Leon Gast - When we were kings


Seminararbeit, 1999

19 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Die zeitgeschichtliche Faktenlage und ihre Bearbeitung

2. Narrative Strategien
2.1. Chronologie / Dramaturgie
2.2. Bild- und Tonmaterial
2.2.1. Verwendung von Bildmaterial
2.2.2. Verwendung von Musik

3. Kritikerresonanz

4. Verwendete Literatur

1. Die zeitgeschichtliche Faktenlage und ihre Bearbeitung

Am 25. September 1974 sollte in Zaire ein Weltmeisterschaftsboxkampf stattfinden, der in vielerlei Hinsicht völlige neue Aspekte für den Boxsport und die Politik mit sich brachte. Titelverteidiger George Foreman traf auf den ehemaligen Champion Muhammed Ali, dessen Titel 1967 aberkannt worden war. Der Kampf wurde von Boxpromoter Don King organisiert und sprengte alle bisher gekannten finanziellen Dimensionen des Boxsports. Die beiden Kontrahenten bekamen jeweils 5 Millionen Dollar für diesen Kampf. Zaires Diktator Mobutu Sese Seko bezahlte die Kampfbörse und erhoffte sich durch die Veranstaltung einen Prestigegewinn seines Landes. Durch die Tatsache, daß nun zwei schwarze Amerikaner in Afrika um die Krone im Boxsport kämpfen sollten, bekam das Duell auch eine tiefere politische Bedeutung, die Muhammed Ali auf den Punkt brachte: „From slave ship to championship. We were taken from Africa as slaves and now we’re coming back as champions.“1

Muhammed Ali war der klare Außenseiter. Er war inzwischen 32 Jahre alt und trat mehr durch politische Statements als durch spektakuläre Kämpfe an die Öffentlichkeit. Der Titel des Boxweltmeisters war ihm 1967 aberkannt worden, als er den Kriegsdienst in Vietnam verweigerte. Dadurch, sowie durch seinen Übertritt zum islamischen Glauben, der sich besonders durch seine Umbenenung von Cassius Clay in Muhammed Ali bemerkbar machte, wurde er der Weltöffentlichkeit auch als Persönlichkeit bekannt. Da er jedoch von 1967 bis 1971 keine Kämpfe bestreiten durfte, mußte er bei seinem Comeback Anfang der 70er Jahre wieder von vorne anfangen. 1974 bot sich dann gegen George Foreman schließlich die Chance den Weltmeistertitel zurück zu erobern. Das ihm dies die Experten nicht zutrauten lag jedoch nicht nur an seiner Kampfpause, sondern insbesondere an seinem Gegner. George Foreman war 1974 26 Jahre alt und galt als bester Boxer der Welt. 1973 hatte er sich den Weltmeistertitel geholt und ihn zweimal souverän verteidigt. Er galt als der Boxer, der die meiste Kraft in seinen Schlägen hatte. Somit war es eine Begegnung alt gegen jung, wobei Foreman und Ali auch völlig unterschiedliche Typen darstellten. Auf der einen Seite das „Großmaul“ Ali, der jeden an seinen Gedanken teilhaben ließ, auf der anderen Seite der in sich gekehrte Forman, der nur selten etwas sagte, dem jedoch anscheinend die Hoffnungen der Schwarzen und die Brisanz bezüglich dieses Kampfes nicht bewußt waren. Ganz anders dagegen Ali: Er politisiert von Anfang an alle in seiner Umgebung und versucht das Land Zaire mit seinen Bewohnern hinter sich zu bringen. Aus diesen unterschiedlichen Polen ergibt sich für den Film eine erste Grundspannung, die er aufnimmt und geschickt thematisiert.

Als Begleitveranstaltung neben dem Boxkampf war in Zaire ein Musikfestival geplant, bei dem viele schwarze Musikstars wie James Brown, B.B. King, The Spinners, sowie afrikanische Musiker teilnahmen. Leon Gast bekam von Don King die Erlaubnis dieses Festival zu Filmen. Er sollte 32 Stunden Musik aufnehmen und dazu einige Interviews mit den beiden Boxern. Als der Kampf aufgrund einer Verletzung Foremans um sechs Wochen verschoben wurde blieb Gast in Zaire und begleitete Ali auf seinen Reisen durch Zaire. Er nahm alles auf, was er vor die Kamera bekam und schoß insgesamt über 100.000 Meter Film. Bald war klar das der Film weniger über das Musikfestival als vielmehr über Muhammed Ali gehen sollte. Das Problem war jedoch, daß Gast sich auf Zaire enorm verschuldet hatte und es 15 Jahre dauerte bis er sämtliche Filmrollen belichten lassen konnte. 1989 begann er schließlich mit David Sonenberg zusammen den Film zu schneiden. Nach sechs Jahren und acht verschiedenen Versionen war die jetzige Fassung schließlich hergestellt. Neue Interviewsequenzen wurden von Taylor Hackford aufgenommen und eingefügt, und schließlich gewann der Film einen Oscar für den besten Dokumentarfilm.

Diese 22 Jahre, die zwischen den Dreharbeiten und dem Schnitt von „When we were kings“ liegen, machen den Film ungeheuer spannend. Bilder aus den 70er Jahren, vermischt mit neuem Material, teilweise zu videoclipähnlichen Sequenzen zusammengestellt, und das alles im heutigen Tempo geschnitten.

