Die Reichspräsidentenwahlen 1932. Höhepunkt der Tolerierungspolitik der SPD angesichts der "ultralinken" Politik der KPD


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 1998

110 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhalt

Technische Hinweise

1. Einleitung

2. DasKonzeptder sozialdemokratischen Tolerierungspolitik
2.1 Der Bruch der GroBen Koalition
2.2 Die SPD und die Regierung Bruning
2.3 Die Folgen derReichstagswahl vom 14. September 1930
2.4 Die Position der Parteilinken
2.5 Die "ultralinke" Position derKPD
2.6 Stationen der Tolerierungspolitik auf dem Weg zu den
2.7 Entscheidungswahlen des Fruhjahrs 1932
2.8 Herbst 1931: Chance einer Annaherung der beiden Arbeiterparteien im Vorfeld der Reichsprasidentenwahlen?

3. Die Hintergrunde der sozialdemokratischen Haltung zur Reichsprasidentenwahl in den ersten Monaten des Jahres 1932
3.1 Die SPD und das "Schicksalsjahr 1932"
3.2 Die KPD und ihre "selbstandige, proletarische Klassenpolitik"
3.3 Brunings Plane zur Amtszeitverlangerung des Reichsprasidenten Die Vorbereitungen zu einer erneuten Kandidatur Hindenburgs Das Herantasten an die offizielle Losung fur Hindenburg
3.4 Die Reichstagsdebatte vom 23. bis zum 26. Februar 1932 und die offizielle Erklarung der SPD
3.5 Hitler ante portas: Die SPD und die Logik des kleineren Ubels

4. Der Wahlkampf: "Befreit mit diesem einen Schlag das deutsche Volk von der faschistischen Bedrohung!"
4.1 Die Ausgangslage der sozialdemokratischen Agitation
4.2 Der Wahlkampf der KPD: "Wer Hindenburg wahlt, wahlt Hitler!" Einschatzungen und Erwartungen der KPD
4.3 Der Wahlkampf der SPD: "Schlagt Hitler! Darum wahlt
4.4 Hindenburg!"
4.5 Einschatzungen und Erwartungen der SPD

5. Die Resultate der Wahlen vom 13. Marz und 10. April S. 74
5.1 Das Wahlergebnis vom 13. Marz
5.2 Die zeitgenossischen Wahrnehmungsmuster in den Analysen und Kommentaren zum Ergebnis des 13. Marz
5.3 DasErgebnisvomlO. April
5.4 Die zeitgenossischen Wahrnehmungsmuster in den Analysen und Kommentaren zum Ergebnis des 10. Aprils

6. Die Handlungsspielraume der SPD im Fruhjahr 1932
6.1 Die Vorgange um das Zustandekommen des SA-Verbots als Menetekel fur den Zustand der Republik nach der Wiederwahl Hindenburgs
6.2 Hindenburgs Sieg, Hitlers Erfolg und Thalmanns Niederlage vor dem Hintergrund der Entwicklung im Fruhjahr 1932
6.3 Ausblick und Bilanz: Die strategische Situation der SPD im Fruhjahr 1932

7. Schlufibemerkungen

8. QuellenundLiteratur 4

Technische Hinweise

Die vollstandigen bibliographischen Angaben der zitierten Quellen und Literatur sind dem Literaturverzeichnis am Ende der Arbeit zu entnehmen.

Wird ein Werk erstmalig zitiert, enthalt die entsprechende FuBnote Vornamen und Namen des Autors sowie einen eindeutig zuzuordnenden Kurztitel des Werkes. Bei weiteren Zitaten aus demselben Werk im Verlauf der Arbeit erscheint in der FuBnote der Nachname des Autors und ein eindeutig zuzuordnender Kurztitel.

Wird aus Pressepublikationen der Weimarer Zeit zitiert, so erscheint in der entsprechenden FuBnote immer der voile Name des Verfassers (soweit angegeben), der Titel des Artikels und der Publikation sowie die genaue Angabe zum Erscheinungsdatum.

Veranderungen, Hinzufugungen und erklarende Anmerkungen innerhalb von Zitaten werden durch eckige Klammem gekennzeichnet. Runde Klammern zeigen an, daB der entsprechende Zusatz sich auch im Original findet.

Kursivschreibweisen innerhalb von Zitaten entsprechen dem Originaltext, sofern nicht ausdrucklich auf eine Hervorhebung des Autors verwiesen wird.

Abkurzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die sozialdemokratischen Arbeiter [...] haben wieder einmal Staat und Volk vor dem Sturz in den Abgrund gerettet, und sie wissen schon aus alter Erfahrung, daB man ihnen das auBerhalb ihrer eigenen Reihen nicht danken wird. Erst kunftige Geschichtsschreiber werden die Frage aufwerfen, was wohl aus Deutschland geworden ware, wenn es hier nicht in den Zeiten der groBen Gefahr Millionen politisch geschulter Arbeiter gegeben hatte, die ohne Rucksicht auf ihr eigenes Wohl das Notwendige leisteten!1

Vorwarts, 10. April 1932

Die vorliegende Darstellung macht es sich zur Aufgabe, die Politik der deutschen Sozialdemokratie in Hinblick auf die Reichsprasidentenwahlen des Jahres 1932 zu untersuchen. Sie will damit einen Beitrag zur Kontroverse uber die Rolle der SPD beim Untergang der ersten deutschen Republik leisten. Es soil um die Frage gehen, inwiefem die Unterstutzung des Amtsinhabers Paul von Hindenburg, dessen Wahl die SPD 1925 noch zu verhindern gesucht hatte, das letzte Kapitel der seit 1930 praktizierten sozialdemokratischen Tolerierungspolitik bildete und sich in ihm sowohl sichtbarer Erfolg wie auch greifbares Dilemma dieser Strategie vereinten. Dem wird der Blick auf die KPD gegenuberstehen, da die politische Konzeption der SPD in den Jahren 1930 bis 1932, insbesondere aber das Vorgehen der Partei im Fruhjahr 1932 ohne die Spaltung der Arbeiterbewegung nicht erklarbar ist. Hier ist vor allem der Frage nachzugehen, warum angesichts der nationalsozialistischen Bedrohung nicht wenigstens ein "Nichtangriffspakt" zwischen SPD und KPD moglich war und wie die Kandidatur des KPD-Fuhrers Ernst Thalmann in beiden Wahlgangen politisch einzuordnen ist.

Ebenso muB gefragt werden, ob der EntschluB der SPD, den kaiserlichen Generalfeldmarschall Hindenburg zur Wiederwahl zu empfehlen, ein geeignetes Mittel zur Stabilisierung und Rettung des Weimarer Staates darstellte. Dies gilt um so mehr angesichts der von einigen Historikern erhobenen Vorwurfe, die Weimarer Demokratie sei nicht "kampfend" gefallen, man habe vielmehr "das bankerotte Geschaft"1 2 liquidiert, bzw. sie sei "nicht an ihren Gegnern, sondern an sich selbst zugrunde gegangen", wobei es sich "nicht um einen Fall von Totschlag, sondern von Selbstmord"3 gehandelt habe. Die Antwort auf diese Frage ist Teil der Ursachenforschung des Scheiterns von Weimar und zeigt exemplarisch, in welcher Zwangslage sich Partei und Staat ein Jahr vor der Machtubemahme Hitlers befanden. Eine solche Fragestellung hat zwingend die Auseinandersetzung mit den Handlungsspielraumen und Alternativen der SPD zur Folge. Eben diese Handlungsspielraume der SPD vor und nach der Wahl zu betrachten sowie die Existenz einer strategischen Gesamtaltemative zu hinterfragen, heiBt, weder einer faktischen Zwangslaufigkeit das Wort zu reden noch im historischen Optativ zu wandeln. Vielmehr gilt es, sich mit ex-post-Urteilen nicht den Blick fur subjektive Einschatzungen der Handelnden zu verstellen, sondern "die damals nach ihren eigenen Gesetzen Handelnden von ihren eigenen Voraussetzungen her zu verstehen"4 Im Verlauf der Arbeit wird es immer wieder darum gehen, Uberlegungen, Ergebnisse und Bewertungen der Akteure aus ihrer zeitgenossischen Perspektive zu betrachten und eben nicht allein vom letzten Ergebnis, dem 30.

Januar 1933, her. Die Gefahr fur den heutigen Betrachter besteht darin, die Geschichte der Weimarer Republik nicht mehr anders zu sehen als im Bann "der trugerischen Hoffnungen, die sie begleiteten, und der moralischen und politischen Katastrophe, die ihrem Scheitern folgte. Die Krankheit zum Tode ubt auf den Betrachter eine Faszination eigener Art aus: Er kennt, spatgeborener Unheilsprophet, stets das Ende schon - oder meint es doch zu kennen."5 Der Schatten Hitlers hat den Blick auf "die von der Fachhistorie seither zweifelsfrei herausgearbeitete Tatsache verstellt, daB zwar der Untergang der parlamentarischen Republik seit dem Fruhjahr 1930 voraussehbar war, daB bis zuletzt aber vieles noch hatte anders kommen konnen."6 Gerade darum gilt es, die historischen Geschehnisse, Entscheidungen und Optionen des Jahres 1932 im Sinne des Diktums von Klaus Hildebrand zu betrachten, nach dem von "der Offenheit geschichtlicher Lagen zu sprechen" bedeutet, "den Eigenwertjeder historischen Epoche anzuerkennen"7

Dementsprechend werden die Wahrnehmungsmuster und Strategien der SPD in den beiden Jahren vor den Fruhjahrswahlen 1932 zu beleuchten sein. Daran knupfen sich die Fragen an, ob die Reichsprasidentenwahl einen Teil dieser Strategic bildete, ob sie ohne diese Strategic denkbar gewesen ware und ob sich ein uber diese Wahl hinausgehendes Gesamtkonzept zur Abwehr des Nationalsozialismus ausmachen laBt. Aus diesem Grunde wird es im ersten Kapitel der Arbeit um die Voraussetzungen, die konzeptionelle Logik und die Entwicklung der Tolerierungspolitik in Hinblick auf das Fruhjahr 1932 gehen. Dabei spielt das Verhalten der anderen groBen Arbeiterpartei, der KPD, eine herauszuhebende Rolle. Das zweite Kapitel wird die Vorgeschichte der Wahl und die unmittelbare Diskussion um die Entscheidung zur Unterstutzung Hindenburgs thematisieren. Dabei wird eine Bewertung der inneren Schlussigkeit bezuglich der sozialdemokratischen Strategic vorgenommen werden. Das dritte Kapitel wird sich mit dem Wahlkampf beschaftigen, vor allem mit dem Problem, wie SPD und KPD ihre Anhanger von ihrerjeweiligen Politik zu uberzeugen und fur diese zu mobilisieren suchten. Das vierte Kapitel ist der Analyse des Wahlergebnisses und der zeitgenossischen Beurteilung des Resultats gewidmet. Den AbschluB bildet ein Kapitel uber die unmittelbare Nachgeschichte und die Wirkungen der Wahl, uber die Handlungsspielraume der SPD in bezug auf das Problem "Reichsprasidentenwahl 1932" insgesamt und uber die Bedeutung dieses Ereignisses im Rahmen der Entwicklung, die die Weimarer Republik im Fruhjahr 1932 nahm. Die SchluBbemerkungen versuchen, ein Fazit aus der Darstellung und der Bewertung zu ziehen und die wichtigsten Thesen der Arbeit zusammenfassend zu formulieren.

Die Jahre 1930 bis 1933, die Zeit der "Auflosung der Weimarer Republik", so der Titel des zuerst 1955 erschienenen Standardwerkes von Karl-Dietrich Bracher, haben von Beginn der Nachkriegsgeschichtswissenschaft an groBes Interesse gefunden. Dies gilt auch fur die Rolle der SPD in diesen Jahren. Heinrich August Winkler weist darauf hin, daB das Kapitel der Tolerierungspolitik "eines der umstrittensten in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie" ist und die "Liste der Vorwurfe, die in der Geschichtsschreibung gegen die SPD erhoben werden", eine beachtliche Lange hat. Einer der Hauptvorwurfe gegen die SPD ist die "Vertiefung der Gegensatze zu den Kommunisten in einer Situation, in der die proletarische Einheitsfront die letzte Rettung vor dem Faschismus und also das Gebot der Stunde gewesen ware"8. In dieser Arbeit soil eine Auseinandersetzung mit diesem und anderen Vorwurfen im Zusammenhang mit der sozialdemokratischen Politik im Fruhjahr 1932 geleistet werden.

