Siddhartha von Hermann Hesse
Hintergründe zur Entstehung des Romans Siddhartha:
Zum Verhältnis Hesses zu Indien eine Passage aus dem Aufsatz
" Ü ber mein Verhältnis zum geistigen Indien und China":
"Von frühester Kindheit an war ich von außen her mit indischem Wesen vertraut, mein Großvater, meine Mutter und mein Vater waren alle drei lange in Indien gewesen, sprachen indische Sprachen (...), in unserem Hause waren viele indische Sachen, Kleider, Gewebe, Bilder etc. Unbewußt sog ich so viel Indisches ein. Besonders erinnere ich mich an schöne, lebhafte Erzählungen meiner Mutter aus ihrer indischen Zeit. Meine Eltern und Großeltern waren als Missionare tätig gewesen, mein Großvater war Jahrzehnte in Indien. Doch waren sie alle drei nicht vom Schlage des Durchschnitts-Missionars, waren tief in Sprachen und Seele Indiens eingedrungen, das sie sehr liebten. Ich erinnere mich eines handschriftlichen Buches, das mein Vater besaß und in das er während seiner indischen Zeit vieles eingeschrieben hatte, vor allem erinnere ich mich, daß darin viele buddhistische Gebete standen, von meinem Vater übersetzt, teils in Deutsch, teils in Englisch, und daß er uns zuweilen mit sichtlichem Gefallen an der Frömmigkeit und Poesie diese Gebete daraus vorlas.Bei meinen Eltern und Großeltern war sehr viel Liebe für Indien und viel Bereitschaft zum Verständnis Indiens vorhanden, doch stand ihr Christentum im Wege, sie anerkannten Indien und seine Ideen sehr, aber stets mit dem Vorbehalt, daß doch eben die Lehre Jesu allein göttlich und endgültig sei, ebenso wie sie auch Goethe und andre weltliche Weise schätzten, aber stets mit jenem mir fatalen Vorbehalt."
Hesseüber seine Indienreise 1911:
"Im heißen Sommer 1911 fuhren wir (Hermann Hesse und der Maler Hans Sturzenegger) zusammen durch die Schweiz und das versengte Oberitalien nach Genua und von da ohne Pause zur See bis zu den Straits Sattlements. In Penang schlug uns, an einem heißfeuchten glanzvollen Abend, zum erstenmal das quellende Leben einer asiatischen Stadt entgegen, zum erstenmal sahen wir das indische Meer zwischen den unzählbaren Koralleninseln spieglen und blickten mit Erstaunen den bunten Erscheinungen des Gassenlebens in der Hindustadt (...) nach. Wildes, farbiges Menschengewimmel in den immer vollen Gassen, (...), scheue nackte Kinder, rudernde dunkle Fischer in urweltlichen Booten! Von diesen ersten Eindrücken der schon etwas europäisierten Hafenstädte bis in den stillen pfadlosen Urwald im Südosten Sumatras häuften und verstärkten sich die Bilder, bis jeder von uns sein Indien, sein Asien gefunden hatte und in sich trug. Auch diese Vorstellungen haben sich später noch geändert, ihre Werte und Deutungen verschoben.Geblieben ist das Erlebnis eines Traumbesuches bei fernen
Vorfahren, einer Heimkehr zu märchenhaften Kindheitszuständen der
Menschheit, und eine tiefe Ehrfurcht vor dem Geiste des Ostens, der in indischer oder chinesischer Prägung mir seither immer wieder nahe kam und zum Tröster und Propheten wurde."
- Studien indischer und ostasiatischer Literatur und Philosophie
- Indische Philosophie zur damaligen Zeit in Mode, Künstler und Philosophen flüchteten sich aus der sinnentleerten Nachkriegswelt in die harmonisierende Geisteswelt des Orients
- Hauptthemen Hesses: die Suche nach der Einheit in den Gegensätzen und der
Menschwerdung; Siddhartha ringt wie vor ihm schon die Romanfiguren Peter
Camenzind, Demian, Klingsor, oder der Steppenwolf Harry Haller mit der Bipolarität der Welt, er will sein Selbst finden und die Gegensätze überwinden
- Oktober 1922 erscheint „Siddhartha. Eine indische Dichtung“ in einer Auflage von 6050 Exemplaren
Siddhartha. Eine indische Dichtung
Ort und Zeit:
Indien zu Lebzeiten Buddhas, 560-480 v.Chr.