Durch die lange Zeitspanne, die bis zur Fertigstellung des Films vergangen ist könnte man zu dem Schluß kommen, der Film erreiche im Rückblick einen höheren Grad an Objektivität, als er das damals gekonnt hätte. Dies erscheint jedoch fraglich, wenn man den Film sieht. Allerdings stellt sich die Frage, ob Dokumentarfilme überhaupt objektiv sein können. Die neuere Fachliteratur zum Thema ist sich in diesem Punkt einig: „Es gibt keine objektiven Filme. Jeder Filmemacher hat Ansichten und Absichten.“2Und diese Absichten sollen im Film auch zum Ausdruck kommen. „Der Autor eines sogenannten Dokumentarfilms entscheidet, welche Aussagen die Bilder in seinem Film machen. Nicht die Authentizität der Bilder ist entscheidend, sondern die Montage, und die ist subjektiv und muß es sein.“3Und natürlich beeinflussen die Filmemacher auch die Befragten, denn sie wollen von ihnen ja bestimmte Dinge hören. Deshalb „müssen die Filmer die Gefilmten in gewisser Weise ‚führen‘, sie müssen sie positionieren, dirigieren und den Ablauf der Vorgänge bestimmen, die zum Filmen notwendig sind.“4

1996 kennt man auch das Schicksal der beiden Boxer, das sie nach dem Kampf in Zaire durchlebt haben. Muhammed Ali hat noch bis in die frühen 80er Jahre weitergeboxt, konnte den Titel noch einige Male verteidigen, aber nie an seine grandiosen Leistungen anknüpfen. Inzwischen leidet er an der Parkinsonschen Krankheit, entstanden vermutlich durch die vielen Schläge die er im Lauf seiner Karriere hat einstecken müssen. Von dem schnellen, beweglichen Boxer ist nur noch ein langsamer alter Mann übriggeblieben, der geistig zwar noch topfit ist, dies jedoch nicht mehr vermitteln kann. George Foreman ist nach dem Kampf 1974 erstmal in tiefe Depressionen gestürzt, hat dann einige Jahre weitergeboxt, bevor er sich zurückzog und seine neue Profession im Beruf des Predigers fand. Auch er kehrte jedoch noch einmal in den Boxring zurück und bestritt von 1989 bis 1994 weitere 29 Kämpfe, bevor er mit 45 Jahren endgültig seine Karriere beendete. Allerdings gab er als „Opa“ im Boxring eine eher unfreiwillig komische Figur ab. So stellen die beiden Protagonisten aus „When we were kings“ heute zwei tragische Figuren dar, und diese Erkenntnis fließt 1996 in den fertiggestellten Film mit ein, da die Interviewpartner diese Aspekte ebenfalls mit ansprechen und sich nicht nur auf die damaligen Ereignisse beschränken. Möglich wird diese Weiterführung des Geschehens von 1974 durch das Vermischen von altem und neuem Material. Diese Kombination wird zu einer wichtigen narrativen Strategie des Films.

2. Narrative Strategien

2.1. Chronologie / Dramaturgie

Bei den narrativen Strategien läßt sich zunächst die Reihenfolge der Szenen beobachten. Hier zeigt sich, daß „When we were kings“ im Prinzip chronologisch vorgeht. Der Film beginnt mit der Vorgeschichte der beiden Boxer, berichtet dann von den Kampfvorbereitungen, bevor er sich dem Kampf selbst zuwendet und schließlich mit einem Fazit aus heutiger Sicht endet. Zwischendurch fi ndet das Musikfestival statt, aber auch dies geschieht am richtigen Platz in der Chronologie. Der Film erzählt jedoch nicht ganz linear, zwischendurch gibt es Einschübe, vergleichbar mit Exkursen, über einzelne Protagonisten, wie Don King oder Präsident Mobutu. Deutlich ist zu erkennen, daß die Interviews mit Muhammed Ali aus einigen wenigen Interviews und Pressekonferenzen bestehen. So sind zum Beispiel Alis Ansichten, die er in seinem Hotelzimmer von sich gibt, den ganzen Film über montiert, obwohl sie augenscheinlich an einem Stück aufgenommen worden sind. Gast sortiert die Aussagen jedoch so, daß er sie in sein chronologisches Konzept einbauen kann. Er montiert derlei Gespräche also um seine zeitlich festgelegten Aufnahmen (Training, Kampf, Musikfestival) herum und unterstützt durch die inhaltlichen Aussagen die beabsichtigte Chronologie noch. Das Ziel dieser narrativen Strategie ist ein immenser Spannungsaufbau, da der Film sich kontinuierlich auf den Höhepunkt, den Kampf zu bewegt. Der show-down wird dann auch in aller Ruhe ausgekostet. Die Kampfsequenz dauert 15 Minuten und der KO-Schlag wird mehrfach wiederholt und in Zeitlupe zelebriert.