Die insgesamt ausgesprochen reichhaltige Literatur9 behandelt die Frage der Reichsprasidentschaftswahlen meist auBerst knapp und unbefriedigend, als sei die Haltung der SPD selbstverstandlich, eindeutig und unumstritten gewesen. Das gilt auch fur neuere Arbeiten, die die sozialdemokratische Tolerierungspolitik kritisch untersuchen, wie Wolfram Pytas Dissertation Gegen Hitler undfur die Republik, die sich auf die sozialdemokratische Perception des Nationalsozialismus und die exekutiven Abwehrmechanismen der SPD konzentriert, und Rainer Schaefers Dissertation SPD in derAraBruning. Beide Arbeiten handeln zum einen die Frage der Reichsprasidentenwahlen recht oberflachlich ab, so als hatte es im Fruhjahr 1932 kaum mehr eine Diskussion geben konnen. Zum anderen vemachlassigen sie die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Politik und den Wechselwirkungen, die zwischen ihr und dem Vorgehen der Sozialdemokratie bestanden. In Hinblick auf diese beiden Aspekte bildet Heinrich August Winklers umfassende Darstellung Der Weg in die Katastrophe eine bedeutende Ausnahme. Allerdings stellt auch er die Reichsprasidentenwahlen als Hohepunkt der Tolerierungspolitik nicht in Frage und zeichnet aufgrund seines weit gesteckten zeitlichen und thematischen Rahmens ein vereinfachtes Bild des Weges zum Aufruf "Wahlt Hindenburg!". Die drei genannten Publikationen haben es sich allerdings auch nicht zur Aufgabe gemacht, diese Entwicklung minutios zu prasentieren. Wenn dies in der vorliegenden Arbeit versucht wird, dann vor allem um anhand der Motive, Unstimmigkeiten, Widerspruche und der taktischen Zuge der sozialdemokratischen Politik in den ersten Monaten des Jahres 1932 die bedruckende Zwangslage der SPD zu diesem Zeitpunkt zu verdeutlichen und auf dieser Grundlage eine der spezifischen Situation gerecht werdende Beurteilung dieser "Politik im Dilemma" vornehmen zu konnen. Fur ein prazises Nachvollziehen der Beweggrunde, Einschatzungen und Entscheidungsprozesse sozialdemokratischer Politik vor und nach den Wahlen bedarf es der grundlichen Auswertung derjenigen Quellen, die Aussagen uber Motive und Argumentationen erlauben. Hier besteht das Dilemma, daB deren Qualitat in einem Unverhaltnis zu der Quantitat der Forschungsliteratur steht.10 Fur die SPD fehlen Protokolle der Parteivorstands- und AusschuBsitzungen sowie der Reichstags- und Landtagsfraktionsberatungen, da die den Untersuchungszeitraum betreffenden originaren Organisationsakten aufgrund von Verfolgung, Beschlagnahmung und Vernichtung, Emigration und Krieg groBtenteils verlorengegangen sind bzw. als vernichtet gelten mussen. Der Historiker ist in erster Linie auf einzelne zeitgenossische Zeugnisse sozialdemokratischer Politiker und publizistisches Material angewiesen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit wird auf letzterer Quellensorte liegen, um der Perspektive der Zeitgenossen gerecht zu werden. Erganzend hinzugezogen wird die umfangreiche Memoirenliteratur, allerdings nicht ohne die bei dieser Gattung besonders notwendige quellenkritische Relativierung. Bezuglich der Politik der KPD und der Komintern kann man sich neben der kommunistischen Presse auch auf Broschuren und die Anweisungen des Zentralkomitees an die Bezirksleitungen stutzen.

Fur die vorliegende Studie wurden folgende Zeitungen und Zeitschriften systematisch ausgewertet: 1. Das 1929 gegrundete sozialdemokratische Diskussionsforum Dos1 Fre/'e Wort. 2. Die von Rudolf Hilferding herausgegebene Gesellschaft, theoretische Plattform und "intellektuelles Flaggschiff der SPD"11. 3. Das Sprachrohr des linken Parteiflugels, der vierzehntagig erschienene Klassenkampf und dessen Nachfolger Marxistische Tribune. 12 Diese sozialdemokratischen Zeitschriften haben den Vorteil, "daB der Blick nicht von der einstromenden Aktualitat verengt wird, sondern sich groBeren Zusammenhangen widmen kann. AuBerdem zahlen in der Regel die fuhrenden intellektuellen Kopfe zu ihren Mitarbeitern."13 Berucksichtigt wurden zudem die Sozialistischen Monatshefte und sporadisch die Sozialdemokratische Partei-Korrespondenz, die einen Presseuberblick aus Sicht der Parteifuhrung bot. Daneben steht die Analyse des bedeutsamen offiziellen, taglich erschienenen Parteiorgans Vorwarts, das die Linie der SPD nach auBen vertrat und bei der Kommentierung der politischen Situation Tendenzen anstehender Entscheidungen durchscheinen lieB. Fur die KPD wurde das JbrwarA-Pendant Die Rote Fahne ausgewertet sowie die theoretischen Periodika Die Internationale und die Internationale Pressekorrespondenz herangezogen.

Die Gesamtheit dieser Publikationen bietet ein weites Spektrum der Argumentationslinien der beiden Arbeiterparteien. Man darf aber uber einen neuralgischen Punkt dieser Quellen nicht hinwegsehen, namlich den ihrer Reprasentativitat und damit ihre Auflage, das Profil ihrer Leserschaft und ihre Rezeption. Die Auflage der Monatszeitschrift Die Gesellschaft etwa war kaum hoher als 5.000 Exemplare14, die der Internationalen lag 1929 bei 1.200. Demgegenuber wurde die Rote Fahne im gleichen Jahr schatzungsweise taglich 50.000 mal, nach offiziellen Angaben sogar 70.000 mal verkauft.15 DasFreie Wort hatte 1930 etwa 17.600 Abonnenten, wobei nicht ubersehen werden darf, daB besonders diese Zeitschrift oft weitergereicht und auf Veranstaltungen vorgelesen wurde, so daB Auflage und Leserzahl nicht identisch waren.16 Insgesamt bieten diese Zeitschriften die umfassendste Quelle fur den Diskussionsstand der Arbeiterbewegung, gerade weil sie sich als "interne" Plattformen verstanden und somit oftmals eine deutlichere Sprache erlaubten als die Tageszeitungen, deren Adressaten nicht nur Anhanger, sondern auch potentielle Wahler waren. Fur das Freie Wort besteht eine weitere Besonderheit. Im ersten Teil des Heftes fanden sich Kommentare prominenter Parteifuhrer, vor allem des zum "rechten" Parteiflugel gehorenden Schriftleiters Ernst Heilmann. Den zweiten Teil bildete ein Diskussionsforum der Leserschaft, so daB hier unterschiedliche Positionen Raum fanden. Doch "bei der Vielzahl der Einsendungen waren Selektionen [...] unvermeidlich"17 Kontrastiert man die Artikel und Leserbriefe aber mit denen in den Veroffentlichungen des linken Parteiflugels, erhalt man ein breit gefachertes Bild uber die unterschiedlichen Auffassungen in Partei und Anhangerschaft. Dies ist weiterhin moglich, wenn man parallel dazu Carl von Ossietzkys Weltbuhne, eine unabhangige, der Sozialdemokratie ebenso nahe- wie kritisch gegenuberstehende Publikation, liest.

Um die Politik von SPD und KPD in die historische Entwicklung der Ara Bruning adaquat einordnen zu konnen, werden selbstverstandlich Presseveroffentlichungen, Quelleneditionen und Aufzeichnungen von Seiten der Regierung, des Reichsprasidenten selbst und aus den anderen Parteien herangezogen, wann immer dies notwendig ist. Als Quellen fur die Wahlergebnisse dienen die Veroffentlichungen des Statistischen Reichsamts und anderer staatlicher Stellen sowie die Angaben der Presse, sofern sie Zahlenmaterial liefern. Bezuglich der genaueren Analysen der Resultate vom 13. Marz und 10. April 1932, insbesondere bei den Wahlerwanderungen, ergibt sich die Schwierigkeit, daB die Reichsprasidentenwahlen in dieser Hinsicht nicht erschopfend erforscht sind. Die Literatur setzt ihren Schwerpunkt durchweg auf die Analyse der Reichstags- und Landtagswahlen. Daher kann man meist nur indirekte Schlusse aus den lokalen Einzelergebnissen ziehen und somit eher Tendenzen aufzeigen als klare quantitative Aussagen treffen. Dank der Arbeiten von Jurgen Falter18 lassen sich aber Resultate und Einschatzungen seitens der Parteien sinnvoll gegenuberstellen.

Die erwahnten Quellen und die Fulle der Literatur werden fur die zwei Jahre vom Fruhjahr 1930 bis zum Fruhjahr 1932 herangezogen, schwerpunktmaBig aber fur den Zeitraum vom Herbst 1931 bis zum April 1932. Unter dem Gesichtspunkt der Reichsprasidentenwahlen sind sie umfassend und genau untersucht und unter der Aufgabenstellung dieser Arbeit ausgewertet worden. Der Untersuchungszeitraum endet mit der Phase unmittelbar nach den preuBischen Landtagswahlen am 24. April 1932, da sich hier eine sinnvolle Bilanz der sozialdemokratischen Politik in Hinblick auf die Reichsprasidentenwahlen ziehen laBt. Der Fortgang der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Sturz Brunings und der Kanzlerschaft Papens ist unter anderen Gesichtspunkten zu betrachten, weil die Voraussetzungen, die fur den hier behandelten Untersuchungszeitraum gelten, nicht mehr bestanden. DaB wichtige Stationen der Gesamtentwicklung bis zum 30. Januar 1933 in der Beurteilung der Parole "Schlagt Hitler! Darum wahlt Hindenburg!" berucksichtigt werden, versteht sich naturlich von selbst.

2. Das Konzept der sozialdemokratischen Tolerierungsstrategie

2.1 Der Bruch der GroBen Koalition

Als am 27. Marz 1930 der letzte sozialdemokratische Reichskanzler der Weimarer Republik, Hermann Muller, mit seinem Kabinett der GroBen Koalition zurucktrat, erkannten durchaus einige in der SPD die Gefahren, die dieser Schritt fur die Republik und fur die Partei barg. RudolfHilferding, der "Chefideologe" und "scharfste analytische Kopf unter den Parteifuhrern"19, machte eine nachhaltige Gefahrdung "des deutschen Parlamentarismus und der Demokratie" aus: "[E]s unterliegt keinem Zweifel, daB, wenn das Parlament in seiner grundlegenden und wichtigsten Funktion versagt, namlich eine Regierung zu bilden, die Macht des Reichsprasidenten sich auf Kosten und durch Schuld des Parlaments erweitert und der Reichsprasident Funktionen ausuben muB, die zu erfullen sich der Reichstag versagt."20

Auf der anderen Seite schien das Fortfuhren der "Regierung der permanenten Krise"21 nicht mehr moglich. Mit der Verabschiedung des Young-Plans im Reichstag am 12. Marz war das letzte Projekt von gemeinsamem Koalitionsinteresse abgeschlossen. Vordergrundig zerbrach die GroBe Koalition an einer Streitfrage um die Arbeitslosenversicherung. Die DVP lehnte den Vorschlag der SPD, zur weiteren Finanzierung der Versicherung die Beitrage zu erhohen und ein Notopfer einzufuhren, ab und forderte stattdessen einen Leistungsabbau. Die Sozialdemokraten furchteten einen Anschlag auf die Arbeitslosenversicherung insgesamt und bestanden auf der Festschreibung des Beitragssatzes in Hohe von 3,75%. Den KompromiBvorschlag des Zentrumsfraktionsvorsitzenden Bruning, zunachst eine provisorische Regelung zu treffen und die Sanierung in den Herbst zu vertagen, nahm die SPD nicht an.22

Doch die Grunde fur das Scheitern des Kabinetts Muller lagen tiefer und beruhrten den in Kemfragen bestehenden Disput zwischen beiden Seiten. Von Anfang an war die Koalition mit Kompromissen belastet, die die SPD an den Rand der Selbstverleugnung brachten. Hervorzuheben sind hier nur die Entscheidung fur den Bau des Panzerkreuzers A, gegen den die SPD noch im Wahlkampf 1928 mit der Parole "Kinderspeisung statt Panzerkreuzer" Front gemacht hatte, und die sich verscharfenden "unuberbruckbaren Gegensatze zwischen SPD und DVP in der Sozialpolitik"23. Eine Regierungspolitik, die den okonomischen Anforderungen deutlich den Vorrang einraumte, "bedeutete fur die SPD immer auch ein erhohtes Risiko, Arbeiter an die kommunistische Konkurrenz zu verlieren."24 Die "Linken" in der SPD sahen ihre Partei in der Koalition ohnehin als Opfer des MiBbrauchs durch die Vertreter des Kapitalismus. So hatte es im Juni 1929 in der Zeitschrift Klassenkampf geheiBen: "Die deutsche Unternehmerklasse benutzt unsere Beteiligung an der Reichsregierung zur Fesselung der Krafte des Proletariats."25

Das Selbstverstandnis der SPD als Garantin der Republik machtejede taktische Frage zu einer grundsatzlichen. Dementsprechend warnte Rudolf Hilferding vor dem Bruch der Koalition durch die SPD: "[E]s ist nicht gut, aus Furcht vor dem Tode Selbstmord zu veruben."26 Doch fur viele Sozialdemokraten war der Austritt aus der Regierung "die aufrichtigere und mit dem Blick auf die allseits erwartete Reichstagsauflosung taktisch gebotene Konsequenz", ja "die Befreiung aus einer fur sie unertraglich gewordenen Konstellation", in der sie "ihre politischen Vorstellungen fast nie durchzusetzen"27 vermocht hatte. Der SPD insgesamt war allerdings der Vorwurf zu machen, daB hinter der Ablehnung des Bruning-Kompromisses angesichts einer fehlenden parlamentarischen Regierungsalternative offenbar weder ein "strategisches Gesamtkonzept"28 noch ein "BewuBtsein fur die Tragweite ihrer Entscheidung"29 stand. "Formell ubemahm damit die SPD die Verantwortung fur den Bruch der GroBen Koalition - und es war genau diese Rolle, die die Architekten der letzten Koalitionskrise den Sozialdemokraten zugedacht hatten."30 Jetzt war fur Hindenburg und den Kreis seiner Berater endlich der Weg frei, "eine vom Parlament abgehobene, uber den Parteien handelnde Regierung als ideale Verkorperung scheinbar neutraler Staatsmacht zu etablieren"31, der der Reichsprasident das Mittel in die Hand geben wurde, mit dem er Reichskanzler Muller nicht hatte ausstatten wollen: die Notverordnungsvollmacht gemaB Artikel 48 der Reichsverfassung.32 Nun begann der ProzeB des Ubergangs zum autoritaren Prasidialregime, ein ProzeB, der "systematisch vorangetrieben" worden war "mit der erklarten Absicht, durch Entmachtung des Parlaments und Ausschaltung der Sozialdemokratie aus der politischen Mitverantwortung und Mitgestaltung die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik in einen von den politischen Rechtskraften beherrschten autoritaren Staat zu transformieren"33.

