Die Masterarbeit legt dar, wie Krisenursachen zu einem konkreten Wandel der bislang vorherrschenden Unternehmenskultur in Organisationen unterschiedlicher Branchen und Größen führen können. Zu diesem Zweck werden die relevanten Begriffe Unternehmenskultur und Krise genauer definiert, abgegrenzt und in einen Zusammenhang gestellt.
Im Anschluss wird anhand eines Beispielunternehmens analysiert, inwiefern sich die bislang vorherrschende Unternehmenskultur durch die Krise der Corona-Pandemie gewandelt und verändert hat.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Forschungsfragen und Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit
2. Theoretische Grundlagen und Stand der Forschung
2.1 Untemehmenskrise
2.1.1 Begriffsbestimmung Untemehmenskrise
2.1.2 Verlauf von Untemehmenskrisen
2.1.3 Ursachen für Untemehmenskrisen
2.1.3.1 Exogene Krisenursachen
2.1.3.2 Endogene Krisenursachen
2.1.3.3 Zusammenwirken von exogenen und endogenen Krisenursachen
2.2 Untemehmenskultur
2.2.1 Entstehung von Untemehmenskultur
2.2.2 Begriffsbestimmung von Untemehmenskultur
2.2.3 Modelle zur Analyse von Untemehmenskultur
2.2.3.1 Das Drei-Ebenen Modell nach Schein
2.2.3.2 Vernetzte Komponenten der Untemehmenskultur nach Sackmann
2.2.3.3 Das kulturelle Netz nach Johnson
2.2.3.4 Gegenüberstellung der Modelle
2.3 Auswirkungen von exogenen Krisen auf die Untemehmenskultur, am Beispiel der Corona-Pandemie
2.3.1 Rahmenbedingungen von Unternehmen in Krisenzeiten..
2.3.2 Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Moral und Profit von Unternehmen
2.3.3 Untemehmenskulturen in Krisenzeiten auf theoretischer Grundlage
2.3.4 Veränderung und Wandel von Untemehmenskulturen in der Praxis
3. Empirischer Teil
3.1 Methodische Vorgehensweise
3.1.1 Wahl der Forschungsmethode und Werkzeuge
3.1.2 Bedeutung und Aufbau des Interviewleitfadens
3.1.3 Auswahl und Kontaktierung der Experten
3.1.4 Durchführung der Experteninterviews
3.1.5 Sicherung und Zusammenfassung der Ergebnisse
3.2 Durchföhrung von Untemehmenskulturanalysen
3.2.1 Untemehmenskulturanalyse der BASF SE
3.2.2 Untemehmenskulturanalyse der Sandler AG
3.2.3 Untemehmenskulturanalyse des Barn-Versandes
3.2.4 Untemehmenskulturanalyse der Digital Charging Solutions GmbH
4. Schlussteil und Diskussion
4.1 Diskussion und Handlungsempfehlungen
4.1.1 Erkenntnisse der Untersuchung
4.1.2 Handlungsempfehlungen för strategische Maßnahmen in exogenen Untemehmenskrisen
4.1.2.1 Präventive Gestaltung eines Konzeptes för das Krisenmanagement
4.1.2.2 Werteorientierte Kommunikationsmaßnahmen an die Belegschaft
4.1.2.3 Feedback und Reflexionstermine
4.1.3 Grenzen der Untersuchung und Empfehlung för weiterföföende Forschung
4.2 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
A.l Interviewleitfaden
A.2 Transkriptionen der Interviews
Abkürzungsverzeichnis
AG. Aktiengesellschaft
GmbH Gesellschaft. mit begrenzter Haftung
Ph.D Doctor of Philosophy
SE.. Societas Europaea
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Aufbau der vorliegenden Arbeit
Abbildung 2. Typischer Verlauf von Untemehmenskrisen
Abbildung 3. PESTLE Analyse zu den Auswirkungen von COVID-19
Abbildung 4. Beispiele für die Auswirkung von Untemehmensskandalen
Abbildung 5. Das Drei-Ebenen-Modell
Abbildung 6. Vernetzte Komponenten der Untemehmenskultur mit Beispielen
Abbildung 7. Das kulturelle Netz
Abbildung 8. Exemplarische Auflistung von Funktionssystemen
Abbildung 9. Dilemmaquadrant zur Corona-Krise mit Beispiehmtemehmen
Abbildung 10. Unfreeze-Move-Refreeze Modell von Lewin
Abbildung 11. Generelle Entwicklungen von Untemehmenskulturen während der Corona Pandemie
Abbildung 12. Ökonomische Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die BASF SE
Abbildung 13. Wandel und Veränderung der Untemehmenskultur der BASF SE während der Corona-Pandemie
Abbildung 14. Ökonomische Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Sandler AG
Abbildung 15. Wandel und Veränderung der Untemehmenskultur der Sandler AG während der Corona-Pandemie
Abbildung 16. Ökonomische Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Baur-Versand
Abbildung 17. Wandel und Veränderung der Untemehmenskultur des Baur-Versandes während der Corona-Pandemie
Abbildung 18. Ökonomische Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Digital Charging Solutions GmbH
Abbildung 19. Wandel und Veränderung der Untemehmenskultur der Digital Charging Solutions GmbH während der Corona-Pandemie
Abbildung 20. Konzept zur präventiven Gestaltung des Krisenmanagements
Abbildung 21. Instrumente der internen Krisenkommunikation
Abbildung 22. Ablauf des Huddle-Feedbackansatzes
1. Einleitung
Die vorliegende Masterarbeit bildet den Abschluss meines Studiums im Master of Science Programm „International Business Development“ an der Hochschule Reutlingen. Hiermit möchte ich einerseits meine wirtschaftlichen Kenntnisse anhand der derzeit vorherrschenden Wirtschaftskrise, bedingt durch die Infektionskrankheit Covid-19 darlegen und andererseits mein Wissen rund um die Thematik der Untemehmenskultur auf den Prüfstand stellen und vertiefen. Meine persönliche Anschauung basiert auf der Überzeugung, dass Unternehmen, welche ihre Untemehmenskultur und die damit verbundene Wertestruktur leben, pflegen und insbesondere in Krisenzeiten stetig weiterentwickeln und anpassen auch unter erschwerenden Rahmenbedingungen Wettbewerbserfolge erzielen und durch das Meistem von Herausforderungen, wie exogenen Krisen, nachhaltig sowohl als Wirtschaftsuntemehmen als auch als Gemeinschaft von Mitarbeitern wachsen können.
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
Durch das Ausbrechen von Covid-19, einer globalen Infektionskrankheit, welche durch ihre rasche Ausbreitung im Jahr 2020 zu einem Einbruch der gesamten Weltwirtschaft führte, stehen sowohl Arbeitgeber als auch Mitarbeiter vor einer neuartigen Herausforderung (Paefgen-Laß, 2020). Aufgrund der in Kraft getretenen Verordnungen zur Eindämmung des Virus, welche beispielsweise durch Kontaktbeschränkungen von Personen und Schließungen von Ländergrenzen realisiert wurden, war ein Großteil der Unternehmen dazu gezwungen, die Geschäftstätigkeiten teilweise oder sogar vollständig bis zur Lockerung der Restriktionen aufzugeben (DGB, 2020; Paefgen-Laß, 2020).
Obwohl nahezu alle Unternehmen mit den technischen Möglichkeiten versuchten, die Produktivität zu einem gewissen Grad aufrechtzuerhalten, indem zum frühestmöglichen Zeitpunkt Home-Office-Strukturen etabliert und Hygiene- und Abstandsmaßnahmen auf den Firmengeländen umgesetzt wurden, erfolgten zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen bis April 2020 über 750.000 Anmeldungen zur Kurzarbeit seitens deutscher Unternehmen (Schäfer, 2020). So deutet sich an, dass die Corona Pandemie sowohl für den Großteil der Unternehmen im deutschen Raum als auch einer Vielzahl an Arbeitnehmern schwerwiegende Folgen hatte und auch zukünftig über einen langfristigen Zeitraum haben wird.
Unabhängig davon, ob externe Ursachen oder untemehmensinteme Faktoren die jeweilige Krise bewirkten, gehen Wissenschaftler und Untemehmensberater davon aus, dass die kulturellen Aspekte eines Unternehmens mit dessen Erfolg bei einer Untemehmenskrise in Zusammenhang stehen (Leitl, 2010; Reeves et al., 2020).