Was mit zum Spannungsaufbau beiträgt ist eine klare Dramaturgie gut gegen böse. Die Sympathien des Films sind ganz klar zu Gunsten von Ali verteilt und Foreman hat kaum Gelegenheit sich in ein besseres Licht zu rücken. Dies liegt einerseits an der Redegewandtheit Alis, der, Großmaul hin oder her, sich durch seine geschickte Selbstdarstellung, und besonders auch durch die Taten, die er im Vorfeld begangen hat, viele Freunde geschaffen hat. (Dieser Aspekt kann inzwischen natürlich auch ein wenig verklärt worden sein, durch die lange Zeit, die vergangen ist und durch das Schicksal, das Ali derzeit durchmacht.) Allerdings wird George Foreman im Film auch keine Chance gegeben sich anders darzustellen, als als bloßer Gegenpart von Ali. Es gibt nur wenig Bild- und Tonmaterial von ihm (wie er die sechs Wochen in Zaire verbracht hat bekommt der Zuschauer nicht zu sehen) und wenn man ihn sieht, sind die Bilder meist negativ behaftet. So läßt Gast bei Foremans Ankunft im Kommentar durchblicken, daß dieser einen großen Fehler gemacht hat, indem er seinen Schäferhund mit nach Zaire gebracht hat. Bemerkenswert ist auch die Szene in der Foreman sich beim Slogan „Ali buma ye“ verspricht. Hier wird er als jemand gezeigt, der nicht einmal, den simplen Slogan auswendig aufsagen kann, einen Slogan den Ali bereits völlig verinnerlicht hat. Natürlich handelt es sich hier um einen Film über Muhammed Ali, dieses gut gegen böse Szenario stellt sich jedoch sehr eindimensional dar.

2.2. Bild- und Tonmaterial

„ Das primäre Ausdrucksrepertoire des filmischen Mediums sind die Bilder und Töne, der perspektivische Blick der Kamera, die Musik (...)“.5Deshalb sollen hier die verschiedenen Materialien, die im Bild- und Tonbereich verwendet werden, einmal näher betrachtet werden. Da 1974 in Zaire zwei völlig verschiedene Kulturen aufeinanderprallten und der Film zusätzlich von der verstrichenen Zeit zwischen Aufnahmen und Schnitt geprägt ist, finden sich in ihm viele verschiedene Filmaufnahmen, sowie Musikstile.

2.2.1. Verwendung von Bildmaterial

Bereits in der einleitenden Sequenz montiert Leon Gast alle wesentlichen Bildmaterialien, die ihm zur Verfügung stehen, miteinander. Er beginnt mit einem kurzen Ausschnitt des Musikfestivals in Zaire, dann zeigt er zum ersten Mal Muhammed Ali, der das Thema des Films kurz auf den Punkt bringt: die Rückkehr der Sklavennachfahren in das Land ihrer Väter. Als nächstes sehen wir Bilder, die die afrikanische Wirklichkeit von 1974 zeigen. Kinder laufen, vielleicht inspiriert von Ali, die Straße entlang. Der Ton dazu kommt vom ersten kurzen Interview des Films mit Spike Lee. Danach wieder eine afrikanische Szene, in der schwarze Jugendliche singen, und sich rhythmisch zur Musik bewegen. Als letztes vor dem Vorspann ist noch einmal Ali zu sehen, der typisch monologisierend davon spricht George Foreman zu besiegen.

Im wesentlichen kann Gast auf zwei verschiedene Bildquellen zurückgreifen: Zum einen sind da die Sequenzen, die er 1974 selbst gedreht hat. 100.000 Meter Film über das Musikfestival, Interviews mit Muhammed Ali, Bilder der Einwohner und Landschaften Zaires, also alles was sich um den Kampf selbst und die Ereignis darum herum handelt. Dann gibt es das neue Material, Interviews die Taylor Hackford 1995 aufgenommen hat. Befragt wurden Thomas Hauser, der eine Biographie über Ali geschrieben hat, Spike Lee, der besonders als Schwarzer und als Sportfan befragt wird, sowie Malik Bowens ein zairischer Schauspieler, der die Seite der Einheimischen vertritt. Besonderes Augenmerk liegt bei den Interviews auf den beiden Schriftstellern und Zeitzeugen Norman Mailer und George Plimpton, die die damaligen Ereignisse zusammenfassen und auch boxsportliche Dinge erklären. Ihre Gewichtung im Film zeigt sich schon daran, daß beide am Ende quasi das Schlußwort des Films haben dürfen, wo beide jeweils eine letzte „Ali-Anekdote“ von sich geben. Auch die Häufigkeit der Einblendungen der Interviewpartner spricht für sich. So kommen Mailer und Plimpton jeweils 13 mal zu Wort, wesentlich öfter als Lee (4 mal), Hauser oder Bowens (jeweils 3 mal).

Die Unterschiede dieser beiden Bildmaterialen könnte größer nicht sein. Das 74er Material ist hauptsächlich mit Handkamera aufgenommen, daher häufiger auch mal unscharf, es ist grobkörniger als das neue Material und man sieht den Bildern, trotz einer hervorragenden Qualität, ihr Alter an.