Im Fruhjahr 1932 wurde die SPD sich in einer Situation wiederfinden, in der sie ausgerechnet jenem Reichsprasidenten, der diese Veranderung betrieben und ermoglicht hatte, zur Wiederwahl verhelfen sollte. Im Fruhjahr 1930 gab sie aus dem Gefuhl, die Politik der Regierung nicht mehr verantworten zu konnen, ihre Macht und ihren EinfluB aus der Hand - nur um bald eine viel schwerere Verantwortung zu tragen, ohne entscheidenden EinfluB auf die Regierungspolitik ausuben zu konnen.

2.2 Die SPD und die Regierung Bruning

Nach der Bildung eines nicht an die Parteien gebundenes Kabinetts "lieB Bruning keinen Zweifel daruber aufkommen, daB der Reichstag aufgelost werde und Gesetze auf dem Weg der Notverordnung ergehen wurden, wenn der Reichstag der Regierung das MiBtrauen ausspreche oder ihre Gesetzentwurfe ablehne."34 Die Antwort des Fraktionsvorsitzenden der SPD im Reichstag Breitscheid auf die Regierungserklarung des neuen Kanzlers, in der er die Anwendung des Artikels 48 ohne die Gefahrdung der offentlichen Sicherheit und Ordnung "einen glatten Verfassungsbruch"35 nannte, war gleichzeitig "eine Kampfansage an das Kabinett Bruning und ein Angebot, mit den bisherigen Koalitionspartnem wieder eine gemeinsame Regierung zu bilden."36 UnmiBverstandlich sagte Breitscheid: "Die Arbeiterschaft wird sich gegen den Verfassungsbruch zur Wehr setzen. [...] Was wir wollen, das ist der Staat, den wir verteidigen und den wir schutzen."37 Damit waren die Prinzipien der zukunftigen Politik der SPD beschrieben. Dadurch ergab sich aber die Notwendigkeit entscheidender strategischer Uberlegungen.

Zunachst stellte die SPD-Fraktion einen MiBtrauensantrag gegen die Regierung, der wegen des Abstimmungsverhaltens der Deutschnationalen durchfiel. Langfristig konnte Bruning aber nicht mit der Unterstutzung der DNVP rechnen, so daB sein Kabinett von Anfang an den Charakter einer Prasidialregierung hatte. Wenn die SPD in den Verhandlungen um die Deckungsvorlage Brunings auch durchaus kompromiBbereit war38, so konnte sie die geplante Burgersteuer, gegen die die KPD wirksam polemisierte, nicht mittragen. Hier verlief "die Scheidelinie zwischen Ubemahme gesamtpolitischer Verantwortung und der Einbindung in eine sozialreaktionare Politik"39. In der Zeit bis 1933 machten solche Konflikte das Spannungsfeld sozialdemokratischer Politik aus: Verantwortung fur den Staat und das System von Weimar, programmatische Grundfesten der Partei, Interessenwahrung gegenuber ihrer Klientel, Werbung um die Gunst der Arbeiterschaft, Konkurrenz zu den Kommunisten sowie strategische und taktische Erwagungen zur Durchsetzung ihrer Positionen.

In der Mitte des Jahres 1930 "verzichtete Bruning darauf, die durchaus bestehende Moglichkeit eines Kompromisses mit ihr [der SPD, M.F.] auszuloten und auszuschopfen."40 Hindenburg, der die SPD zukunftig nicht mehr an der Macht im Reich beteiligt sehen wollte41, erteilte dem Kanzler am 16. Juli die Vollmacht, das Deckungsprogramm mit Hilfe des Artikels 48 in Kraft zu setzen. Er machte deutlich, daB er im Faile einer Ablehnung durch den Reichstag diesen auflosen werde, und leitete damit "die Entwicklung zum Regime der Notverordnungen"42 ein. Der Hinweis Breitscheids, der Artikel 48 sei zum Schutze des Staates und nicht zur Durchsetzung von Regierungsinteressen bestimmt und der mit Stimmen aus SPD, KPD, NSDAP und DNVP erfolgreiche Antrag der SPD- Fraktion, die ergangenen Notverordnungen auBer Kraft zu setzen, konnten diese Entwicklung nicht aufhalten. Der Reichsprasident verfolgte andere Ziele: den "Ubergang von der verdeckten zur offenen Prasidialregierung"43. Unmittelbar nach der Abstimmung verlas Bruning die Auflosungsorder des Prasidenten. Hindenburg machte seine Drohung wahr. Die Notverodnungen wurden in erweiterter und modifizierter Form neu erlassen.

DaB die SPD in dieser Phase zwar auf Oppositions-, aber nicht vollig auf Konfrontationskurs ging, daB sie "um der Erhaltung ihrer preuBischen Bastion willen, aber auch mit Blick auf die NSDAP eine Katastrophenpolitik ablehnte"44, bestimmte ihr Verhalten bis zum Fruhjahr 1932. Das Thema "Nationalsozialismus" war spatestens nach der sachsischen Landtagswahl vom 22. Juni 1930 in den Mittelpunkt sozialdemokratischer Wahrnehmung und Politik geruckt. Die NSDAP wurde mit 14,5% der Stimmen zweitstarkste Partei. Der Reichstagsabgeordnete und Vorsitzende der SPD-Fraktion im preuBischen Landtag, Ernst Heilmann, mahnte vor dem Hintergrund der Sachsenwahl eindringlich: "Nationalsozialisten in der Reichsregierung - das bedeutet das Ende der Republik."45 Nach der Auflosung des Reichstags hieB es im Freien Wort angesichts der bedrohlich werdenden Situation, die SPD durfe das Zentrum nicht verprellen, da man die Partei brauche, um "PreuBen fester noch als Bollwerk gegen alle staatsvemeinenden Krafte auszubauen"46. Im Hinblick auf die anstehenden Neuwahlen musse das Hauptziel sein, "die Sozialdemokratie so stark zu machen, daB man ohne sie in der deutschen Republik einfach nicht mehr regieren kann"47. Damit waren die Grundmotive der sozialdemokratischen Politik umrissen. Sie entsprachen dem Selbstverstandnis einer Partei, die ihr Vorsitzender Otto Weis in diesen Tagen als "die Huterin der Verfassung, den Schutzwall der Demokratie und die Verteidigerin der Sozialpolitik"48 bezeichnete. Im Wahlkampf machte sie sich diese Rolle offensiv zu eigen und sprach von einem Kampf um das "Recht des Volkes": "Dieses Recht des Volkes wollen auch die Nationalsozialisten, die erklarten Anhanger der Diktatur, vernichten. [...] Dabei leisten ihnen die Kommunisten durch ihre Kampfmethoden wie durch die Zersplitterung der Arbeiterschaft wertvolle Dienste." Der entsprechende Artikel im Vorwarts endete mit dem Aufruf: "Gegen die Regierung Bruning, die mit dem GroBkapital verbrudert ist und die Arbeiterklasse niederschlagen will."49

2.3 Die Folgen der Reichstagswahl vom 14. September 1930

Die Hoffnung der SPD auf eine Starkung durch die Wahl erfullte sich nicht. Der 14. September brachte einen Erdrutschsieg fur die NSDAP, die mit 18,2% gegenuber 2,6% bei der Reichstagswahl 1928 zweitstarkste Partei im Reich wurde. Die KPD errang 13,1% gegenuber 10,6%, wahrend die SPD von 29,8 auf 24,5% absackte.50 Als Folge "dieser Katastrophe"51 geriet nun die Auseinandersetzung mit dem "Hauptfeind" Nationalsozialismus derart in den Fokus der Diskussion innerhalb der Partei, daB in der Frage, welche Art von Politik in Zukunft zu treiben sei, alle anderen Aspekte zu strategischen Nebenuberlegungen wurden. Erst jetzt wurde der SPD klar, daB sie das Erfolgspotential, den Massencharakter und die Gefahrlichkeit von Hitlers Bewegung bisher verkannt hatte.52 Uberall wurden Forderung nach Abwehrmechanismen "agitatorischer und propagandistischer Art"53 und nach strategischer Abwehr in bezug auf Legislative und Exekutive erhoben.

Da der "negativen" Mehrheit der antiparlamentarischen Parteien als "positive" parlamentarische Moglichkeiten zur Regierungsbildung nur ein Bundnis der SPD mit den hinter Bruning stehenden Parteien oder eine Mehrheit unter Beteiligung der NSDAP gegenuberstand, hatte die SPD bei engerem Handlungsspielraum noch groBere Verantwortung auf sich zu nehmen: "Jetzt, wo die NS-Gefahr unubersehbar geworden war, war eine staatspolitische Haltung noch mehr gefragt als zwei Monate zuvor."54 Doch eine so genannte "Koalition der Vernunftigen", wie sie der preuBische Ministerprasident Otto Braun forderte55, hatte einerseits den Spielraum der SPD, was ihre Profilierungsmoglichkeit anging, noch weiter eingeschrankt. Abgesehen davon, daB die "GroBe Koalition der Vernunftigen" nicht im Sinne des machtigen Reichsprasidenten Hindenburg war, verfugte sie andererseits uber keine solide Parlamentsmehrheit, wenn man bedenkt, daB man unter "Vernunftige" im Sinne von Verfassungsparteien nur SPD, Zentrum, Staatspartei und BVP rechnen konnte. Rudolf Hilferding wies darauf hin, daB die "Mehrheit des Parlaments [...] gegen das Parlament" stand und die "Aufnahme der Nationalsozialisten in die Regierung [...] fur sie nur die Gelegenheit zum Ausbau ihrer Machtstellung bedeuten" wurde: "Es ist eine Illusion zu glauben, daB die durch Parlaments- und Demokratiefeindschaft ihnen verbundenen burgerlichen Teilhaber sie daran hindem konnten oder wollten."56

Die SPD stand in der Pflicht, ihren eigenen MaBstaben genugen zu mussen, und hatte nur die Wahl zwischen zwei Ubeln. Der Sturz der Regierung Bruning zusammen mit den Gegnem der Republik schied aus. Als Ausweg blieb die Duldung der Regierung, in der sie nicht vertreten war, deren Kurs sie nicht aktiv mitgestalten konnte und zu der sie in inhaltlicher Opposition stand. In einer EntschlieBung lieB die Reichstagsfraktion verlauten, sie sehe "in der Erhaltung der Demokratie, der Sicherung der Verfassung und dem Schutz des Parlamentarismus ihre erste Aufgabe"57. Der russische Emigrant und Vertraute Hilferdings Georg Decker58 brachte mit der Losung "Politik des kleineren Uebels"59 das Konzept auf den Punkt: "Eine Partei steht in Opposition zur Regierung, vermeidet aber, sie zu sturzen, d.h. die Regierung wird von der oppositionellen Partei toleriert."60 Konkret hieB das in der Folge: Ablehnung der MiBtrauensantrage gegen die Regierung im Parlament und Passierenlassen ihrer Notverordnungen. Die Wahl des kleineren Ubels wurde zu einem Konzept, das der Sozialdemokratie in den nachsten anderthalb Jahren aufgezwungen war und dessen Logik fur die Haltung zur Reichsprasidentenwahl 1932 das ausschlaggebende Argument liefern wurde. Zunachst gait aber im Empfinden der Zeitgenossen "die Stutzung einer Regierung der so stark nach rechts verschobenen Mitte eine opfervolle Aufgabe"61. Bezugnehmend auf Heinrich August Winkler, Eberhard Kolb und Wolfram Pyta sind folgende Motive fur die sozialdemokratische Tolerierungspolitik festzuhalten62:

An erster Stelle stand die Verhinderung einer Beteiligung der NSDAP an der Regierung. Die Regierung Bruning erschien hierzu als einzige Alternative. Wichtig war die Aussicht auf einen Zeitgewinn, gepaart mit der Hoffnung auf ein Erlahmen des nationalsozialistischen Erfolgs, wenn die NSDAP nicht zur Macht kame und die wirtschaftliche und soziale Situation in Deutschland sich verbessern wurde. Ein weiterer Antrieb fur die Tolerierung des amtierenden Kabinetts war die Angst vor einer erneuten Wahlniederlage der SPD. Der zweite Leitgedanke bezog sich auf die Situation in PreuBen. Der Sturz Brunings hatte das Ausscheiden des Zentrums aus dem seit 1928 regierenden Kabinett des Sozialdemokraten Otto Braun und damit das Ende der Weimarer Koalition bedeutet. "Die Tolerierungspolitik war fur die Sozialdemokraten so lange eine Politik ohne Alternative, als sie die Macht in PreuBen, den wichtigsten Teil der ihnen verbliebenen staatlichen Macht, behalten wollten."63 Auch hier spielt die Abwehr des Nationalsozialismus eine bedeutende Rolle: Letztendlich ging es um den nicht zu unterschatzenden Machtfaktor, wer im groBten und wichtigsten Land des Deutschen Reiches die Kontrolle uber Polizei und Justiz hatte. Uber diese Hauptmotive hinaus bestand bei den meisten Sozialdemokraten noch die prinzipielle Einsicht in die Notwendigkeit eines strikten Sparkurses - allerdings nur bei Wahrung der sozialen Errungenschaften Weimars. Die partielle Unterstutzung von Brunings rigoroser Sparpolitik machte die SPD aber bei ihrer Wahlerklientel nicht popularer und starkte damit vor allem die extremen Parteien. In bezug auf die Exekutive ging die SPD-Fuhrung davon aus, "in Bruning, aber auch in Hindenburg einigermaBen berechenbare Partner zu haben."64 In der ersten Phase der Tolerierungspolitik wurde diese Annahme zumindest nicht widerlegt. Dennoch war die SPD paradoxerweise "als Opposition wesentlich systemloyaler als die Regierung"65. Hatten die Sozialdemokraten "sich gegenuber Reichsregierungen, in denen sie selbst vertreten waren, haufig so [verhalten], als seien sie nach wie vor Oppositionspartei"66, so muBten sie sich nun als Oppositionspartei haufig wie in Regierungsverantwortung verhalten.