So gelten Untemehmenskrisen als Treiber und Wendepunkt, welche Unternehmen nicht zuletzt die Chance bieten, einen nachhaltigen Wandel der vorherrschenden Untemehmenskultur zu bewirken. Abhängig von der individuellen Veränderungsbereitschaft der Belegschaft, dem Vorleben von Untemehmenswerten und den getroffenen Managemententscheidungen, kann eine Untemehmenskultur in solch turbulenten Zeiten entweder die erfolgreiche Meisterung der Krise behindern und Folgeschäden davontragen oder nachhaltig wachsen und den Prozess der Rehabilitation stützen und vorantreiben (Berner, 2019, S. 115; Drath, 2018, S. 17; Geysi, 2019 et al., S. 69 ff; Möltner et al., 2015, S. 53).
Um folglich aus einer Krise stärker hervorgehen zu können als zuvor, ist es für Unternehmen zunächst essentiell zu verstehen, wie sich Krisen ebenso positiv als auch negativ auf die vorherrschende Untemehmenskultur auswirken können. Ferner müssen Unternehmen ihre Erkenntnisse nutzen, um ihre kulturfördemden Instrumente und Wertesysteme auf den Prüfstand zu stellen, bei Bedarf weiterzuentwickeln und letztendlich Maßnahmen zu integrieren, welche für die jeweilige Krisensituation geeignet sind (Ji & Zhou, zitiert nach Geysi et al., 2019, S. 70).
1.2 Forschungsfragen und Zielsetzung
Das Ziel der vorliegenden Masterarbeit besteht in der Darlegung, wie Krisenursachen zu einem konkreten Wandel der bislang vorherrschenden Untemehmenskultur in Organisationen unterschiedlicher Branchen und Größen führen können. Aufgrund der Breite der Thematik und der aktuellen Relevanz der Corona-Krise für die Weltwirtschaft wurde sich im Kontext des Verfassens dazu entschieden, endogene Krisenursachen weitestgehend auszuklammem, um die exogenen Krisenursachen detaillierter behandeln zu können.
Zu diesem Zweck werden zunächst die relevanten Begriffe Untemehmenskultur und Krise genauer definiert, abgegrenzt und in einen gemeinsamen Zusammenhang gestellt. Im Anschluss wird anhand von Beispieluntemehmen aus der Praxis analysiert, inwiefern sich 2 die bislang vorherrschende Untemehmenskultur durch die aktuelle Krise der Corona- Pandemie gewandelt und verändert hat. Als Informationsbasis werden hierfür Erfahrungsberichte von Experten sowie literarische Befunde verwendet.
Anhand der gewonnenen Erkenntnisse aus der Theorie und der empirischen Untersuchung werden mögliche Handlungsempfehlungen für Unternehmen zur strategischen Ausrichtung der Untemehmenskultur in Krisenzeiten abgeleitet.
Die folgenden untersuchungsleitenden Forschungsfragen sollen im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit beantwortet werden:
- Wie lassen sich die Begriffe Untemehmenskultur und Untemehmenskrise erläutern, abgrenzen und in Zusammenhang stellen?
- Wie können Untemehmenskulturen in Krisenzeiten analysiert werden?
- Inwieweit beeinflussen die der Corona-Krise zugrunde liegenden Rahmenbedingungen den Wandel und die Veränderung von Untemehmenskulturen?
- Inwiefern sind in der Praxis ein Wandel und eine Veränderung der Untemehmenskultur durch exogene Krisen möglich?
- Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen in Krisenzeiten strategisch eine positive Entwicklung der Untemehmenskultur bewirken?
Im Rahmen der Arbeit wird die Methodik der qualitativen Experteninterviews durchgeführt, um praxisbezogene Erfahrungsberichte zu generieren. Zu diesem Zweck wird ein teilstandardisierter Interviewleitfaden erstellt. Zusätzlich werden literarische Befunde aus relevanten Artikeln und Fallstudien zu den jeweiligen Unternehmen verwendet, um die Informationsgrundlage zu erweitern.
Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Anschluss in Form eines geeigneten Modells dargestellt und erläutert.
1.3 Aufbau der Arbeit
Bei der vorliegenden Thesis handelt es sich um eine theoretisch-empirische Arbeit, welche Grundlagen aus der Literatur mit einer qualitativen Datenerhebung in Form von Experteninterviews kombiniert. Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, ist die Arbeit in vier Kapitel untergliedert.
Abbildung 1. Aufbau der vorliegenden Arbeit Quelle: Eigene Darstellung
Nach dem einleitenden Kapitel 1, in welchem die Ausgangssituation und Problemstellung geschildert sowie Forschungsfragen festgelegt werden, folgt eine Aufarbeitung der theoretischen Grundlagen und des aktuellen Forschungsstandes in Kapitel 2. Im Rahmen dessen erfolgt zunächst eine begriffliche Präzisierung und theoretische Fundierung der Untersuchungsthematiken Untemehmenskrise und Untemehmenskultur. In der Darstellung von Letzterem werden zudem relevante Modelle zur Analyse von Untemehmenskulturen als Basis für das darauffolgende methodische Vorgehen vorgestellt.
Abschließend wird der Zusammenhang zwischen dem Konstrukt Untemehmenskultur und Untemehmenskrise hergestellt, indem die Auswirkungen von exogenen Krisen auf die kulturellen Aspekte einer Organisation anhand des Beispiels der Corona-Pandemie beleuchtet werden. Hierbei wird zunächst auf Basis der theoretischen Erkenntnisse mit Zuhilfenahme der Systemtheorie von Niklas Luhmann aufgezeigt, inwieweit die der Corona-Krise zugrunde liegenden Umstände einen Wandel und eine Veränderung von Untemehmenskulturen bewirken können. Im Anschluss werden tatsächliche Wandel- und Veränderungsprozesse mittels Praxisbeispielen dargestellt.
Nach Schaffung der theoretischen Grundlagen folgt in Kapitel 3 der empirische Teil der vorliegenden Arbeit. Darin wird zunächst die der Empirie zugrunde liegende methodische Vorgehens weise erläutert und begründet. Im Anschluss erfolgt die Durchführung von Untemehmenskulturanalysen anhand von Experteninterviews mit Vertretern aus Wirtschaftsuntemehmen und hierzu unterstützender Literatur.
Im abschließenden Kapitel 4 werden die Ergebnisse aus Theorie und Empirie zusammengefasst und interpretiert. In diesem Rahmen wird festgestellt, inwiefern in der Praxis ein Wandel und eine Veränderung der Untemehmenskultur durch exogene Krisen möglich ist. Daraufhin wird die fünfte und letzte Forschungsffage beantwortet, indem konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen in Krisenzeiten, welche eine positive Transformation der Untemehmenskultur begünstigen können, eruiert werden. Nachdem anschließend eventuelle Forschungslücken aufgezeigt wurden, erfolgt ein abschließendes Fazit mit Ausblick.
2. Theoretische Grundlagen und Stand der Forschung
In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen zum Forschungsthema der vorliegenden Arbeit erläutert. Zunächst wird hierfür der Begriff der Untemehmenskrise präzisiert und der generell typische Verlauf von Untemehmenskrisen aufgezeigt. Anschließend erfolgt eine Differenzierung von exogenen und endogenen Krisenursachen sowie eine Darlegung ihres Zusammenhanges.
Im Anschluss wird das Konzept der Untemehmenskultur näher beleuchtet. In diesem Rahmen erfolgt zunächst eine Begriffspräzisierung, gefolgt von einer Darlegung der Entstehung und Relevanz der Thematik. Daraufhin werden drei bekannte Modelle zur Analyse von Untemehmenskulturen vorgestellt und auf Ihre Eignung als Werkzeug für die empirische Untersuchung in Kapitel 3 überprüft.
Zum Abschluss des Kapitels liegt der Fokus auf dem Zusammenhang von Untemehmenskrisen und Untemehmenskultur. Diesbezüglich werden zunächst die Rahmenbedingungen für einen Wandel von Untemehmenskulturen in Krisenzeiten, welche einen maßgeblichen Einfluss auf die individuelle Ausgangsituation und den Verlauf der Krise eines Unternehmens innehaben, anhand der Systemtheorie von Niklas Luhmann erläutert. Nachdem anschließend die Relevanz und Beschaffenheit von Untemehmenskultur in Krisenzeiten beleuchtet wurde, werden mögliche Schnittmengen der beiden Faktoren anhand von Praxisberichten analysiert.
2.1 Unternehmenskrise
Zur Abgrenzung der Thematik und zur Vermittlung eines einheitlichen Verständnisses, wird in den folgenden Kapiteln der vorliegenden Arbeit die theoretische Grundlage zum Aspekt der Untemehmenskrisen geschaffen. Nachdem zunächst eine Begriffspräzisierung vorgenommen wurde, wird darauffolgend der typische Verlauf von Untemehmenskrisen nach aktueller Literatur geschildert. Abschließend erfolgt eine nähere Betrachtung der möglichen Ursachen von Untemehmenskrisen. Aufgrund der Themenstellung dieser Arbeit wird in diesem Kontext weitaus ausführlicher auf den exogenen Ursprung von Untemehmenskrisen eingegangen.