Die neuen Interviews dagegen sind mit einer ruhenden Kamera von einem Stativ aufgenommen, die Bilder sind genau ausgeleuchtet, wobei der Hintergrund besonders weich wirkt. Auch im Bild selber passiert natürlich weniger als bei Gasts eigenem Material. Die Interviewpartner agieren zwar mit einigen Gesten, demonstrieren auch mal Boxbewegungen, aber die Bilder wirken gegenüber den schnellen Bildern des rastlosen Ali und der tanzenden Musiker langsam und beruhigend. Diese Aufnahmetechniken, Handkamera und Interview, gelten beide als Möglichkeiten Glaubwürdigkeit im Film zu erzeugen: „Die wandernde, schwankende, lebende, atmende Handkamera bestimmt in vielen dieser Dokumentarfilme die Tiefenstruktur und begründet die Glaubwürdigkeit, Unmittelbarkeit (...)“6und: „Die Sprache zählt jedoch zu den zentralen Gestaltungsmitteln des Films, durch die der Eindruck des Authentischen filmisch nachdrücklich behauptet wird (etwa in der Form des Interviews).“7 Zu diesen beiden, speziell für den Film produzierten, Bildquellen kann sich Leon Gast auch noch aus einem großen Fundus an Archivmaterial bedienen. Gezeigt wird zum einen altes Material von Ali, Filmaufnahmen vom Beginn seiner Karriere, also Interviews des jungen Olympiasiegers oder seine ersten WM-Kämpfe gegen Sonny Liston. Dazu kommen noch Fotos, die Ali privat und mit verschiedenen Prominenten zeigen. Außer wenigen neueren Boxkämpfen ist dieses Material schwarzweiß und stellt somit einen ziemlichen Kontrast zum sonstigen Farbmaterial dar. Weiteres Archivmaterial benützt der Regisseur um die Geschichte Zaires kurz anzureißen und er wirft auch einen kleinen Blick auf die Geschichte der amerikanischen Schwarzenbewegung. Auch diese Bilder sind ausschließlich in schwarzweiß gedreht. Eingesetzt werden sie gleich zu Beginn im Vorspann, in dem eine vierfache Parallelmontage gezeigt wird, mit Ausschnitten des Musikfestivals, den Titel- und Nameneinblendungen, Bildern der bisherigen Karriere Muhammed Alis, sowie zunächst Bilder der Revolution in Zaire, die zur Machtergreifung Mobutus geführt haben. Diese Bilder werden gegen Ende des Vorspanns durch Bilder der Schwarzenbewegung in den USA ersetzt.

Das Archivmaterial der Freiheitsbewegungen in Zaire und USA wird nach dem Vorspann nicht mehr eingesetzt. Weiteres Material von Alis Anfängen wird direkt nach dem Vorspann, kombiniert mit Foreman-Bildern, im Anfangsteil des Films präsentiert. Dazu kommt noch eine Zusammenstellung von Alis Lebensstationen am Ende des Films, hier werden neben bewegten Bildern auch Fotos benutzt. Den Hauptanteil des Films dominiert jedoch die Zusammenstellung der 74er Bilder mit den neuen Interviewaufnahmen.

2.2.2. Verwendung von Musik

Die Tonspur von „We were kings“ wird durch Musikeinsatz bestimmt. Natürlich gibt es auch viele Passagen mit gesprochenem Originalton, nach dem Vorspann dauert es sogar 15 Minuten bis wieder Musik zu hören ist, der Einsatz der Musik ist jedoch auffällig und immer präsent. Es gibt fünf verschiedene Quellen, von denen Musik zu hören ist: Einmal ist da die Musik des Musikfestivals, das ursprünglich auch das Hauptthema des Films sein sollte, dazu kommt Musik, die speziell für den Film kombiniert und eingespielt wurde. Dann gibt es afrikanische Musik, die Leon Gast auf der Straße aufgenommen hat. Hier kann man unterscheiden in traditionelle Sprechgesänge und Beschwörungsmusiken auf der einen Seite, und den von Ali immer wieder provozierten Sprechgesängen der zairischen Bevölkerung („Ali, buma ye“). Schließlich kann man auch Muhammed Alis Reden selbst als musikalische Komponente verstehen, das er oftmals in einen, an Sprechgesang erinnernden, Singsang gerät.

Die Musik des Festivals läßt sich nochmals in zwei Unterkategorien einteilen. Die Veranstaltung sollte schwarze Musiker beider Kontinente vereinen, eine Hälfte der Musiker war aus Afrika, die andere Hälfte aus den USA. Im Film ist auch Musik von beiden Gruppierungen zu hören, auch wenn das Mischverhältnis nicht beibehalten wurde. Die afrikanische Musik des Festivals wird dreimal im Film eingesetzt. Das erste Mal, nach George Foremans Ankunft in Zaire, als man ihn zunächst den Flughafen verlassen sieht, und dann Ausschnitte von herumtobenden afrikanischen Kindern und arbeitenden Frauen, ein erster Einblick von Zaire also. Die Musik desL ’ Orchestre Afrisa Internationalsetzt direkt nach der ersten Pressekonferenz Foremans, wohl noch auf dem Flughafen, ein. Damit unterlegt Leon Gast Foremans Ankunft, im Gegensatz zu den Bildern des Anreisenden Alis und der Musiker, komplett mit afrikanischer Musik. Den Anfang dazu machte der Originalton am Rollfeld, wo eine einheimische Kapelle den Boxer empfangen hat. Das zweite afrikanische Stück des Festivals wird zu Bildern von Muhammed Ali unterlegt. Man sieht Ali joggen und schließlich gibt es eine Wiederholung einer Einstellung, die vorher bereits einmal im Film zu sehen war. Ali boxt mit der Kamera und versucht ihr zu beweisen, daß er schneller als sie ist. Dabei läßt Gast den ausweichenden Ali als verwischtes Standbild stehen und nun beginnt ein Videoclip zu dem Song„ When we were kings “. Das Stück„ African chant “vonOK Jazzunterlegt damit die letzten Bilder, die von Ali im „regulären“ Film zu sehen sind. (Danach ist er nur noch in schwarzweiß in jenem Zusammenschnitt seiner Lebensstationen zu sehen.) Zudem handelt es sich bei diesem Stück um das letzte, das von den Festivalsongs zu hören ist.„ African chant “hat auch die Aufgabe, den vitalen Ali akustisch zu unterstützen, da die Zeitzeugen Mailer und Plimton zu diesen Bildern den jetzigen Zustand Alis ansprechen. Als Kontrast dazu wird Ali noch einmal in voller Aktion gezeigt. Ein weiterer Titel eines afrikanischen Chores, der wahrscheinlich auch bei dem Musikfestival aufgenommen wurde, ist im Abspann nicht aufgeführt. Soweit der Text zu verstehen ist handelt es sich um ein Lied über den Präsidenten Zaires (auch ein Foto Mobutus im Bildhintergrund läßt darauf schließen). Zu den Bildern des Chores auf der Bühne, montiert Gast Mobutu und sein Gefolge beim Betreten des (leeren) Stadions. Dazu ist Norman Mailer zu hören, der die Geschichte erzählt, daß Mobutu die Kriminellen seines Landes in den Katakomben des Stadions eingesperrt hat und 100 von ihnen exekutieren hat lassen. So kontrastiert er also das Loblied auf den Präsidenten mit der Grausamkeit des Diktators.