Personen:
Siddhartha, Hauptperson
Kamala, Geliebte und Seelenverwandte Siddharthas Kamaswami, Kaufmann
Vasudeva, weiser Fährmann
Govinda, Jugendfreund Siddharthas Gotama Buddha, Buddha
Worterklärungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Inhaltsangabe:
Siddhartha, Sohn eines Brahmanen, wächst zusammen mit seinem Freund Govinda in reicher, gesicherter Umgebung heran und wird in den heiligen Bräuchen der Brahmanen und durch die Weisheit der Älteren erzogen. Doch als ihn ein Gefühl des Ungenügens ergreift, verlässt er sein Elternhaus und schließt sich mit Govinda pilgernden Samanas an. Bei den Samanas lernt Siddhartha sich durch Askese von sich selbst zu entfernen und durch Versenkung und Fasten der Qual der Ich-Existenz zu entfliehen. Da er als fastender Büser nicht u seinem Ziel kam, verlässt er nach 3 Jahren die Samanas und zieht zu Gotama Buddha, um dessen Lehre zu hören. Im Gegensatz zu Govinda ist
Siddhartha von Gotama Buddhas Rede nicht überzeugt und die Wege der Freunde trennen sich. Siddhartha, der nun allein seinen Weg sucht, wendet sich dem sinnlichen Leben zu und trifft dabei auf die schöne Kurtisane Kamala. Durch sie lernt er die Liebeskunst und die Welt der „Kindermenschen“ mit Geld, Luxus und Genuss kennen. Zwar scheint es, dass das oberflächliche Weltleben ihn immer mehr in Besitz nimmt, doch eines Tages denkt er über seine eigentliche Bestimmung nach und verlässt angeekelt von der inneren Leere Stadt, Besitz und Geliebte. An einem Fluss angekommen, will Siddhartha voller Ekel vor sich selbst seinem Leben ein Ende bereiten, doch er erwacht aus einem tiefen Schlaf und er erkennt die Torheit seines Tuns und sieht die Notwendigkeit des Geschehenen ein. Er lässt sich am Fluss nieder und Vasudeva, der Fährmann lehrt ihn den Geheimnissen des fließenden Wasser zu lauschen. Noch einmal trifft er seine Geliebte Kamala, die dem Weltenleben ebenfalls entsagt hat und auf dem Weg zu Gotama Buddha mit ihrem und Siddharthas Sohn den Fluss überqueren möchte. Sie stirbt in seinen Armen an einem Schlangenbiss und hinterläßt ihm ihren in Luxus aufgewachsenen Sohn, der ihm nur feindliche Ablehnung entgegenbringt. Als der Junge schließlich flieht, eilt Siddhartha ihm in blinder Liebe nach. Doch er sieht schließlich ein, dass er seinen Sohn seinen eigenen Weg gehen lassen muss und gelangt so an sein Ziel. Nun ist er reif, das Lied des Flusses zu hören, in dessen vielschichtigen Melodien er die Einheit hört. Govinda, dessen Weg zu Siddhartha führt, wird Zeuge von dessen Vollendung.
Siddhartha:
Hesse konzipierte seine Figur des Siddhartha nach dem Leben des Religionsgründers Buddha, außerdem hat auch die Figur des chinesischen Glaubensstifters und Philosophen Lao-Tse Einfluss ausgeübt. Siddharthas Lebensweg z. B. entspricht in etwa dem Lebensweg Buddhas.