Der defensive Charakter der Tolerierungspolitik ist augenfallig. Sie war von Anfang an eine Strategic des kalkulierten Risikos. Es bestand die Gefahr der Etablierung eines autoritaren Regimes, obwohl die tolerierende Partei genau das nicht wollte. Immerhin blieb trotz der Prasidialregierung der Rechts- und Verfassungsstaat und damit zumindest die Hoffnung auf eine Ruckkehr zum eigentlichen System von Weimar erhalten. Es stellt sich nach wie vor die Frage, "ob die Prasidialregierungen in ihrer gemaBigten Phase [...] als ein legitimer Versuch zu werten sind, von Weimar zu retten, was noch zu retten war, oder aber als Weichenstellung in Richtung eines Prozesses, der mit einer gewissen Zwangslaufigkeit zur Machtubergabe an Hitler fuhrte"67 Es ist eine Frage, die sich an das Konzept der Tolerierung allgemein und in letzter Konsequenz an das Konzept der Unterstutzung Hindenburgs 1932 stellt. Die Problematik ihrer Zwangslage war auch den handelnden Politikern im Jahre 1930 bewuBt. Georg Decker meinte diesbezuglich: "Die groBte Schwierigkeit der Tolerierungspolitik besteht darin, zu entscheiden, wann diese Politik als Rettung der Demokratie gelten kann und wann sie selber zu einer Gefahr fur die Demokratie zu werden droht."68

2.4 Die Position der Parteilinken

Die Tolerierungspolitik war von Anfang an umstritten. Vor allem auf dem linken Flugel der Partei regte sich heftige Kritik.69 Die innerparteiliche Opposition war dabei in der Anamnese der Situation sehr prazise. In der Diagnose erkannte sie die mit dem Prasidialsystem verbundenen Gefahrdungen deutlicher als die Parteifuhrung, doch verengte gleichzeitig die marxistisch- funktionale Deutung des Nationalsozialismus ihren Blick fur die von ihm ausgehenden Gefahren. In der Therapie konnte sie keine uberzeugende Alternative zur Parteimehrheit bieten. Im Klassenkampf setzten sich die Reprasentanten des linken Flugels auBerst kritisch mit den Argumenten aus dem Freien Wort und der Gesellschaft sowie mit der Linie der Parteifuhrung auseinander und entwarfen ihre Gegenpositionen. Bereits im Juli 1930 hatte der "Wortfuhrer der orthodoxen Linken"70 in der SPD, der sachsische Reichstagsabgeordnete Max Seydewitz vor der Etablierung eines sich auf den Reichsprasidenten und dieNotverordnungsgewaltgestutztenKabinetts gewarnt: "Der Artikel 48 wird Deutschland weder vor dem Faschismus retten [...]; er wird im Gegenteil die Schwierigkeiten noch steigem und dem Faschismus noch mehr Hindernisse aus dem Weg raumen."71 Kurze Zeit spater polemisierte Kurt Rosenfeld gegen "das verfassungswidrige und arbeiterfeindliche Wirken Hindenburgs". In Retrospektion auf den Bruch der GroBen Koalition und die Errichtung des Prasidialregimes sah auch er das demokratische System erheblich bedroht: "Im Namen Hindenburgs ubt eine Nebenregierung, die in ahnlicher Art schon am Hofe der Hohenzollern bestand, unheilvollen EinfluB aus."72 Diese warnenden Analysen, deren Inhalt sich noch als durchaus berechtigt herausstellen sollte, standen in scharfem Kontrast zum naiven Hinweis des parteioffiziellen Vorwarts, das Volk musse nur einen funktionstuchtigen Reichstag wahlen, dann werde dieser "die Macht des Reichsprasidenten auf das normale MaB beschranken"73.

Da der linke Flugel der SPD dem Tolerierungsprinzip keine schlussige strategische Alternativkonzeption entgegenzusetzen wuBte, fluchtete man sich in eine Risikostrategie, die der noch zu diskutierenden "Katastrophenpolitik" der KPD oberflachlich betrachtet gefahrlich ahnlich sah. Vor der Reichstagswahl definierte Seydewitz als Wortfuhrer der "Klassenkampf-Gruppe" den politischen Frontverlauf: "Demokratie oder Faschismus (gleichgultig in welcher Form)"74. In seiner Ansicht zur Strategic der SPD, gestarkt durch die relativ geringen Verluste der "linken" sachsischen SPD bei der Wahl, sah Seydewitz keinen Grund, "warum die Sozialdemokratie einen Unterschied machen soil zwischen Brunings und Hitlers Faschismus"75. Genau in dieser grundlegenden Einschatzung lag der Kern des Konflikts um die Tolerierungspolitik. Was die Mehrheit der Partei als Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus begriff und verfolgte, bedeutete fur die Parteilinke Kapitulation vor dem "Faschismus". Die Konsequenz daraus war, daB man die Tolerierung strikt ablehnte und ein Kabinett aus burgerlicher Rechter und NSDAP aus taktischen Erwagungen heraus einkalkulierte, damit der Nationalsozialismus sich an der Regierung "verbrauche"76. Doch dieser gefahrlichen Risiko-Strategie, "lieber Nationalsozialisten an die Regierung zu lassen, als Bruning parlamentarischen Ruckhalt zu geben, wollte sich die groBe Mehrheit der SPD nicht beugen".77

Sie muBte sich aber von der innerparteilichen Opposition die Schwachstelle der "Politik des Ausweichens und des Abwartens" vorwerfen lassen, namlich daB die Mehrheit der Sozialdemokraten "zujeder Konzession bereit [war], in der Hoffnung, daB nach einem halben Jahr 'gunstigeres Wetter' zur Vertretung proletarischer Interessen"78 herrschen wurde. Der "ausgepragtefn] Tendenz zur Unterschatzung der gefahrvollen Auswirkungen einer nationalsozialistischen Regierungsbeteiligung und zur Verkennung des wirklichen Charakters der NS-Bewegung"79 auf dem linken Flugel der SPD setzte die Mehrheit immer wieder eindringliche Warnungen entgegen: "Haben die Faschisten aber erst einmal die Macht, dann werden sie ihre Masken abwerfen, [...] dann rauben sie den Massen nicht nur die politischen Rechte und Freiheiten, sondem auch alle sozialen Errungenschaften."80 Im Laufe der Diskussion um die Tolerierungspolitik wuchs die Erbitterung auf Seiten der innerparteilichen Opposition. Von einem Rechtsruck der SPD war die Rede, von der zu sehr dem System verbundenen Mehrheit und davon, daB "mancher von denen, die im Kriege zu Hindenburg gegangen sind, [...] innerlich dort geblieben"81 seien.

Dieser Logik zufolge wurde durch die Tolerierung des burgerlichen Prasidialkabinetts "die Hauptfrontlinie im Klassenkampf verwischt"82. Vage wurden umfassende Streikaktionen und eine Zusammenarbeit mit der KPD gefordert.83 Letztendlich lag dem die mythische Illusion von der "Kampfkraft der einigen Arbeiterklasse", von Massenaktionen der Arbeiterschaftjenseits staatlicher Institutionen und gewahlter Korperschaften zur Verhinderung der nationalsozialistischen Diktatur zugrunde.84 Dabei wurde ubersehen, daB in einer solchen Auseinandersetzung den Arbeitermassen "eine Einheitsfront der Rechten, einschlieBlich des Polizei- und Militarapparats, gegenubergestanden hatte" und unter Umstanden "den sofortigen Griff der Nationalsozialisten nach der Staatsmacht [eher] moglich gemacht"85 als verhindert hatte.

Rudolf Hilferding konfrontierte die "Linke" mit der Realitat: "Wer also die Nationalsozialisten in der Regierung haben will, muB erst einmal sagen, wie er sie wieder herausbekommen will [...] Glaubtjemand, daB unsere zur Verfugung stehenden auBerparlamentarischen Mittel zur Bekampfung der Diktatur gegenwartig anwendbar sind? Wurde ein Generalstreik in der gegenwartigen Krise durchfuhrbar sein, wurde man kommunistische Arbeiter fur die Erhaltung der Demokratie mobilisieren konnen?"86 Der Glaube an eine geschlossene Frontstellung der Arbeiter war um so illusorischer, als die Arbeiterbewegung 1930 langst eine zutiefst gespaltene war. Die "Einheitsfront der Arbeiterbewegung" stellte keine Moglichkeit zur Uberwindung der Krise dar, da die andere Arbeiterpartei, die KPD, in der SPD ihren Hauptfeind sah.

2.5 Die "ultralinke" Position der KPD

Spatestens im Dezember 1930, nachdem Hindenburg die Verordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen erlassen und die SPD - trotz sozialpolitischer und verfassungsrechtlicher Einwande87 - im Reichstag den Antrag der KPD auf Aufhebung der Notverordnung zusammen mit Zentrum, BVP und DVP abgelehnt hatte, war fur die KPD der Zustand der "faschistischen Diktatur in Deutschland" erreicht, "wobei wiederum der Sozialfaschismus die Rolle des Geburtshelfers spielte und den Massen vortauschte, die Unterstutzung der Bruning-Regierung durch die SPD lieBe sich als ein Weg zur Vermeidung der Hitler-Diktatur beschonigen oder entschuldigen"88.

Seit ihrem XII. Parteitag 1929 vertrat die KPD eine "ultralinke" Position, also eine Politik der bedingungslosen Bekampfung des Staats und Systems von Weimar, "eine abstrakt-radikale Tendenz, die vorrangig die 'Revolution' propagierte, Ubergangsforderungen ablehnte und die Machtubemahme vorbereitete"89. Dieser Kurs wurde bestimmt von "der Moskau grundsatzlich horigen sowie von den staatspolitischenNotwendigkeiten der Sowjetunion abhangigen Tatigkeit der Komintern"90. Wenn es auch in den Jahren 1929 bis 1932 zu taktischen Kursanderungen der KPD kam, so wurde durch "die wachsende Abhangigkeit der deutschen Kommunisten von der Kominternzentrale und die Unterordnung des EKKI unter die sowjetischen Kommunisten"91 an der ultralinken Strategic insgesamt festgehalten.92 "Die Partei bezeichnete daher - trotz der heraufziehenden Gefahr des Nationalsozialismus - die Weimarer Republik als ihren Hauptgegner und die Sozialdemokratie als ihren Hauptfeind. [...] Nach den Weisungen der Komintern entwickelte die KPD eine Theorie, nach der es zwischen Weimarer Republik und Faschismus, zwischen SPD und NSDAP keinen prinzipiellen Gegensatz gebe. Die Bruning- und die Papen-Regierung wurden als faschistisch angegriffen und die Sozialdemokratie als 'sozialfaschistisch' diffamiert."93 "Faschistisch" waren fur die KPD letztendlich alle nichtkommunistischen Krafte. Dieser Demarkation lag eine rein funktionale Deutung des Nationalsozialismus zugrunde, nach der Nationalsozialisten, Burgerliche und Sozialdemokraten nur als verschiedene Instrumente bzw. Agenten des herrschenden Kapitals wahrgenommen wurden.

Hermann Weber macht fur den Zeitraum vom Fruhjahr 1930 bis zum Fruhjahr 1932 folgende taktische Phasen im Rahmen der strategisch konstanten ultralinken Generallinie fest: Bis zum Sommer 1930 wurde die "Einheitsfront von unten", also die Zersetzung der SPD und die Abwerbung ihrer Anhanger, propagiert, wobei die Sozialdemokratie nun als "Hauptfeind innerhalb der Arbeiterklasse" gesehen wurde; bis Dezember 1930 ruckte die NSDAP mehr ins Blickfeld und damit in der Propaganda nationalistische Parolen in den Mittelpunkt; Ende des Jahres 1930 folgte das Konzept der "Volksrevolution": die KPD vertrat die (bald auf Druck der Komintern relativierte) These von der bereits bestehenden faschistischen Diktatur und rief zum Kampf gegen Bruning und seine "sozialfaschistischen SpieBgesellen" auf; das XI. EKKI-Plenum im April 1931 bewirkte bis zum Oktober 1931 eine verscharfte Taktik gegenuber der SPD; ab Oktober 1931 bis zum Fruhjahr 1932, also in der Phase der Vorbereitung der Prasidentenwahlen, wurde dieser Kurs fortgesetzt und in Anlehnung an eine These Stalins die Parole von den "Zwillingsbrudem" SPD und NSDAP ausgegeben.94 Weber legt Wert darauf, daB es sich hier lediglich um "taktische Varianten und Konkretisierungen"95 der ultralinken Konfrontationspolitik handelte, durch die "die politische Linie entweder bis zum ExzeB getrieben oder aber flexibler und realistischer angewandt"96 wurde: "Da auch die Sozialdemokratie sich angeblich faschisierte, mit dem Staat verschmolzen war und die Arbeiter davon abhielt, zur KPD zu kommen, wurde jede Einheitsfront mit ihr ('Einheitsfront von oben') abgelehnt. Durch die sogenannte 'Einheitsfront von unten' sollten die SPD zersetzt sowie ihre Anhanger fur die KPD gewonnen werden."97 Sie "muBte aber zwangslaufig zu einem Verzicht auf jegliche Einheitsfrontpolitik fuhren, da sie von der sozialdemokratischen Basis faktisch die Ubernahme des kommunistischen Fuhrungsanspruchs als Voraussetzung der gemeinsamen Aktion forderte."98

Zur Reichstagswahl 1930 hatte das Zentralkomitee der KPD an die Parteibezirke geschrieben: "Das entscheidende Merkmal des Wahlergebnisses ist der gewaltige Wahlsieg der KPD. [...] Diesem Ergebnis gegenuber sind alle anderen Erscheinungen als Umgruppierungen innerhalb des burgerlichen konterrevolutionaren Lagers von zweitrangiger Bedeutung."99 In der Hoffnung auf eine Revolution konnte die KPD die Verhaltnisse im neuen Reichstag nur begruBen: Zum einen war sie selbst erheblich gestarkt, zum anderen trug der Erfolg der NSDAP "zur Verscharfung der Krise und zur Klarung der Fronten"100 bei. Diese Einschatzung der politischen Situation fuhrte konsequenterweise 1932 zu der Auffassung, Hindenburg stelle gegenuber Hitler bei der Reichsprasidentenwahl kein kleineres Ubel dar.

