Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe Inklusion und Integration definiert und voneinander unterschieden. Des Weiteren wird auf die Ziele der Inklusion und die Chancen unserer Gesellschaft eingegangen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Themas sind die Herausforderungen, die es derzeit im Elementar- und Primarbereich noch gibt und die bewältigt werden müssen, bevor die Inklusion gelingen kann. Abschließend beschäftigt sich die Hausarbeit mit der Frage, warum Inklusion für die Kindheitspädagogik von Bedeutung ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmung
2.1. Inklusion und Integration
2.2. Behinderung
3. Ziele der Inklusion
4. Chancen für die Gesellschaft
5. Herausforderungen der Inklusion
5.1. Im Elementarbereich
5.2. Im Primarbereich
6. Warum ist das Thema für die Kindheitspädagogik relevant?
7. Anhang
1. Einleitung
„Manche Menschen haben blonde Haare und manche eben braune. Manche Menschen sind größer, andere sind kleiner. Genauso haben manche Menschen eben eine Behinderung und andere wiederum nicht.“ (Luisa Laudace, 2021)
Dieses Zitat beschreibt den Grundgedanken der Inklusion sehr gut. Seit Jahren durchlebt die Gesellschaft den Wandel von einer integrativen in eine inklusive Gesellschaft. Das Thema Inklusion wird fortlaufend wichtiger, befindet sich in unserer Mitte und gewinnt daher immer mehr an Bedeutung.
Im Folgenden werden die Begriffe Inklusion und Integration definiert und voneinander unterschieden. Des Weiteren wird auf die Ziele der Inklusion eingegangen und die Chancen unserer Gesellschaft. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Themas sind die Herausforderungen, die es derzeit im Elementar- und Primarbereich noch gibt und die bewältigt werden müssen, bevor die Inklusion gelingen kann. Abschließend beschäftigt sich die Hausarbeit mit der Frage, warum Inklusion für die Kindheitspädagogik von Bedeutung ist.
2. Begriffsbestimmung
2.1. Inklusion und Integration
Die beiden Begriffe sind nicht klar definiert voneinander abzugrenzen. Der Integrationsbegriff wird sehr weitreichend und unterschiedlich aufgefasst und umgesetzt. So kommt es zu Überlappungen zwischen den beiden Ausdrücken. In dieser Hausarbeit werden diese wie folgt definiert.
„Unter Inklusion wird die gleichrangige gesellschaftliche Partizipation aller Menschen einschließlich derjenigen mit Behinderungen unter Gewährung, dafür notwendiger Hilfen verstanden“ (Kullmann, Lütje-Klose & Textor, 2014, 90, Hervorhebung im Original).
Diese Definition bezieht alle Dimensionen gesellschaftlicher Benachteiligung ein, darunter auch die ethnische Zugehörigkeit, das Geschlecht und den sozioökonomischen Hintergrund und nicht nur die Leistungsfähigkeit eines Menschen. Zudem legt die Inklusion den Schwerpunkt auf die Beschreibung von Systemen. Das bedeutet das Bildungssystem und somit die Schulen und Kindergärten können inklusiv sein, aber eine einzelne Person oder eine Personengruppe nicht. Diese können nur inklusive Werte vertreten und den inklusiven Gedanken verinnerlicht haben (vgl. Textor, 2018).
Zudem bedeutet Inklusion ein Miteinander, in dem es von vorneherein keine Ausgrenzung gibt und auch im späteren Verlauf nicht geben wird. Jeder wird so akzeptiert, wie er ist, mit all seinen Besonderheiten.
Integration hingegen bedeutet, einen Menschen in ein System zu integrieren. Hier verändert man das System nicht. Das impliziert allerdings das Verständnis, dass es zwei Gruppen gibt, von denen die eine in die andere integriert werden muss bzw. kann. Das Ziel ist bei beiden Begriffen gleich. Eine heterogene Gesellschaft zu erschaffen, in der es keine Ausgrenzung gibt (vgl. Textor, 2018).
2.2. Behinderung
Der Begriff Behinderung wird ebenfalls sehr unterschiedlich aufgefasst. Im medizinischen Bereich wird Behinderung durch eine Krankheit, Schädigung oder Funktionsbeeinträchtigung geprägt. Behinderung gilt häufig als Defizit, das den Menschen an seiner gesellschaftlichen Teilhabe erheblich einschränkt (vgl. Textor, 2018).