Die Musik der amerikanischen Festivalteilnehmer dominiert den Film. Sieben verschiedene Titel sind über den Film verstreut zu hören. Zum Vorspann läuft das Instrumentalstück„ Young Rabbits “von denCrusaders.

Während der bereits erwähnten Parallelmontage ist die Band bei ihrem Auftritt in Zaire zwischendurch immer wieder zu sehen. Zunächst ist auf der Tonspur nur die Musik zu hören, später kommt dann der Ton des Archivmaterials Muhammed Alis und der Schwarzenbewegungen in Afrika und den USA dazu. Während diese O-Töne auftauchen und wieder verschwinden ist die Musik durchgehend präsent. Der treibende Beat des Stückes zieht den Zuschauer sofort sogartig in den Film hinein. Mit diesem schwungvollen Beginn kann auch der kurze Abriß der Geschichte leicht verdaulich an den Zuseher gebracht werden. Nach dem Vorspann werden zunächst Vorbereitungen des Kampfes gezeigt. Hier wird keine Musik zugefügt. Erst nach 15 Minuten, als die Anreise der Kämpfer gezeigt wird, ist wieder Musik zu hören. Muhammed Ali spricht im Cockpit des Flugzeugs davon, wie frei er ist, kaum hat er ausgesprochen wirdJames Brown auf der Bühne gezeigt, wie er„ Say it loud, I ’ m black and I ’ m proud “ singt. Nach wenigen Sekunden wird wieder auf den anreisenden Ali geschnitten und die Musik von James Brown läuft im Hintergrund weiter. Das nächste Mal wird Festivalmusik bei der Anreise der Musiker selbst verwendet. Hier hat man sich für einen programmatischen Titel der Spinners entschieden:„ I ’ m Coming Home “. Zu sehen ist eine Parallelmontage, montiert aus der Reise des Musikertrosses und Bildern aus Zaire. Man sieht also sowohl diejenigen, die heimkommen, wie auch das Ziel ihrer Reise, nämlich die ursprüngliche Heimat Afrika. Die Bilder sind wie ein Videoclip zusammengestellt, der jedoch durch ein Gespräch des Producers, das eine zweite Tonspur belegt, gebrochen wird. Die drei weiteren amerikanischen Beiträge des Musikfestivals werden hauptsächlich als eben jene gezeigt: als Auftritte bei dem Festival. Die ersten beiden Songs (B. B. King: „ Sweet sixteen “undJames Brown: „ In a cold sweat “) werden jeweils von Diskussionen über die Bedeutung von Trommeln bzw. über die Stellung der schwarzen Musiker in Amerika unterbrochen, wobei die Musik auf der Tonspur weiter läuft, im Bild jedoch die Diskussionspartner zu sehen (und natürlich auch zu hören) sind. Bei der Diskussion über das Trommeln gesellen sich zu der Musik von B.B. King verschiedene (wahrscheinlich afrikanische) Trommelrhythmen, die nachdem das Thema beendet ist jedoch wieder verschwinden und als B. B. King erneut auf der Bühne gezeigt wird, ist nur noch seine Musik zu hören. Der letzte amerikanische Festivalsong schließlich wird durch keine Diskussionen oder Gespräche gestört, zu hören ist nur die Musik von James Browns „ Gonna have a funky good time. Auch hier arbeitet Gast mit einer Parallelmontage, die aus Festivalszenen, Afrika-Impressionen, Alis Afrika-Reise und dem Aufbau der Festivalbühne bestehen, auch hier hat er die Szenen wie in einem Videoclip aneinandergereiht: Viel Bewegung entsteht durch den Vergleich von tanzenden Musikern auf der Bühne und tanzenden einheimischen auf den Straßen. Immer wieder zeigt Gast Szenen, die eine Gleichheit von Amerikanern und Afrikanern demonstrieren. Zu dem schneidet er hier auch Szenen dazu, die wie Impressionen wirken, die er bei seinem Aufenthalt in Zaire gewonnen hat. So werden Teller mit Würmern bildfüllend gezeigt, und auch einige weitere Szenen, die mit dem Geschehen auf der Bühne und mit Ali nicht das geringste zu tun haben. Die größte Nähe zum Videoclip erreicht der Film hier mit einer Einstellung einer Begrüßung von Präsident Mobutu und Ali: Beide gehen aufeinander zu und geben sich die Hand. Der „shakehands“ ist jedoch durch einen Zwischenschnitt unterbrochen. Für genau drei Sekunden sieht man einen Teller voll mit lebenden Würmern, bevor die Bewegung des Handreichens zu Ende geführt wird. Dabei montiert Gast die Szenen jedoch wirklich wie einen Videoclip: das Handreichen wird nicht an der selben Stelle wieder aufgenommen, an dem es verlassen wurde. Gast läßt einige frames aus, jedoch längst keine drei Sekunden, die dem Zwischenschnitt entsprächen. Die Szene wird zur Musik geschnitten und durch jenen kleinen Sprung findet die Zeremonie des Händereichens genau im Takt der Musik statt. Die häufige Verwendung einer Videoclip-Technik ist eine klare Erzählstrategie. Denn während lange Einstellungen das Wahrnehmungsvermögen des Publikums erhöhen, wird dem Zuschauer bei schnellen Schnittfrequenzen Konzentration und ein geschultes Auge abverlangt.8