Es war gerade die Position der KPD, die die Idee einer geeinten Arbeiterklasse ausschloB. Eine wie auch immer geartete "Einheitsfront" oder Zusammenarbeit mit den Kommunisten hatte die SPD ihren EinfluB auf der Reichsebene und die Macht in PreuBen gekostet. Ein Linksruck hatte eigene Anhanger abgestoBen, die Angst des Burgertums vor einem Umsturz von links genahrt und damit der NSDAP nur mehr Wahlerstimmen zugetrieben. "Eine 'linke' Alternative zur Tolerierungspolitik ist die antifaschistische Einheitsfront, einem bis heute fortwirkenden Mythos zum Trotz, folglich nie gewesen."101

2.6 Stationen der Tolerierungspolitik auf dem Weg zu den Entscheidungswahlen des Fruhjahrs 1932

Im Fruhjahr 1931 wurde die Diskussion um die Politik der SPD erneut entflammt. Die innerparteilichen Auseinandersetzungen um die Bewilligung der ersten Rate fur den Panzerkreuzer B sollte den "bislang hochste[n] Preis der Tolerierungspolitik"102 darstellen. Der Reichstag hatte sich zunachst bis zum 3. Februar 1931 vertagt. "Zwei Monate war wieder Zeit gewonnen, und das schien zu Beginn des Jahres 1931 sehr viel. Noch hoffte man, die Neubelebung der Weltwirtschaft konne schon im Fruhjahr 1931 einsetzen und der Konjunkturaufschwung im Verlauf eines Jahres die nationalsozialistische Gefahr so eindammen, daB die Handlungsspielraume der Sozialdemokratie erweitert und ihre Chancen bei den 1932 anstehenden Wahlen verbessert wurden."103 Doch die Anzeichen einer okonomischen und fiskalischen Trendwende verfingen nur an der Oberflache. Zudem war im Januar die Rekordhohe der Arbeitslosenzahlen von 4,765 Millionen erreicht worden.

Nach dem Auszug der Rechtsparteien aus dem Reichstag im Februar als Reaktion auf die Dezember-Verordnung des Reichsprasidenten104 bestand fur die SPD das Dilemma, daB sie zusammen mit der KPD uber eine theoretische Parlamentsmehrheit verfugte. Die Kommunisten konnten die Sozialdemokraten nun als Teil des Regierungslagers vorfuhren und nutzten dies bei den Haushaltsberatungen und dem Konflikt um den Panzerkreuzer B weidlich aus. Schon die Bewilligung des Panzerkreuzers A hatte zum Aufruhr in der traditionell antimilitaristischen SPD gefuhrt, und das soziale Argument gegen den Bau des Panzerschiffes wog zu Beginn des Jahres 1931 um so schwerer. Da "der Erfolg der Tolerierungspolitik insgesamt auf dem Spiel"105 stand, entschied sich die Fraktion schweren Herzens zur Stimmenthaltung im Reichstag. Ernst Heilmanns Hinweis, "daB hinter der Forderung des neuen Panzerkreuzers der Reichsprasident und derReichswehrminister" standen, hatte kaum eine andere Marschrichtung erwarten lassen, wollte man nicht das Ende der Regierung Bruning riskieren: "Der Reichsprasident ist heute [...] der starkste politische Faktor."106 Diese Argumentation zeigt, wie sehr sich die SPD in eine Situation begeben hatte, zu der es zwar keine Alternative zu geben schien, in der sie aber gerade darum erpreBbar und vom Gusto des Reichsprasidenten abhangig war. Bei der Abstimmung im Reichstag am 20. Marz votierten allerdings neun Abgeordnete zusammen mit den Kommunisten gegen den Panzerkreuzer. Die Abweichler brachten aber mit ihrem Bruch der Fraktionsdisziplin "die uberwiegende Mehrheit der Partei gegen sich auf und schwachten die Position der Tolerierungsgegner"107

Als am 20. Marz der engagierte Verfechter der Tolerierungspolitik Hermann Muller starb, muBte Hindenburg dazu uberredet werden, diesem im Rahmen der Trauerfeierlichkeiten Respekt zu zollen.108 Der Reichstag hatte sich mit den Stimmen der SPD bis zum 13. Oktober vertagt, so daB Bruning mit Hilfe von Notverordnungen des Reichsprasidenten weiterregieren konnte und Zeit gewann. Nach der Braunschweiger Landtagswahl, dem ErlaB der Notverordnung zur Bekampfung politischer Ausschreitungen und der Entlassung des ersten nationalsozialistischen Innenministers Wilhelm Frick aus dem thuringischen Kabinett im Marz konnte die SPD durchaus Erfolge ihrer Tolerierungspolitik vorweisen. "Von der staatlichen Macht schien die NSDAP im Fruhjahr 1931 weiter entfernt als ein halbes Jahr zuvor."109

Vor und auf dem Leipziger Parteitag vom 31. Mai bis zum 5. Juni wurden aufgrund der Panzerkreuzer-Streitigkeiten, der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage und des Stimmenzuwachses der NSDAP bei den Mai-Wahlen in Oldenburg nochmals die Konflikte um die politische Strategic der Sozialdemokratie ausgetragen.110 Das Verhalten der Abweichler wurde vom Parteitag gerugt und die Tolerierungspolitik weitgehend befurwortet111 - indes mit der Drohung an die Regierung, daB ein neuerlicher Leistungsabbau im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die erwartete nachste Notverordnung "auf den entschiedenen Widerstand der Sozialdemokratie stoBen" und die Partei sich "in ihrer zukunftigen Haltung zur Reichsregierung" davon leiten lassen werde, ob durch eine Unterstutzung "die lebenswichtigen Arbeiterinteressen zu sichern"112 seien. Was das fur die konkrete Umsetzung im Reichstag heiBen wurde, blieb der Fraktion uberlassen.

DaB Bruning nicht gewillt war, Rucksicht auf die SPD zu nehmen, zeigte sich am letzten Tag des Leipziger Parteitags mit der Unterzeichnung der schlimmste soziale Harten beinhaltenden Zweiten Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen durch den Reichsprasidenten.113 KPD, NSDAP, DNVP und Wirtschaftspartei forderten die Einberufung des vertagten Reichstags, um die Aufhebung der Verordnung zu verlangen. Teile der SPD-Fraktion hingegen hofften, durch eine Sitzung des Haushaltsausschusses "werde ein Ventil geschaffen, damit sich die Stimmung der Unzufriedenen Luft machen konne. [...] Man konne den Leuten im Lande dann wenigstens verstandlich machen, daB Verhandlungen im Gange seien."114 Doch Bruning wollte nicht einmal dieses Zugestandnis machen. Die Notwendigkeit einer Gesichtswahrung der SPD vor ihren Mitgliedem und Anhangem kummerte den Kanzler nicht. Die Reichstagsfraktion verzichtete schlieBlich auf die Einberufung des Haushaltsausschusses. "An diesem Mittag des 16. Juni 1931 hing das Schicksal der Bruning-Regierung also an einem seidenen Faden, nicht weil die SPD-Fraktion mehrheitlich zur Aufgabe der Tolerierung entschlossen war, sondern weil sie sich auf ein taktisches Kraftemessen mit dem Kanzler eingelassen hatte."115 Dieses Kraftemessen hatte die SPD verloren. Die Einberufung des Plenums oder des Haushaltsauschusses hatte nach Meinung Heinrich August Winklers "ein neues, offen antiparlamentarisches Kabinett Bruning"116 bedeutet. Die SPD hatte ihrer eigenen Einschatzung nach sogar den Staatsbankrott, die daraus resultierende "sofortige Katastrophe und den sofortigen Burgerkrieg abgewehrt"117 - zu einem extrem hohen Preis. Das von Anfang an bestehende Dilemma der SPD wurde mit jedem Punkt, an dem die Handlungsspielraume fur die Partei und die Republik kleiner wurden, groBer.

Wahrend die Regierung Bruning trotz des Hoover-Moratoriums vom 1. Juli soziale Erleichterungen ablehnte und ihren harten Deflationskurs fortfuhrte118, richtete die "Klassenkampfgruppe" einen Mahnruf an die Partei, in dem sie die Rucknahme des Fraktionsbeschlusses und das Ende der Tolerierungspolitik forderte.119 Doch durch die Offensive der nationalen Rechten geriet die SPD noch mehr unter Druck. Seit Februar bemuhte sich der "Stahlhelm"-Verband, dessen langjahriges Ehrenmitglied Reichsprasident von Hindenburg war, mit einem Volksbegehren die Auflosung des preuBischen Landtags und die Ablosung der GroBen Koalition in PreuBen zu erzwingen. Anfangs von NSDAP, DNVP und DVP unterstutzt, reihte sich am 22. Juli die KPD in die Reihe der Befurworter des nun fur den 9. August angesetzten Volksentscheids ein. Noch im Januar hatte der KPD-Vorsitzende Thalmann hierzu gesagt: "Wir konnen selbstverstandlich nicht mit den Faschisten gegen die PreuBenregierung ein gemeinsames Volksbegehren durchfuhren."120 "Doch wenige Tage vor dem Volksentscheidtermin griff die Komintern-Fuhrung ein und drangte die KPD zur Teilnahme"121. Und nun standen die Kommunisten in ihrem Kampf gegen die "Sozialfaschisten" Seite an Seite mit den Nationalsozialisten. "Viele KPD- Wahler versagten allerdings ihre Zustimmung, so daB bei Volksentscheid am 9. August 1931 in KPD- Hochburgen weniger Stimmen fur den Volksentscheid abgegeben wurden, als die ihn tragenden Parteien 1930 erhalten hatten"122, und nur 37,1% der Wahlberechtigten mit "Ja" stimmten. Neben dem Eindruck einer Stabilisierung der politischen Verhaltnisse bei der SPD blieb die "katastrophale Verschlechterung des Verhaltnisses zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten"123. Als am Ende des Abstimmungstages in Berlin zwei Polizisten von Mitgliedern des Parteiselbstschutzes der KPD erschossen wurden, erhartete sich - wenn tatsachlich auch keine konkreten Umsturzplane bestanden - in einer Phase, in der Terrorakte vornehmlich von links an der Tagesordnung waren, die Ansicht, der Republik drohe in erster Linie von kommunistischer Seite Gefahr.124

Demgegenuber demonstrierten Stahlhelm, NSDAP, DNVP, Reichslandbund und Alldeutscher Verband im Oktober in Bad Harzburg ihren Willen, die Regierung zu sturzen. Nur mit Muhe uberlebte das inzwischen II. Kabinett Bruning einen MiBtrauensantrag im Parlament. Im September hatten sich Hindenburg und sein Vertrauter Kurt von Schleicher fur eine Wendung des Kabinetts nach rechts ausgesprochen. Grundsatzlich hatte Bruning nichts dagegen einzuwenden. Er wollte die "nationale Opposition" aber verpflichten, Hindenburg bei den Prasidentenwahlen im Fruhjahr zu unterstutzen. Hugenberg war dazu jedoch nicht bereit. Hindenburg selbst verlangte von Bruning die Umbildung des Kabinetts im Sinne eines konservativeren, parteipolitisch unabhangigeren Prasidialkabinetts. Die Regierung demissionierte, und Bruning erhielt den erneuten Auftrag zur Regierungsbildung. Am 10. Oktober beschloss die DVP, die in dem neuen Kabinett keinen Minister mehr stellte, dem Kabinett im Reichstag das MiBtrauen auszusprechen.125 Mochte die SPD mit einem Rechtsruck der Regierung noch so unzufrieden sein, der SchulterschluB der "nationalen Opposition" in Bad Harzburg und Hindenburgs Gesprach mit Hitler und Goring am 10. Oktober lieferten die Argumente des (immer noch) kleineren Ubels auf dem Silbertablett. In den Augen Georg Deckers wurde die Verteidigung des Bruning-Kabinetts "aus einem Problem zu einer politischen und psychologischen Selbstverstandlichkeit"126. Am 16. Oktober votierten die sozialdemokratischen Abgeordneten gegen die MiBtrauensantrage und stimmten einer Vertagung des Parlaments bis zum 23. Februar 1932 zu. Am 29. Sepember waren die unerbittlichen Kritiker der Tolerierungspolitik Max Seydewitz und Kurt Rosenfeld wegen parteischadigenden Verhaltens aus der SPD ausgeschlossen worden. Nach einigen Solidaritatsadressen und Austritten formierte sich am 2. Oktober in Breslau die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), die uber den Status einer Splitterpartei aber nie hinauswachsen sollte.127 Wenn auch "die Opposition aus der Partei nicht verschwunden"128 war: Mit der Abspaltung der SAP hatte die Partei den Hohepunkt der innerparteilichen Diskussion um die Tolerierungspolitik hinter sich gelassen. Das heiBt nicht, daB nicht weiter mit der Tolerierung und ihren einzelnen Schritten gerungen wurde. Die Diskussionen zeigten nun vielmehr das sich verscharfende Dilemma der SPD.129