Des Weiteren wird Behinderung als Ergebnis sozialer Zuschreibungen interpretiert. Dieser Auffassung zufolge gibt es keine explizite Definition des Begriffes. Am Beispiel einer Lernbehinderung wird dies sehr deutlich. Ein Kind, das erhebliche Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben lernen hat, wird in einer Gesellschaft, in der es viele Analphabeten gibt, nicht als behindert wahrgenommen. In einer Gesellschaft, in der das Lesen und Schreiben allerdings eine Selbstverständlichkeit ist, gilt das Kind als lernbehindert (vgl. Textor, 2018).
Im SGB IX § 2 Abs. 1 wird Behinderung einheitlich und grundlegend definiert. Eine Behinderung liegt vor, wenn bei Menschen eine körperliche, geistige, seelische oder eine Sinnesbeeinträchtigung vorliegt, die länger als sechs Monate andauert und die den Menschen an der gleichen Teilhabe in der Gesellschaft hindern kann.
Eine Beeinträchtigung liegt nach dem SGB IX § 2 Abs. 1 dann vor, wenn der Körper- oder Gesundheitszustand eines Menschen für das dem Alter typischen Zustand abweicht.
In dieser Hausarbeit basieren die Begriffe Behinderung und Beeinträchtigung auf der Definition des SGB IX.
3. Ziele der Inklusion
Das bedeutsamste Ziel der Inklusion ist die volle Akzeptanz, Toleranz und Wertschätzung der Menschen mit Beeinträchtigung und Behinderungen im alltäglichen Leben. Die Inklusion ist dann gelungen, wenn es eine selbstverständliche Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderungen gibt (Heimlich, 2019). Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Zuerst braucht es eine fundamentale Änderung des gesellschaftlichen Denkens und Handelns.
Durch die Inklusion erhöhen sich die Möglichkeiten für Menschen mit Beeinträchtigung und Behinderung an der Gesellschaft teilhaben zu können und ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Dazu muss es eine Erhöhung der Bildungs- und Entwicklungsförderungen geben, deren Ziel die größtmögliche Selbstständigkeit ist (Heimlich, 2019). Zudem muss es die Chancen zur Selbstständigkeit geben, darunter die komplette Barrierefreiheit in allen Einrichtungen, allen Verkehrsmitteln, in jeder Straße und auf jedem Gehweg. Bordsteine sind beispielsweise noch Barrieren, Treppen ohne Rampe daneben, Häuser ohne Aufzüge, schmale Gassen, schmale Gänge in Einkaufszentren. All das darf es nicht mehr geben, all das sind Einschränkungen an der gesellschaftlichen Teilhabe und schränken die Person in ihrer Selbstständigkeit erhebliche ein.
Ein weiteres Ziel der Inklusion ist der Abbau von Vorurteilen und die Weiterentwicklung der Partizipation. Aber auch diese beiden Punkte sind nur möglich, wenn ein fundamentales Umdenken der Gesellschaft stattfindet und Behinderungen, Beeinträchtigung und jegliche Merkmale, die von der Gesellschaft nicht als „normal“ angesehen werden, eine Selbstverständlichkeit sind und in jeglicher Hinsicht akzeptiert werden. (Heimlich, 2019).
Auf den Elementar- und Primarbereich bezogen, ist das größte Ziel der Inklusion, jedem Kind gerecht zu werden, jedes Kind angemessen und individuell zu fördern, damit jedes Kind sein volles Potential ausschöpfen kann (S., 2021). Dazu müssen noch einige Methoden und Strategien erfunden bzw. weiterentwickelt werden. Diese sind erst erfolgreich erfunden bzw. weiterentwickelt, wenn man die Förder- und Sonderschulen vollständig auflösen kann und der inklusive Unterricht gelingt (S., 2021).
Im Elementarbereich ist das Ziel der Inklusion das Spielen von Kinder mit und ohne Beeinträchtigung (Heimlich, 2019). Ohne spielen kann es nicht zu einer vollständigen Inklusion kommen, da eine Aussonderung stattfindet. Sobald die Kinder selbstverständlich miteinander spielen, ist das Ziel schon erreicht. Daher ist das Spiel im Elementarbereich Ausgangspunkt und Zielsetzung zugleich.
