Geschlechter in den Mittelpunkt der Schulbildung rückte und die o.a. Unterrichtsfächer an den weiterführenden Bildungseinrichtungen entfielen.“38

Mädchen wurden nicht weiter primär auf Tätigkeiten im Haushalt vorbereitet, das Ziel der Bildung war es, die Mädchen (und Jungen) für einen Beruf zu qualifizieren und zur Selbstständigkeit zu erziehen. Dies war eine notwendige Voraussetzung für die fortan steigende Selbstständigkeits- und Unabhängigkeitsentwicklung der Frau. Eine Ehe galt nicht mehr als Notwendigkeit für eine Frau, da diese durch die Qualifizierung für einen Beruf in der Lage war, für sich selbst zu sorgen. Sie musste nach der schulischen Ausbildung den Hauptfokus nicht auf die Wahl eines Mannes und das Eingehen einer Ehe legen um, ein ‚gutes Leben‘ zu führen. Dies ebnete den Weg für die fortschreitende Etablierung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in den folgenden Jahren. Durch die 1973 stattgefundene Veränderung des Kuppelei-Paragraphen (§ 180 StGB) war es Paaren fortan möglich, eine sexuelle nichteheliche Beziehung einzugehen. Zuvor wurde es unter Strafe gestellt, wenn Personen einem nichtehelichen Paar die Möglichkeit gegeben hatten, wie die Vermietung eines Zimmers, sexuelle Handlungen durchzuführen. Die Veränderung des Paragraphen ermöglichte es nun den Paaren zusammenleben zu können, ohne die Ehe geschlossen zu haben.39 Weiter war es die Scheidungsrechtsreform der Bundesrepublik Deutschland von 1976, welche die Ehescheidung erleichterte und zur Auflösung der ‚Hausfrauenehe‘ führte. Es wurden neue Gesetze beschlossen, welches das Zerrüttungsprinzip und nicht weiter das Schuldprinzip beinhalteten.40 Dies bedeutete, dass es für eine Scheidung nicht mehr notwendig war die Schuld desjenigen Partners nachzuweisen, weswegen die Ehe gescheitert war. Das Zerrüttungsprinzip lässt eine Scheidung zu, wenn mindestens ein Partner an dem Fortbestehen der Ehe zweifelt. Es wird hierbei auf den Schuldspruch verzichtet. Dies lässt die Vermutung zu, dass dies ein Grund für den Deinstitutionalisierungsprozess der Ehe und den Anstieg der Scheidungszahlen sein könnte, da die Durchführung einer Ehescheidung durch diese Gesetzesänderung komfortabler gestaltet wurde. Allerdings ist festzuhalten, dass nach einer Untersuchung von Elisabeth Noelle-Neumann 1980 die Mehrheit (57%) es für nicht gut befand, die Schuldfrage bei einer Trennung zu ignorieren. Auch bei einer erneuten Umfrage von Noelle-Neumann 1995 gab die Mehrheit der befragten Personen in Ostdeutschland (54%) und in Westdeutschland (47%) an, dass sie das Ignorieren der Schuldfrage im Scheidungsfall für nicht gut empfinden. Jedoch wurde auch keine Wiedereinführung des Schuldprinzips ihrerseits gefordert. In Ostdeutschland wurde das Zerrüttungsprinzip bereits 1955 eingeführt.41 Auch nach längerem Bestehen des Zerrüttungsprinzips in Ostdeutschland, ist die Ablehnung in diesem Teil Deutschlands größer gewesen, als in Westdeutschland. Aus welchen Gründen dies der Fall ist, konnte nicht umfassend geklärt werden. Aus dem Umfrageergebnis von Noelle-Neumann wird ersichtlich, dass eine Gesetzesänderung, aufgrund der geringen Zustimmung in der Bevölkerung, nicht als Hauptaspekt für die Deinstitutionalisierung der Ehe gesehen werden kann. Die Scheidungsreform war das Ergebnis eines wandelnden Denkprozesses in der Gesellschaft. Durch das ebenfalls 1976 eingeführte erste Eherechtsreformgesetz war es nun auch den Frauen möglich einem Beruf nachzugehen und es wurden den Partnern keine geschlechtsbezogenen Rollen mehr zugeordnet.42 Fortan konnten die Frauen immer mehr an Selbstständigkeit durch die Ausübung eines Berufes gewinnen. Das Kindschaftsrecht von 1998 stellte eine weitere Gesetzesänderung dar, welches den Deinstitutionalisierungsprozess auch in der zukünftigen Entwicklung Deutschlands bestätigte. Der Grund hierfür liegt in der Regelung bezüglich des Umgangs- und Sorgerechts mit einem gemeinsamen Kind nach einer Scheidung. Es kam zum Wandel von dem ‚Desorganisationsmodell‘ hin zum ‚Reorganisationsmodell‘. Beide Modelle beziehen sich dabei auf die familiale Entwicklung nach einer Ehescheidung.