Die Lage wurde immer bedrohlicher. Ein Jahr nach der Reichstagswahl kam Ernst Heilmann zu dem SchluB: "[D]ie Bilanz dieses Jahres ergibt zwar das Plus, daB der Faschismus nicht die Machtmittel des Staates in die Hande bekommen hat, wie er wollte und glaubte, daB aber die Gefahr in fast unveranderter Starke fortbesteht." 130 Angesichts des enger werdenden Spielraums fur die Republik und der Ereignisse im Herbst wuchs die Gefahr sogar. Die wirtschaftliche und monetare Krise spitzte sich immer dramatischer zu und die Wahlen in den Landem lieBen auf ein baldiges Ende der nationalsozialistischen Erfolge ebensowenig hoffen wie auf einen Sieg der GroBen Koalition bei den PreuBenwahlen. Bei den Hamburger Burgerschaftswahlen vom 27. September war die SPD auf 27,8% gegenuber 35,9% abgesackt, die NSDAP mit 26,2% gegenuber 2,2% zweitstarkste und die KPD mit 21,9% gegenuber 16,6% drittstarkste Partei geworden. Bei den Hessen-Wahlen am 15. November wurde die NSDAP gar starkste Partei und steigerte sich von 1 auf 27 Sitze, die KPD hielt nun 10 gegenuber 4, wahrend die SPD nur noch 15 gegenuber vorher 24 innehatte. Die innerparteiliche Diskussion erhielt dadurch neue Nahrung131. Dementsprechend stieB die SPD im Dezember aus AnlaB der neuen Notverordnung noch einmal verbale Drohungen aus, warnte die Regierung, die Reallohne nicht noch weiter sinken zu lassen, und forderte ein scharferes Vorgehen gegen die nationalsozialistische Bewegung.132 Die SPD versuchte sich nun durch die auBerparlamentarische Mobilisierung derjenigen, die die Republik zu retten gedachten, aus ihrer Zwangslage zu befreien - und zwar auch und gerade in Hinblick auf die "Entscheidungswahlen" des Fruhjahrs 1932. Am 16. Dezember 1931 konstituierte sich aus der Sozialdemokratie und ihr nahestehender Organisationen wie Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, ADGB, Arbeiter- und Sportbund und der Sozialistischen Arbeiterjugend als Antwort auf die Harzburger Front die Eiserne Front.133

2.7 Herbst 1931: Chance einer Annaherung der beiden Arbeiterparteien im Vorfeld der Reichsprasidentenwahlen?

Die Kommunisten hatten zuvor einen weiteren ihrer taktischen Schwenks innerhalb der Generallinie vollzogen. Durch die Demonstration der Harzburger Front war der Kampf gegen den eigentlichen "Faschismus" und damit die "Losung der proletarischen Einheitsfront"134 wieder starker in den Mittelpunkt geruckt. In Braunschweig, wo im Fruhjahr der sozialdemokratische erste Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung von den Kommunisten mitgewahlt worden war, hatten KPD-Anhanger und das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold am 18. Oktober gemeinsam gegen einen Aufmarsch von SA und SS demonstriert. Das Zentralkomitee konstatierte: "Nur durch die Gewinnung der sozialdemokratischen Arbeiter fur diesen Kampf, nur durch die Anwendung der Einheitsfrontpolitik im Sinne der Massenmobilisierung zum Kampf gelang die erfolgreiche Durchfuhrung"135. Im selben Dokument warf sie der SPD vor, daB "deren sozialfaschistische Politik mit der Tolerierung der zweiten Bruning-Regierung [eine] weitere Steigerung"136 erfahren habe. Dennoch kam es am 9. November noch einmal zu einer "gemeinsamen Abwehraktion"137 von Reichsbanner und Kommunisten gegen die SA.

Fur Bewegung innerhalb der politischen Arbeiterschaft sorgte ein BeschluB des Zentralkomitees der KPD vom 10. November, der den Terror indiviueller kommunistischer Gruppen, "linke sektiererische Stimmungen" und "jede Verfechtung oder Duldung der terroristischen Ideologic oder Praxis"138 verurteilte. Aber auch er brachte keine substantiate Wende in den Beziehungen zwischen den Arbeiterparteien. Der Vorwarts begegnete der Erklarung der KPD mit einer Mischung aus MiBtrauen und Offenheit: "Die 'Legalitats'-Schwure Hitlers fmden bei der KPD verspatete Nachahmung. [...] Aber trotzdem hoffen wir [...], daB die kommunistischen Arbeiter sich wieder auf die Grundbegriffe proletarischer Aktion besinnen [...] Vielleicht ware es dann doch noch moglich, wieder geordnete Zustande in Deutschland herzustellen, in denen die Arbeiterschaft ihre wirtschaftliche und politische Kraft zur Geltung bringen kann ohne Mord und Totschlag."139 Rudolf Breitscheid reagierte am 14. November bei einer Rede in Darmstadt auf die "neue" Haltung der Kommunisten mit "einer Art von Nichtangriffspakt"140: "Wenn [...] die Partei tatsachlich auf die putschistische und terroristische Ideologic und Praxis verzichten wurde, dann ware damit wenigstens eines der zahlreichen Hindemisse beseitigt, die bisher einem gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse zur Abwehr des Faschismus im Wege stehen."141 Breitscheid nannte Voraussetzungen fur eine Annaherung der beiden Arbeiterparteien und den Kampf gegen den Nationalsozialismus. Daraus schon den SchluB zu ziehen, die Situation im Spatherbst 1931 sei eine Chance fur eine echte Zusammenarbeit zwischen SPD und KPD gewesen, ist mehr als gewagt. Andreas Dorpalen schreibt: "Im November erkundeten die Sozialdemokraten bei den Kommunisten die Moglichkeit, eine gemeinsame Front gegen den Nationalsozialismus zu schaffen."142 Friedrich Stampfer, in diesen Jahren Chefredakteur des Vorwarts und Mitglied des Parteivorstands, berichtet in seinen Memoiren, von fuhrenden Sozialdemokraten sei "ein besseres Verhaltnis zu den Kommunisten lebhaft gewunscht"143 worden. Der Vorwarts habe seine Angriffe auf die KPD und die Sowjetunion massiv eingeschrankt. Doch am gleichen Tag, an dem die Parteizeitung Auszuge aus Breitscheids Rede wiedergab, bezeichnete sie Geruchte, es liefen Verhandlungen zwischen SPD und KPD als freie "Erfindung"144 Stampfer teilt aus der Retrospektive mit, es habe sich "nur um eine Sondierung"145 gehandelt. Dafur, daB es formliche Verhandlungen gegeben habe, bei denen die KPD die Bedingung gestellt habe, die SPD musse "nicht nur der Regierung Bruning ihre Unterstutzung entziehen, sondem auch alle Parteifuhrer ausstoBen [...], die fur diese Unterstutzung verantwortlich waren"146, findet sich kein Hinweis.

Unabhangig davon, ob es bei Breitscheids offentlicher Offerte blieb oder ob tatsachlich Gesprache gefuhrt wurden, war das Zustandekommen einer gemeinsamen Front von Anfang an unwahrscheinlich. Schon im ZK-BeschluB war die Sozialdemokratie erneut als "soziale Hauptstutze"147 der Bourgeoisie diffamiert worden, wenn auch nicht als Stutze einer faschistischen Diktatur. Der Leitartikel der Roten Fahne griff die "verraterischen Fuhrer der heutigen Sozialdemokratie" an und lieB keinen Zweifel am Ziel der kommunistischen Politik: "Wir entreiBen der Sozialdemokratie Zehntausende ihrer proletarischen Anhanger."148 Breitscheids ausgestreckte Hand schlug die Rote Fahne am 17. November aus, indem sie konstatierte, der SPD-Spitze stehe "das Wasser an der Kehle" und deshalb lieBe sie sich zu AuBerungen hinreiBen, "die beinahe nach einem 'Bekenntnis' zur proletarischen Einheitsfront" klangen. Doch der BeschluB des Zentralkomitees sei nicht gefaBt worden, "um Weis und Breitscheid einen Gefallen zu erweisen, sondern um alle Fehler und Dummheiten auszumerzen, die uns daran hindern, den vernichtenden StoB gegen die Partei der Weis und Breitscheid zu fuhren".149 Damit war das Vorhaben der Sozialdemokraten "eine Kooperation Gleichberechtigter" statt einer "'Einheitsfront', die die sozialdemokratischen Massen unter kommunistische Fuhrung"150 gebracht hatte, zu Wege zu bringen, hinfallig geworden. Wenn die kommunistische Basis der Parteifuhrung auch nicht immer in allem geschlossen folgte151, so setzte das ZK doch seine Vorstellung von "Einheitsfrontpolitik" durch. Als die wurttembergische KPD- Bezirksleitung fur die Gemeindewahlen im Dezember zur Abwehr des Nationalsozialismus teilweise gemeinsame Listen mit der SPD zulieB, wurde sie des "rechten Opportunismus" bezichtigt und entlassen.152 Bei allem Taktieren mit dem Schlagwort "Einheitsfront" blieben die Gegensatze zwischen den Arbeiterparteien unuberbruckbar. Bei der Prasidentschaftswahl sollte dies auch fur den letzten auf eine einige Arbeiterschaft Hoffenden ersichtlich werden.

3. Die Hintergrunde der sozialdemokratischen Haltung zur Reichsprasidentenwahl in den ersten Monaten des Jahres 1932

3.1 Die SPD und das "Schicksalsjahr 1932"

Zwischen dem 25. April und 12. Mai 1932 lief die siebenjahrige Amtsperiode des Reichsprasidenten ab.153 Die Stellung des Staatsoberhauptes war durch die Suspendierung des Parlaments starker denn je, seine Machtfulle durch die Entwicklung ab 1930 gewaltig. "Mit der Ausschaltung nahezu aller wichtigen Instanzen im politischen ProzeB blieb nur noch der Reichsprasident als Legitimationsquelle von Herrschaft ubrig."154 Damit wurde die Wahl fur das wichtigste Amt im Staat, die Schlusselposition im politischen Gefuge zum Entscheidungskampf um die Macht im Deutschen Reich. Die SPD stilisierte das Jahr 1932 zum Entscheidungsjahr im Kampf gegen denNationalsozialismus: "Um das Geschick des deutschen Proletariats, des deutschen Volkes, um die Gesundung der Welt wird in diesem Jahr entscheidend gekampft werden."155, hieB es zu Jahresbeginn im Vorwarts.

Carl Severing verzeichnet in seinen Lebenserinnerungen, daB "die bevorstehende Wahl des Reichsprasidenten" erstseitEnde 1931 "in alien politischen Kreisen"156 starker diskutiert worden war. Zwar hatte Ernst Heilmann bereits im Oktober 1930 eine langerfristige Perspektive der Tolerierungspolitik ins Auge gefaBt und eng mit den Fruhjahrswahlen von 1932 verknupft, als er schrieb "Nur den letzten denkbaren Zeitpunkt wissen wir ganz genau: Im Fruhjahr 1932 ist Reichsprasidentenwahl und preuBische Landtagswahl. Dies ist der auBerste Termin, an dem das deutsche Volk sein Schicksal zur endgultigen Klarung in die Hand nehmen muB."157 Wodurch aber die Klarung des Schicksals erfolgen und wen das deutsche Volk bei der Prasidentenwahl wahlen sollte, das wurde lange Zeit nicht diskutiert oder geplant. Im Jahr 1931 finden sich in den untersuchten Publikationen kaum Hinweise auf eine Diskussion der anstehenden Reichsprasidentenwahl. Und das obwohl die Bedeutung der Wahlen fur die Abwehr des Gegners alien langst bewuBt war. Im Mai 1931 hatte Alexander Schiffrin eine Einschatzung des Nationalsozialismus vorgenommen, die fur die Argumentation zu Beginn des Jahres 1932 mitentscheidend werden sollte: "Er wagt es nicht mehr, seinen entscheidenden Sturm an den einmal gewesenen Wahlerfolg anzuknupfen, sondem er sucht jetzt, Zeit zu gewinnen, er versucht es mit der Ermattungsstrategie, er verschiebt seine Offensive auf den Fruhling 1932."158

Erst im zweiten Halbjahr 1931 wurden die Reichsprasidentenwahlen im Verbund mit der PreuBenwahl im Freien Wort thematisiert. Auch wenn Heilmann noch nirgends ein Indiz dafur sah, daB bei den "kommenden Wahlen, sei es zum PreuBenlandtag [...] oder zum Reichsprasidenten, die Rechtsradikalen die absolute Mehrheit erhalten"159 konnten, baute er einer Unterschatzung der Bedeutung dieser Abstimmungen vor: "Bei der kommenden Reichsprasidentenwahl und bei den Fruhjahrswahlen in Preufien geht es ums Game."160 Heilmann zeigte schon fruh auf, worin die besondere Bedeutung desFruhjahrs 1932 lag: "KeinZweifel, diese Wahlenwerden Schicksalswahlen sein. Angenommen, Adolf Hitler wurde Reichsprasident und die Nationalsozialisten erlangten die Alleinherrschaft im Reich und in PreuBen, dann wurden sie Reichswehr und Polizei zu willfahrigen Instrumenten ihrer Herrschaft machen."161 - Die gleiche Gefahr beschwor im Dezember auch Friedrich Stampfer in einem Leitartikel des Vorwarts. 162 Heilmanns SchluBfolgerung deutete die kunftige Politik zwar schon an, ohne aber explizit Konsequenzen zu ziehen: "Unsere Aufgabe, deren Erfullung freilich Nerven kostet, bleibt: den Nationalsozialisten die Erlangung der Macht zu verwehren und alles daran zu setzen, daB im nachsten Fruhjahr ein verfassungstreuer Reichsprasident (auf sieben Jahre) und ein verfassungstreues PreuBenparlament gewahlt werden."163 Fur Heilmann muBte bei den Wahlen "einer von beiden auf der Strecke bleiben [...], der Faschismus oder die Republik"164. AuBerdem wurde eine Niederlage der NSDAP "zugleich die Befreiung aus der peinlichen Stillhaltesituation sein, in der die Sozialdemokratie sich bis dahin gegenuber dem Bruning-Kabinett"165 befand. Doch solche Prognosen konnten eine Konzeption, wie die SPD sich aus ihrer Situation befreien und welche Rolle sie nach diesem Endpunkt spielen sollte, nicht ersetzen. "In der SPD hoffte man auf baldige auBenpolitische Erfolge und als Folge davon auf eine Konsolidierung der Wirtschaft, die dann einen schnellen politischen Abstieg der NSDAP einleiten wurde. Das bedeutete fur die Sozialdemokratie, daB sie bis dahin eine nationalsozialistische Machtubernahme verhindern muBte."166 Dabei hatte die Haltung zur Reichsprasidentenwahl zentrale Bedeutung fur die Politik der SPD. Das Jahr 1931 endete im Freien Wort mit einem engagierten Aufruf Richard Hausschildts, dem Herausgeber der Sozialdemokratischen Partei-Korrespondenz'."Auch nach der Reichsprasidenten- und PreuBenwahl werden sie [die Nationalsozialisten, M.F.] neben den Regierungsbanken statt auf ihnen sitzen, wenn alle, die zur demokratischen Republik stehen und zum Sozialismus wollen, endlich begreifen, was die Glocke geschlagen hat."167