4. Chancen für die Gesellschaft
Inklusion bedeutet Vielfalt und Vielfalt bereichert (Brokamp, 2016). Je vielfältiger die Gesellschaft ist, desto mehr kann diese davon profitieren. Jeder ist einmalig und hat einzigartige Merkmale und Stärken, von denen andere lernen können. Wäre die Gesellschaft eine vollständig homogene Gruppe, würde es keine Weiterentwicklung mehr geben, da die Ideen und Vorschläge fehlen. Heterogenität bereichert. Heterogenität als Normalität ist eine Chance für die Gesellschaft in allen Hinsichten. Politisch, sozial, wirtschaftlich, kulturell und wissenschaftlich.
Die Kategorisierung in Gruppen führt zu einem Vergleichen der Gruppen. Den einzelnen Gruppen werden unterschiedliche Werte und Rechte zugesprochen. Die Menschen in einer Gruppe werden auf ihre Gruppenzugehörigkeit reduziert und nicht auf ihr Potential oder ihre einzigartigen Merkmale(Brokamp, 2016). Das wird vor allem im Arbeitsleben deutlich. Eine Person mit einem guten Abitur wird meist lieber eingestellt und hat mehr Berufschancen als eine Person mit einem Hauptschulabschluss, obwohl der Abschluss meist nichts über die Qualitäten eines Menschen auszusagen hat. Die Person mit dem Hauptschulabschluss wird auf diesen reduziert. Sie bekommt oftmals nicht die Möglichkeit zu zeigen, welches Potential in ihr steckt, welche Einzigartigkeiten sie besitzt.
Keine Gruppenzugehörigkeit bedeutet auch eine Flexibilität und Durchlässigkeit. Diese trägt zu der Möglichkeit der vollen Potentialentfaltung jedes Menschen bei, da er nicht auf seine Gruppe reduziert wird und keine Festlegung auf Merkmale erfolgt. Die Verschiedenheit im Gemeinsamen ist eine Chance (Brokamp, 2016).
Inklusion bedeutet auch Demokratieentwicklung. Jeder, der die Möglichkeit besitzt die volle Teilhabe der Gesellschaft zu genießen, sich aktiv beteiligen zu können und mitzugestalten, wird in seinem Selbstwertgefühl gestärkt. Das wirkt sich auf das Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und die Bereitschaft aus, sich auch zukünftig zu beteiligen und weiterhin aktiv mitzuwirken, Ideen einzubringen oder Kritik zu äußern (Brokamp, 2016).
Die Inklusion in allen Bereichen ist ein Abbau von Vorurteilen. Kinder, die schon im Kindergarten mit Kindern mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung zusammen in einer Gruppe sind, lernen die Beeinträchtigung oder Behinderung als selbstverständlich anzusehen. In den ersten Jahren entwickeln Kinder noch keine Vorurteile. Wenn sie von vornerein lernen, dass jeder Mensch einzigartig ist und sich in vielen Bereichen unterscheidet, stellen sie später weniger Fragen im Hinblick auf Beeinträchtigungen oder Behinderungen, da sie diese schon im frühen Kindesalter kennenlernen. Stattdessen akzeptieren sie diese und sehen sie als eine Selbstverständlichkeit an, statt sie permanent zu thematisieren (S., 2021).
In der Schule profitieren Kinder in ihren Leistungen voneinander. Leistungen von Kindern ohne Förderbedarf in einer inklusiven Grundschulklasse sind vergleichbar mit Leistungen anderer Kinder ohne Förderbedarf in einer Regelklasse. Die Leistungen der Kinder mit Förderbedarf hingegen sind in einzelnen Lernbereichen besser. In der Sekundarstufe gibt es erhebliche Unterschiede. Hier sind die Leistungen von Kindern mit und ohne Förderbedarf in inklusiven Schulklassen im Vergleich zu Regelklassen deutlich besser (Heimlich, 2019). Inklusion führt zu einer Leistungssteigerung und ist dadurch eindeutig eine Chance für die Gesellschaft.
Somit lässt sich sagen, dass Inklusion in vielen Bereichen eine Chance für die Gesellschaft ist, die akzeptiert und realisiert werden sollte.