2.1.1 Begriffsbestimmung Unternehmenskrise
Der Begriff Krise kommt aus dem griechischen, stammt von dem Wort „krisis“, was soviel wie Wendepunkt oder Entscheidung bedeutet ab und beschreibt nach Krystek (zitiert nach Brunke & Klein, 2012, S. 48) , jeglichen Bruch einer bis dahin kontinuierlichen Entwicklung“.
Krise = jeglicher Bruch einer bis dahin kontinuierlichen Entwicklung
In diesem Kontext wird zwischen der betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Definition einer Krise differenziert. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist unter dem Begriff Krise meist eine Untemehmenskrise zu verstehen, die sich in einer Notsituation ausdrückt, in deren Rahmen das Fortbestehen und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens gefährdet ist. Als Auslöser für diese gilt ein unbeabsichtigter Prozess, welcher zu einer hemmenden Entwicklung der Erfolgspotentiale, des Reinvermögens, der Liquidität oder einer Kombination der genannten Faktoren geführt hat, sodass hierdurch bedingt das Fortbestehen der Unternehmung einer konkreten Bedrohung unterliegt (Crone, 2017, S. 4; Niering & Hillebrand, 2020, S. 1 £). Jenem Prozess können diverse interne oder externe Faktoren zugrunde liegen (Zollondz, 2019, S. 589 f.), welche in der vorliegenden Arbeit als endogene und exogene Krisenursachen bezeichnet werden. In der Regel herrscht bei Auftreten einer Krisensituation Unklarheit über deren konkrete Folgen: Während einerseits sowohl die Bewältigung der Krise ein Szenario darstellen kann, woraus gegebenenfalls sogar ein nachhaltig positiver Effekt resultiert, ist andererseits auch der Untergang des Unternehmens möglich (Brunke & Klein, 2012, S. 48 £; Gabler Wirtschaftslexikon, 2020; Niering & Hillebrand, 2020, S.l £).
Im Gegensatz zu einem Umbruch, unterliegen Krisen einer zeitlichen Begrenzung, wobei der Beginn dieser Zeitspanne meist nicht eindeutig nachvollziehbar ist (Brunke & Klein, 2012, S. 48 £; Goldfuß, 2015, S. 18). Aufgrund der akuten Gefährdung des Unternehmens und des temporären Charakters der Krise, ist für gewöhnlich ein zeitnaher Handlungsbedarf erforderlich. Dabei unterliegt der Handlungsspielraum des Managements jedoch aufgrund der individuellen und einschränkenden Rahmenbedingungen der Krise meist gewissen Begrenzungen, wodurch ein hoher Grad an Führungsexpertise erfordert wird (Brunke & Klein, 2012, S. 48 £).
Untemehmenskri.se = zeitlich begrenzte, beschränkt kontrollierbare Notsituation eines Unternehmens, ausgelöst durch einen unbeabsichtigten Prozess, 'welcher zu einer hemmenden Entwicklung bestimmter finanzieller Kennzahlen eines Unternehmens führt. Da der Ausgang einer Krise entweder mit deren Meisterung oder dem Untergang des Unternehmens einhergeht, ist für gewöhnlich ein zeitnaher Handlungsbedarf erforderlich
Aus rechtlicher Perspektive gilt die Krise nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als Vorstufe der Insolvenz und geht daher typischerweise mit einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nach §17 InsO oder einer Überschuldung nach §19 InsO des Unternehmens einher (Crone, 2017, S. 4 f.; Niering & Hillebrand, 2020, S. 1 f.).
2.1.2 Verlauf von Unternehmenskrisen
Nach aktuellen literarischen Werken ist der Verlauf von Untemehmenskrisen als ein sich zuspitzender Prozess über mehrere Stadien hinweg anzusehen (Crone, 2017, S. 15 ff; Hohberger & Damlachi, 2019, S. 38 ff). Obwohl weitestgehend Einigkeit über den typischen Verlauf von Untemehmenskrisen seitens der Wissenschaftler und Autoren besteht, erstreckt sich die Anzahl der betrachteten Krisenstadien von drei bis acht aufeinander aufbauenden Stufen und hängt somit von der Höhe des Anspruches an Detaillierung und Untergliederung der Thematik im jeweiligen Werk ab. So existiert beispielsweise das Modell der „vier Phasen von Untemehmenskrisen“ des Mathematikers und Managementtheoretikers Harry Igor Ansoff, welches sich in die vier Phasen „potenzielle Untemehmungskrise“, „latente Untemehmungskrise“, „beherrschbare Untemehmungskrise“ und „nicht beherrschbare Untemehmungskrise“ aufgliedert (Drath, 2018, S. 192 f.; Gabler Wirtschaftslexikon, 2020). Als Unterscheidungskriterium zwischen den einzelnen Stufen gelten bei diesem Modell das jeweilige Bedrohungspotential für die Existenz des Unternehmens und der damit verbundene Handlungsspielraum, welcher von Stufe zu Stufe geringer wird (Drath, 2018, S. 192 f).
Im Gegensatz hierzu arbeitet eine Vielzahl an Praktikern und Autoren aus dem Themenbereich des Sanierungsmanagements mit einem sechs- bis achtstufigen Modell. Statt des Bedrohungspotentials wird in den meisten dieser Modelle die Ertragskurve, welche sich in der Regel von Stufe zu Stufe schmälert, als zentraler Indikator für das vorherrschende Krisenstadium verwendet. Unabhängig von der gewählten Methode, an welcher sich im Rahmen des Krisenmanagements orientiert wird, gilt es für Unternehmen während und nach der Krise als ratsam, umfassende Informationen zum Krisenverlauf zu sammeln und diese im Anschluss in Form einer Krisenanalyse auszuwerten, um letztendlich geeignete Gegenmaßnahmen zur Bewältigung einleiten, bzw. Lemeffekte für die Zukunft generieren zu können (Hohberger & Damlachi, 2019, S. 38 ff.).
Für die unten abgebildete Grafik 2 wurde das Modell der „vier Phasen von Unternehmungskrisen“ von Ansoff mit weiteren Modellen aus der praktischen Anwendung des Sanierungsmanagements kombiniert, um eine ganzheitliche Perspektive zum Verlauf von Untemehmenskrisen darstellen zu können.
Nachfolgend werden die aus der Abbildung ersichtlichen acht Krisenstadien aus dem Sanierungsmanagement im Zeitverlauf erläutert und mit den vier Phasen von Untemehmungskrisen von Ansoff in Zusammenhang gebracht.
- Stakeholder Krise: Der Beginn einer Untemehmenskrise zeichnet sich bereits in guten Zeiten durch das Aufkommen langfristig anhaltender Konflikte und Spannungen der Stakeholderschaft ab, welche sich über den gesamten Verlauf der Krise erstrecken und verhärten können. Die Signale einer sogenannten Stakeholderkrise sind oftmals kaum wahrnehmbar, sodass es sich hierbei nach Ansoff zunächst um eine potentielle Krise handelt (Jeß & Kricsfalussy, S. 107 f.; Drath, 2018, S. 192 f.; Hohberger & Damlachi, 2019, S. 38 ff.).
- Strategische Krise: In der 2. Phase der Untemehmenskrise, der strategischen Krise, liegt ebenfalls noch keine konkrete Manifestation vor, jedoch entstehen aufgrund der unsicheren oder undifferenzierten Untemehmenspositionierung Zielkonflikte und Wettbewerbsnachteile im weiteren Zeitverlauf (Jeß & Kricsfalussy, S. 107 f.; Drath, 2018, S. 192 f.; Hohberger & Damlachi, 2019, S. 38 ff.).
- Produktkrise: Ausgelöst durch die strategische Krise, äußert sich die Produktkrise durch einen konkreten Absatzrückgang, welcher bei produzierenden Unternehmen für gewöhnlich mit einem Lageraufbau einhergeht. Innerhalb dieses Krisenstadiums, in welchem nach Ansoff bereits eine latente Krise vorherrscht, besteht bereits die Möglichkeit einer Früherkennung der Krise und damit Initiierung von Gegenmaßnahmen, da sich erstmalig eine zukünftige Regression der Ertragslage abzeichnet (Drath, 2018, S. 192 f.; Hohberger & Damlachi, 2019, S. 38 ff.).