Nach Fthenakis wird das Desorganisationsmodell „[…] als der „Endpunkt der familialen Entwicklung angesehen, in deren Verlauf die Vorstellung der Mitglieder des familialen Systems so unvereinbar geworden sind, daß sie sich nicht mehr unter ein gemeinsames Ziel subsumieren lassen.“ […] Demgegenüber besagt das Reorganisationsmodell, „daß eine Ehescheidung das familiale System nicht beendet, sondern eine Neuorganisation der familialen Beziehungen bewirkt und daß dieser Prozess lange vor der juristischen Scheidung beginnt und danach andauert.““43

Das Desorganisationsmodell sah daher den Scheidungsprozess radikaler, da es eine Trennung als Folge eines menschlichen Konflikts ansah und nicht als Konsequenz unüberwindbarer partnerschaftlicher Differenzen. Das Reorganisationsmodell dagegen sieht eine Veränderung der Partnerschaft, bei der die Partner trotz einer Scheidung in der Lage sind, sich um das Wohl des Kindes gemeinsam zu kümmern. Vor der Einführung des Zerrüttungsprinzips von 1976, wurde dem nicht-schuldigen Partner das Sorgerecht für das Kind zugeteilt. Nach der Gesetzesänderung wurde nach dem Wohl des Kindes entschieden. In dem Zeitraum vom 1.1.1980 bis 1982 wurde nur einem Partner das alleinige Sorgerecht für das/die Kind(er) zugeteilt. Die Beantragung eines gemeinsamen Sorgerechts war in diesem Zeitraum nicht möglich. Ab 1982 war es dann beiden Elternteilen möglich, das Sorgerecht zu beantragen.44 Die Aufrechterhaltung und das Eingehen einer Ehe musste nicht mehr aufgrund des Wohles eines gemeinsamen Kindes geschehen. Dies bereitete den Weg für das Entstehen neuer Lebensformen, wie beispielsweise der Ein-Eltern-Familien. Neben den gesetzlichen Änderungen, ist der gesellschaftliche Akzeptanzwandel als Antrieb des Deinstitutionalisierungsprozesses zu nennen. Es verbreitete sich zunehmend das Verständnis, dass die Zuneigung zweier Partner nicht erst dann von der Öffentlichkeit anerkannt wird, wenn sie durch ein Ehebündnis geschlossen wird. Karl Lenz (1998) schreibt in seinem Buch ‚Soziologie der Zweierbeziehungen‘: „Wer liebt, muß noch lange nicht auch heiraten.“45 Diese Aussage impliziert den Werteverlust der Institution Ehe, da ein Muss für die Ehe nicht mehr besteht. Die Menschen wurden freier und selbstständiger in ihrem Denken und Handeln. Aufgrund der Lockerungen im Eherecht und Scheidungsrecht in den 70er-Jahren war es den Partnern möglich, sich leichter zu trennen. Weiter waren die Frauen durch die Lockerung des Eherechts nicht mehr in einem starken Maße von ihrem Ehepartner abhängig. Sie waren rechtlich in der Lage ein selbstbestimmtes Leben zu führen, indem sie erwerbstätig sein und Geld verdienen konnten. Es ist hierbei ein Wandel der Gesellschaft zu erkennen, bei dem sich die Menschen offener gegenüber einer Alternative zu den bis dahin bestehenden konventionellen Mustern einer Lebensform zeigen. Peuckert sieht in dem stattgefundenen Prozess einen ‚Individualisierungsprozess'.46 Die Partner sehen sich als eigenständige Individuen und nicht in völliger Abhängigkeit von einander. Dabei steht nicht mehr der Mann allein im Fokus der Betrachtung bezüglich der Ehe. Die Hausfrauenehe gestaltete sich für die Frauen fortlaufend als unattraktiv. Die Vorstellung und das Streben nach dem ‚Ernährermodell‘ nahm ab. Auch wenn für die Frauen die Familie wichtig blieb, so wächst auch das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung in Bezug auf die Erwerbstätigkeit und der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Am Ende dieses Abschnittes lässt sich konstatieren, dass der Deinstitutionalisierungsprozess vor allem durch die gestiegene Selbstständigkeit der Frau sowie verschiedene Lockerungen und Änderungen der Gesetze, welche Paare und Kinder betrafen, vorangetrieben wurde. Mit der Chance als Frau in der Ehe einen Beruf ausüben zu können, wächst auch die Toleranz und positive Einstellung bezüglich alternativer Lebensformen, wie die der nichtehelichen Lebenspartnerschaft. Der beschriebene Prozess führte zu einer Pluralisierung von Lebensformen in der Gesellschaft. Einen Überblick über die heutzutage existierenden Lebensformen soll in den folgenden Punkten dargestellt werden.