Informationen zur historischen Figur des Buddha:
- ebenfalls Vornamen Siddhartha, Buddha = Ehrentitel („der Erwachte, der Erleuchtete“)
- Sohn des Fürsten Shuddhodana und seiner Frau Maya, heiratet mit 16 à Krieger, Staatsmann
- sucht nach dem Sinn des Lebens à tief schockiert, als er bei öffentlichem Auftritt
Tod und Krankheit sieht, die bisher von ihm fern gehalten wurden
- Begegnung mit Weisen, die Tod und Krankheit nicht mehr berührt à Lebenswandel, studiert Yoga, wird mit 29 zum Bettelmönch, lebt 6 Jahre lang im Urwald, sucht Leid zu erfahren um es zu überwinden
- meditiert mit 45 unter einem Baum, in der Absicht, solange still zu verharren, bis er das Rätsel des Leidens der Menschheit gelöst hat à erkennt, dass Hass und
Unwissen das Rad der Wiedergeburten in Gang halten à tritt ins Nirvana ein
- will anderen den Weg zur Erlösung zeigen
- Lehre: Die Welt ist Leiden, man kann sie nur durch richtiges Denken, Handeln und
Fühlen überwinden
Charakteristik Siddharthas:
Die Figur des Siddhartha wirkt sehr stilisiert, hat aber trotz allem individuelle Charakterzüge:
Siddhartha ist ganz Held, schön, mit erhabenen Auftreten und gutem Benehmen, von Einzigartigkeit und Besonderheit. Siddhartha gibt sich jeder Lebensphase vollständig hin und tut, das was er tut mit Leib und Seele. Als Samana z. B. denkt er ausschließlich an Meditation und Askese, kein Wunsch nach körperlichen Genüssen wird laut. Er zeigt keinen Wankelmut und weicht nie von seinem Wege ab. Siddhartha versucht stets, Herr seiner Sinne und seines Willens zu bleiben. Schon der Name „Siddhartha: der sein Ziel erreicht hat“ spricht Bände, denn von Anfang an ist klar, dass der Held sein Ziel erreichen wird.
Charakteristik der Nebenfiguren:
Jede der wenig plastischen Nebenfiguren steht für einen Lebensabschnitt Siddharthas und trägt zur Vollendung des Helden bei. Kamala zum Beispiel repräsentiert die Welt der Lust und der Sinne. Sie wird ergänzt durch den Kaufmann Kamaswami, der dieser Welt den materiellen Hintergrund verschafft. Vasudeva und Gotama stehen beide für das Ziel Siddharthas, denn sie sind beide erleuchtet, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise: Gotama ist ein Mann der Lehre, während Vasudeva ein Mann der Tat ist. Govinda ist nicht nur Siddharthas Jugendfreund, der neben seinem Sohn der einzige Mensch ist, den Siddhartha wahrhaft liebt, sondern auch Zeuge von Siddharthas fortschreitender Entwicklung. In allen entscheidenden Situationen ist er stets zur Stelle. Da Govinda eher emotional veranlagt ist, bietet er einen Gegenpol zu Siddharthas Welt des Geistes.
Aufbau und Sprache:
- aufgebaut wie Heiligenlegende; Sinn der Legende ist die Schilderung des
Lebensablaufs eines Heiligen, um den Zuhörer zu belehren und zu erbauen
- klar gegliederter Aufbau: 2 Teile; erster Teil vier Kapitel, zweiter Teil acht Kapitel
- erster Teil beschreibt Siddharthas Suche nach der wahren Lehre, zweiter Teil erzählt Erfahrungen Siddharthas bei den „Kindermenschen“
- chronologische Erzählweise
- auktoriales Erzählverhalten
- Struktur und Sprache erinnern an religiöse Texte indischen und chinesischen
Glaubens
Aussageabsicht:
Die Antworten, die der erleuchtete Siddhartha seinem Freund Govinda auf seine Fragen hin gibt, entsprechen im Wesentlichen der Aussageabsicht Hesses: Suchen behindert nur das Finden. Der Mensch soll frei sein und allem offen stehen. Man kommt nicht durch Lehre zur Vollendung und Erleuchtung, sondern durch eigene, wenn auch oft schmerzliche Erfahrung.
Eigene Meinung:
Sehr interessant, da zeitlos und auf jeden Menschen übertragbar!!!!!
Quellen: CD-ROM, Siddhartha, Hermann Hesse, Suhrkamp BasisBibliothek, terzio
Häufig gestellte Fragen zu Siddhartha von Hermann Hesse
Worum geht es in den Hintergründen zur Entstehung des Romans Siddhartha?
Die Hintergründe beleuchten Hesses Beziehung zu Indien, insbesondere durch Zitate aus seinem Aufsatz "Über mein Verhältnis zum geistigen Indien und China". Darin beschreibt er den Einfluss seiner Familie (Großvater, Mutter und Vater), die lange in Indien waren und indische Sprachen sprachen. Er erinnert sich an Erzählungen seiner Mutter und buddhistische Gebete, die sein Vater übersetzt hatte. Hesse betont die Liebe und das Verständnis seiner Familie für Indien, obwohl ihr Christentum eine bedingungslose Akzeptanz verhinderte.
Was beschreibt Hesse über seine Indienreise im Jahr 1911?
