Karthago
Antiken Quellen zufolge wurde die 300 000 Einwohner umfassende Stadt Karthago im letzten Viertel des 9. Jhdt.’s v.Chr. (wahrscheinlich 814 v.Chr.) von Puniern aus Tyrus - der Sage nach von Königin Elissa (die Dido in Vergils Äneis) - gegründet. An dieser Stelle erhebt sich die Frage, welchen Platz die karthagische Frau im öffentlichen Leben einnahm. Obwohl wir darüber, wie über viele andere Dinge kaum etwas wissen, ist uns zumindest bekannt, welche Rolle bestimmte Frauen in der Geschichte Karthagos gespielt haben. Auf die Sage von der Gründung der Stadt durch die Königin Elissa wurde bereits hingewiesen. Während die Römer einen Mann, Romulus, als Gründer ihrer Stadt ansahen, soll es eine Frau gewesen sein, die nach der Legende Karthago gründete und seine ruhmreiche Geschichte einleitete.
Auch von anderen großen Frauengestalten berichtet die Überlieferung, so z.B.
Sophonisbe, die einer Adelsfamilie angehörte und entscheidend in die Politik eingriff. Das außergewöhnlich schöne Mädchen hatte den Numidierkönig Syphax geheiratet, wodurch sie Roms Pläne zunichte machte und Karthago die Möglichkeit gab, ein wertvolles Bündnis abzuschließen. Nach dem Sieg des Cornelius Scipio über Karthago bei Zama trank Sophonisbe lieber einen Becher Gift, als in die Hände der Römer zu fallen und ihre Ehre zu verlieren. Daraus lässt sich schließen, dass sich die karthagischen Frauen durch unbeugsamen Mut und glühende Vaterlandsliebe auszeichneten. Zieht man außerdem in Betracht, dass in Grabinschriften Priesterinnen erwähnt sind - auch Oberpriesterinnen , die also der ganzen Geistlichkeit eines Tempels vorstanden und sogar das höchste Priesteramt in der Stadt bekleideten -, liegt es auf der Hand, dass die Karthagerinnen eine viel höhere soziale Stellung einnahmen als die Frauen in den meisten anderen Kulturen der Antike und des alten Orients.
Auffallend ist auch noch, dass die Punier im Unterschied zu anderen Völkern keine rassischen Vorurteile hegten und Ehen mit fremdstämmigen Frauen , vor allem Nordafrikanerinnen, eingingen. So hatte auch Hannibal eine Ibererin geheiratet. Durch solche Mischehen war es für Karthago leichter, sich in die Gemeinschaft der Völker am westlichen Mittelmeer einzugliedern.
Tyrus war durch die Kämpfe mit den Assyrern geschwächt, deshalb übernahm Karthago im 7. Jhdt. v.Chr. den Schutz der punischen Kolonien im Westen.
Um 540 v.Chr. vertrieben die Karthager zusammen mit den Etruskern die griechischen Phokäer aus Korsika und drängten den Einfluss von Massalia (Marseille) an der spanischen Ostküste zurück.
Im 5. Jhdt. v.Chr. hielt Karthago folgende Machtbereiche inne: von der Westgrenze Cyrenaikas (Nordafrika) bis westlich von Gibraltar, die Küstengebiete Nordafrikas, das südliche Spanien, der Westteil Siziliens, sowie Sardinien, Korsika und Malta. Durch ein umfassendes System von Verträgen wurde das nordwestliche Mittelmeer den Handelsschiffen verschlossen.
Um 450 v.Chr. wurden auch mehrere lybische Stämme des Hinterlandes unterworfen, denen Karthago bisher Tribut gezahlt hatte.
Die Karthager unternahmen außerdem große Expeditionen an der Westküste Afrikas bis an den Golf von Guinea und nach Norden bis zur Bretagne und dem südwestlichen Britannien, um neues Land zu gewinnen.