Am 1. Januar 1932 hieB es im Vorwarts, die Reichsprasidenten- und PreuBenwahlen wurden zum "Brennpunkt der Auseinandersetzung mit den Feinden der demokratischen Verfassung werden"168. Der Parteivorsitzende Otto Weis schrieb in seiner Neujahrsbotschaft: "Zwischen Sozialdemokraten und Nationalsozialisten fallt im Jahre 1932 die Entscheidung. Siegt der Nationalsozialismus, so wird die deutsche Arbeiterbewegung mit einem Schlage weit hinter die Kaiserzeit zuruckgeworfen. [...] Siegt der Nationalsozialismus im kommenden Jahr nicht, dann [...] steht die Arbeiterbewegung vor einem neuen gewaltigen Aufschwung." Zum bisherigen und weiteren strategischen Verhalten der SPD meinte Weis: "Die Nationalsozialisten konnen nicht warten. Wir konnen es."169 Tatsachlich entsprach das auch der Einschatzung in der NSDAP. Joseph Goebbels notierteam 1. JanuarinseinemTagebuch: "Das Jahr 1932muBdas JahrderEntscheidungwerden."170 Die Aussichten fur den Ausgang der Wahlen und die daraus resultierenden Konsequenzen schatzte Otto Weis (zweck)optimistisch ein und setzte die Erwartungen hoch an: "Das Jahr 1932 wird vorubergehen, ohne daB es dem Faschismus gelingen wird, die Macht zu ergreifen. [...] [Das] Ausbleiben des entscheidenden Sieges ist gleichbedeutend mit entscheidenderNiederlage."171

[...]


1 Vorwarts 49, Nr. 168 (10.04.1932) unter der Uberschrift "Der zweite Schlag".

2 Helmut Kuhn, "Das geistige Gesicht der Weimarer Zeit", .

3 Karl Dietrich Erdmann, "Versuch einer SchluBbilanz", .

4 HelgaGrebing, "FluchtvorHitler", .

5 Michael Sturmer, "Weimar oder die Last der Vergangenheit", .

6 Sturmer, "Weimar oder die Last der Vergangenheit", . Vgl. Hagen Schulze, Weimar, .

7 Klaus Hildebrand, Vorwort zu: Wem gehort die deutsche Geschichte?, .

8 Heinrich August Winkler, Von Weimar zu Hitler, f.

9 Vgl. dazu im einzelnen das Literaturverzeichnis, in welches allerdings nur die in dieser Arbeit zitierte Literatur aufgenommen wurde.

10 Vgl. Rainer Schaefer, SPD in der Ara Bruning, .

11 Wolfram Pyta, Die Beurteilung desNationalsozialismus und derPerson Hitlers in der sozialdemokratischenPublizistik vor 1933,

12 Vgl. hierzu Pyta, Die Beurteilung..., f.

13 Pyta, Die Beurteilung..., .

14 Vgl. Pyta, Die Beurteilung..., f.

15 Vgl. Hermann Weber, Die Wandlung des deutschen Kommunismus, Bd. 1,

16 Vgl. Wolfram Pyta, Gegen Hitler und fur die Republik, f.

17 Pyta, DieBeurteilung..., . Insgesamt zum Freien Wort vgl. ibid., ff.

18 Siehe Literaturverzeichnis.

19 Heinrich August Winkler, "'Eine wirklichnochnie dagewesene Situation'", .

20 RudolfHilferding, "Der Austritt aus der Regierung", in: Die Gesellschaft 7 (1930), Nr. 5 (Mai), .

21 HeinrichAugustWinkler,MuBte Weimar scheitern?, .

22 Zu denAuseinandersetzungenum die Arbeitslosenversicherung vgl. Heinrich August Winkler, Weimar 1918-1933, -374.

23 Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik, .

24 Heinrich August Winkler, "VonWeimarzuHitler", .

25 Fritz Croner, "Die sozialpolitische Bilanz derKoalition", in: Klassenkampf3,Nr. 11 (01.06.1929), .

26 RudolfHilferding, "DerAustrittausderRegierung", .

27 Hans Mommsen, Die verspielte Freiheit, .

28 Kolb, WeimarerRepublik, .

29 Pyta, Gegen Hitler und fur die Republik, .

30 Winkler, MuBte Weimar scheitem?, . Vgl. Hans Mommsen, "Das Scheitem der Weimarer Republik...", f. u. Klaus Schwabe, "Der Weg derRepublik...", .

31 Klaus Hildebrand, Das vergangene Reich, . Vgl. Mommsen, Verspielte Freiheit, ,287f., 2901F.

32 Vgl. HeinrichAugust Winkler, Der Weg in die Katastrophe, u. Ernest Hamburger, "Betrachtungen uber Heinrich Brunings Memoiren", .

33 Kolb, Weimarer Republik, . Vgl. hierzu Winkler, Weimar, f. u. Andreas Rodder, "Dichtung und Wahrheit. Der Quellenwert von Heinrich Brunings Memoiren und seine Kanzlerschaft", f. u. 88f.

34 Kolb, WeimarerRepublik, .

35 Verhandlungen des Reichstags. Stenographische Berichte, Bd. 427, .

36 Winkler, Weg in die Katastrophe, .

37 Verhandlungen des Reichstags. Stenographische Berichte, Bd. 427, f.

38 Vgl. Winkler, Weimar, und Mommsen, Verspielte Freiheit, .

39 Mommsen, Verspielte Freiheit, .

40 Kolb, WeimarerRepublik, .

41 vgl. Hamburger, "Betrachtungen uber Heinrich Brunings Memoiren", .

42 Winkler, Weimar, . Vgl. ders., Weg in die Katastrophe, -173.

42 Winkler, Weimar, . Vgl. ders., Weg in die Katastrophe, .

44 Mommsen, Verspielte Freiheit, .

45 Emst Heilmann., "Sachsenwahl und Finanzkrise", in: FW 2 , Nr. 26 (29.06.1930), . (Der Artikel ist gezeichnet mit "Illo". Vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, .)

46 Hans Goslar, "Der Hauptfeind", in: FW 2, Nr. 33 (17.08.1930), .

47 EmstHeilmann, "Der Wahlaufmarschund die politische Tatik", in: FW 2, Nr. 33 (17.08.1930), .

48 OttoWels, "Vorwarts! Durch!",in: FW2,Nr. 37(14.09.1930),.

49 Vorwarts 47,Nr.335 (20.07.1930) u.d.U. "Wahlerinnenund Wahler der DeutschenRepublik".

50 Zum kompletten Wahlergebnis vgl. Kolb, Weimar, f. und 283.

51 EmstHeilmann, "Der funfte Reichstag der deutschenRepublik", in: FW 2, Nr. 38 (21.09.1930), .

52 Vgl. Alexander Schiffrin, "Parteiprobleme nach den Wahlen", in: Die Gesellschaft 7 (1930), Nr. 11 (November), -399 u. Winkler, Weg in die Katastrophe, ff.

53 Schiffrin, "Parteiprobleme...", .

54 Pyta, Gegen Hitler, .

55 Vgl. Matthias, "Die SozialdemokratischeParteiDeutschlands", ff.

56 RudolfHilferding, "In der Gefahrenzone", in: Die Gesellschaft 7 (1930), Nr. 10 (Oktober), .

57 EntschlieBung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion vom 03.10.1930, in: Ursachen und Folgen, Bd. 8, .

58 Pseudonym fur Georg Denicke.

59 Georg Decker, "Tolerierung", in: Die Gesellschaft 7 (1930),Nr. 12 (Dezember), .

60 Georg Decker, "Tolerierung", in: Die Gesellschaft 7 (1930),Nr. 12 (Dezember), .

61 RudolfHilferding, "In der Gefahrenzone", in: Die Gesellschaft 7 (1930), Nr. 10 (Oktober), .

62 Vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, , 136, 218f., ders., "Von Weimar zu Hitler", , ders., MuBte Weimar scheitem?, S. 18, Eberhard Kolb, "Die sozialdemokratische Strategic in der Ara des Prasidialkabinetts Bruning - Strategic ohne Alternative?", , 160,166ft'., Pyta, GegenHitler, -215 u. auchRainer Schaefer, SPD in derAraBruning, -71.

63 Winkler, "Von WeimarzuHitler", .

64 Kolb, "Die sozialdemokratische Strategic", .

65 Pyta, Gegen Hitler, . ""Winkler. MuBte Weimar scheitem?, .

67 Winkler, MuBte Weimar scheitem?, .

68 Georg Decker, "Tolerierung", in: Die Gesellschaft 7 (1930), Nr. 12 (Dezember), .

69 Zur Diskussion um den Kurs der Partei nach den Wahlen vgl. Schaefer, SPD in der Ara Bruning, -64.

70 Schaefer, SPD in der Ara Bruning, . Vgl. Max Seydewitz, "Das unanehmbare Finanzprogramm der Regierung", in: Klassenkampf3, Nr. 24 (15.12.1929), .

71 MaxSeydewitz, "Regierungsmurksereiundsozialdemokratische Vorschlage",in: Klassenkampf4,Nr. 13 (01.07.1930), .

72 KurtRosenfeld, "Hindenburg als 'Huter der Verfassung'", in: Klassenkampf4, Nr. 15 (01.08.1930), .

73 Vorwarts47,Nr. 573 (07.12.1930)u.d.U. "Erfolgreiche Abwehr".

74 Max Seydewitz, "Die Wahlparole", in: DerKlassenkampf4, Nr. 15 (01.08.1930), .

75 Max Seydewitz, "Der Sieg der Verzweiflung", in: Der Klassenkampf 4, Nr. 18 (15.09.1930), .

76 Zur Diskussion in der SPD vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, ff.

77 Winkler, "Von Weimar zu Hitler", . Zur Gegenargumentation der Parteimehrheit vgl. zusammenfassend Rudolf Hilferding, "UnterderDrohung des Faschismus", in: Die Gesellschaft 9 (1932), Nr. 1 (Januar), f.

78 Max Seydewitz, "Abwarten? - Nein! Handeln!", in: Klassenkampf4,Nr. 19 (01.10.1930), .

79 Eberhard Kolb, "Die sozialdemokratische Strategie in der Ara des Prasidialkabinetts Bruning", .

80 Faschismus? Nein, Sozialismus!, 03.01.1931, . Vgl. Rudolf Hilferding in seiner Rede auf dem Berliner Bezirksparteitag, in: Vorwarts 47, Nr. 467 ( 05.10.1930) u.d.U. "Berliner Bezirksparteitag".

81 Max Seydewitz, "Die Generallinie", in: Klassenkampf 5, Nr. 19 (01.10.1931), .

82 Kolb, "Die sozialdemokratische Strategie..." .

83 Vgl. Kolb, "Die sozialdemokratische Strategie...", .

84 Vgl. Max Seydewitz "Abwarten? Nein! Handeln!", in: Klassenkampf 4, Nr. 19 (01.10.1930), . Siehe auch Schaefer, SPD in derAraBruning, ff. u. 91.

85 Klaus Schonhoven, "Strategie desNichtstuns?", .

86 Rudolf Hilferding in seiner Rede auf dem Berliner Bezirksparteitag, in: Vorwarts 47, Nr. 467 (05.10.1930) u.d.U. "Berliner Bezirksparteitag".

87 Vgl. Schaefer, SPD in derAra Bruning, f.

88 Anweisungen des Sekretariats an die Bezirksleitungen vom 19.12.1930, in: Generallinie, DokumentNr. 34, f. Vgl. Ossip K. Flechtheim, Die KPD in der Weimarer Republik, ff.

89 Generallinie, Einleitung, S. VII, Anm. 1. Zum Parteitag vgl. Flechtheim, Die KPD in der Weimarer Republik, -209. Zum programmatischen und ideologischen Selbstverstandnis der KPD vgl. Weber, Hauptfeind Sozialdemokratie, ff.

90 Klaus Hildebrand, Das Deutsche Reich und die Sowjetunion im intemationalen System 1918-1932, . "Hermann Weber, Kommunismus in Deutschland 1918-1945, . "EKKI" ist das Exekutivkomitee der Komintern.