- Umsatzkrise: Basierend auf den sinkenden Absatzzahlen erfolgt als Resultat ein Umsatzrückgang. Ab diesem Zeitpunkt ist nach Ansoff bereits von einer akuten Untemehmenskrise auszugehen, welche es gilt durch geeignete Entscheidungen und Maßnahmen unter Kontrolle zu bringen (Drath, 2018, S. 192 f.; Hohberger & Damlachi, 2019, S. 38 ff.).
- Ertragskrise: Angesichts der Kombination aus rückläufigem Umsatz und Absatz vermindert sich der Nutzen von relevanten ökonomischen Effekten, wie beispielsweise Skaleneffekten, wodurch zeitversetzt eine Abschwächung der Ertragslage erfolgt (Drath, 2018, S. 192 f; Hohberger & Damlachi, 2019, S. 38 ff).
- Liquiditätskrise: Falls es im weiteren Verlauf der Krise nach wie vor zu keiner positiven Wendung gekommen ist, ergibt sich für Unternehmen in der Liquiditätskrise eine existenzbedrohende Situation aufgrund der hohen Verlustlage. Dieses Krisenstadium gilt als letzte Gelegenheit, durch rapide Umsetzung von Notfallmaßnahmen und wesentlichen Entscheidungen, die Kontrolle über den Krisenverlauf zu gewinnen (Drath, 2018, S.192 f; Hohberger & Damlachi, 2019, S.38 ff).
- (Drohende) Insolvenz: Sind die Voraussetzungen nach § 18-20 InsO gegeben, liegt die Insolvenzreife vor, sodass eine Insolvenz in der Regel nicht mehr abwendbar ist (Hohberger & Damlachi, 2019, S.38 ff).
- Turnaround: Je früher die Untemehmenskrise diagnostiziert werden konnte, desto mehr Handlungsspielraum besteht für die Einleitung von rettenden Gegenmaßnahmen, welche bei Erfolg zu einer positiven Wendung führen. Ein solcher Tumaround ist unter gewöhnlichen Umständen lediglich realistisch, solange sich die Untemehmenskrise noch im beherrschbaren Stadium befindet (Drath, 2018, S.192 f; Hohberger & Damlachi, 2019, S.38 ff).
2.1.3 Ursachen für Unternehmenskrisen
Wie im vorherigen Kapitel aufgeführt wurde, kommt es in den meisten Fällen erst in einem der späteren Krisenstadien zu einer Diagnose und Eindämmung von Untemehmenskrisen (Crone, 2017, S. 11). Ein möglicher Grund hierfür liegt in der Komplexität und Vielschichtigkeit von Krisenursachen, welche bereits seit den 1930er Jahren untersucht werden (Hutzschenreuter & Griess-Nega, 2006, S. 51 ff; Crone, 2017, S. 2 f).
Demnach besteht einerseits die Möglichkeit, dass die Hauptursache der Krise bereits über einen langen Zeitraum in der Unternehmung verankert ist. Eine hierdurch untemehmensintem induzierte Krise basiert auf einen oder mehreren sogenannten endogenen Krisenursachen (Crone, 2017, S. 11). In Anbetracht der auf dem Weltmarkt vorherrschenden Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit, Faktoren, welche zusammen auch unter dem Akronym „VUCA“ bekannt sind, können andererseits 11 Untemehmenskrisen auch durch externe Umwelteinflüsse verursacht werden (Geysi et al., 2019, S. 68 f.). Solche sogenannten exogenen Krisenursachen können seitens des Unternehmens im Gegensatz zu den endogenen Krisenursachen nur bedingt beeinflusst werden. In den meisten Fällen sind Untemehmenskrisen jedoch nicht lediglich auf eine Krisenursache zurückzufuhren, sondern entstehen multilokal, in der Regel durch ein Zusammenwirken von endogenen und exogenen Krisenursachen (Hutzschenreuter & Griess-Nega, 2006, S. 51 ff).
Nachfolgend wird näher auf die Bereiche der exogenen und endogenen Krisenursachen eingegangen, wobei der Fokus aufgrund des Forschungsthemas auf Ersterem liegt. Im Anschluss wird das Zusammenwirken von exogenen und endogenen Krisenursachen verdeutlicht.
2.1.3.1 Exogene Krisenursachen
Die Rahmenbedingungen, unter welchen Unternehmen agieren unterliegen einem dynamischen Wandel, der nur in begrenztem Maße vorhersehbar und beeinflussbar ist. Kommt es in diesem Kontext zu (inter-)nationalen strukturellen Veränderungen, zu konjunkturellen Fehlentwicklungen oder zu radikalen Umbrüchen am Markt, können daraus extern induzierte Krisen als negative Konsequenz für Unternehmen resultieren, deren Auswirkungen meist von Ungewissheit geprägt sind (Brühl, 2004, zitiert nach Hutzschenreuter & Griess-Nega, 2006, S. 57; Krystek & Moldenhauer, 2007, S. 51; Sackmann, 2017, S. 15 £). Die Vermeidung solcher exogener Krisenursachen liegt somit zwar nur begrenzt im Machtbereich des jeweiligen Unternehmens, nichtsdestotrotz ist ein zeitnahes und effektives Einleiten von Gegenmaßnahmen möglich und erforderlich, um das Ausmaß der negativen Folgen zu begrenzen (Crone, 2017, S. 11).
Exogene Krisenursache = konjunkturelle Fehlentwicklungen, strukturelle Veränderungen oder sonstige Diskontinuitäten des Untemehmensumfeldes, welche zu einer Bedrohung für das Unternehmen führen
Nachstehend werden die häufigsten Indikatoren für exogene Krisenursachen erläutert.
- Katastrophen: Bedingt durch ihr unerwartetes Auftreten, gehen Katastrophen meist mit einer Schockwirkung und schwerwiegenden Folgen für die Gesellschaft, Umwelt und Unternehmen einher. Hierbei wird zwischen Naturkatastrophen, wie beispielsweise dem Vulkanausbruch auf Island im Jahr 2010 und von Menschenhand initiierten Katastrophen, wie den Atomkatastrophen in Tschernobyl 1986 und Fukushima, 2011, unterschieden. Die Auswirkungen einer Katastrophe resultieren, abhängig von der Branche, häufig in Veränderungen des Untemehmensumfeldes. So führte beispielsweise die Nuklearkatastrophe in Fukushima zu einer Beschleunigung der Energiewende in Deutschland (Sackmann, 2017, S. 15 f).
- Globalisierung: Neben den Vorzügen und Chancen der internationalen Vernetzung der Wirtschaft, ergeben sich im Zuge der Globalisierung für eine Vielzahl von Unternehmen existenzbedrohende Risiken aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks und radikalen technologischen Innovationen (Hutzschenreuter & Griess-Nega, 2006, S. 57; Sackmann, 2017, S. 15 f.). Dementsprechend kam es in den siebziger Jahren zu einer Krise der optischen und feinmechanischen Industrie, welche nicht mit den kompetitiven Produktionspreisen der japanischen Konkurrenz mithalten konnte (Berner, 2019, S. 25).
- Wirtschafts- und Finanzkrisen: Sobald sich einzelwirtschaftliche Krisen, welche sich lediglich auf einen Wirtschaftsbereich auswirken, auf weitere Bereiche der Wirtschaft erstrecken, besteht die Gefahr einer Krise der gesamten Volkswirtschaft oder im globalen Kontext, der Weltwirtschaft (Aschinger, 2001, S.l 1). Das prominenteste Beispiel hierfür ist die globale Finanzkrise, ausgelöst durch die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008, welche aus dem Einsatz hochgradig riskanter und komplexer Finanzinstrumente resultierte (Drath, 2018, S. 121, S. 358 f).
- Pandemien: Unter einer Pandemie wird eine weltweite Epidemie definiert, welche das Potenzial innehat, innerhalb eines kurzen Zeitraums eine Überlastung der Gesundheitssysteme von Staaten zu bewirken (Robert Koch-Institut, 2009). Aufgrund der konkreten Gefährdung für die Gesundheit der Gesellschaft, wirkte sich die Corona Pandemie im Jahre 2020 auch in fundamentalen Maße auf die gesamte Weltwirtschaft aus und ging in Deutschland und einer Vielzahl anderer Länder mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und einer hohen Anzahl an Untemehmensinsolvenzen einher (Jerzy, 2020a; Schäfer, 2020).