Auf Sizilien haben die Karthager den Schutz der punischen Kolonien Motye, Solus und Panormos (Palermo) gegen die Griechen übernommen, jedoch kam es 480 v.Chr. bei Himera zu einer Niederlage gegen die Griechen.
Ab 409 v.Chr. konnten die Karthager fast ganz Sizilien erobern und wurden erst von Dionysios I. wieder auf den Westteil der Insel zurückgedrängt, den sie trotz wechselhafter Kämpfe auch gegen Timoleon, Agathokles, und Pyrrhos bis zum Eingreifen der Römer behaupteten. Mit diesen Römern hatten die Karthager zunächst gute Beziehungen: schon um 500 v.Chr. kam es zu einem Vertrag mit ihnen, der bis zum Ende des 4.Jhdt.’s mehrmals erneuert wurde. Im Jahre 279 v.Chr. verbanden sich Karthago und Rom im Krieg gegen Pyrrhos miteinander. Doch dann kam die Wende, nämlich 264 v.Chr. mit Beginn der punischen Kriege. Nach langem Kämpfen musste Karthago 241 v.Chr. auf Sizilien verzichten und im Jahre 238 v.Chr. -durch den Söldneraufstand in Nordafrika geschwächt- auch Sardinien und Korsika räumen.
Dagegen gelang es Hamilikan und Hasdrubal die karthagische Herrschaft über Spanien (Hauptstadt „Neukarthago“, heute Cartagena) bis zum Ebro zu erweitern, unter anderem durch den Ebrovertrag mit Rom im Jahre 226 v.Chr. . Durch die Ausbeutung der spanischen Silbergruben wurde die Finanzlage Karthagos wieder etwas aufgebessert.
218 v.Chr. eröffnete Hannibal mit der Zerstörung von Sagunt und dem Übergang über den Ebro den 2. Punischen Krieg. Im Jahre 206 v.Chr. verlor Karthago Spanien und im Frieden von 201 v.Chr. musste es auch auf eine Großmachtstellung verzichten.
Das Gebiet wurde auf das heutige Nordost-Tunesien begrenzt und faktisch der Kontrolle des mit Rom verbündeten Numidierkönigs Massinissa unterstellt. Dennoch gelang es den Karthagern unter anderem durch verstärkte Erschließung ihres fruchtbaren Hinterlandes, die ihnen von Rom auferlegten Tribute zu zahlen und wieder zu einem gewissen Wohlstand zu kommen. Einige Übergriffe Massinissas und die Agitation der Karthagerfeinde in Rom ( vor allem Catos der Ältere) führten 149 v.Chr. zum Ausbruch des 3.Punischen Krieges, der 146 v.Chr. mit der Zerstörung Karthagos und der Versklavung seiner Bewohner endete. Das Gebiet wurde als Afrika römische Provinz.
Frauen nahmen ebenfalls aktiv an der Verteidigung der Stadt in diesem letzten Kampf teil. Als für die Katapulte keine Sehnenstränge mehr vorhanden waren, gaben sie ihr Haar dafür her, so wie sie auch ihren Goldschmuck für ihr Land geopfert hatten. Von da an wurde Karthago von einer Oligarchie reicher Kaufleute und Grundherren mit 2 jährlich wechselnden, gewählten „Sufeten“ ( von den antiken Autoren auch „Könige“ genannt) an der Spitze regiert.
Daneben gab es einen Rat von 300 Mitgliedern, aus dem ein Ältestenrat von 30 Mitgliedern und ein „Rat der 104“, der als Kontrollorgan und Staatsgerichtshof fungierte, gebildet wurde.
Das Heer setzte sich seit dem 6.Jhdt. vorwiegend aus Söldner zusammen, die von den gewählten Feldherren (meist aus dem karthagischen Adel) befehligt wurden. Diese besaßen oft eine große Unabhängigkeit und wurden bisweilen dem Staat gefährlich. Im 3. und 2.Jhdt. stand Karthago, bestehend im Militärwesen, in der Verwaltung und in der Wirtschaft unter dem Einfluss des Hellenismus.
