Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, aus den vielen zur Verfügung stehenden Darstellungen des Römischen Staates die mögliche Karriere eines jungen Adeligen zu erfassen und die Ämter in ihrer Funktion zu beschreiben. Dabei beschränkt sich der Autor auf die Zeit der Republik und die wesentlichen Aspekte der Ämter.
Die Quellenlage läßt einen besseren Blick auf die späteren Jahre der Republik zu, von der mehr Zeugnisse und Beschreibungen überliefert sind. Während einige Aspekte des römischen Staats- rechts in Gesetzen fixiert und daher eventuell auch überliefert wurden, war ein großer Teil des römischen Staatsrechts nur als mos majorum, also ‚Vätersitte‘ oder Gewohnheitsrecht existent und somit über die Zeit Veränderungen unterworfen, die heute nicht zwingend nachvollziehbar sind. Einzelne Quellen, wie z.B. Cic eros Reden, entstanden in bestimmten Situationen und mit bestimmter Intention der Verfasser, so daß sie nicht zwingend authentisch sind für die damali- gen Zustände und Ansichten in der römischen Republik. Oftmals ist die Forschung allerdings gezwungen, aus spärlichen Quellen einen Sachverhalt zu erschließen und im Sinne eines (für uns heute) logischen Gesamtzusammenhangs weitere Annahmen zu ergänzen. Der Autor folgt im Wesentlichen allen Folgerungen und Annahmen der verwendeten Literatur.
Gliederung
EINLEITUNG
DER MAGISTRAT ALLGEMEIN
DIE NIEDEREN MAGISTRATE
DAS AMT DES MILITÄRTRIBUNS
DAS VIGINTISEXVIRAT
DAS AMT DES QUÄSTORS
DAS AMT DES VOLKSTRIBUN
DAS AMT DES ÄDILS
DIE HÖHEREN MAGISTRATE
DAS AMT DES PRÄTORS
DAS AMT DES KONSULS
DIE FUNKTION DER PRO-MAGISTRATE
DER DIKTATOR
DAS AMT DES ZENSORS
FAZIT
VERWENDETE LITERATUR
Einleitung
Die in Umfang und Anspruch wohl einschlägigste Behandlung des römischen Staates liegt in den Werken von Theodor Mommsen vor. In seinen Büchern zur römischen Geschichte und zur Verfassung des römischen Staates zeichnete er einen Grundriß der Römischen Zeit, der die his- torische Forschung entscheidend geprägt hat. Dabei geht er (unbewußt) entsprechend seiner Zeit von einem preußisch-bürokratisch organisiertem Staatswesen aus, in dem die Macht der politischen Elite durch ein verfassungsähnliches Gesetzeswerk und durch Tradition fixierte Re- geln verteilt wird. Die auf ihn folgende Forschung hat viele seiner Erklärungen und Beschrei- bungen aufgrund dieses Ansatzes kritisiert und revidiert. Neuere Forschungen legen Wert auf die Betonung der Fähigkeit des römischen Staates, bestimmte Verfassungsnormen den jeweili- gen Gegebenheiten der Zeit flexibel anzupassen. Im Bereich der römischen Ämterlaufbahn, des cursus honorum, bedeutet dies, daß sich trotz aller Gesetze und Verpflichtungen immer wieder Ausnahmen finden lassen, die ohne ‚Verfassungsänderung‘ im modernen Sinne durchgeführt werden konnten. Trotzdem existierte zu jeder Zeit eine Norm und wenn Cicero sich brüstet, die jeweiligen Ämter in ‚seinem Jahr‘ (suo anno) übernommen zu haben, so bedeutet dies, daß es ein allgemein anerkanntes System gegeben haben muß, daß als ‚normal‘ galt.
Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, aus den vielen zur Verfügung stehenden Darstellungen des Römischen Staates die mögliche Karriere eines jungen Adeligen zu erfassen und die Ämter in ihrer Funktion zu beschreiben. Dabei beschränkt sich der Autor auf die Zeit der Republik und die wesentlichen Aspekte der Ämter.
Die Quellenlage läßt einen besseren Blick auf die späteren Jahre der Republik zu, von der mehr Zeugnisse und Beschreibungen überliefert sind. Während einige Aspekte des römischen Staats- rechts in Gesetzen fixiert und daher eventuell auch überliefert wurden, war ein großer Teil des römischen Staatsrechts nur als mos majorum, also ‚Vätersitte‘ oder Gewohnheitsrecht existent und somit über die Zeit Veränderungen unterworfen, die heute nicht zwingend nachvollziehbar sind. Einzelne Quellen, wie z.B. Cic eros Reden, entstanden in bestimmten Situationen und mit bestimmter Intention der Verfasser, so daß sie nicht zwingend authentisch sind für die damali- gen Zustände und Ansichten in der römischen Republik. Oftmals ist die Forschung allerdings gezwungen, aus spärlichen Quellen einen Sachverhalt zu erschließen und im Sinne eines (für uns heute) logischen Gesamtzusammenhangs weitere Annahmen zu ergänzen. Der Autor folgt im Wesentlichen allen Folgerungen und Annahmen der verwendeten Literatur.
Der Magistrat allgemein
Das Recht, im Namen der Gemeinde (z.B. als militärischer Führer oder als Richter) zu befehlen, war das imperium. In der Frühzeit der Republik wurde der Träger des Imperiums als magister bezeichnet, also ganz allgemein als ein Vorsteher, und hieraus entwickelte sich der Begriff magistratus als abstrakte Gesamtheit der Inhaber des Imperiums1.
Für Handlungen von Bedeutung, wie z.B. das Führen eines Krieges, mußte der Rat der Götter eingeholt werden um den pax deorum zu sichern. Das Recht, dieses zu tun, war das auspicium (von avis spicere, Vögel beobachten).
Der Magistrat handelte nach seiner Wahl nicht als Exekutivorgan der ihn wählenden Volksver- sammlung, sondern als „Inhaber einer delegierten Souveränität mit eigener Entscheidungsbe- fugnis“2. Das Volk hatte zwar die Möglichkeit der Wahl der Träger von imperium und auspici-um, doch dies beinhaltete keinen Einfluß auf die Aufgaben, die diese zu bewältigen hatten. Diese wurden durch den nicht gewählten Senat festgelegt und an die gewählten Inhaber (min- destens je zwei) der verschiedenen Ämter per Los verteilt (z.B. wer welche Provinz zu verwal- ten hatte oder welcher Konsul welches militärische Kommando übernehmen sollte ) 3.