Aufgrund der Vielfalt von Auslösern, welche jeder exogenen Krise einen individuellen Charakter verleihen, existiert von Untemehmensseite aus in der Regel kein Patentrezept zur Bewältigung dieser, obgleich oftmals Parallelen bezüglich der ersten Anzeichen und Entwicklungen der einzelnen Krisensituationen erkennbar sind (Crone, 2017, S. 2 f.). Im Nachfolgenden werden die zwei für die Weltwirtschaft schwerwiegendsten exogenen Krisen der letzten Jahrzehnte, die globale Finanzkrise und die Corona-Krise, dargestellt, um das Ausmaß sowie die Unterschiede und Analogien exemplarisch zu verdeutlichen:
Die globale Finanzkrise: Obwohl der Finanzmarkt erst 2008 kollabierte, ist der Ursprung der globalen Finanzkrise bereits auf das Jahr 2006 zurückzuführen, als die Immobilienpreise in den USA ihren Höchststand erreichten und hierdurch bedingt die Nachfrage zurückging. Als letztendlich die Zinssätze auf ein historisch niedriges Niveau fielen und Richtlinien zu Kreditvergaben gelockert wurden, stieg die Attraktivität des Immobilienmarktes rapide, sodass sich der Bedarf nach Wohneigentum sowohl unter einkommensstarken als auch einkommensschwachen Amerikanern deutlich erhöhte (Micklethwait & Dimond, 2017, S. 39 ff.). Um selbst an dem Boom partizipieren zu können, nutzten Finanzinstitute die gelockerten Kreditvergabestandards für das Einführen von Subprime-Hypothekenkrediten, welche auch an Kunden mit geringer Bonität, teilweise sogar ohne Job oder Vermögen, ausgestellt wurden (Budzinski & Michler, 2018; Micklethwait & Dimond, 2017, S. 39 ff.). Das Ausmaß dieser Finanzinstrumente wurde letztendlich erst erkannt, als Zinssätze wieder einen Anstieg verzeichneten, wodurch der Immobilienmarkt abschwächte und enorme Zahlungsrückstände entstanden.
Im September 2008 kam es letztendlich zum großen Kollaps: eine Vielzahl an Großbanken und Investmentbanken wie Lehman Brothers gerieten in Insolvenz oder wurden an Konkurrenten verkauft (Drath, 2018, S. 358 f.; Micklethwait & Dimond, 2017, S. 39 ff.; Schönbom, 2014, S. 60 ff). Folglich kam es zu einer erheblichen Störung des Kreditflusses für Unternehmen und Verbraucher weltweit, die Krise entwickelte sich, einhergehend mit einer schwerwiegenden Rezession, von einer einzelwirtschaftlichen Krise in eine globale Finanzkrise (Micklethwait & Dimond, 2017, S. 39 ff; Schönbom, 2014, S. 60 ff). Im Zuge dessen erlitt auch die deutsche Volkswirtschaft massive Schäden, welche sich beispielsweise in Form eines Anstiegs der Untemehmensinsolvenzen um 16 % zum Vorjahr und im Arbeitsmarkt um eine reduzierte Quote der Vollzeitstellen, äußerten (Drath, 2018, S. 358 f; Creditreform, 2010, zitiert nach Brunke & Klein, 2012, S. 49 f.). Innerhalb der letzten Jahre konnte sich der Arbeitsmarkt in Deutschland erholen, sodass im Jahr 2017 eine geringere Arbeitslosenquote verzeichnet wurde, als vor der Krise (Drath, 2018, S. 69 f.). Ebenso reagierte die Bankenaufsichtsbehörde der EU mit der Einführung regelmäßiger Stresstests, in deren Rahmen die Eigenkapitalquoten von Banken unter dem Szenario einer starken Rezession geprüft werden (Drath, 2018, S. 358 f.).
Letztendlich wurde die Finanzkrise durch flächendeckend unverantwortliche Untemehmensführung und unethischen Entscheidungen geprägt. Anstatt der herkömmlichen Untemehmenskultur treu zu bleiben und ein langfristiges Überleben des jeweiligen Unternehmens sicherzustellen, verfielen viele Manager der Gier nach Gewinnmaximierung durch das Eingehen unverantwortlicher Risiken (Micklethwait & Dimond, 2017, S. 39 ff).
Corona-Krise'. Anfang Januar 2020 wurde eine neuartige Infektionskrankheit in der chinesischen Provinz Hubei entdeckt, welche seitens der WHO den Namen „COVID-19“ erhielt. Aufgrund seiner hochgradig infektiösen Eigenschaft, erreichte der Virus in den folgenden Wochen zunächst weitere Länder des asiatischen Raumes und schließlich auch die USA und Europa, woraufhin die WHO eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite erklärte“ (Mdr, 2020; Tagesschau, 2020a). Bis Ende Februar verbreitete sich COVID-19 vor allem in China mit rasanter Geschwindigkeit, weshalb ein Großteil des Landes mittels eines sogenannten „Shutdowns“ weitestgehend stillgelegt wurde, um die Ausbreitung zu stoppen. Schon zu diesem Zeitpunkt machten sich bereits auch erste Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft bemerkbar, da chinesische Zulieferer ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten und somit Lieferketten unterbrochen wurden (Tagesschau, 2020a).
Anfang März beschleunigte sich auch der Anstieg der Infektionszahlen in Deutschland und einer Vielzahl anderer Länder weltweit. Als Konsequenz erlitt die internationale Börse einen massiven Einbruch, die WHO erklärte COVID-19 zu einer Pandemie. Um die Dynamik der Infektionsketten zu verlangsamen, antwortete die Bundesregierung mit massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens.
Nachdem zunächst Bildungseinrichtungen geschlossen und Verbote für Großveranstaltungen ausgerufen wurden, folgten am 16. März Grenzschließungen zu den meisten benachbarten Ländern und damit maßgebliche Ausreiseverbote. Darüber hinaus wurde die vorübergehende Schließung aller öffentlichen Einrichtungen und Geschäfte, welche nicht von Notwendigkeit für den täglichen Bedarf sind, beschlossen (BMG, 2020; Mdr, 2020; Tagesschau, 2020b). Um die entstandenen wirtschaftlichen Schäden für Unternehmen und Selbstständige abzufedem, wurde am 25 .März ein 156 Milliarden schweres Finanzpaket im Bundestag verabschiedet, wodurch die lang-anhaltende Schuldenbremse pausiert wurde (Mdr, 2020; Tagesschau, 2020b).
Dennoch äußerten sich die wirtschaftlichen Folgen Ende März auf beträchtliche Weise: Während 470.000 deutsche Unternehmen Kurzarbeit anmeldeten, reagierten große Unternehmen wie Adidas, H&M sowie Deichmann mit Pressemitteilungen über Stundungen ihrer Mietzahlungen (Tagesschau, 2020b). Nachdem sich Anfang April erste Umsatzeinbrüche in vielen Branchen ankündigten, plante die Bundesregierung erneut ein Hilfspaket über 300 Milliarden Euro für die deutsche Wirtschaft, um eine Pleitewelle zu verhindern. Die Befürchtung bestätigte sich in den darauffolgenden Wochen beispielsweise in der Luftfahrtbranche, in welcher die Anzahl der Personenflüge um 98 % zurückgingen und im Tourismus, wo Tui als einer der zentralen Player der Branche Staatsunterstützung in Milliardenhöhe beantragen musste (Tagesschau, 2020c).
Aufgrund der Abschwächung der Infektionskette Mitte April, nahmen Automobilhersteller wie Audi, Daimler und VW, welche ihre Produktion über Wochen stillgelegt hatten, den Betrieb in ihren Werken wieder auf (Tagesschau, 2020c). Zudem wurden erste Lockerungen der Schutzmaßnahmen seitens der Bundesregierung beschlossen, welche 16 jedoch mit einer bundesweiten Einführung zur Maskenpflicht einhergingen und es beispielsweise Einzelhändlern bis zu einer Größe von 800 Quadratmetern erlaubten, ihren Geschäftsbetrieb wieder aufzunehmen (Mdr, 2020; Tagesschau, 2020c). Obwohl weitere Lockerungen innerhalb der folgenden Wochen realisiert wurden, kam es seitens der Bevölkerung in Form von Demonstrationen und Protesten sowie seitens der Wirtschaft durch gerichtliche Klagen und harschen Äußerungen, immer wieder zu scharfer Kritik gegenüber der Regierung, hauptsächlich bedingt durch das zu langsame Auflösen der Einschränkungen (Mdr, 2020; Tagesschau, 2020c).