Religion: Karthago hat seinen punischen Charakter stets bewahrt.
Hauptgottheiten waren der semitische Baal Hammon und die wohl ursprünglich lybische Tanit. Priesterämter und Opferwesen (unter anderem Menschenopfer, besonders Kinderopfer) spielten auch im Staatsleben eine wichtige Rolle. Nachdem 122 v.Chr. der Versuch des Gaius Sempronius Gracchus, auf dem Boden Karthagos eine römische Bürgerkolonie zu gründen, gescheitert war, machten Caesar und Augustus Karthago als Colonia Iulia Carthago zur Hauptstadt der Provincia Africa. Als solche erlebte die Stadt in der Kaiserzeit eine neue Blüte. Hier wirkten unter anderem der Platoniker Apuleius, der Apologet Tertullian, der Bischof Cyprianus und vor seiner Bekehrung eine Zeit lang als Rhetor auch Augustinus. In der Spätantike war der Bischof von Karthago das geistliche Oberhaupt des ganzen lateinischen Nordafrikas.
439-533 n.Chr. war Karthago der Königssitz der Wandalen und blieb nach der
Rückeroberung durch Belisar Residenz des oströmisch-byzantinischen Stadthalters bis 698, als es von den Arabern erobert und zerstört wurde.
Der Ort, an dem Karthago stand, wurde mit einem Fluch belegt und blieb deshalb - abgesehen von einer unbedeutenden römischen Siedlung- ein Jahrhundert lang unbewohnt.
Zu der Stadt selbst: der Grundriss des rund 40 ha großen Karthagos ist durch
Beschreibungen überliefert und durch Ausgrabungen zum Teil rekonstruierbar.
Im Süden gab es nur eine schmale Landverbindung. Hier lagen ein seit der 2.Hälfte des 8.Jhdt.’s v.Chr. nachweisbares Heiligtum namens Tophet (= ein einst ummauerter heiliger Bezirk von etwa 2 ha, in dem Baal Hammon und der Tanit Opfer gebracht wurden) und Hafenanlagen, sowie ein Gewerbegebiet (z.B. Purpurfärberei).
Die archaische Siedlung breitete sich radial am terrassierten Südost-Hang des
Burgberges (Byrsa) aus und reichte bis in die Küstenebene hinab (bis etwa 80 m westlich der antiken Strandlinie, wobei der Meeresspiegel heute rund 50 cm höher liegt). Am Stadtrand und davor lagen Gewerbegebiete, sie wurden in der 2.Hälfte des 5.Jhdt.’s bei der urbanen Erschließung der Küstenebene zum Teil überbaut; anscheinend ist hier die punische, nicht erst die römische Straßenführung orthogonal.
Nach der Zerstörung 146 v.Chr. wurde das römische Karthago als regelmäßig angelegte Stadt neu errichtet. Der berühmte Tempel der Juno (gewidmet der Tanit) wurde 421 n.Chr. von Rom zerstört und nicht wieder ausgegraben.
Die meisten Baureste Karthagos stammen aus dem 1.-3.Jhdt.’s n.Chr.; so z.B: Theater, Amphitheater, Circus, Zisternen, Villen und zahlreiche Mosaike.
Das heutige Karthago stellt eine Enttäuschung dar, weil es einst die erfolgreichste punische Kolonie war. Es beherrschte als unabhängiger Stadtstaat jahrhundertelang das westliche Mittelmeer und war eine der bedeutendsten Städte des römischen Imperiums.
Heute ist von dem früheren Ruhm nur noch wenig zu sehen, dennoch wurden die Ruinen von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt: es liegt auf einer leicht zu verteidigenden, relativ stark verschlammten Halbinsel.
- Quote paper
- Andrea Berger (Author), 2001, Status und Bevölkerung der Stadt Karthago in der Antike, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103333