Voraussetzung für das Bekleiden eines Amtes im Magistrat war prinzipiell nicht nur die Zuge- hörigkeit zu den freien Bürgern Roms, sondern zur adeligen Oberschicht: Vor den Ständekämp- fen (bis Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr.) war der Zugang den Patriziern vorbehalten, danach standen die Ämter allen Bürgern offen4. Jedoch bildete sich die Schicht der nobilis (Geschlech- ter, deren Mitglieder das höchste Staatsamt, das Konsulat, bekleidet hatten) heraus, aus der sich die politische Elite rekrutierte. Seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. konnten nur noch selten Außen- stehende bis in das Konsulat aufsteigen (die berühmtesten waren M. Porcius Cato, 195 v. Chr., und M. Tullius Cicero, 63 v. Chr.) und wurden dann als homines novi bezeichnet5. Bevor ein Bürger ein magistratisches Amt übernehmen konnte, hatte er zunächst 10 Jahre lang an den Jahresfeldzügen des Heeres teilzunehmen. Diesen Kriegsdienst leisteten wahrscheinlich alle späteren Magistrate in der privilegierten Reiterklasse ab, was einen gewissen sozialen Zen- sus voraussetzte, der aber ohnehin notwendig war, um eines der unbesoldeten Ämter des Ma- gistrats übernehmen zu können6.
Die Ausübung eines Amtes bedeutete für Amtsinhaber nach Ablauf der Amtszeit ein Anrecht auf die Aufnahme in den Senat, über die formell ein Zensor zu entscheiden hatte. Dieser jedoch war an feste Regeln gebunden, zu denen gehörte, daß kein ehemaliger Inhaber eines Imperiums (Konsuln und Prätoren) übergangen werden durfte. Im dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr. kamen die Ädile und Volkstribune hinzu und schließlich reichte nach Sullas Reformen (81 v. Chr.) bereits das Quästorenamt aus, um in den Senat aufgenommen zu werden7.
Die Regeln und Prinzipien der Magistrate sind nicht alle als Gesetz fixiert worden und änderten sich im Verlauf der Republik, bzw. wurden bei Bedarf (also als Reaktion auf Mißbrauch) er- gänzt. Wie in den meisten Stadtrepubliken des Altertums bestand das zentrale Problem darin, die Staatsmacht so zu limitieren, daß eine Rückkehr zu Zuständen ähnlich einer Alleinherrschaft ausgeschlossen, die Exekutive jedoch trotzdem handlungsfähig und effizient blieb. Das römi- sche Staatsrecht unterstützte stärker die Effizienz der Exekutive als die Sicherung vor Machtak- kumulation und unterschied sich darin deutlich von der Athener Republik8. Die Sicherung ge- gen Machtmißbrauch bestand vor allem in den Prinzipien der Annuität, der Kollegialität und des Kumulationsverbotes:
So bedeutete das Prinzip der Annuität, daß kein Amt länger als ein Jahr ausgeübt werden durfte. Ein Gesetz schrieb vor, daß kein Amt innerhalb von 10 Jahren erneut bekleidet werden durfte, ein anderes, daß zwischen zwei Ämtern 2 Jahre liegen mußten, um Anklagen wegen Amts- mißbrauchs zu ermöglichen9. Der Tag des Amtsantritts war unterschiedlich: Seit Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. übernahmen die meisten Magistrate am 15. März, seit 153 v. Chr. am 1. Januar ihr Amt.
Das Prinzip der Kollegialität entstand, als den Plebejern der Zugang zu den oberen Ämtern eröffnet werden mußte. Es besagt, daß je zwei Personen ein Amt gemeinsam bekleiden (also für alle Dinge gemeinsam zuständig sind) und sich gegenseitig kontrollieren und blockieren konnten. Die Kollegialität band die einzelnen Beamten stärker an den Willen der Nobilität, da sie auch Einfluß auf die gleichrangigen Kollegen nehmen konnte10. Keine Person durfte jemals mehr als ein Amt gleichzeitig innehaben (Kumulationsverbot).
Jeder Magistrat wurde durch seinen Vorgänger ernannt. Zuerst wurden die neuen Mandatsträger durch Absprachen oder Wahlen im Senat ermittelt, später durch verschiedenartige Volksversammlungen mit den jeweils gültigen Abstimmungsmodalitäten gewählt (vgl. dazu die Beschreibungen der einzelnen Magistraturen).
Jeder Beamter hatte auch sakrale Funktionen, d.h. in ihren Funktionen hatten sie das Recht, die Götter zu befragen, wenn auch gemeinsam mit den hierfür zuständigen Priestern11. Alle Ämter waren ehrenamtlich, daher waren sie faktisch der wohlhabenden Schicht vorbehal- ten. Hilfskräfte zur Bewältigung der Aufgaben brachte der jeweilige Amtsinhaber aus seinem Umkreis mit. Nur für einige Spezialdienste gab es staatlich besoldete Dienstkräfte, wie Schrei- ber, Boten und Herolde, die zwar faktisch auf Lebenszeit angestellt und somit den einzig konti- nuierlichen Anteil der Magistratur darstellten, aber „ohne jedes politische Gewicht“12 waren. Die teuren Aufgaben (insbesondere die der Ädile) rechneten sich für die Amtsinhaber nur durch die Aussicht auf spätere Positionen, z.B. als Statthalter in den Provinzen.
Die niederen Magistrate
Bei Bedarf wurden durch den Senat für spezielle Aufgaben, z.B. Landverteilung, Straßenausbau und -pflege, bestimmte Beamte ernannt. Einige dieser Ernennungen wurden später durch Wah- len ersetzt (vgl. Abschnitt zu Vigintisexvirat). Die Übernahme eines dieser Ämter bedeutete einen wichtigen ersten Karriereschritt für junge Adelige. In einigen Fällen wurden die ansons- ten zwingend notwendigen zehn Jahre Militärdienst nicht (vollständig) zuvor abgeleistet13.
Das Amt des Militärtribuns
Den Militärtribunen, den tribuni mititum, (wie auch den Flottenkommissaren, den duovires na-tales) fehlten sämtliche innerstädtische Kompetenzen, weswegen sie eigentlich nicht zu den Magistraten gerechnet wurden14. Wegen ihrer Volkswahl seien sie hier trotzdem erwähnt. Den Militärtribunen, von denen schließlich 24 gewählt wurden, kam ein besonders hohes Pres- tige zu. Ursprünglich waren die Tribune der ersten vier Legionen die wichtigsten Offiziere für die Konsuln in militärischen Belangen. Über diese ersten vier hinaus wurden weitere durch die Konsuln ernannt. Sie übernahmen militärische Kommandos und spielten eine wichtige Rolle bei der Vereidigung der Truppen. Nach der Erhöhung auf 24 Positionen wurden 14 Militärtri- bune aus den Reihen derer gewählt, die fünf Jahre Militärdienst abgeleistet hatten und weitere zehn aus denen, welche die kompletten zehn Jahre gedient hatten15. Alle Militärtribune wurden ab 311 v. Chr. in öffentlicher Wahl gewählt16.