Besonders die Wirtschaft stand während dieser Zeit in einem ständigen Konflikt mit den vorherrschenden Schutzmaßnahmen und deren Befürwortern aus Politik und dem Gesundheitssystem. Ende April standen in Deutschland einer drastischen Rezession mit über eine Million Kurzarbeitern, einem Tiefstand des GFK-Konsumklimaindexes und einer Vielzahl drohender Insolvenzen, Infektionszahlen in Höhe von 156.000 Fällen gegenüber (Mdr, 2020; Tagesschau, 2020c).
Im Gegensatz zur globalen Finanzkrise sind die Auswirkungen der Corona-Krise nicht lediglich für den Bereich der Wirtschaft von hoher Vehemenz, sondern erstrecken sich, wie bereits schon teilweise ersichtlich wurde, auch maßgeblich auf die externen Rahmenbedingungen von Unternehmen, beispielsweise auf die Politik, Gesellschaft, Technologie, auf das vorherrschende Rechtssystem sowie die Umwelt. Diese Zusammenhänge werden nachfolgend in Form einer „PESTLE-Analyse“, einem strategischen Managementtool zur Analyse der externen Rahmenbedingungen von Unternehmen, verdeutlicht (Johnson, 2018, S. 80 ff).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quellen: 1 BMG, 2020; mdr, 2020; tagesschau, 2020b; tagesschau, 2020c; I 2 Deutschlandradio, 2020; Umweltbundesamt, 2020; I 3 Herzog, 2020; Krumpal, 2020, S.4 ff.; mdr, 2020; Müller, 2020; Otfried, 2020; Otto Group, 2020; Saal, 2020; tagesschau, 2020b; tagesschau, 2020c; 14 Herzog, 2020; Krumpal, 2020, S.4 ff; mdr, 2020; I 5 BMG, 2020; DGB, 2020; tagesschau, 2020b; tagesschau, 2020c; I 6 BMG, 2020; Jerzy, 2020; mdr, 2020; Paefgen-Laß, 2020; Saal, 2020; Schäfer, 2020; tagesschau, 2020a; tagesschau 2020b; tagesschau 2020c;
Abbildung 3. PESTLE Analyse zu den Auswirkungen von COVID-19 Quelle: Eigene Darstellung, Quellen in Abbildung
Political (politische Auswirkungen): Ein Hauptfokus der Politik lag während der Corona- Krise in der Abfederung der wirtschaftlichen Folgen, sowohl seitens der Bundesregierung durch Hilfspakete und gezielten Förderungen von Unternehmen, als auch seitens der EU, beispielsweise mittels finanzieller Unterstützungen für die Staaten der EU und Notkaufprogrammen von Staatsanleihen. Im Rahmen des Krisenmanagements wurde zudem eine Bandbreite an Kommunikationsmaßnahmen von der Regierung eingefiihrt: So erfolgten im Fernsehen häufige Updates des Robert Koch-Institutes über aktuelle Infektionszahlen und Hygieneregeln sowie in regelmäßigen Abständen Pressekonferenzen der Spitzenpolitiker, um einerseits neue Schutzmaßnahmen zu kommunizieren und zu rechtfertigen und andererseits die Bevölkerung zur Befolgung dieser aufzurufen. In der Außenpolitik kam es zu Spannungen mit den USA aufgrund des Versuches von Präsident Donald Trump, sich Exklusivrechte für einen zukünftig hergestellten Impfstoff eines deutschen Pharmaunternehmens zu sichern (BMG, 2020; Mdr, 2020; Tagesschau, 2020b; Tagesschau, 2020c).
Environmental (Auswirkungen auf die Umwelt): Für die Umwelt resultierten aus dem Shutdown der Wirtschaft und den Ausgangsbeschränkungen für die Bevölkerung durchwegs positive Veränderungen, wie die Verbesserung der Luftqualität und ein Rückgang des Fluglärms. Zudem galt Corona als Treiber der Umweltpolitik für Bund und Kommunen (Deutschlandradio, 2020; Umweltbundesamt, 2020).
Social (Auswirkungen auf die Gesellschaft): Die gesundheitliche Bedrohung durch das Coronavirus sowie die eingeleiteten Schutzmaßnahmen aus der Politik führten zu einer Spaltung der Gesellschaft. Während ein Großteil der deutschen Bürger das Krisenmanagement der Bundesregierung befürwortete und sich weitestgehend an die eingeführten Schutzmaßnahmen hielt, wurden Proteste und Demonstrationen mit längerem Anhalten der Ausgangssperren und Wirtschaftsbeschränkungen lauter. In diesem Zuge kam es immer wieder zu scharfer Kritik seitens der Wirtschaftsvertreter und Autoren, welche den Medien und der Politik ein bewusstes Verschweigen relevanter Informationen sowie ein Handeln aus eigenen egoistischen Motiven vorwarfen. Als sozial engagiert zeigte sich eine Vielzahl an Unternehmen, welche sich für die Gesellschaft und kleinere, existenzbedrohte Betriebe, einsetzte. Während beispielsweise Produktionsuntemehmen flexibel mit der Herstellung von Desinfektionsmitteln und Atemmasken begannen, nutzten Tech-Untemehmen wie LinkedIn ihre Kompetenzen, um Gastronomieuntemehmen und Einzelhändler bei der Umstellung ihrer Geschäftsmodelle zu unterstützen. Doch nicht nur in diesem Kontext, sondern auch für die gesamte Arbeitswelt, stieg die Relevanz von digitalen Plattformen und den damit verbundenen Kompetenzen. So wurden Kommunikationsplattformen wie Microsoft Teams und Zoom einerseits im Home-Office für virtuelle Meetings und zum Austausch von Daten verwendet, ermöglichten andererseits aber auch privat, soziale Kontakte in Zeiten der sozialen Distanzierung zu pflegen (Herzog, 2020; Krumpal, 2020, S. 4 ff; Mdr, 2020; Müller, 2020; Otfried, 2020; Otto Group, 2020; Saal, 2020; Tagesschau, 2020b; Tagesschau, 2020c).
Technological (Auswirkungen auf die technologische Entwicklung): Durch das zunehmende Bewusstsein der Gesellschaft bezüglich der Relevanz von digitalen Kommunikationsmöglichkeiten, beschleunigte sich die Digitalisierung und der Aufbau von digitalen Infrastrukturen in Unternehmen. Im Gesundheitssektor wurden Forschungsressourcen gebündelt, um möglichst effizient und effektiv Impfstoffe und
Testmöglichkeiten für COVID-19 zu erforschen und herzustellen (Herzog, 2020; Krumpal, 2020, S. 4 ff; Mdr, 2020).
Legal (Auswirkungen auf das Rechtssystem): Zum Schutze der Bevölkerung wurden maßgebliche Beschränkungen und Regelungen eingeleitet und zeitweise Grundrechte außer Kraft gesetzt, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Zudem wurden für Privatpersonen und existenzbedrohten Unternehmen Möglichkeiten eingeräumt, Mietzahlungen für einen gewissen Zeitraum zu stunden, um die Gefahr einer Insolvenz abwenden zu können (BMG, 2020; DGB, 2020; Tagesschau, 2020b; Tagesschau, 2020c).
Economical (Auswirkungen auf die Wirtschaft): Aus wirtschaftlicher Sicht resultierten aus der Corona-Krise schwerwiegende negative Folgen, welche sich zeitnah in Form einer globalen Rezession äußerten. In Deutschland wurden im gesamtwirtschaftlichen Kontext neben einem deutlichen Anstieg der Kurzarbeiterzahlen bei einem gleichzeitigen Stellenabbau, viele Produktionsstätten und Geschäfte aufgrund von Lieferengpässen und Verboten stillgelegt. Besonders betroffen waren hiervon die Branchen Tourismus, Gastronomie, Einzelhandel und Flugverkehr, welche zeitweise nahezu ihren kompletten Betrieb einstellen mussten (BMG, 2020; Jerzy, 2020a; Mdr, 2020; Paefgen-Laß, 2020; Saal, 2020; Schäfer, 2020; Tagesschau, 2020a; Tagesschau 2020b; Tagesschau 2020c).
Wie sich anhand der PESTLE-Analyse von COVID-19 zeigt, sind im Gegensatz zur globalen Finanzkrise, in welcher sich primär wirtschaftliche Konsequenzen abzeichneten, alle sechs Bereiche des Modelles betroffen. Dabei sind die einzelnen Bereiche nicht in sich geschlossen, sondern stehen in einem direkten Wirkungszusammenhang. Hierdurch zeigt sich die Individualität und Komplexität von exogenen Krisen, welche das Abwenden und Meistem einer konkreten Untemehmenskrise für Organisationen deutlich erschweren kann.