5. Herausforderungen der Inklusion
5.1. Im Elementarbereich
Bei immer mehr Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen kommt der Wunsch nach inklusiven Einrichtungen auf. Allerdings gibt es noch einige Herausforderungen der inklusiven Kindertageseinrichtungen, die für eine gelingende Inklusion vorher umgesetzt werden müssen.
Zum einen stehen den Mitarbeiter*innen nicht genügend Ressourcen vom Träger zur Verfügung. Es mangelt an personeller und materieller Ausstattung. Eine gut gelingende Inklusion erfordert eine erhöhte Kommunikation aller Beteiligten. Diese ist organisatorisch schwer zu gestalten, da diese sehr zeitaufwendig ist und eine intensive Planung erfordert, damit auch alle Beteiligten teilnehmen können (vgl. Heimlich, 2019).
Zu den Beteiligten zählt natürlich das Team der Einrichtung, bestehend aus den pädagogischen Fachkräften und der Leitung. Des Weiteren der Träger der Einrichtung und nicht zu vergessen die externen Kooperationspartner*innen, die dringend erforderlich sind. Dazu zählen die Frühförderungen, Heilpädagog*innen, soziale Dienste, Logopäd*innen, Sonderpädagog*innen, Therapeut*innen und Physiotherapeut*innen. Um das zu ermöglichen eignet sich ein regionales Netzwerk an externen Kooperationspartnern am besten. Über dies bekommt die Kindertageseinrichtung die Möglichkeit sich mit anderen Bildungseinrichtungen im Elementarbereich auszutauschen und zu beraten. Die Familie des Kindes darf nicht vergessen werden, denn auch mit dieser ist eine erhöhte Kommunikation und der regelmäßige Austausch unerlässlich (vgl. Heimlich, 2019).
Zudem gibt es in inklusiven Einrichtungen einen erhöhten diagnostischen Aufwand, der von frühpädagogischen Fachkräften allein nicht bewältigt werden kann und daher eine intensive Kooperation mit Fachdiensten erfordert (vgl. Heimlich, 2019).
Eine weitere Herausforderung ist die räumliche Ausstattung der Bildungseinrichtung. Es wird eine Vielfalt an inklusiven Settings benötigt, beispielsweise eine speziell ausgestatteten Therapieraum für spezielle Therapien der Kinder, beispielsweise mit einer Vibrationsmaschine, Infrarotlicht oder einem Wasserbett.
Ein bewegungsintensiver Mehrzweckraum ist für die optimale motorische Entwicklung unerlässlich. Aber auch ein Kleingruppenraum darf nicht fehlen, in den sich die Kinder bei Bedarf zurückziehen können. In diesem können die sonderpädagogischen Fachkräfte mit den Kindern mit besonderen und ohne besondere Bedürfnisse Spiele spielen oder andere Materialien nutzen, um weitere Möglichkeiten zur spezifischen Förderung in einem Entwicklungsbereich zu schaffen. Die Angebote zur Förderung sollten optimalerweise so gestaltet werden, dass die Kinder mit Förderbedarf nicht von der Gruppe separiert werden, sondern auch Kinder ohne Förderbedarf die Möglichkeit haben, an den Angeboten teilzunehmen (vgl. Heimlich, 2019).
Eine weitere Herausforderung ist der hohe Verwaltungsaufwand durch die Mischfinanzierung zwischen Sozialhilfemitteln (§ 47 Abs. 2 & § 84 Abs. 1 & 2, SGB IX) und Kinder- und Jugendhilfemitteln (§ 78b, Abs. 1 & 3, SGB VIII).
Eine gelingende Inklusion im Elementarbereich ist erst möglich, wenn diese Herausforderungen erfolgreich bewältigt werden.
5.2. Im Primarbereich
Ein gelingender inklusiver Unterricht im Primarbereich erfordert insbesondere die Veränderungen der Strategien und Methoden des Lehrens und Lernens Diese kann durch differenzierten Unterricht und differenzierte Aufgaben in Form des offenen Lernens geschaffen werden (Fischer, 2015).