Die größte Bedeutung kommt jedoch einem weiteren Musiktitels des Festivals zu, der nie länger als einige Sekunden angespielt wird, dafür jedoch immer wieder im Verlauf des Films auftaucht. Es handelt sich um „ Am Am Pondo “vonMiriam Makeba. Das erste was man in „When we were kings“ hört ist ein Ausschnitt aus diesem Stück. Zunächst sieht man nur ein Schwarzbild, dann ist die Künstlerin auf der Bühne zu sehen, in einer Großaufnahme ihres Kopfes, der aufgrund ihrer weit aufgerissenen Augen und ihres ekstatischen Blickes diabolisch und furchteinflößend wirkt. Diese Einstellung und die dazugehörende Musik wird sich leitmotivisch durch den ganzen Film hindurch ziehen und die entscheidenden Szenen kommentieren. An drei weiteren Stellen taucht der diabolische Blick wieder auf und erzählt die Geschichte wie es dazu kam, daß Ali Foreman besiegen konnte. Nach dem einleitenden Beginn, ist Miriam Makeba erst wieder beim Trainingsunfall von Foreman zu sehen. Norman Mailer erzählt gerade, daß Foreman in einer sehr guten Form war und als nahezu unschlagbar galt, als plötzlich die Musik vom Beginn des Films, und mit ihr der diabolische Blick, auftaucht und man schließlich Foremans Trainingsunfall sieht. Die Musik läuft auf der Tonspur weiter und bei der Pressekonferenz, auf der erklärt wird, daß der Kampf verschoben werden muß, ist erneut die Einstellung von Miriam Makeba zu sehen. Als kurz vor Kampfbeginn George Plimpton von afrikanischen Hexen und Medizinmänner erzählt, die Ali konsultiert haben soll, kommt erneut der Ausschnitt ins Spiel. Wieder die Einstellung von Miriam Makeba, die diesmal selbst wie ein „Sukkubus“ wirkt. Ab diesem Punkt symbolisiert sie also spätestens eine unerklärliche Komponente des Kampfes, ein Stück Mystik, das den Zeitzeugen vielleicht als Hilfe dient den Sieg Alis gegen den haushoch überlegenen Foreman zu begreifen. Um diese Erzählstrategie abzurunden wird der Ausschnitt folgerichtig kurz vor dem KO-Schlag des Kampfes gezeigt. Plimpton erwähnt erneut die Hexe, die bildhaft von Makeba dargestellt wird, und die schließlich den Sieg Muhammed Alis ermöglicht. Um diese mystisch angehauchte Ebene des Kampfes darzustellen reißt Gast den Auftritt Makebas beim Musikfestival komplett aus seinem Zusammenhang und montiert die eindrucksvollen Bilder wirkungsvoll zu einer völlig neuen Geschichte zusammen.

Zu der zeitgenössischen Musik der 70er Jahre ließen die Verantwortlichen noch zwei weitere Titel komponieren. Sie sind beide nahezu komplett zu hören, werden nicht unterbrochen und auch nicht von anderen Tonspuren überlagert. Der erste Song trägt den Titel des Films. Er begleitet mit einer getragenen Melodie, die „Muhammed-Ali-Heldengalerie“, in der Ali auf Fotos und Filme zu sehen ist, und die ihn zu Ende des Films nochmals würdigt. Der zweite neue Titel ist nach dem Boxkampf selbst benannt, nämlich„ Rumble in the jungle “. Seine Interpreten sind allesamt junge Rapper, die zwei ältere Songs sampeln, und auch direkt auf den Kampf und Aussprüche wie „Ali buma ye“ eingehen. Während mit diesem Lied, das den Abspann des Films begleitet, noch einmal auf den Kampf eingegangen wird, ist der Song„ When we were kings “ein wehmütiger Rückblick auf Muhammed Ali und die alte Zeit.

Traditionelle afrikanische Musik ist in dem Film dreimal zu hören. Während die Songs des Festivals, und die zwei neu komponierten Lieder, alle, zumindest teilweise, off screen ablaufen, sind bei der traditionellen Musik ihre Lautquellen immer on screen. Es handelt sich dabei auch nicht um speziell eingesetzte Lieder, sondern um Musik, die Gast zu seinen Afrika- Impressionen auf der Tonspur gesammelt hat. So sind bereits im Prolog des Films Kinder und Jugendliche zu sehe n, die sich singend und klatschend auf der Straße bewegen. Später ist es dann einmal die Empfangskapelle, die George Foreman am Rollfeld erwartet, und schließlich sind Rhythmen zu hören, die die Bilder der Hexen und Medizinmänner illustrieren. Das ist wohl auch die einzige Aufgabe dieser Musik, die Bilder des traditionellen Zaires zu unterstreichen.