2.1.3.2 Endogene Krisenursachen
Im Gegensatz zu exogenen Krisenursachen unterliegen endogene Krisenfaktoren dem direkten Einflussbereich des Unternehmens und entstehen in der Regel durch eigenes Verschulden (Kaiser & Schürmann, 2015; Krystek & Moldenhauer, 2007, S. 51).
Die auslösenden Ursachen von endogenen Krisen sind äußerst variabel und individuell, jedoch häufig auf Managementfehler und einer Führungsschwäche der oberen Hierarchiestufen zurückzuführen (Jeß & Kricsfalussy, 2012, S. 106 ff; Kaiser &
Schürmann, 2015; Krystek & Moldenhauer, 2007, S. 51). Weiterhin können endogene Krisen auch aus Schwächen einzelner Untemehmensbereiche resultieren. Während beispielsweise Lücken im Rechnungswesen eines Unternehmens zu unausgewogenen Finanzierungsstrukturen oder unzureichenden Controllingsystemen führen können, gelten ebenso Fehlplanungen des Produktionsbereiches als häufige Insolvenzursache (Euler Hermes Kreditversicherung, 2017; Hutzschenreuter & Griess-Nega, 2006, S. 57).
Besonders bei großen multinationalen Konzernen gehen endogene Krisen häufig mit einem Skandal von hohem öffentlichem Interesse und einem dadurch verursachten Sturz des Aktienkurses einher, wie aus Abbildung 4 ersichtlich wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle der Firmenlogos: Wikipedia (2020)
Abbildung 4. Beispiele für die Auswirkung von Untemehmensskandalen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kaiser & Schürmann, 2015
So erregte die Explosion der Bohrinsel Deepwater-Horizon des Mineralöluntemehmens British Petroleum weltweit ein hohes Aufsehen in der Öffentlichkeit und bei Umweltaktivisten, nicht zuletzt, da hierdurch eine Ölpest im Golf von Mexiko verursacht wurde. Einer der jüngsten Skandale aus Deutschland ist auf den Automobilhersteller Volkswagen zurückzuführen: Um sich im Wettbewerb besser positionieren zu können, manipulierte der Konzern die Abgaswerte von Diesel-Fahrzeugen. Nach Veröffentlichung des Skandals in den Medien, rutschte der Aktienkurs um mehr als 40 % ab (Kaiser & Schürmann, 2015).
2.1.3.3 Zusammenwirken von exogenen und endogenen Krisenursachen
Obwohl exogene Krisen aus externen Faktoren resultieren und somit kaum im Machtbereich eines Unternehmens liegen, wohingegen endogene Krisen intern, meist durch einen gewissen Grad an Selbstverschuldung entstehen, sind beide Faktoren der Krisenverursachung nicht vollständig voneinander zu trennen. Vielmehr entsteht eine Untemehmenskrise sowohl zu einem bestimmten Anteil aus exogenen Krisenfaktoren als auch aus endogenen Ursachen, wobei sich das Verhältnis von Krise zu Krise unterscheidet (Hutzschenreuter & Griess-Nega, 2006, S. 64; Krystek & Moldenhauer, 2007, S. 52).
Beispielsweise wird das Zusammenwirken beider Ursachen beim Auftreten von exogenen Krisen ersichtlich, welche zwar aus Umwelteinflüssen resultieren, deren Auswirkungen aber dennoch von Faktoren wie Adaptionsfahigkeit und Managemententscheidungen abhängen (Hutzschenreuter & Griess-Nega, 2006, S. 64; Krystek & Moldenhauer, 2007, S. 52). So wird ein Unternehmen, welches bereits vor Eintreten der exogenen Krisenursache unter endogen verursachten Komplikationen wie Missmanagement und Fehlkalkulationen leidet, in der Regel mit schwerwiegenderen Folgen der Krise rechnen müssen als ein Unternehmen der gleichen Branche und Größe ohne interne Bürden. Umgekehrt können sich aus einer exogenen Krise auch langfristige endogene Problematiken ergeben, beispielsweise, falls das Management die Belegschaft während der Corona-Krise gesundheitlichen Gefahren aussetzt, welche sich nachfolgend langfristig in einer erhöhten Fluktuation äußern.
2.2 Unternehmenskultur
Zur Beantwortung der Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit ist es zunächst von Relevanz, ein ganzheitliches Verständnis zum Konzept von Untemehmenskultur zu schaffen. Hierfür wird im ersten Schritt auf die geschichtliche Entwicklung eingegangen, aus welcher die heutigen Definitionen und Modelle resultieren. Im zweiten Schritt wird der Begriff Untemehmenskultur näher erläutert und eingegrenzt. In Anbetracht der Zielstellung, Untemehmenskulturen in Krisenzeiten zu analysieren, erfolgt im letzten Schritt dieses Kapitels eine Betrachtung verschiedener Modelle zur Untemehmenskulturanalyse als Basis für den empirischen Teil der vorliegenden Arbeit.
2.2.1 Entstehung von Unternehmenskultur
Der Begriff Kultur geht auf die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück und entstammt dem lateinischen Wort „cultura“, welches ins Deutsche mit Verehrung, Pflege und Anbau übersetzt werden kann (Schönbom, 2014, S. 48 ff). Nach Neumann und Stegmann (2004, zitiert nach Schönbom, 2014, S.48 ff.) handelt es sich dabei um „die charakteristische Lebensweise und die Gesamtheit der typischen Lebensformen und Lebensäußerungen eines Kollektivs“, welche zunächst von Individuen geschaffen werden muss.
Kultur = Typische Lebensweise, Lebensformen und Lebensäußerungen eines Kollektivs
Nachdem die Anthropologen Malinowski und Chase Kultur bereits in den 1940er und 1950er Jahren zum Grundpfeiler und zugleich schwerwiegendsten Problematik aller Sozialwissenschaften deklarierten, verbreitete sich das Konzept von Kultur zunächst auch in der Soziologie und Psychologie, bevor es letztendlich durch Peters (1984), welcher Untemehmenskultur als „the most important stuff around“ bezeichnete, Einzug in die Organisationstheorie und Managementlehre fand (Möltner et al., 2015, S. 8 f; Sackmann, 2017, S. 35 £). Obwohl sich die Ansichten zum Kulturbegriff von Anthropologen, Soziologen, Psychologen und Betriebswirtschaftlern maßgeblich unterscheiden, wurden all diese Perspektiven im Kontext der Organisations- und Managementforschung aufgegriffen, um das Konzept Untemehmenskultur ganzheitlich besser verstehen zu können (Sackmann, 2017, S. 35 f.; Schein & Schein, 2018, S. 3). Mit den Forschungstätigkeiten Peters nahmen die Publikationen zum Thema Untemehmenskultur fortlaufend zu, was nicht zuletzt an dem wachsenden Interesse von Untemehmenswerten und den „weichen“ Faktoren von Unternehmen sowie dem zunehmenden Aufeinandertreffen von Kulturen im Rahmen der Internationalisierung lag (Schmitt, 2015, S. 75 £). Dabei erhielt das Konzept Untemehmenskultur in den letzten Jahrzehnten immer wieder neuen Aufwind durch Betrugsfälle in der Wirtschaft und dem Wandel des Arbeitsmarktes aufgrund des Fachkräftemangels (Sackmann, 2017, S. 1 £).
2.2.2 Begriffsbestimmung von Unternehmenskultur
In der Literatur existiert eine Vielzahl an Definitionen für den Begriff der Untemehmenskultur. Eine der Bekanntesten stammt vom Organisationskulturforscher Edgar H. Schein, welcher Kultur als „die Summe aller gemeinsamen und selbstverständlichen Annahmen, die eine Gruppe im Laufe ihrer Geschichte erlernt hat“ definiert und sie als „Niederschlag des Erfolgs“ bezeichnet (Schein, 2003, zitiert nach Berner, 2019, S. 13 ff). Auf ähnliche Weise beschreibt Sackmann (2017, S. 42) Untemehmenskultur auf der Basis einer dynamischen Konstruktperspektive als „das von einer Gruppe gemeinsam gehaltene Set an grundlegenden Überzeugungen, das für die Gruppe insgesamt typisch ist“. Hierbei ergänzt sie die Effekte von Untemehmenskultur auf das Individuum, welche sich in der Wahrnehmung, im Denken, Handeln und Fühlen der Gruppenmitglieder äußern und in Form konkreter Tätigkeiten und Artefakte ausdrücken können. Analog zu Schein entwickeln sich die Überzeugungen im geschichtlichen Verlauf aus den Erfahrungen der Gruppe und werden stets an neue Gruppenmitglieder überliefert (Sackmann, 2017, S. 42; Schein & Schein, 2018, S. 6). Aufgrund der Dynamik und den direkten Auswirkungen auf die Individuen der Organisation, besteht für Unternehmen die Möglichkeit, sich bei geeigneter Untemehmensführung Wettbewerbsvorteile durch die positive Gestaltung und Beeinflussung der Untemehmenskultur zu sichern (Barney, 1986 zitiert nach Schmitt, 2015, S. 75 f.; Schönbom, S. 28 ff). Darüber, ob die Untemehmenskultur auch durch die Kultur des jeweiligen Landes beeinflusst wird, sind sich Organisationskulturforscher bis heute uneinig (Geysi et al., 2019, S. 70).