91 An dieser Stelle kann nicht auf die Kontroverse zwischen Hermann Weber und Klaus-Michael Mallmann eingegangen werden, in der es u.a. darum geht, ob die KPD tatsachlich so EKKI-gesteuert und die Generallinie tatsachlich so sakrosankt war, wie Weber es darstellt, d.h. auch ob die Direktiven des ZK an der Basis tatsachlich konsequent umgesetzt wurden. Mallmanns Ansatz einer Perspektive 'von unten' (gegenuber der Weber vorgeworfenen Konzentration auf die Fuhrungsgruppe) kann nicht daruber hinwegtauschen, daB die offizielle Politik der KPD im Reichstag, in der Parteipresse, in der Entscheidung, Thalmann gegen Hindenburg aufzustellen, und schlieBlich in den Wahlkampfen wirkungsmachtig blieb. Im Verlauf dieser Arbeit wird jeweils darauf hingewiesen werden, wann ein abweichendes Verhalten der kommunistischen Anhangerschaft in diesem Zusammenhang nachweisbar und von entsprechender Relevanz ist. Es bleibt selbstverstandlich festzustellen, daB die KPD im Gegensatz zur SPD eine Kader- und keine demokratische Partei war. Immerhin vertritt Mallmann selbst die Aulfassung, daB seit dem "Blutmai" von 1929 die Sozialfaschismus-These der KPD-Fuhrung auf eine wachsende Akzeptanz bei der Basis stieB. Vgl. hierzu Klaus-Michael Mallmann, "Milieu, Radikalismus und lokale Gesellschaft. Zur Sozialgeschichte des Kommunismus in der Weimarer Republik", .

92 Mallmanns selektive Quellenzugange und seine Interviews mit Funktionaren und Mitgliedem in der Tradtion der oral history sind umstritten. Zur Kontroverse vgl. die von Weber in diesem Kapitel bereits zitierten Titel sowie Weber, Wandlung des deutschen Kommunismus, -247 und Klaus-Michael Mallmann, Kommunisten in der Weimarer Republik, bes. -17 u. -283. Zu den Begriffen "Strategie" und "Taktik" in bezug auf die Generallinie der KPD vgl. Weber, Hauptfeind Sozialdemokratie, ff.

93 Weber, Kommunismus in Deutschland, f. Vgl. Winkler, "Von Weimar zu Hitler", ff.

94 Vgl. Weber, Kommunismus in Deutschland, ff. u. ders., Hauptfeind Sozialdemokratie, u. -49. Zu den Konstanten der KPD-Politik 1929-1933 vgl. ders., Hauptfeind Sozialdemokratie, f. Zur Taktik der KPD vgl. auch Winkler, Weg in die Katastrophe, -154 u. 181-185.

95 Weber, Kommunismus in Deutschland, .

96 Weber, Hauptfeind Sozialdemokratie, .

97 Weber, Kommunismus in Deutschland, .

98 Reiner Tosstorf, "'Einheitsfront' und/oder 'Nichtangriffspakt' mit der KPD", .

99 Anweisungen des Sekretariats an die Bezirksleitungen vom 18.09.1930, in: Generallinie, DokumentNr. 27, .

100 Winkler, Weg in die Katastrophe, .

101 Winkler, MuBte Weimar scheitem?, .

102 Winkler, Weimar, . Zur Diskussion um den Panzerkreuzer vgl. ders., Weg in die Katastrophe, -294.

103 Schaefer, SPD in derAra Bruning, .

104 Vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, f.

105 Winkler, Weimar . Vgl. ders., Weg in die Katastrophe, f.

106 EmstHeilmann, "Konsequenz", in: FW 3,Nr. 10 (08.03.1931), .

107 Schaefer, SPD in der Ara Bruning, . Vgl. Winkler,Weimar, .

108 Vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, ff.

109 Winkler, Weimar, .

110 Vgl. Winkler, Weg indieKatastrophe, -331 u. Schafer, SPD inderAraBruning, , 121-131.

111 Vgl. SozialdemokratischerParteitag in Leipzig 1931, Protokoll, .

112 SozialdemokratischerParteitag inLeipzig 1931,Protokoll, .

113 Vgl. Winkler, Weimar, .

114 Erich Matthias, "Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands", .

115 Pyta, GegenHitler, .

116 Winkler, Weimar, . Vgl. ibid., -419 u. ders., Weg in die Katastrophe, f.

117 Emst Heilmann, "Heroismus oder Uberlegung", in: FW 3, Nr. 26 (28.06.1931), .

118 Vgl. Winkler, Weimar, ff.

119 Vgl. "Mahnruf an die Partei", unterzeichnet von Max Adler, Kurt Rosenfeld, Max Seydewitz und Heinrich Strobel, in: Klassenkampf 5,Nr. 13 (01.07.1931),f.

120 Emst Thalmann, Volksrevolution uber Deutschland, .

121 Weber, Kommunismus in Deutschland, . Vgl. ders., Hauptfeind Sozialdemokratie, ff., Winkler, Weg in die Katastrophe, ff. u. Thomas Weingartner, Stalin und der Aufstieg Hitlers, ff.

122 Weber, Kommunismus in Deutschland, ; vgl. hierzu unterstutzend Mallmann, Kommunisten in der Weimarer Republik, f. u. Winkler, Weg in die Katastrophe, f.

123 Weber, Kommunismus in Deutschland, .

124 Vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, -396.

125 Zum II. Kabinett Bruning vgl. Winkler, Weimar, ff.

126 Georg Decker, "Nach der Entscheidung", in: Die Gesellschaft 8 (1931), Nr. 11 (November), .

127 Zur Grundung der SAP vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, -408.

128 Georg Decker, "Nach derEntscheidung", in: Die Gesellschaft 8 (1931), Nr. 11 (November), .

129 Schaefer, SPD in derAra Bruning, ft'.

130 Emst Heilmann, "Die Krise - nach einem Jahr", in: FW 3, Nr. 38 (20.09.1931), . Zur Bilanz der Tolerierungspolitik s. auch Georg Decker, "Nach einem Jahr", in: Die Gesellschaft 8 (1931), Nr. 10 (Oktober), -297.

131 Zu den Wahlergebnissen u. zur Reaktion in der SPD vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, (incl. Anm. 3). u. (incl. Anm. 13). Vgl. auch Eugen Chossudowsky, "Lehren der Hamburger Wahl. Das SteuerherumreiBen!", in: FW 3, Nr. 41 (11.10.1931), -12: ders., "Hat die Tolerierungspolitik Erfolg?", in: FW 3, Nr. 47 (22.11.1931), -19 u. Georg Decker, "Eine zweite faschistische Welle?", in: Die Gesellschaft 8 (1931), Nr. 12 (Dezember), -491.

132 Vgl. Schaefer, SPD in derAra Bruning, -180 u. Winkler, Weg in die Katastrophe, -461 u. 471-474.

133 Vgl. Wolfram Wette, "Mit dem Stimmzettel gegen den Faschismus?", ff.

134 Anweisungen des Sekretariats wegen der Umbildung der Bruning-Regierung vom 07.10.1931, in: Generallinie, Dokument Nr. 53, .

135 Anweisungen des Sekratariats "Uber Streiks und Erwerblosen-Aktionen" vom 28.10.1931, in: Generallinie, Dokument Nr. 55, .

136 Anweisungen des Sekratariats "Uber Streiks und Erwerblosen-Aktionen", .

137 RF 14,Nr. 203 (10.11.1931)u.d.U. "NaziterrordurchEinheitsfrontgebrochen".

138 "BeschluB des Zentralkomitees der KP Deutschlands", in: RF 14, Nr. 206 (13.11.1931). Zum ZK-BeschluB, den Ereignissen im Herbst, zu Strategic und Taktik der KPD vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, -446 u. Weber, Hauptfeind Sozialdemokratie, -47

139 Vorwarts48,Nr. 534(13.11.1931)u.d.U. "ZuruckvonUeberbruck".

140 Winkler, Weg in die Katastrophe, .

141 Vorwarts 48, Nr. 539 (17.11.1931) u.d.U."Um Herrschaft und Freiheit". Vgl. Sozialdemokratische Partei-Korrespondenz, Jg. 1931, Nr. 12 (Dezember), f.

142 Andreas Dorpalen, Hindenburg in der Geschichte der Weimarer Republik, . Im folgenden wird u.a. auf die Quellen, auf die Dorpalen sich stutzt, eingegangen, um ein differenzierteres Bild zu zeichnen. Die Quellen, auf die Dorpalen in diesem Zusammenhang verweist, hier aber keine Erwahnung finden, wurden ausgewertet. Sie bieten an diesem Punkt keinen zusatzlichen Erkenntnisgewinn.

143 Friedrich Stampfer, Die 14 Jahre der ersten deutschen Republik, .

144 Vorwarts48,Nr. 539(17.11.1931)u.d.U. "UmHerrschaftundFreiheit".

145 Stampfer, Die 14 Jahre der ersten deutschen Republik, .

146 Dorpalen, Hindenburg in der Geschichte der Weimarer Republik, u. Hagen Schulze, Otto Braun, . Ein Angebot oder das Formulieren von Bedingungen, das sich von der Rhetorik, die die KPD schon seit Jahren betrieb, unterschieden hatte, ist aus den Quellen, auf die Dorpalen und Schulze sich beziehen, nicht zu entnehmen.

147 "BeschluB des Zentralkomitees derKPDeutschlands", in: RF 14, Nr. 206 (13.11.1931).

148 RF 14,Nr. 206 (13.11.1931)u.d.U. "FurrevolutionarenMassenkampfgegenindividuellenTerror".

149 RF 14, Nr. 209 (17.11.1931) u.d.U. "Die Einheitsfront, die siegen wird". Vgl. Ernst Thalmann, "Schmiedet die rote Einheitsfront! Kampft mit uns fur Eure Forderungen!", in: RF 14, Nr. 219 (29.11.1931) u. ders., "Einige Fehler in unserer theoretischen und praktischen Arbeit und der Weg zu ihrer Ueberwindung", in: Internationale 14 (1931), Nr. 11/12 (November/Dezember), u. 488.

150 Stampfer, Die 14 Jahre der ersten deutschen Republik, . Vgl. Vorwarts 48, Nr. 541 (18.11.1931) u.d.U. "Wer ist der Hauptfeind?".

151 Vgl. Ernst Thalmann, "Einige Fehler in unserer theoretischen und praktischen Arbeit und der Weg zu ihrer Ueberwindung", in: Internationale 14 (1931), Nr. 11/12 (November/Dezember), .

152 Vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, .

153 Je nachdem, ob man die Annahme der Wahl oder die Eidesleistung 1925 zugrunde legt. Der amtierende Reichsinnenminister Groener nannte am 23. Februar 1932 im Reichstag den 5. Mai. Vgl. Verhandlungen des Reichstages, Bd. 446, .

154 Detlev J.K. Peukert, Die Weimarer Republik, .

155 KarlKautsky, "Aufgaben 1932", in: Vorwarts49,Nr. 1 (01.01.1932).

156 Carl Severing, Im Auf und Ab der Republik, .

157 Emst Heilmann, "Leidenschaft der Vemunft", in: FW 2, Nr. 43 (26.10.1930), .

158 Alexander Schifrin, "WandlungendesAbwehrkampfes",in: Die Gesellschaft 8 (1931), Nr. 5 (Mai), . Ansonsten fandin diesem SPD-Organ im Jahre 1931 eine Thematisierung der Reichsprasidentenwahlen nicht statt.

159 EmstHeilmann, "Parlamentarisch - agitatorisch", in: FW 3,Nr. 44(01.11.1931),.

160 Emst Heilmann, "Englische Wahlen und deutsche Revolution", in: FW 3,Nr.45(08.11.1931),.

161 EmstHeilmann in seiner AntwortaufKurtKrone, "UmkehrzurrevolutionarenTaktik", in: FW 3, Nr. 45 (08.11.1931), .

162 Vgl. Vorwarts 48, Nr. 565 (03.12.1932) u.d.U. "Probleme des Machtkampfes".

163 EmstHeilmann in seinerAntwortaufKurtKrone, "UmkehrzurrevolutionarenTaktik", in: FW 3, Nr. 45 (08.11.1931), .

164 Emst Heilmann, "Die letzte Notverordnung", in: FW 3, Nr. 51 (20.12.1931), .

165 Emst Heilmann, "Die letzte Notverordnung", in: FW 3, Nr. 51 (20.12.1931), .

166 Schaefer, SPD in derAra Bruning, .

167 Richard Hausschildt, "Nicht verzweifeln - kampfen", in: FW 3, Nr. 52 (27.12.1931), .

168 Vorwarts49,Nr. 1 (01.01.1932)u.d.U. "Kampfjahr 1932".

169 Otto Weis, "HieristdieEinheitsfront",in: Vorwarts49,Nr. 1 (01.01.1932).

170 Joseph Goebbels, Tagebucher, .

171 Otto Weis, "Hier ist die Einheitsfront", in: Vorwarts 49, Nr. 1 (01.01.1932). Vgl. DerAbend 49, Nr. 10 (07.01.1932) u.d.U. "Wo stehen wir? Hilferdings Rede vor den Betriebs-Vertrauensleuten" u. "Noch einAufruf - an die Fuhrer!", in: FW 4, Nr. 3 (17.01.1932), .

Final del extracto de 110 páginas

Detalles

Título
Die Reichspräsidentenwahlen 1932. Höhepunkt der Tolerierungspolitik der SPD angesichts der "ultralinken" Politik der KPD
Universidad
University of Bonn  (Historisches Seminar)
Calificación
1,0
Autor
Año
1998
Páginas
110
No. de catálogo
V1034405
ISBN (Ebook)
9783346454942
ISBN (Libro)
9783346454959
Idioma
Alemán
Palabras clave
Hindenburg SPD KPD
Citar trabajo
Maak Flatten (Autor), 1998, Die Reichspräsidentenwahlen 1932. Höhepunkt der Tolerierungspolitik der SPD angesichts der "ultralinken" Politik der KPD, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1034405

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