[...]


1 Vgl. Datenreport 2018, S. 52

2 Vgl. Burkart, Günter/ Kohli, Martin (1992), S. 47f.

3 BGB, § 1310

4 BGB, § 1311

5 Vgl. Schmidt, Rolf (2016), S. 7

6 Vgl. Süssmuth, Rita (2001), S.198

7 Vgl. Schmidt, Rolf (2016), S. 6

8 Nave-Herz, Rosemarie (2013), S. 36

9 Grzanna, Marion/ Schmidt, Nora (2007), S. 310

10 Vgl. Nave-Herz, Rosemarie ( 2013), S. 32f.

11 Vgl. Nave-Herz, Rosemarie (2013), S. 36

12 Grzanna, Marion/ Schmidt, Nora (2007), S. 310

13 Esser, Hartmut (2000), S. 2

14 Vgl. Lenz, Karl (1998), S. 221

15 Vgl. Esser, Hartmut (2000), S. 14 & 34f.

16 Peuckert, Rüdiger (2012), S. 29

17 Vgl. Peuckert, Rüdiger (2012), S. 29f.

18 BGB, § 1353

19 Vgl. Nave-Herz, Rosemarie (2012), S. 140ff.

20 Huinink, Johannis / Konietzka, Dirk (2007), S. 77

21 Vgl. Nave-Herz, Rosemarie (2014), S. 11f.

22 Nave-Herz, Rosemarie (2014), S. 12

23 Vgl. Huinink, Johannis / Konietzka, Dirk (2007), S. 67-70

24 Vgl. Gestrich, Andreas (2013), S. 7

25 Nave-Herz, Rosemarie (2002), S. 45

26 Limbach, Jutta/ Willutzki, Siegfried(2002), S. 23

27 Vgl. Muschter, Gabriele/ Thomas, Rüdiger (2015), S. 172f.

28 Muschter, Gabriele/ Thomas, Rüdiger (2015), S. 173

29 Vgl. Nave-Herz, Rosemarie (2002), S. 45

30 Vgl. Martens, Frank (2010), In: BpB: http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/lange-wege-der-deutschen-einheit/47190/kirchennaehe?p=all ( Stand 24.02.2019)

31 Vgl. Nave-Herz, Rosemarie (2002), S. 45f.

32 Vgl. Gestrich, Andreas (2013), S. 9

33 Vgl. Muschter, Gabriele/ Thomas, Rüdiger (2015), S.173

34 Meyer, Hansgünter (1999), S. 67

35 Tyrell, Hartmann (1988), S. 149

36 Glatzer (1998) zitiert nach Süssmuth, Rita (2001), S.199f.

37 Vgl. Nave-Herz, Rosemarie (2014), S. 20-21

38 Nave-Herz, Rosemarie (2014), S. 21

39 Vgl. Nave-Herz, Rosemarie (2014), S. 20

40 Vgl. Schütze, Yvonne (2003), S. 84

41 Vgl. Schütze, Yvonne (2003), S. 84f.

42 Vgl. Peuckert, Rüdiger (2008), S. 29

43 Fthenakis (1998) zitiert nach Schütze, Yvonne (2003), S. 87

44 Vgl. Schütze, Yvonne (2003), S. 87ff.

45 Lenz, Karl (1998), S. 15

46 Vgl. Peuckert, Rüdiger (2008), S. 31

Final del extracto de 90 páginas

Detalles

Título
Die Ehe in der Bundesrepublik Deutschland. Bedeutungswandel und die aktuelle Stellung
Universidad
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg
Calificación
1,0
Año
2019
Páginas
90
No. de catálogo
V1042579
ISBN (Ebook)
9783346463890
ISBN (Libro)
9783346463906
Idioma
Alemán
Palabras clave
Ehe, Bedeutungswandel der Ehe, Deinstitutionalisierung, Pluralisierung der Lebensformen, golden age of marriage, Vergleich BRD DDR, Scheidungsproblematik, Auswirkung von Scheidungen auf Kinder und Jugendliche, Deinstitutionalisierungsprozess der Ehe
Citar trabajo
Anónimo, 2019, Die Ehe in der Bundesrepublik Deutschland. Bedeutungswandel und die aktuelle Stellung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1042579

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