Dazu gehört auch die Abschaffung bzw. Minimierung des Frontalunterrichts. Stattdessen erweisen sich heterogene Lerngruppen in freiem Lernen und die aktive Einbeziehung aller Schüler*innen als sinnvoll und erstrebenswert. Durch das freie Lernen in heterogenen Lerngruppen ergibt sich die Möglichkeit jedes Kind individuell auf seinem Leistungsniveau und Entwicklungsniveau ideal zu fördern. Um dies optimal gewährleisten zu können, ist auch im Primarbereich eine regelmäßige Kommunikation und der intensive Austausch unter den Lehrkräften und externen Kooperationspartnern erforderlich. Auch in diesem Bereich sind externe Kooperationspartner unerlässlich (Heimlich, 2019).
47,7% der Kinder mit Förderbedarf erfahren im schulischen Alltag soziale Ausgrenzung. Diesem kann durch heterogenen Lerngruppen entgegengewirkt werden, da die Schüler*innen hier aufeinander angewiesen sind und sich besser kennenlernen. Die Kinder bekommen durch die Lerngruppen die Möglichkeit soziale Kontakte zu knüpfen und diese auch außerhalb der Schule zu pflegen. Das ermöglicht der kleine Einzugsbereich der Grundschulen (Heimlich, 2019). Die heterogenen Lerngruppen ermöglichen auch die Förderung der Kinder auf ihrem individuellen Leistungsniveau.
Hierzu ist insbesondere die Flexibilität der Fachkräfte gefragt, um ein erfolgreiches Lernen zu ermöglichen (S., 2015). Die Kinder sollen sich mit dem gleichen Thema befassen, aber auf einem unterschiedlichen Leistungsniveau. Das ist nur dann möglich, wenn jedes Kind einen individuellen Lernplan hat und die Fachkräfte diesen kreativ gestaltet und über die symbolische Ebene hinausdenken (Heimlich, 2019). So können die Kinder beispielsweise beim „Plusrechnen“ auf verschiedenen Leistungsniveaus gemeinsam lernen. Die Kinder ohne Förderbedarf bekommen hierfür Arbeitsblätter mit Zahlen und Symbolen. Kinder mit Förderbedarf können Figuren bekommen, die sie mit den Fingern zählen können und als Ergebnis die gelöste Menge hinmalen. Eine weitere Abstufung wäre die Aufgabe mitsamt Lösung hinzuschreiben und die Kinder die Figuren ausmalen zu lassen. So ist ein Lernen in heterogenen Lerngruppen auf unterschiedlichen Leistungsniveaus möglich und jedes Kind wird individuell gefördert.
Eine weitere Herausforderung ist die räumliche Gestaltung. Im Idealfall sollte der Klassenraum in Zonen eingeteilt werden, z.B. in eine Experimentierecke, eine Leseecke, eine Spielecke und den regulären Unterrichtsbereich mit Tischen und Stühlen. Das Material sollte jederzeit für alle Kinder zugänglich sein. Die Kinder sollen auch die Möglichkeit zum Rückzug bekommen, daher ist ein separater Raum ebenfalls notwendig. In diesem befindet sich eine sonderpädagogische Fachkraft, um sich dem Kind anzunähern und herauszufinden, warum es sich zurückziehen wollte. Gegebenfalls muss bei einer Überforderung der Lernplan des Kindes überarbeitet und wieder angepasst werden (Heimlich, 2019).
Ein wichtiger Punkt für einen gelingenden inklusiven Unterricht ist die grundlegende Veränderung und Weiterentwicklung der Ausbildung der Lehrkräfte. Eine Anpassung an die Ausbildung und das Studium muss stattfinden, in dem der sonderpädagogische Bereich mindestens in einem Semester intensiver behandelt wird (S., 2021). Zudem brauchen die Grundschulen mehr Personal, um für jeden Schüler eine optimale Förderung gewährleisten zu können. Es braucht mehr Fachkräfte im Klassenzimmer. Mit einer alleinigen Lehrkraft kann inklusiver Unterricht nicht gelingen (Fischer, 2015). Idealerweise sollten die Fachkräfte in der Klasse konstant bleiben, damit die Schüler*innen sich an diese Fachkräfte gewöhnen können und den Fachkräften ein intensiverer Kontakt zu den einzelnen Kindern möglich ist. Dieser ist insbesondere für die Entwicklung eines individuellen Lernplans für jeden*jede Schüler*in wichtig (Heimlich, 2019).