Untemehmenskultur = Die Summe aller gemeinsamen und selbstverständlichen Annahmen, die eine Gruppe im Laufe ihrer Geschichte erlernt hat. Sie beeinflusst die Wahrnehmung, das Denken, Handeln und Fühlen der Gruppenmitglieder und ist von maßgeblicher Bedeutung für den Unternehmenserfolg Grundsätzlich entsteht Untemehmenskultur bereits bei der Untemehmensgründung, beruht zu diesem Zeitpunkt jedoch lediglich auf den Überzeugungen und Werten der Untemehmensgründer. Durch Erfahrungen im weiteren Zeitverlauf, wie Erfolgen, Misserfolgen, der Implementierung von Routinen und der Meisterung von Krisen, entstehen Lemeffekte, welche dem sozialen System Unternehmen eine Stütze bei zukünftigen Entscheidungen sein können. Die hieraus resultierenden Maßnahmen wirken 24 sich innerhalb des Unternehmens wiederum auf die Grundannahmen und Überzeugungen aus (Barney, 1986, zitiert nach Schmitt, 2015, S. 75 £; Berner, 2019, S. 13 ff; Schein & Schein, 2018, S. 8 £).
In Abhängigkeit davon, ob in diesem Kontext Entscheidungen und Maßnahmen aktiv und bewusst getroffen werden oder unbewusst und ungesteuert entstehen, werden die daraus resultierenden Entwicklungen entweder als Kulturveränderung oder Kulturwandel bezeichnet. Folgend liegt der Unterschied zwischen Veränderung und Wandel in dem Bestehen einer entsprechenden Intention zur Entwicklung (Berner, 2019, S. 6 £).
Kulturveränderung = beabsichtigte und gesteuerte Entwicklungen der Kultur Kulturwandel = unbeabsichtigte und ungesteuerte Entwicklungen der Kultur
Aufgrund der vielfältigen Sichtweisen auf das Konstrukt Untemehmenskultur, resultieren aus der Organisations- und Managementforschung unterschiedliche Perspektiven, welche jeweils mit individuellen Implikationen für die Managementpraxis einhergehen (Sackmann, 2017, S. 37 ff):
- Untemehmenskultur als Variable: Untemehmenskultur ist ein Produkt des Unternehmens, bestehend aus mehreren Teilprodukten, welches zur Zielerreichung der Organisation konkret beeinflusst sowie gesteuert werden kann.
- Untemehmenskultur als Metapher: Das Unternehmen selbst wird als eine Kultur angesehen, welche durch die Interaktionen und Handlungen ihrer Mitglieder fortlaufend entwickelt und verändert wird.
- Untemehmenskultur als dynamisches Konstrukt: Untemehmenskultur beruht einerseits auf den nicht sichtbaren Verhaltensweisen und Interaktionen von Organisationsmitgliedem, welche sich jedoch beispielsweise in Produkten, Organisationsstrukturen, Prozessen, Regeln und Dokumenten manifestieren. Die Untemehmenskultur als dynamisches Konstrukt ist somit weitestgehend eine Kombination der vorher genannten Perspektiven.
Aufgrund ihrer Ganzheitlichkeit und Prägnanz, wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Perspektive von Untemehmenskultur als dynamisches Konstrukt eingenommen.
2.2.3 Modelle zur Analyse von Unternehmenskultur
In diesem Unterkapitel werden drei Modelle zur Untemehmenskulturanalyse betrachtet und in einer anschließenden Diskussion gegenübergestellt, mit dem Ziel, das bestmögliche Modell zur praktischen Analyse von Untemehmenskulturen in Krisenzeiten zu eruieren. Für die nähere Betrachtung wurden das „Drei-Ebenen Modell“ nach „Edgar Schein“, das „erweiterte KulturmodeU“ von Sonja Sackmann sowie das kulturelle Netz nach Gerry Johnson ausgewählt. Die Auswahl der Modelle beruht einerseits auf ihrer Bekanntheit, andererseits angesichts ihrer Möglichkeiten, die Beantwortung der Forschungsfragen voranzutreiben.
2.2.3.1 Das Drei-Ebenen Modell nach Schein
In dem wohl bekanntesten Modell zur Untemehmenskulturanalyse, dem Drei-Ebenen- Modell von Edgar Schein, betrachtet der Wissenschaftler Untemehmenskultur als kulturelles Phänomen, dessen Sichtbarkeit von Ebene zu Ebene geringer wird. Konkret werden zunächst die manifestierten Artefakte analysiert, gefolgt von den gewählten Überzeugungen und Werten sowie schließlich den tief in der DNA verwurzelten, nicht sichtbaren Grundannahmen einer Organisation (Bemer, 2019, S. 17 f.; Herget & Strobl, 2018, S. 14; Schein & Schein, 2018, S. 14 £):
- Artefakte: Am leichtesten ersichtlich beim Kennenlemen einer fremden Kultur, bezeichnen Artefakte jene Ausdrucksmerkmale einer Organisation, welche sich durch direkte Sichtbarkeit und Wahrnehmbarkeit auszeichnen. Einerseits gehören hierzu manifestierte Zeichen und Objekte eines Unternehmens, wie beispielsweise die Technologie, die Gebäude, die Produkte oder die Kleidung der Mitarbeiter. Andererseits sind nach Schein als Artefakte auch wahrnehmbare Verhaltensweisen von Gruppen innerhalb der Organisation zu verstehen, wie Kommunikationsmuster, Routinen und Rituale sowie Arbeitsstrukturen und Prozesse. Obwohl Artefakte eine hohe Sichtbarkeit aufweisen, liegt ihre Interpretation nicht immer eindeutig auf der Hand. (Bemer, 2019, S. 17 £; Schein & Schein, 2018, S. 14 £; Zirlik et al., 2020, S. 18 £).
- Gewählte Überzeugungen und Werte: Auf der zweiten Ebene des Modelies liegen die Überzeugungen und Werte einer Organisation, welche Indizien auf den gemeinsamen Umgang im Kollektiv, das Verhalten in bestimmten Situationen sowie das Herantasten an Probleme geben. Gespiegelt werden diese Faktoren beispielsweise in offiziellen Formularen der Untemehmensstrategie und Vision sowie Ausfährungen der Leitbilder, Führungsgrundsätze und weiteren Regelwerken, welche Unsicherheit vermeiden und Mitarbeitern eine direkte Orientierung bieten. Häufig ist ein direkter Widerspruch in den Überzeugungen und Werten einer Organisation erkennbar, beispielsweise, wenn ein Unternehmen behauptet, die höchste Qualität für den niedrigsten Preis bieten zu können. Um das Verhalten innerhalb einer Organisation jedoch tiefergehend verstehen und Vorhersagen zu können, ist eine Analyse auf der dritten Ebene des Modelles notwendig (Berner, 2019, S. 17 f.; Schein & Schein, 2018, S. 15 ff; Schönbom, 2014, S. 51 f).
- Grundlegende Annahmen: Die letzte Ebene des Modelles, die grundlegenden Annahmen, verhalten sich antagonistisch zu den Artefakten: Obwohl sie als Autopoiesis einer Organisation für deren Fortbestand als von zentraler Bedeutung gelten, sind die grundlegenden Annahmen selbst für die Organisationsmitglieder kaum erkennbar, da sie bereits innerhalb des sozialen Systems zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind und somit in der Regel weder diskutiert, noch reflektiert werden. Konkret resultieren die Annahmen oder auch Prämissen genannt, in Anschauungen, Gefühlen und Glaubenssätzen, welche häufig die Haltungen der Untemehmensgründer widerspiegeln und sich über die Zeit hinweg in der gesamten Organisation manifestiert haben (Berner, 2019, S. 17 f; Schein & Schein, 2018, S. 16 ff; Schönbom, 2014, S. 51 f.; Zirlik et al., 2020, S. 18 f).
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- Arbeit zitieren
- Julian Kolb (Autor:in), 2020, Unternehmenskulturen in Krisenzeiten. Wandel und Veränderungen während der Corona-Pandemie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1036894
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