Zu beachten ist hier, daß die traditionelle afrikanische Musik, neben den Sprechgesängen Alis und der Bevölkerung, die einzige Originalmusik ist, die auch als solche eingesetzt wird. Die Lieder des Festivals sind zwar auch damals aufgenommen worden, sie werden jedoch in einer bearbeiteten Form und teilweise außerhalb ihres Kontextes verwendet. Hier stellt sich die Frage ob in einem Dokumentarfilm Musik, die auf solche Weise entfremdet wurde, bzw. neukomponierte Musik verwendet werden darf. Manfred Hattendorf hat zu dieser Frage eine akzeptable Antwort gefunden:

„Der Gegensatz zwischen komponierter Filmmusik und ‚aktueller Musik‘ (hier in weitem Sinne verstanden, der jeglichen Originalton einschließt) ist keineswegs mit der Bewertung ‚nicht authentisch‘ versus ‚authentisch‘ gleichzusetzen. (...) Denn insbesondere der Originalton unterliegt in der Tonmontage einem erheblichen Bearbeitungsprozeß - und sei es, daß das Verhältnis verschiedener Tonspuren in der Endmischung im Hinblick auf einen erwünschten Eindruck neu reguliert wird.“9

Der Vers „Ali buma ye“ zieht sich durch den kompletten Film hindurch. Er ist allen befragten Zeitzeugen anscheinend in Erinnerung geblieben. Er wird zitiert und Malik Bowens ruft ihn am Ende seines Interviews völlig verzückt in die Kamera. Ali scheint diesen Spruch im Lauf des Films zu entdecken und beginnt sofort damit, ihn anzuwenden. Er ist die ganze Zeit darauf bedacht, sich unter den Einheimischen Freunde und Fans zu machen, und das zeigt der Film an diesem Ausspruch besonders deutlich. Ali weiß genau was die Worte bedeuten („Ali, töte ihn“), aber die Heftigkeit scheint ihn nicht zu stören, der kurze rhythmische Vers scheint im gerade richtig um zu seinem Markenzeichen zu werden. Aber auch George Foreman bekommt diesen Spruch zugerufen, er macht jedoch darauf aufmerksam, daß ihm der Zuruf seinen Gegner zu töten, nicht ganz recht ist. Er meint in diesem Zusammenhang, daß die Leute von ihm lieber sagen sollen er liebe Afrika und sei zurückgekehrt in das Land seiner Vorfahren. Genau diese Attribute vertritt Ali bei der zairischen Bevölkerung und er schafft es auch, daß die Einwohner mit den „Ali buma ye“-Rufen genau eben dies aussagen wollen. Sicherlich ist der Ausspruch in Bezug auf das Töten nicht ernst gemeint, aber der Vers bringt die ganze Hochachtung zum Ausdruck, die das Volk Ali entgegenbringt. Allerdings wird hier vielleicht ein wenig manipuliert, denn Foreman wird Ali als deutlich unterlegen dargestellt. Er kennt zwar die Bedeutung der Worte, kann sie jedoch nicht richtig aussprechen, während sie Ali geläufig wie die eigene Sprache sind. Vielleicht nur ein kleiner Versprecher Foremans, der seine Wirkung im Film jedoch nicht verfehlt.

Schließlich findet sich auf der Tonspur noch ein rhythmisches Element, dem man die Bezeichnung Musik, vielleicht nur in übertragenem Sinne zuordnen kann. Der Produzent David Sonenberg nennt Ali „The Original Rapper“10. Ein Ausspruch, den der Film in fast jeder Interviewsequenz mit Ali belegt. Die Feststellung, „daß ein Film immer ein Produkt der Mitarbeit des Gefilmten sein muß“11, läßt Ali als den idealen Partner für ein solches

Filmprojekt erscheinen. Ob man ihn nun für ein Großmaul hält oder nicht, ein spannender Redner war er wohl auf jeden Fall. Ali kommt bei manchen Pressekonverenzen aus dem Reden nicht mehr raus. Spontan fallen ihm immer wieder neue Sachen ein, die förmlich aus seinem Mund hervorschießen. Dabei rhythmisiert er seine Sprache tatsächlich oftmals zu einem Sprechgesang, der dem heutigen Rapgesang nicht unähnlich ist. Vermutlich hat Ali deshalb auch der rhythmische Singsang von „Ali buma ye“ gefallen und wahrscheinlich liegt besonders darin, daß Ali immer viel und schnell geredet hat, einer der Hauptgründe, warum seine Erkrankung an der Parkinsonschen Krankheit heute so tragisch ist.