Rituale im Alltag sind auch ein weiterer wichtiger Punkt. Mit Ritualen können Kinder besser lernen, schneller lernen und sich besser zurechtfinden. Das ist besonders für die Kinder mit Förderbedarf wichtig (Fischer, 2015).
Auch eine konstante Beobachtung und Reflexion des Unterrichts mit allen Beteiligten ist unerlässlich. Beobachtungsverfahren können die Qualität des Unterrichts und die individuelle Förderung für Schüler*innen erheblich verbessern. Diese gelingt ebenfalls besser, wenn dieselben Fachkräfte konstant in einer Klasse sind, die Kinder schon kennen und einen intensiveren Kontakt zu ihnen haben (Fischer, 2015).
6. Warum ist das Thema für die Kindheitspädagogik relevant?
Unsere Gesellschaft befindet sich im Wandel von einer integrativen zu einer inklusive Gesellschaft. Daher werden, hoffentlich zukunftsnah, alle Einrichtungen in inklusive Einrichtungen umgewandelt. Jedes Kind soll teilhaben können, egal welche Beeinträchtigung oder Behinderung es hat.
Das Thema Inklusion und Sonderpädagogik sollte ein fester Bestandteil der Ausbildung oder des Studiums von Kindheitspädagogen sein (Heimlich, 2019). Es ist ein sehr wichtiges Thema, über das viel zu wenige richtig informiert sind. Das zeigt sich besonders im Alltag. Menschen mit einer sichtbaren Behinderung werden angestarrt, ihnen wird aus dem Weg gegangen, auf sie wird gezeigt oder sogar hinter ihrem Rücken geflüstert. Kindern wird beigebracht nicht zu starren, nicht auf die Personen zu zeigen und keine Fragen zu stellen. Es könnte dem Behinderten unangenehm sein oder ihn gar verletzen. Kinder sollten aber Fragen stellen dürfen und eine Antwort erhalten, denn nur so ist Aufklärung über das Thema möglich. Sie sollten keine Angst haben, das Thema Behinderung offen anzusprechen, denn mit diesem Verhalten der Eltern entstehen Berührungsängste und Vorurteile.
Zudem ist es auch für die Menschen mit einer offensichtlichen Behinderung unangenehm, die ganze Zeit angestarrt zu werden oder dass ihnen aus dem Weg gegangen wird. Das führt zu sozialer Ausgrenzung und die beginnt schon im Kindesalter mit der Separierung zum Grundschuleintritt oder sogar mit dem Kindergarteneintritt in eine gesonderte Einrichtung mit mehr Sonderpädagogischen Fachkräften. Kinder mit einer Beeinträchtigung, Behinderung oder einem Förderbedarf werden auf Förder- und Sonderschulen angemeldet. Sie werden ihr Leben lang dieser Gruppe zugeordnet und auf diese Gruppe reduziert, obwohl sie meist so viel Potential haben, das sie in der Gesellschaft und im Arbeitsleben oftmals nicht entfalten können (Brokamp, 2016).
In einer Regelschule gibt es die benötigten räumlichen und personellen Ressourcen derzeit noch nicht. Genauso wenig wie die Umänderung der Methoden und Strategien im Unterricht. Es mangelt an Ressourcen (Heimlich, 2019). Aber auch an Flexibilität, Methoden und Strategien der Lehrkräfte (S., 2021). Dieser Mangel ist ein Stück weit dem System zuzuschreiben. Ohne eine grundlegende Veränderung und Weiterentwicklung der Ausbildungen und Studiengängen ist diese Flexibilität und Kreativität nicht zu erreichen (Heimlich, 2019).
Genau aus diesem Grund ist dieses Thema für die Kindheitspädagogik so relevant. Im Kindesalter startet die Bildung von Vorurteilen. Wenn die Kinder aber von vornerein damit aufwachsen, dass es Unterschiede gibt, dass es Behinderungen gibt, wird das als etwas Selbstverständliches angesehen und genau das ist ein großes Ziel der Inklusion (S., 2021).
Die Kinder, die in inklusive Kindergärten gehen, haben später wenig oder kaum Berührungsängste. Wenn jede Einrichtung im Elementarbereich zu einer inklusiven Einrichtung wird, wird es später kaum noch Menschen geben, die Berührungsängste haben. Dann sind Behinderungen und Beeinträchtigungen etwas Normales, etwas Selbstverständliches. Wenn die Schulen dann auch in inklusive Schulen umgewandelt werden, ist die Inklusion gelungen, sobald die Generation, die sich zu dieser Zeit im Kindergarten oder in der Grundschule befindet, erwachsen ist. Diese Generation wird die Erste sein, die Behinderungen oder Beeinträchtigungen vollkommen akzeptieren und als etwas Selbstverständliches ansieht. Weitere Generationen werden folgen, bis sich eine heterogene Gesellschaft entwickelt hat, in der jeder von dem anderen profitieren kann (S., 2021).
Natürlich darf man nicht vergessen, dass es auch große Herausforderungen geben wird. Nicht nur die personelle oder räumliche Ausstattung ist hierbei gemeint, sondern auch die Kinder mit Förderbedarf. Es wird Kinder geben, die beispielsweise Aggressivitätsprobleme haben, die soziale Probleme haben oder sich dem Lernen sogar komplett verweigern. Aber diese Kinder kann man nicht aussondern oder von der Gesellschaft ausschließen. Auch diesen Kindern muss man die Chance auf die volle Ausschöpfung ihres Potentials bieten können.
Kindheitspädagogen sollten daher in ihrer Ausbildung Methoden und Strategien lernen, um mit solchen Kinder und Situationen umzugehen. Die Flexibilität und Kreativität ist wichtig, um gerade im Primarbereich individuelle Lernpläne für die Kinder zu erstellen und den Kindern die Arbeit in heterogenen Gruppen nahezubringen (S., 2021).
Eine heterogene Gesellschaft kann nicht entstehen, wenn Kindheitspädagogen das nötige Fachwissen und die nötigen Methoden und Strategien, die nötige Flexibilität und Kreativität nie erlernen. Sie kann nicht entstehen, wenn Kindheitspädagogen bis zu ihrem Eintritt in die Arbeitswelt keine Berührungspunkte mit Kindern mit Behinderungen haben. Sie kann nicht entstehen, wenn Kindheitspädagogen keine Kooperationspartner kennenlernen, die unerlässlich sind. Sie kann aber auch nicht entstehen, wenn keine Lösung für den Mangel an Ressourcen gefunden wird, insbesondere den personellen Mangel. Drei Fachkräfte in einer Kindergartengruppe mit zwanzig Kindern sind schon nicht genug, um jedes der zwanzig Kinder individuell zu fördern und ihr volles Potential auszuschöpfen. Daher kann die Inklusion derzeit nicht gelingen. Erst wenn mindestens der Personalmangel, optimalerweise auch die räumlichen und finanziellen Ressourcen gegeben sind.
7. Anhang
Literaturverzeichnis
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.). (2016). Sieben Merkmale guter inklusiver Schulen. Bielefeld: Hans Kock Buch- und Offensdruck GmbH.
Brokamp, B. (2016). Inklusion als Aufgabe und Chance für Alle. Verfügbar unter: URL: https://www.kubi-online.de/artikel/inklusion-aufgabe-chance-alle [Stand: 12.03.2021]
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. (1990). Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII) – Kinder – und- Jugenhilfe. Verfügbar unter: URL: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/ [Stand: 12.01.2021]
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. (2016). Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Verfügbar unter: URL: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/ [Stand: 14.01.2021]
Heimlich, U. (2019). Inklusive Pädagogik – eine Einführung (1 Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer GmbH.
Kullmann, H., Lütje-Klose, B. & Textor, A. (2014). Eine allgemeine Didaktik für inklusive Lerngruppen – fünf Leitprinzipien als Grundlage eines Bielefelder Ansatzes der Inklusiven Didaktik. In B. Amrhein & M. Dziak-Mahler (Hrsg.), Fachdidaktik inklusiv – Auf der Suche nach didaktischen Leitlinien für den Umgang mit Vielfalt in der Schule (S. 89-107). Münster: Waxmann.
Krauthausen, R. (2015). Ist Inklusion eine Utopie? Verfügbar unter: URL: https://youtu.be/naU6OcijQpM [Stand: 03.03.2021]
Middendorf, W. (2015). (Keine) Angst vor der Inklusion? Herausforderungen und Chancen gemeinsamen Lernens in der Schule – eine Einführung. In C. Fischer (Hrsg.), (Keine) Angst vor Inklusion. Herausforderungen und Chancen gemeinsamen Lernens in der Schule (S. 9-19). Münster: Waxmann.