Hesse beschreibt seine Reise mit dem Maler Hans Sturzenegger, die ihn durch die Schweiz und Italien nach Asien führte. Er schildert seine ersten Eindrücke von asiatischen Städten wie Penang und die Begegnung mit der indischen Kultur. Die Reise führte ihn bis in den Urwald Sumatras, wo er sein eigenes Indien und Asien fand. Es war für ihn wie ein Traumbesuch bei fernen Vorfahren und eine Heimkehr zu märchenhaften Kindheitszuständen der Menschheit.
Welche Hauptthemen Hesses werden im Zusammenhang mit Siddhartha genannt?
Genannt werden die Suche nach der Einheit in den Gegensätzen und die Menschwerdung. Siddhartha ringt, wie andere Romanfiguren Hesses, mit der Bipolarität der Welt und versucht, sein Selbst zu finden und die Gegensätze zu überwinden.
Wann erschien Siddhartha und wie viele Exemplare wurden gedruckt?
Siddhartha. Eine indische Dichtung" erschien im Oktober 1922 in einer Auflage von 6050 Exemplaren.
Wo und wann spielt die Handlung von Siddhartha?
Die Handlung spielt in Indien zur Lebzeiten Buddhas, etwa von 560 bis 480 v.Chr.
Wer sind die wichtigsten Personen in Siddhartha?
Die wichtigsten Personen sind: Siddhartha (Hauptperson), Kamala (Geliebte und Seelenverwandte), Kamaswami (Kaufmann), Vasudeva (weiser Fährmann), Govinda (Jugendfreund) und Gotama Buddha (Buddha).
Wie lässt sich die Inhaltsangabe von Siddhartha zusammenfassen?
Siddhartha, ein Brahmanensohn, verlässt sein Elternhaus und schließt sich Samanas an, um Askese zu praktizieren. Er ist jedoch nicht überzeugt, dass dies der richtige Weg ist und trennt sich von Govinda, der sich Buddha anschließt. Siddhartha wendet sich dem sinnlichen Leben zu, lernt die Liebeskunst von Kamala und das Geschäftsleben von Kamaswami kennen. Eines Tages erkennt er die innere Leere dieses Lebens und verlässt alles. Am Fluss trifft er Vasudeva, der ihn die Weisheit des Wassers lehrt. Kamala stirbt, nachdem sie einen Sohn von ihm geboren hat. Siddhartha lernt, seinen Sohn loszulassen und erreicht schließlich die Erleuchtung, indem er das Lied des Flusses hört.
Welche Einflüsse hatte Hesse bei der Konzeption der Figur Siddhartha?
Hesse orientierte sich am Leben des Religionsgründers Buddha und ließ sich auch von der Figur des chinesischen Glaubensstifters Lao-Tse inspirieren.
Was sind die Hauptcharakterzüge Siddharthas?
Siddhartha wird als Held mit erhabenem Auftreten und gutem Benehmen dargestellt. Er gibt sich jeder Lebensphase vollständig hin und ist bestrebt, Herr seiner Sinne und seines Willens zu bleiben. Sein Name, "der sein Ziel erreicht hat", deutet bereits auf seinen Erfolg hin.
Welche Rolle spielen die Nebenfiguren im Roman?
Jede Nebenfigur repräsentiert einen Lebensabschnitt Siddharthas und trägt zu seiner Vollendung bei. Kamala verkörpert die Welt der Lust und Sinne, Kamaswami den materiellen Hintergrund. Vasudeva und Gotama stehen für das Ziel der Erleuchtung, Govinda ist Zeuge von Siddharthas Entwicklung.
Wie ist der Roman aufgebaut und welche Sprache wird verwendet?
Der Roman ist wie eine Heiligenlegende aufgebaut und in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil beschreibt Siddharthas Suche nach der wahren Lehre, der zweite seine Erfahrungen bei den "Kindermenschen". Die Erzählweise ist chronologisch und auktorial. Struktur und Sprache erinnern an religiöse Texte indischen und chinesischen Glaubens.
Was ist die Aussageabsicht des Romans?
Die Aussageabsicht Hesses liegt darin, dass Suchen das Finden behindert. Der Mensch soll frei sein und allem offen stehen. Vollendung und Erleuchtung erreicht man nicht durch Lehre, sondern durch eigene, oft schmerzliche Erfahrungen.
- Quote paper
- Katharina Kestler (Author), 2001, Hesse, Hermann - Siddharta, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103861