Das Vigintisexvirat
26 Personen, anfangs durch die Prätoren ernannt, später in den Tributscomitien unter Vorsitz von Prätoren gewählt, bildeten die unterste Ebene der Magistratur. Diese Personen, verteilt auf sechs verschiedene Ämter mit sehr unterschiedlichen Aufgaben, wurden durch eine Wahl für ihre spezielle Posit ion bestellt und erhielten ihren Aufgabenbereich nicht per Los, wie die Quästoren, weswegen die Tätigkeiten nicht in ein einheitliches Amt zusammengefaßt werden können17.
Die tresviri capitales, die drei Männer für die Todesstrafe (oder Schwerverbrecher), führten zwar die Aufsicht über das Staatsgefängnis und über die Hinrichtungen, jedoch führten sie letz- tere nicht selbst durch. Weiterhin hatten sie mit modernen Gerichtsvollziehern vergleichbare Aufgaben18.
Die decemviri stlitibus indicandes, die zehn Männer für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, entschieden zu Ciceros Zeiten über Freiheitsprozesse, also über Fälle, in denen es um die Freilassung oder die widerrechtliche Behandlung Freigelassener als Sklaven ging. Alle sonstigen Annahmen über ihre Aufgaben und ihr Verhältnisse zu anderen Magistraten liegen aufgrund der Quellenlage im „Bereich kontroverser Hypothesen.“ 19
Die praefecti Capuam Cumas waren anfangs zehn, später nur noch vier Verwalter einiger römischer Kolonien, die sich durch die Volkswahl von anderen Verwaltern unterschieden. Durch die Wahl kam ihnen eine höhere Autorität gegenüber den römischen Bürgern und Grundbesitzern, mit denen sie zu tun hatten, zu. Ursprünglich waren diese Verwalter wahrscheinlich für die mit Capua zu Hannibal abgefallenen Städte zuständig20.
Den tresviri aere argento auro flando feriundo oblag die Aufsicht über das Münzprägewesen, das ansonsten in privater Hand lag. Außerdem hatten sie wenige Jahrzehnte lang mittels bestimmter Prägemarken Kontrollen durchzuführen und so Fälschungen zu entlarven. Ihre Anzahl variierte von einer bis vier Personen in der Zeit der Republik21.
Das Amt des Quästors
Zur Entstehung des Amtes und seiner Bezeichnung bestehen verschiedene Ansichten. Einer- seits könnte eine direkte Verbindung zu „ihrer strafrechtlichen Thätigkeit (quaerere)“22 beste- hen, so daß ursprünglich Quästoren von den Konsuln bestimmt und mit Aufgaben betraut wor- den sind23. Dem entgegen steht die Annahme, daß es sich bei den quaesitores um gänzlich an- dere Positionen handelte, die gerichtliche Funktionen im Magistrat, wie den Vorsitz von be- stimmten Gerichten übernahmen, für die kein Prätor zur Verfügung stand. Diese Positionen wurden normalerweise von ehemaligen Ädilen bekleidet (Personen also, die bereits davor Quästor waren)24. In beiden Fällen wäre das Amt des Quästors jedoch ursprünglich das eines niederen Gehilfen, das von jeher auch den Plebejern offenstand. Mit der Aufnahme in die or- dentliche Ämterlaufbahn (spätestens nach den Ständekämpfen) galt das Amt dann als erste Stufe der Ämterlaufbahn und der Inhaber wurde folglich in einer Volksversammlung unter Vorsitz eines Konsuls (oder ausnahmsweise eines Prätors) bestimmt25.
Die meisten Quästoren dienten als Assistenten unter einem Konsul oder Prätor (denen also, die das Feldheer führten oder als Statthalter in einer Provinz eingesetzt waren), meist betraut mit der Kassenhaltung oder kleineren militärischen Kommandos unter der Aufsicht des Imperi- umträgers.
Verteilt wurden diese Positionen durch Lose, auf denen der Name desjenigen vermerkt war, unter dem der Quästor während seines Amtsjahres zu dienen hatte26. Unterscheiden lassen sich die beiden Quästoren, die die zentrale Kasse im Saturntempel verwalteten, die quaestores urba-ni, die o.g. Gerichts-Quästoren, je ein Quästor in den Provinzen (nur auf Sizilien zwei) und ab 267 v. Chr. vier Flottenquästoren, die quaestores classici, welche die vier Flottenstützpunkte militärisch verwalteten27.
Durch Sullas Reform 81 v. Chr. wurde die Zahl der Quästoren auf 20 gesteigert (Caesar erhöhte sie zum Ende der Republik sogar noch auf 4028 ), um die Ergänzung des ebenfalls vergrößerten Senats zu sichern: Das Bekleiden eines Quästorenamtes brachte einem Individuum seitdem den Anspruch auf die lebenslange Aufnahme in den Senat ein.
Das Amt des Volkstribun
Die Plebejer waren ursprünglich von allen politischen Entscheidungen und Ämtern ausge- schlossen. Diese waren den Patriziern, den edleren Familien vorbehalten, insbesondere durch ihre Verknüpfung mit dem sakralen Bereich, den Auspizien. Im 4. und 5. Jahrhundert war die innenpolitische Entwicklung Roms durch die schweren Spannungen gekennzeichnet, die sich zwischen den Patriziern und insbesondere den selbständigen Bauern unter den Plebejern entwi- ckelten (‚Ständekämpfe‘). Letztere verlangten wegen ihrer immensen Bedeutung beim Heeres- dienst nach politischem Einfluß29. Diesen konnten sie nicht innerhalb der geltenden Macht- strukturen erreichen, was zu einer „Constituirung der Plebs als eines Staates im Staat“30 führte: Die Plebejer schufen sich eine eigene Versammlung aller Plebejer, die concilium plebis, die nach lokalen Bezirken (tribus) - statt nach gentilizischen Kurien wie die reguläre Volksver- sammlung - organisiert war und Beschlüsse mit Gültigkeit nur für die Plebejer fassen konnte. Als Vorsteher dieser Versammlung wurden 494 v. Chr. zwei (oder fünf31 ) tribuni plebis gewählt (im Bild des Staates im Staat das „Abbild der Consuln“32 ), und die aedilis plebis als ihre Assis- tenten bestimmt (zu letzteren s.u. im Abschnitt zu Ädilen).
Die Volkstribune sollten außerdem die Plebejer gegen die übermächtigen Beamten des Magist- rats schützen, die als Machtinstrument des patrizischen Senats funktionierten. Ihre Autorität im Staat bezogen die Volkstribune durch einen sakralen Nimbus der Unverletzbarkeit: Die Plebejer le isteten einen Racheschwur, der die Volkstribune gegenüber den ordentlichen Magistraten schützte. Ein Magistrat, der einen Volkstribun, welcher sich ihm in den Weg stellte (interces-sio), um einen Plebejer zu schützen, mißachtete, konnte als ‚Sakralverbrecher‘ von der Masse der Plebejer abgeurteilt oder sogar getötet werden. Aus diesem physischen Dazwischentreten bildete sich die Praxis des Verbietens (intercedo oder veto) heraus33. Das Haus des Volkstri- buns galt als sicherer Boden für (Straf-) Verfolgte und seine Tür stand während seiner Amtszeit Tag und Nacht offen. Der Volkstribun durfte im Allgemeinen nicht außerhalb der Stadt nächti- gen, um sicherzustellen, daß seine Unterstützung (auxilium) den Plebejern jederzeit zur Verfü- gung stand34.
Die Plebejer setzten sich mit ihren Institutionen, die sich gegen den bestehenden Staat richteten, und Kampfmaßnahmen, wie dem Streik als „Verweigerung der Rekrutierung oder, weitergehend, als Verweigerung jeder Tätigkeit“35 und dem Auszug aus dem Stadtgebiet (secessio plebis) letztendlich durch und erwirkten schließlich mit dem lex Hortensia 287 v. Chr. die Gleichstellung Ihrer Volksversammlungen, bzw. deren Beschlüsse mit denen der regulären Volksversammlung comitia curiata und der Heeresversammlung comitia centuria.
Seit 457 v. Chr. existierte bereits ein Kollegium von zehn Volkstribunen. Der ursprüngliche Grund ihrer Existenz, der Kampf gegen das Patriziat, ging verloren und mit der Öffnung der Ämter für Plebejer begann das Herausbilden der Nobilität, so daß auch die Volkstribune der regierenden Schicht angehörten. Sie verstanden sich fortan als „Wächter der durch den Stände- kampf aufgerichteten Ordnung.“36 Volkstribune traten zunehmend als Ankläger in politischen Prozessen auf und übernahmen damit eine wichtige Funktion in der Verfassung37: Das Amt des Volkstribuns wurde eingegliedert in den Magistrat und so legalisiert. Es trat in der Ämterlauf- bahn der meisten Inhaber vor die Prätur, allerdings war es für Patrizier nicht zugänglich und konnte von einem Plebejer „an jeder beliebigen Stelle in der Aemterlaufbahn übernommen oder auch übergangen werden.“38 Anders als die für übrigen Ämter, begann die Amtszeit für Volks- tribune bereits am 10. Dezember. Die Wahlen wurden durch die Amtsvorgänger in concilia plebis, unter Ausschluß der Patrizier also, durchgeführt39.
Die Volkstribune hatten zwar weiterhin ein Verbotsrecht gegenüber allen anderen Beamten, jedoch gibt es Beispiele für durch die Volksversammlung revidierte Entscheidungen (z.B. ver- hinderte 270 v. Chr. ein Volkstribun die Exekution von dreihundert Soldaten einer abtrünnigen Einheit, die dann auf Beschluß der Volksversammlung doch durchgeführt wurde), so daß Lin- tott zu dem Schluß kam, daß als Leitprinzip galt, daß ein Volkstribun gegen den Willen einzel- ner Magistrate oder sogar den des Senates vorgehen konnte, nicht jedoch gegen den der Mehr- heit des gesamten (stimmberechtigten) Volkes40. Um 289 v. Chr. erhielten die Volkstrib une das Recht, auch den Senat einzuberufen, zu sprechen und mit dem Senat Beschlüsse zu vereinbaren, nachdem sie ursprünglich von diesen Versammlungen ausgeschlossen waren und ihren Einfluß durch Blockieren der Ausgänge geltend machen mußten. Statt der Macht des Senates entgegen- zustehen, begannen die Volkstribune, die der Nobilität entstammten, die Macht derselben zu verstärken, denn sie wurden eingesetzt, um „gegen jeden widerspenstigen Magistrat“41 vorzuge- hen. Da dem Volkstribun nur verhindernde Rechte und keine regelmäßigen Amtsgeschäfte eingeräumt wurden und keine Möglichkeit bestehen sollte, eigenständige Politik zu betreiben, ist das Amt „nur ausnahmsweise zu bedeutender Wirksamkeit gelangt“42: Manchmal wurden durch Spezialgesetze kleinere Aufgaben, wie z.B. Getreideverteilung, fern dem eigentlichen Sinn des Amtes zugewiesen.
Erst als die Spannungen innerhalb der Nobilität größer wurden, versuchten die Gracchen ab 133 v. Chr. als Volkstribune auch eigenständige Politik der Erneuerung zu betreiben und dabei das Amt und „den Mythos seiner Herkunft“43 zu mißbrauchen.
Das Amt des Ädils
Die ersten (plebejischen) Ädile entstanden für den 493 v. Chr. geweihten Cerestempel, der den Plebejern als sakrales Zentrum diente44. Die Bezeichnung entstand aus einer ihrer ursprüngli- chen Aufgaben, der Zuständigkeit für (später alle) Tempel (aedes) und daraus folgend die Auf- sicht über die im Schutz des Tempelgottes stattfindenden Handelsgeschäfte, so daß sie zu einer Art „Marktpolizei“ wurden.
Laut einiger Quellen wurden die zwei ‚plebejischen Ädile‘ zugleich mit den Volkstribunen er- schaffen und ihnen als Gehilfen zugeteilt (s.o.). Mommsen vergleicht diese Stellung mit der der Quästoren, die den Konsuln zugeteilt wurden45, jedoch ist die reine Gehilfenstellung zu den Tribunen umstritten und nicht mit Sicherheit zu klären. Ähnlich wie die des Volkstribuns war die Position des Ädils den Plebejern vorbehalten. Die „kurulischen Ädile“ wurden 367 v. Chr. eingeführt, um ein den Patriziern vorbehaltenes Amt den plebejischen Ädilen entgegenzustellen. Jedoch wurde schon bei der Einführung auch dieses Amt den Plebejern zugänglich: Es wurde ein jährlicher Wechsel vereinbart und es bürgerte sich ein, in ungeraden Jahren die kurulischen Ädile durch Patrizier zu besetzen und in geraden Jahren durch Plebejer, bis gegen Ende der Republik nicht mehr genügend patrizische Bewerber zur Verfügung standen46.
Beide Paare hatten letztendlich die gleichen Funktionen, wurden jedoch traditionell unter- schiedlich gewählt: Die kurulischen Ädile wurden durch eine von Prätoren oder Konsuln gele i- tete Versammlung gewählt, die für die Wahl der plebejischen Ädile nicht mehr zuständig waren. Diese wurden scheinbar anschließend ohne Beisein der Patrizier gewählt; für die Wahl waren Tribune oder möglicherweise die Amtsvorgänger verantwortlich47. Die Amtszeit der plebeji- schen Ädile dauerte parallel zu der der Tribune, die der kurulischen parallel zu der der Prätoren und Konsuln48. Erst 43 v. Chr. kam ein weiteres Paar (plebejischer) Ädile hinzu: Die aediles plebis Ceriales, die von Caesar vor allem mit der „Aufsicht über die Getreidespenden“49 betraut wurden.
Eine prestigeträchtige Hauptaufgabe der Ädile bestand in der Ausrichtung einiger Spiele und Feste. Die kurulischen Ädile waren z.B. verantwortlich für die ludi Romani und die Megalensia, das Fest zu Ehren der ‚Großen Mutter‘, die plebejischen Ädile für die ludi plebeii, Floralia und Cerealia. Vermutlich aus der Zuständigkeit für diese Spiele (im Sinne der Aufsic htsführung als polizeiliche Aufgabe) entwickelte sich die Ausrichtung auf eigene Kosten. Es boten besonders üppig abgehaltene (=teure) Feste die Möglichkeit, Sympathien und somit Wähle r- stimmen für zukünftige (ggf. einträgliche) Positionen zu erwerben. Dadurch war dieses Amt für ehrgeizige Männer attraktiv50. Die Übernahme dieses Amtes war wie die des Volkstribuns nicht verpflichtend im cursus honorum. Entgegen der ursprünglichen Entstehung der plebejischen Ädile entwickelte sich das Amt als dem Volkstribun höherstehend insofern, daß Individuen, die beide Ämter bekleideten, zuerst Tribun und dann Ädil waren51.
Die Ädile hatten „nahezu alle Bereiche obrigkeitlicher Tätigkeit, die wir mit dem modernen Begriff des städtischen Polizeiwesens umschreiben können,“52 zu leiten. Für einige zeitaufwen- dige oder unangenehme Tätigkeiten wurden Untermagistraturen eingerichtet, die die Ädile zu beaufsichtigen hatten. Diese Verantwortlichkeiten beinhalteten schließlich die Aufsicht über die Märkte, Straßen und öffentliche Plätze (Reinigung, Instandhaltung, Freihalten des öffentli- chen Bodens von privaten Bauten), öffentliche Orte wie Badehäuser und Bordelle, das Besta t- tungswesen, die Tempel und die Wasserversorgung. Aus manchen Aufgaben, wie die der Kon- trolle der Wasserversorgung, ergaben sich auch Aufgaben außerhalb der Stadt. Dabei oblag es den nur alle fünf Jahre gewählten Zensoren (s.u.), die öffentlichen Aufträge zu vergeben, z.B. zum Bau von Gebäuden der Wasserversorgung, während die Ädile in den folgenden Jahren die ordnungsgemäße Ausführung der Arbeiten überwachten.
Ädile konnten bei Verstößen gegen die öffentliche Ordnung (bei ‚Ordnungswidrigkeiten‘) in festgelegtem Rahmen Bußgelder verhängen und als Ankläger vor Versammlungen auftreten53.
Die höheren Magistrate
Der Wechsel von einer Monarchie zur römischen Republik wurde durch die Einführung eines jährlich wechselnden Staatsoberhauptes vollzogen: Die sakralen Befugnisse gingen an Priester über, denen die Übernahme politischer Ämter untersagt war, die politische Exekutive ging zu- nächst an einen praetor maximus oder auch magister populi über54. Die Bezeichnung des prae- tor maximus legt nahe, daß es sich schon damals um ein Kollegium gehandelt hat, welches sich die Aufgaben teilte. Die wichtigste Aufgabe lag in der Führung des Feldheeres, die von diesem Prätor das Verweilen außerhalb Roms für den längsten Teil seiner Amtszeit erforderte. Daraus entwickelte sich die Position des Konsuls, die Bezeichnung ‚ consules ‘ entstand 449 v. Chr.55. Die Kollegialität des Amtes des Konsuls ist spätestens mit der Wahl des ersten Plebejers 367 v. Chr. entstanden56. Der in der Stadt Rom verbleibende Prätor erhielt zu dieser Zeit den Zusatz urbanus und war für die Jurisdiktion zwischen den römischen Bürgern zuständig57.
Das Amt des Prätors
Nach der Wahl des ersten Plebejers zum Konsul wurde 356 v. Chr. zum ersten Mal die Position des Diktators und 351 v. Chr. die des Zensors durch einen Plebejer bekleidet. Doch erst 337 v. Chr. wurde auch das Prätorenamt für Plebejer geöffnet58. Dem praetor urbanus war 242 v. Chr. der für die Jurisdiktion zwischen Römern und Fremden (oder zwischen zwei Parteien, die das Bürgerrecht nicht besaßen) zuständige praetor peregrinus zur Seite gestellt worden. 227. v. Chr. wurde eine Gerichtsprätur auf Sizilien eingerichtet, um die dortigen Prozesse römischer Bürger weder nach Rom verweisen, noch den dortigen Gerichten überlassen zu müssen59. Nach diesem Vorbild entstanden weitere Präturen in den Provinzen, die dort häufig die besiegten Kö- nige ablösten und daher mit höchsten Vollmachten als Statthalter Roms agierten: ebenfalls 227 v. Chr. eine für Korsika und Sardinien, 197 v. Chr. je eine für Hispania ulterior und Hispaniaciterior 60. Zu diesen zwei Gerichts- und vier Provinzialprätoren kamen in Einzelfällen zusätzliche Tribunale mit bestimmten Sonderaufgaben, die mit Prätoren besetzt waren61. Durch Sullas Reform 81 v. Chr. wurden die Provinzialprätoren durch Promagistrate ersetzt und 8 Gerichtsprätoren mit unterschiedlicher Jurisdiktion geschaffen.
Ein Prätor konnte ‚Gesetzesinitiativen‘ in den Senat einbringen62 und hatte das Recht, den Senat einzuberufen. In diesem führte bei Abwesenheit der Konsuln, was zumindest in der zweiten Hälfte ihrer Amtszeit die Regel war, der praetor urbanus den Vorsitz63. Außerdem hatten die Prätoren spezielle sakrale Aufgaben, richteten die ludi Apollinares in Rom und die ludi piscatorii, die Fischerspiele auf der anderen Seite des Tiber, aus und mußten die öffentliche Opferung einer Kuh an Herkules in der ara maxima vornehmen64.
Die Wahl der Prätoren oblag den neu gewählten Konsuln, die dafür eine Heeresversammlung einberufen mußten. Die Zuteilung der erwählten Prätoren zu bestimmten Kompetenzen erfolgte jedoch erst durch Losentscheid oder wurde durch den Senat anschließend festgelegt65. Während es ursprünglich möglich gewesen sein muß, direkt nach Erfüllung des Militärdienstes Prätor oder sogar Konsul zu werden66, kamen später weitere Bedingungen hinzu. So wurde das Mindestalter für Prätoren auf 39 Jahre festgelegt67. Das Amt des Quästors mußte vorher durchlaufen worden sein, Amtszeiten als Ädil, Tribun oder niederer Magistrat waren sicherlich für das Prestige förderlich.
Das Amt des Konsuls
Wer mit 39 Jahren Prätor wurde, mußte nach den verbindlichen zwei Jahren ohne Amt demnach mindestens 42 Jahre alt sein, um Konsul zu werden. Als Träger des Imperiums erschienen die Konsuln als „die Inkarnation römischer Macht“68, rechtlich durch die Kollegialität und Interzession (intercessio) eines Kollegen nur geringfügig eingeschränkt. Lintott nennt einige Beispiele für (vergebliche) Versuche von Volkstribunen oder anderen Personen einen Konsul von einer Handlung abzubringen - insofern mag die Einschränkung durch das Volkstribunat zu einem Teil auch nur theoretisch sein69. Das Amt des Konsul bedeutete für jeden ehrgeizigen römischen Staatsmann jedenfalls das ultimative Ziel der eigenen Karriere.
Die Hauptaufgabe der Konsuln bestand in der Führung des Feldheeres, weswegen sich der Kon- sul in der Zeit seiner Amtsführung meist außerhalb Roms aufhielt. Meist waren einer oder bei- de Konsuln für das Frühlingsfest feriae Latinae zuständig und verließen anschließend die Stadt70.
Dem Charakter als Feldherr entsprechend hatte der Konsul auch die Centuriatcomitien, die e- hemalige Heeresversammlung, die außerhalb der Bannmeile auf dem Marsfeld zusammenkam, einzuberufen und zu leiten71. In einer solchen hatten die Konsuln auch die Wahl der Nachfolger für alle derart zu wählenden Magistrate zu leiten, bei Abwesenheit mußten sie hierfür einen Diktator ernennen. Zu Beginn und gegen Ende der eigenen Amtszeit führten die Konsuln im Senat die Debatten zur Außenpolitik und entwickelten auch Gesetzesinitiativen72.
Nach Sullas Reformen, wenn auch nicht unbedingt kausal mit ihnen verknüpft, befanden sich die amtierenden Konsuln häufiger in Rom und überließen die Heeresführung häufiger den Pro- Magistraten - sicherlich auch, da häufig mehr Gefahr für den Staat von innen als von außen drohte. Als Beispiel sei an Ciceros Konsulat und die Catilinische Verschwörung sowie den Spartakusaufstand erinnert. Durch den sena tus consultum ultimum, den ‚äußersten Senats- beschluß‘, konnte den Konsuln vom Senat das Recht übertragen werden, in höchster Gefahr für das Staatswesen alle notwendigen Maßnahmen zu dessen Schutz zu unternehmen, auch wenn dadurch Gesetze verletzt würden73.
Die Funktion der Pro-Magistrate
Zum Pro-Konsul oder Pro-Prätor konnte ursprünglich vom Senat ein Amtsinhaber bei Ablauf seiner Amtszeit ernannt werden, z.B. um eine Aufgabe abzuschließen oder bis der neue Amtsinhaber eintraf. Letzteres traf insbesondere für entferntere Kriegsschauplätze während der Expansion des römischen Herrschaftsgebietes zu.
Sulla erklärte die Statthalter in den Provinzen zu Pro-Magistraten: Seit der Reform wurde jeder Konsul oder Prätor nach seinem Amtsjahr automatisch für ein weiteres Jahr als Pro-Konsul bzw. Pro-Prätor in einer Provinz Statthalter. Die zehn Provinzen wurden im Losverfahren den zwei Konsuln und acht Prätoren zugeteilt. Das Imperium der Pro-Magistrate galt jedoch nur in der Provinz, bzw. außerhalb Roms74.
Der Diktator
Wahrscheinlich bereits mit der Beseitigung des Königtums wurde die Möglichkeit geschaffen, einen Alleinherrscher auf Zeit zu bestellen, um in Krisen einen nicht durch Kollegialität beschränkten Führer zu besitzen. Die Bezeichnung magister populi wandelte sich schließlich zu dictator, „für welche Bezeichnung es an einer genügenden Erklärung fehlt.“75
Die Stellung über dem Konsul bedeutete nicht, daß das Konsulat eine rechtliche Voraussetzung war, jedoch wurde schwerlich ein Diktator ernannt, der nicht vorher Konsul war. Das Amt war damit bis zur Öffnung des Konsulats für Plebejer den Patriziern vorbehalten76. 356 v. Chr. wurde der erste Plebejer zum Diktator ernannt77.
Ursprünglich war mit der Ernennung eines Diktators der Rücktritt der übrigen Magistrate ver- bunden, später blieben sie im Amt, wurden aber dem Diktator unterstellt78. Der anfänglich rein militärische Charakter des Diktators zeigte sich in der Benennung seines ersten Assistenten, dem Reiterführer (magister equitum), den sich der Diktator nach seiner Ernennung auswählte79. Alle Diktatoren vor 202 v. Chr. wurden bei äußeren Notlagen ernannt, beispielsweise während des Krieges gegen Hannibal, der Rom direkt bedrohte. Nach 202 v. Chr. wurden keine Diktato- ren mehr ernannt, einerseits weil das Amt innenpolitisch mißbraucht worden war, andererseits, weil keine äußeren Notlagen mehr eintraten. Die Diktaturen von Sulla und Caesar waren ande- rer Art, da beide wegen innerer Notlagen ernannt wurden und auch die zeitliche Beschränkung nicht galt (zu ihrer Zeit entwickelte sich die negative Konnotation des die Freiheit bedrohenden Diktators) 80. Mommsen klammert deshalb beide in seiner Beschreibung völlig aus81.
Der Senat entschied über die Ausrufung eines Notstandes und weiterhin über die Person, die als Diktator fungieren sollte; der Konsul ernannte daraufhin den Diktator. Wahlen fanden nicht statt82.
Der Diktator hatte sein Amt nach Erfüllung seiner Aufgabe selbständig niederzulegen, spätestens aber nach Ablauf von sechs Monaten. Mommsen vermutet weiterhin, daß mit Ablauf der Amtszeit des ernennenden Konsul auch die des Diktators ablief83, während Lintott zumindest ein Gegenbeispiel benennt84, was aber auch damit erklärt werden kann, daß in Rom häufig der gesetzliche Rahmen den Erfordernissen ‚angepaßt‘ wurde.
Es konnte ein Diktator vom Konsul ernannt werden, um Wahlen in Abwesenheit eines Konsuls zu leiten und neue Magistrate zu ernennen85.
Das Amt des Zensors
Die Zensur war das ehrenvollste Amt, welches die Republik zu bieten hatte, auch wenn es sich vom Tagesgeschäft der Politik fernhielt. In der Regel waren die Amtsinhaber ehemalige Kon- suln von großem Ansehen86. Im Jahre 351 v. Chr. wurde zum ersten Mal auch ein Plebejer Zen- sor und erst 131 v. Chr. wurden beide Zensorenstellen durch Plebejer besetzt87. Der Name folgt aus der Hauptfunktion der Zensors, der Bewertung der Vermögen der Bürger und die Zählung derselben (von censere, schätzen, mustern). Die Bewertung war entscheidend für die Steuerpflicht und die Einstufung zum Heeresdienst. Ihnen wurde außerdem die Ernen- nung neuer Senatoren übertragen (ehemalige Magistrate hatten zwar ein Anrecht darauf, ernannt zu werden, jedoch mußte diese Ernennung erst formell durch einen Zensor geschehen), sowie das Feststellen möglichen Fehlverhaltens von Senatoren, was zum Ausschluß aus dem Senat führen konnte88. Letzteres vollbrachten sie durch eine nota censoria, welche öffentliche Äch- tung nach sich zog, und wurden zu einer Art „Sittenaufsicht über den Senat.“89 Alle Festsetzungen der Zensoren (Heeresdienst, Steuerpflicht, usw.) hatten für die übrigen Ma- gistrate jedoch nur Vorschlagscharakter und Magistrate wie auch die Zensoren der nächsten Amtsperiode konnten sich über sie hinwegsetzen90.
Die Zensur wurde zur wichtigsten Magistratur für die öffentliche Kasse, da sie staatlichen Be- sitz und staatliche Aufgaben an meistbietende Privatpersonen verpachtete, sowie öffentliche Aufträge vergab. Die Überwachung der vergebenen Aufträge wurde über die Amtszeit des Zensors hinaus -wie oben beschrieben- durch Ädile übernommen.
Zum Ende ihrer maximal 18 Monate langen Amtszeit führten sie vor der versammelten Bürgerschaft eine religiöse Zeremonie (lustrum) durch, mit der das Ergebnis ihres Zensus erst gültig wurde. Da die Zensorenstellen nur alle fünf Jahre besetzt wurden, entstanden Zwischenjahre ohne amtierenden Zensor91.
Obwohl sie in ihrem Aufgabenbereich auch Strafen verhängen konnten (z.B. den Besitz von Steuerschuldnern versteigern konnten), hatten sie weder ein Imperium noch das Recht irgendeine Versammlung einzuberufen. Andererseits konnten weder Prätoren noch Konsuln die Handlungen der Zensoren verhindern (minor potestas), so daß die Interzession des Amtskollegen oder eines Volkstribuns die einzigen Beschränkungen eines Zensors waren. Alle Bestrebungen von Zensoren, längere Amtszeiten zu erwirken, um ihre Aufgaben besser erfüllen zu können, wurden im Senat, teilweise durch Veto der Volkstribune, abgewehrt92.
Fazit
Für einen jungen römischen Adeligen, den Machtwillen und Ehrgeiz in die Politik führten, stan- den von jeher klare Karrieren zur Verfügung. Diese wurden im Verlaufe der Republik genauer durch Gesetze fixiert und mit der Entwicklung der Ämterla ufbahn durch zusätzliche Ämter an- gereichert. Spätestens mit Sullas Reformen war die Abfolge der Ämter auf dem Weg zu Ruhm -und damit auch zu Geld- klar definiert. Die Laufbahn beinhaltete einen Ausbildungsweg, der von der untersten Stufe an die Persönlichkeiten an Verwaltung und Regeln der Machtausübung heranführte. Nach der militärischen Karriere, in der einzelne Persönlichkeiten eines Jahrganges sich kennenlernten und in einer Kampfgemeinschaft verbunden waren, folgte die Übertragung eines zivilen Aufgabenbereiches: ob als niederer Magistrat oder als Quästor, in einem eng begrenzten Raum entstand erster Handlungsspielraum der zu eigenen Verdiensten führen konnte, die dem öffentlichen Ansehen der Person zuträglich waren.
Auf der nächsten Stufe konnte der junge Mann endlich ins öffentliche Rampenlicht treten, so- fern er den nicht zwingenden Weg über das Volkstribunat oder die Ädilität ging. Durch rau- schende Feste oder juristischen Einsatz konnte er die Sympathien der Massen wie auch des Se- nats erwerben. Bevor er ein eigenes Imperium erlangen konnte, wurde der junge Römer zumin- dest an den Willen des Senates und damit an den der Nobilität gekettet, da er, mit minor po-testas und Kollegialität beschränkt, sich der Zustimmung der Alten im Senat versichern mußte. Als Prätor schließlich hatte eine römische Karriere erstmals das Vertrauen der Bürgerschaft insofern erreicht, daß die Herrschaftsinsignien (fasces, von den Liktoren getragen) angelegt werden durften. Das eigene Imperium, sei es als Gerichtsprätor oder in der Frühzeit als Provin- zialprätor, konnte erstmalig den Machtdurst befriedigen und gleichzeitig die wichtigste Hürde auf dem Weg an die Spitze des Staates ebnen. Vor Sullas Reformen war die Prätur die Garantie für einen Senatsplatz bei der nächsten Zensur, nach der Reform folgte mit der Pro-Prätur die Möglichkeit, sich (endlich) an einer Provinz zu bereichern und so investiertes Kapital zurückzu- erhalten (oder aufgenommene Schulden zurückzahlen zu können).
Mit dem Sprung an die Spitze, der Bekleidung des Konsulates, erreichte der römische Staats- mann den Höhepunkt seiner Karriere. Die Möglichkeit, sich als Feldherr zu profilieren, die Geschicke des Staates zu leiten und sich wesentlich zu bereichern waren für viele antike Persön- lichkeiten Grund genug, mit aller Macht an diese Position zu drängen. Für letzteres mag der Verschwörer Catilina als Beispiel dienen, wenn man der Beschreibung Ciceros folgt. Für den homo novo hatte das Konsulat außerdem die Aufnahme seines Geschlechtes in die Nobilität zur Folge. Weitere Konsula te oder Berufungen als Diktatoren oder Zensoren folgten nur bei den herausragenden Persönlichkeiten.
An der vorgestellten Laufbahn der römischen Ämter lassen sich einige Wertvorstellungen der römischen Gesellschaft ableiten: Das Einfügen in die politischen (Macht-) Verhältnisse und das Akzeptieren der staatlichen Ordnung waren Voraussetzung für die Karriere, wodurch zwangsläufig eine gewisse Bindung an den Willen der aristokratischen Oberschicht erfolgte. Die genaue Anordnung sollte weiterhin das Fortbestehen des Staates garantieren sowie die politische Elite bei der Verteilung der Staatsmacht organisieren.
Verwendete Literatur
& BLEICKEN, Jochen,
Geschichte der Römischen Republik, 3. Aufl. München 1988, (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 2)
& BLEICKEN, Jochen,
Die Verfassung der Römischen Republik. Grundlagen und Entwicklung, 5. Aufl. Paderborn/München/Wien/Zürich 1989
& DEMANDT, Alexander,
Antike Staatsformen. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte, Berlin 1995
& KUNKEL, Wolfgang / WITTMANN, Roland
Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik. Zweiter Abschnitt: Die Magistratur, München 1995
& LINTOTT, Andrew,
The Constitution of the Roman Republic, Oxford 1999
& MOMMSEN, Theodor,
Abriss des römischen Staatsrechts, 2. Aufl. Leipzig 1907
& STEWART, Roberta,
Public Office in Early Rome. Ritual Procedure and Political Practice, Ann Arbor 1998
[...]
1 vgl. Mommsen, Theodor, Abriß des römischen Staatsrechts, 2. Aufl. Leipzig 1907, S.85
2 Demandt, Alexander, Antike Staatsformen. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte, Berlin 1995, S. 400
3 vgl. Stewart, Roberta, Public Office in Early Rome. Ritual Procedure and Political Practice, Ann Arbor 1998, S. 22ff
4 dazu s.u. Abschnitt über die Volkstribune
5 vgl. Bleicken, Jochen, Die Verfassung der Römischen Republik. Grundlagen und Entwicklung, 5. Aufl. Paderborn/München/Wien/Zürich 1989, S. 42ff
6 vgl. Kunkel, Wolfgang / Wittmann, Roland, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik. Zweiter A b- schnitt: Die Magistratur, München 1995, S. 61f
7 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 108f
8 vgl. Demandt, Staatsformen, S. 400
9 vgl. Lintott, Andrew, The Constitution of the Roman Republic, Oxford 1999, S.145
10 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 76f
11 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 82
12 Bleicken, Verfassung, S. 75
13 vgl. Lintott, Constitution, S. 145
14 vgl. Kunkel, Staatsrecht, S. 12f
15 vgl. Lintott, Constitution, S. 139f
16 vgl. Lintott, Constitution, S. 37
17 vgl. Kunkel, Staatsrecht, S.532
18 vgl. Kunkel, Staatsrecht, S. 533ff
19 Kunkel, Staatsrecht, S. 537
20 vgl. Kunkel, Staatsrecht, S.540ff
21 vgl. Kunkel, Staatsrecht, S.547ff
22 Mommsen, Abriß, S. 180
23 vgl. Mommsen, Abriß, S. 180f
24 vgl. Lintott, Constitution, S. 133ff
25 vgl. Mommsen, Abriß, S. 181
26 vgl. Stewart, Office, S. 30
27 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 86
28 Augustus setzte wieder nur 20 Quästoren ein
29 vgl. Bleicken, Geschichte, S. 22
30 Mommsen, Abriß, S. 50
31 vgl. Lintott, Constitution, S. 121
32 Mommsen, Abriß, S. 51
33 vgl. Bleicken, Jochen, Geschichte der Römischen Republik, 3. Aufl. München 1988, (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 2), S. 23f
34 vgl. Lintott, Constitution, S. 124
35 Bleicken, Geschichte, S. 24
36 Bleicken, Verfassung, S. 88
37 vgl. Lintott, Constitution, S. 122
38 Mommsen, Abriß, S.170
39 vgl. Mommsen, Abriß, S. 169
40 vgl. Lintott, Constitution, S. 126ff
41 Bleicken, Verfassung, S. 88
42 Mommsen, Abriß, S.171
43 Bleicken, Verfassung, S. 88
44 vgl. Kunkel, Staatsordnung, S. 475
45 vgl. Mommsen, Abriß, S. 177
46 vgl. Kunkel, Staatsrecht, S. 473
47 vgl. Kunkel, Staatsrecht, S. 472, n.1
48 vgl. Lintott, Constitution, S.129f
49 Mommsen, Abriß, S. 177
50 vgl. Mommsen, Abriß, S. 179
51 vgl. Mommsen, Abriß, S. 178
52 Kunkel, Staatsrecht, S. 481
53 vgl. Kunkel, Staatsrecht, S. 482ff
54 vgl. Bleicken, Geschichte, S. 17f
55 Verwendung unsicher, 300. v.Chr. wurde die Bezeichnung in einer Grabinschrift verwendet - vgl. Lintott, Constitution, S. 104
56 vgl. Lintott, Constitution, S. 104f
57 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 77 und S. 83f
58 vgl. Lintott, Constitution, S. 37
59 vgl. Mommsen, Abriß, S. 165
60 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 84
61 z.B. praetor repetundis, oder zur Bekämpfung von Banditen in Apulien 185/4 v. Chr. - vgl. Mommsen, Abriß, S. 165 ; Lintott, Constitution, S. 108
62 vgl. Lintott, Constitution, S. 109
63 vgl. Mommsen, Abriß, S. 167
64 vgl. Lintott, Constitution, S. 109
65 vgl. Mommsen, Abriß, S. 167f
66 vgl. Lintott, Constitution, S. 145
67 Für Patrizier, denen die Laufbahn als Volkstribun oder plebejischer Ädil verwehrt war, lag das Mindestalter für den curulischen Prätor bei 36 Jahren
68 Bleicken, Verfassung, S. 83
69 vgl. Lintott, Constitution, S. 106f
70 vgl. Lintott, Constitution, S. 105
71 vgl. Mommsen, Abriß, S. 159ff
72 vgl. Lintott, Constitution, S. 105
73 vgl. Lintott, Constitution, S. 89ff
74 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 93ff
75 Mommsen, Abriß, S. 162
76 vgl. Mommsen, Abriß, S. 162
77 vgl. Lintott, Constitution, S. 37
78 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 90
79 vgl. Lintott, Constitution, S. 110
80 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 90f
81 vgl. Mommsen, Abriß, S. 162
82 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 90
83 vgl. Mommsen, Abriß, S. 163
84 vgl. Lintott, Constitution, S. 110f
85 vgl. Mommsen, Abriß, S.104ff
86 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 89
87 vgl. Mommsen, Abriß, S. 172
88 vgl. Bleicken, Verfassung, S. 89
89 Demandt, Staatsformen, S. 403
90 vgl. Mommsen, Abriß, S. 174f
91 vgl. Mommsen, Abriß, S. 173f
92 vgl. Lintott, Constitution, S. 116ff
- Quote paper
- Oliver Wagner (Author), 2000, Der Cursus Honorum. Die römische Ämterlaufbahn, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104095
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