S., R. (2021). Inklusive Pädagogik: Inklusionspädagogik in Kindergarten und Schule. Verfügbar unter: URL: https://www.kita.de/wissen/inklusive-paedagogik/#2_Bestmoegliche_Foerderung_fuer_jedes_Kind_diese_Ziele_verfolgt_inklusive_Paedagogik [Stand: 06.03.2021]
Textor, A. (2018). Einführung in die Inklusionspädagogik (2. Aufl.). Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
Quarks. (2014). Inklusion: Gemeinschaft als Menschenrecht. Verfügbar unter: URL: https://youtu.be/Y52d-qelMw4 [Stand: 20.02.2021]
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Hauptthema dieses Textes?
Der Text befasst sich mit Inklusion, insbesondere im Kontext der Kindheitspädagogik, und untersucht Definitionen, Ziele, Chancen, Herausforderungen und die Relevanz des Themas für die pädagogische Praxis.
Wie werden Inklusion und Integration in diesem Text definiert?
Inklusion wird als die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen, einschließlich derer mit Behinderungen, unter Gewährung notwendiger Hilfen verstanden. Integration hingegen bedeutet, eine Person in ein bestehendes System zu integrieren, ohne das System selbst zu verändern.
Wie wird der Begriff "Behinderung" in dieser Arbeit definiert?
Der Text basiert auf der Definition des SGB IX, wonach eine Behinderung vorliegt, wenn eine körperliche, geistige, seelische oder Sinnesbeeinträchtigung vorliegt, die länger als sechs Monate andauert und die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft behindern kann.
Welche Ziele verfolgt die Inklusion laut Text?
Die wichtigsten Ziele sind die Akzeptanz, Toleranz und Wertschätzung von Menschen mit Beeinträchtigungen, die Förderung eines selbstständigen Lebens, der Abbau von Vorurteilen und die Weiterentwicklung der Partizipation.
Welche Chancen bietet Inklusion für die Gesellschaft?
Inklusion fördert Vielfalt, die zu einer Weiterentwicklung in politischer, sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht führt. Sie trägt zum Abbau von Vorurteilen und zur Demokratieentwicklung bei.
Welche Herausforderungen werden im Elementarbereich genannt?
Herausforderungen im Elementarbereich sind unzureichende Ressourcen (personelle und materielle Ausstattung), erhöhter Kommunikations- und diagnostischer Aufwand, die räumliche Ausstattung der Einrichtung sowie der hohe Verwaltungsaufwand.
Welche Herausforderungen werden im Primarbereich genannt?
Im Primarbereich werden die Veränderung der Lehr- und Lernstrategien, die Minimierung des Frontalunterrichts, die Schaffung heterogener Lerngruppen, die Flexibilität der Fachkräfte, die räumliche Gestaltung und die Veränderung der Ausbildung der Lehrkräfte als Herausforderungen genannt.
Warum ist das Thema Inklusion für die Kindheitspädagogik relevant?
Da sich die Gesellschaft von einer integrativen zu einer inklusiven Gesellschaft wandelt, ist es wichtig, dass Kindheitspädagogen*innen ausreichend über das Thema informiert sind, um Vorurteile abzubauen und eine heterogene Gesellschaft zu fördern. Außerdem soll das Wissen über Inklusion ein fester Bestandteil der Ausbildung sein.
Welche Bedeutung hat das Spiel im Elementarbereich im Hinblick auf Inklusion?
Das gemeinsame Spielen von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung ist im Elementarbereich sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel der Inklusion. Ohne das gemeinsame Spiel kann es nicht zu einer vollständigen Inklusion kommen.
Was wird als notwendig erachtet, damit die Inklusion langfristig gelingen kann?
Neben einer grundlegenden Veränderung der Denkweise in der Gesellschaft sind ausreichend personelle, räumliche und finanzielle Ressourcen notwendig, ebenso wie die Flexibilität, Methoden und Strategien der Lehrkräfte. Auch muss das Thema Inklusion ein fester Bestandteil in der Ausbildung sein.
- Quote paper
- Finele Arendts (Author), 2021, Inklusion. Chancen und Herausforderungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1041182