Ziel der Arbeit ist es, mithilfe einer Stichprobe Erkenntnisse über das Überleben in der NS-Euthanasie in Großschweidnitz zu sammeln. Zeitlich soll dabei die Phase der „wilden Euthanasie“ betrachtet werden, die sich zwischen 1943 und 1945 abspielte. Dafür wurden 29 Akten ausgewertet und statistisch nach unterschiedlichen Kriterien erfasst.
Am 27. Januar 2017 erinnerte der Deutsche Bundestag anlässlich des 75. Jahrestags der Wannsee-Konferenz an die Verbrechen der NS- „Euthanasie“. Der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert eröffnete die Gedenkveranstaltung und sagte:
„Wir gedenken in diesem Jahr besonders der Kranken, Hilflosen und aus Sicht der NS-Machthaber „Lebensunwerten“, die im sogenannten „Euthanasie“-Programm ermordet wurden: 300.000 Menschen, die meisten zuvor zwangssterilisiert und auf andere Weise gequält.“
Die weiteren Redner waren ausnahmslos Verwandte von Opfern, die aus dem tragischen Leben ihrer ermordeten Angehörigen berichteten. Jedoch kaum Erwähnung fanden all jene, die in diesen Zeiten überlebten, als psychisch krank stigmatisiert, herabgewürdigt und als „lebensunwert“ eingestuft wurden. Auch in der Wissenschaft und der Aufarbeitung dieser Verbrechen lag der Fokus bisher besonders auf Personen, die durch die Euthanasie im Dritten Reich ihr Leben verloren. Es ist in gewissem Maße nachvollziehbar, dass die extremen Ausprägungen, wie die Morde, eine größere Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Aufarbeitung erhalten. Die Lebensumstände der Überlebenden sind dabei allerdings noch weitestgehend unerforscht. Einen kleinen Beitrag dies zu ändern, soll diese Bachelorarbeit leisten.
Als Beispiel dafür soll die Pflegeheilanstalt in Großschweidnitz im Osten Sachsens dienen. Etwa 4.500 Patienten verloren hier zwischen 1940 und 1945 ihr Leben. Die Krankenakten all jener sind in den vergangenen Jahren erschlossen worden und es ist nun bekannt, wer die Opfer waren. Die Überlebenden hingegen sind bisher kaum erforscht oder systematisiert. Es ist lässt sich nicht einmal genau beziffern, von wie vielen Personen man hier spricht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Motivation und Kernthesen
- Forschungsstand
- Ideologische und gesetzliche Grundlagen der Euthanasie
- Eugenik in der Psychiatrie
- Die NS-Gesetze zur „Rassenhygiene“
- Ideengeber der „Euthanasie“
- Die „Euthanasie“-Ermächtigung und ihre Umsetzung
- Die Königlich Sächsische Pflegeheilanstalt Großschweidnitz
- Die Anstalt bis zum Ende der Weimarer Republik
- Die Anstalt nach der NS- „Machtergreifung“ – auf dem Weg in die Euthanasie
- Die Anstalt als Zwischenstation zur Ermordung auf dem Sonnenstein
- Die Anstalt in der Phase der „,Wilden Euthanasie“
- Überleben in der NS- Euthanasie – Auswertung der 29 Krankenakten
- Datensatz, Methodik und Thesen
- Auswertung
- Die Sonderstellung der Arbeitsfähigkeit
- Der Meldebogen und das Merkblatt von 1941 als Kriterium der „,wilden Euthanasie“?
- Weiche Faktoren
- Beispiellebensläufe
- Gerdrud A. 30 Jahre Großschweidnitz
- Elfriede W.-,,stiehlt wo sie kann den anderen Kindern das Essen weg“
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Lebensbedingungen von psychisch Kranken in der Pflegeheilanstalt Großschweidnitz während der NS-„Euthanasie“, insbesondere in der Phase der „wilden Euthanasie“ von 1943 bis 1945. Sie analysiert anhand einer Stichprobe von 29 Krankenakten, welche Faktoren das Überleben in dieser Zeit beeinflussten. Die Arbeit möchte dazu beitragen, die bisher wenig beachteten Lebensumstände der Überlebenden in der NS-Euthanasie zu erforschen und ein besseres Verständnis für die komplexen Zusammenhänge in dieser dunklen Epoche zu ermöglichen.
- Analyse der Bedeutung der Arbeitsfähigkeit für das Überleben in der NS-Euthanasie.
- Bedeutung der Kriterien des T4-Meldebogens für das Überleben der Patienten.
- Einbezug „weicher Faktoren“ wie Verhalten und Arbeitsaufwand in die Analyse des Überlebens.
- Entwicklung eines Bildes des prototypischen Überlebenden der NS-Euthanasie.
- Identifizierung von Trends und Indikatoren für das Überleben in der NS-Euthanasie.
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Motivation und die Kernthesen der Arbeit vor. Sie beschreibt den Forschungsstand zum Thema und hebt die Bedeutung der Untersuchung der Überlebenden der NS-„Euthanasie“ hervor. Sie erläutert die Wahl der Pflegeheilanstalt Großschweidnitz als Fallbeispiel und das Ziel der Arbeit, Erkenntnisse über das Überleben in der NS-Euthanasie zu gewinnen.
- Ideologische und gesetzliche Grundlagen der Euthanasie: Dieses Kapitel beschreibt die ideologischen und gesetzlichen Grundlagen der NS-„Euthanasie“. Es stellt den Zusammenhang zwischen Eugenik und Psychiatrie im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert dar und beleuchtet die Werke deutscher Vordenker der Euthanasie. Anschließend wird die konkrete Umsetzung der Rassenhygiene im Nationalsozialismus dargestellt, angefangen vom „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ 1933 bis hin zu den Morden an den psychisch Kranken in der Euthanasie ab 1941.
- Die Königlich Sächsische Pflegeheilanstalt Großschweidnitz: Dieses Kapitel beleuchtet die Geschichte der Pflegeheilanstalt Großschweidnitz, beginnend mit ihrer Entwicklung bis zum Ende der Weimarer Republik. Es untersucht die Veränderungen in der Anstalt nach der NS-„Machtergreifung“ und ihren Weg in die Euthanasie. Der Fokus liegt auf der Rolle der Anstalt als Zwischenstation für die Ermordung von Patienten auf dem Sonnenstein und der Phase der „wilden Euthanasie“.
- Überleben in der NS- Euthanasie – Auswertung der 29 Krankenakten: Dieses Kapitel präsentiert die Ergebnisse der Analyse von 29 Krankenakten aus der Pflegeheilanstalt Großschweidnitz. Es untersucht die Bedeutung der Arbeitsfähigkeit, die Rolle der Kriterien des T4-Meldebogens und den Einfluss von „weichen Faktoren“ auf das Überleben. Zudem werden beispielhafte Lebensläufe von Überlebenden vorgestellt, die ein genaueres Bild von den individuellen Schicksalen vermitteln.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen der Arbeit sind die NS-„Euthanasie“, das Überleben von psychisch Kranken in der Pflegeheilanstalt Großschweidnitz, die Bedeutung von Arbeitsfähigkeit, die Kriterien des T4-Meldebogens, „weiche Faktoren“ und die Analyse von Krankenakten.
- Quote paper
- Hans Schulze (Author), 2018, Überleben in der NS-Euthanasie. Die Königlich Sächsische Pflegeheilanstalt Großschweidnitz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1038769