3. Kritikerresonanz

Die Erkrankung Alis und die Entwicklung der Hauptprotagonisten aus heutiger Sicht wird auch in den meisten Filmkritiken zu „When we were kings“ thematisiert. Sowohl die Boxer Foreman und Ali, die es beide nicht geschafft haben den richtigen Zeitpunkt zum Beenden der Karriere zu finden, als auch das Schicksal von Mobutu und seinem Regime wird in die Texte mit einbezogen. So schreibt Hans Messias im filmdienst von „zwei Boxlegenden, die zur Karikatur ihrer selbst geworden sind.“12Er führt auch Präsident Mobutu an und erwähnt die Probleme, die er derzeit in Zaire hat. Einen Schritt weiter ist da der Schweizer Kritiker Georges Waser, der seinen Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung mit einem Verweis auf Mobutu beendet: „Mit dem Ende des Mobutu-Regimes gewinnt der Film als historisches Dokument jetzt eine weitere Dimension“13. Ausgehend von der zeitlichen Divergenz zwischen Aufnahmezeitpunkt und Fertigstellung schießt sich die Kritik besonders auf die Unterschiede zwischen den „alten“ Aufnahmen von 1974 und den neu gefilmten Interviews ein. Zwar schreibt Waser, daß die Interviewpartner, „ähnlich wie im klassischen Schauspiel ein Chor, dem Film seinen Antrieb, Rhythmus und einen geradezu poetischen Punch verleihen“14, andere Kritiker sehen die neuen Passagen jedoch durchaus negativ. So schreibt Kevin Macdonald in Sight and Sound die modernen Interviews wirkten „pallid and reductionist. Only during the fight itself do Plimpton and Mailer perform well as an enthusiastic double act guiding us through the significance of every blow“15. Sein Kollege Gerald Early geht in seinem Artikel, ebenfalls in Sight and Sound, noch weiter und fragt sich ob die Auswahl der Interviewpartner gut ausgesucht sei: „Why not more Zairians as talking heads? An african historian or political scientist? A black american journalist who had covered the fight (rather than Spike Lee, who has nothing to say)?“16

Das Musikfestival wird natürlich auch erwähnt, meistens als „afro- amerikanisches ‚Woodstock‘“17. Aber vielmehr als das gesagt wird, Leon Gast hatte ursprünglich vorgehabt „a Woodstock-style documentary“18zu drehen, wird nicht getan. Die Bedeutung der Musik wird nicht erwähnt, der ganze Komplex wird mit ein bis zwei Sätzen abgetan, wie beispielsweise im filmdienst: „(...) mit diesem genial montierten Film, der seine zeitgenössische Musik in einem ungeheuer rhythmischen Schnitt umsetzt (...)“19. So legt die Filmkritik also einen anderen Schwerpunkt in ihren Texten, als er sich ergibt wenn man „When we were kings“ einer Filmanalyse unterzieht. Der Film kam bei der Kritik ausgesprochen gut an und besonders interessant findet man wohl den Aspekt, daß Filmmaterial, das über 20 Jahre alt ist, jetzt bearbeitet wird und den Weg in die Kinos findet. So beschreiben die Journalisten sehr wohl die zeitgeschichtliche Faktenlage und gehen detailiert auf deren Bearbeitung ein. Dies zeigt doch eine gewisse Übereinkunft zwischen der Filmkritik und einer Filmanalyse, die vermutlich das Fundament für eine ähnliche, positive Haltung gegenüber diesem darstellt.

4. Verwendete Literatur

Bücher:

Hattendorf Manfred: Dokumentarfilm und Authentizität, Konstanz 1994

Heller, Heinz B.; Zimmermann, Peter (Hrsg.): Bilderwelten, Weltbilder, Marburg 1990

Hoefer, Georg: Vom Objekt zum Subjekt, Leipzig 1992

Zimmermann, Peter (Hrsg.): Fernseh-Dokumentarismus - Bilanz und Perspektiven, Berlin 1992

Zeitschriften:

filmdienst 10/97

Neue Zürcher Zeitung 12.6.97

Sight and Sound 5/97

sowie die offizielleInternet-Seitedes Films:

http://www.reellife.com/wwwkings/home-wwwkings.html

[...]


1Internet-Homepage „When we were kings“

2Leiser, Erwin: Dokumentarfilm und Geschichte in Zimmermann, Peter (Hrsg.): FernsehDokumentarismus - Bilanz und Perspektiven, Berlin 1992 S. 37

3ebd. S. 40

4 Hoefer, Georg: Vom Objekt zum Subjekt, Leipzig 1992 S. 15

5 Hattendorf Manfred: Dokumentarfilm und Authentizität, Konstanz 1994 S. 85

6Berg-Ganschow, Uta: Das Problem der Authentizität im Dokumentarfilm in: Heller, Heinz B.; Zimmermann, Peter (Hrsg.): Bilderwelten, Weltbilder, Marburg 1990 S. 85

7Hattendorf, Manfred: a.a.O. S. 85

8vgl. Hattendorf, Manfred: a.a.O. S. 170

9Hattendorf, Manfred: a.a.O. S. 157

10Internet-Homepage „When we were kings“

11Hoefer, Georg: a.a.O. S. 14

12filmdienst 10/97 S. 23

13Neue Zürcher Zeitung 12.6.97

14ebd.

15Sight and Sound 5/97 S. 56

16ebd. S.12

17Neue Zürcher Zeitung 12.6.97

18Sight and Sound 5/97 S. 56

19filmdienst 10/97 S. 23

20filmdienst 10/97 S. 23 „Psychogramm eines Ausnahmeboxers“20

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Leon Gast - When we were kings
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Veranstaltung
Einführung in die Fernsehanalyse
Note
1
Autor
Jahr
1999
Seiten
19
Katalognummer
V104099
ISBN (eBook)
9783640024698
Dateigröße
368 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leon, Gast, When, Einführung, Fernsehanalyse
Arbeit zitieren
Tobias Lehmann (Autor:in), 1999, Leon Gast - When we were kings, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104099

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Leon Gast - When we were kings



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden