GLIEDERUNG
Einleitung
1. Entstehung und Wirkungsgeschichte des Romans
2. Allgemeine äußere Form und Erzählperspektive
3. Die Lebens-Ansichten des Katers Murr Ein vollendetes Fragment ?
4. Kater Murr als Parodie eines Künstler- und Entwicklungsromans Kritik an der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts
5. Die Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler
6. Johannes Kreisler und die einzelnen Personen seiner Biographie Ihre Beziehung zueinander
7. Kater Murr und Johannes Kreisler
Literaturverzeichnis
Einleitung
"Ich empfehle Ihnen den höchst weisen und tiefsinnigen Kater Murr, der in diesem Augenblick neben mir auf einem kleinen Polsterstuhl liegt und sich den außerordentlichsten Gedanken und Fantasien zu überlassen scheint, der er spinnt erkleklich! -Ein wirklicher Katervon großer Schönheit (...) und noch größerem Verstande, den ich auferzogen, gab mir nehmlich Anlaß zu dem skurilen Scherz, der das eigentlich sehr ernste Buch durchflicht."1
Dieses 'eigentlich sehr ernste Buch', die Lebens-Ansichten des Katers Murr, sind das Thema dieser Arbeit. Die Idee, über einen denkenden und sprechende Kater zu schreiben ist nicht neu, schon Dante, Petrarca, Scarlatti, Pulcinella und natürlich Tieck waren Vorläufer Hoffmanns. Doch die ganze Konzeption des Romans, die Verbindung zweier völlig verschiedener Bücher, von denen eines nicht beendet, das andere nur als Fragment vorliegt und die Verbindung eines schreibenden Katers mit einem genialen Musiker ist allein Hoffmanns Phantasie zu verdanken. Beide Künste, die Literatur und die Musik lagen E.T.A. Hoffmann sehr nahe, er hat Noten und Bücher erdichtet. Und er "hat lange zwischen seinen künstlerischen Begabungen geschwankt, bevor er sich, auch unter dem Druck materieller Umstände, vorübergehend stärker der Musik zuwandte, um nur wenig später (...) zur Literatur zu finden. Zumal seine literarischen Werke (...) in produktiver Weiterführung Wackenroders in hohem Maße von Musik und Musikern handeln, stellte sich schon früh die Frage nach der Bedeutung der Musik für sein literarisches Schaffen."2
Ich werde hier jedoch nicht auf diese Frage eingehen, da sie meiner Meinung nach nicht direkt zu dieser Arbeit - Form und Funktion des Romans - gehört und dabei ein so großer Themenkomplex ist, daß man darüber eine eigene Arbeit schreiben könnte.3Aus demselben Grund werde ich die Biographie Hoffmanns weitgehend nicht berücksichtigen können.4
Stattdessen werde ich zuerst kurz auf die Entstehung des Werkes eingehen und darstellen, welche Reaktionen es im zeitgenössischen Publikum hervorrief und auch, wie man heute darüber urteilt. Im zweiten Kapitel versuche ich die Struktur des gesamten Romans zu analysieren und gehe dabei im Rahmen der Erzählperspektive auch auf die Rolle des Herausgebers Hoffmann ein.
Dieser Herausgeber führt weiter zu der Frage, ob die Lebens-Ansichten ein beendeter Roman sind, oder ob von Hoffmann eine Fortsetzung geplant war. Ich werde die Meinung verschiedener Forscher anführen und mich auch selbst dazu äußern.
Danach beschäftige ich mich mit dem Roman selbst. Obwohl beide Teile des Romans - die Autobiographie Murrs und die Biographie Kreislers - eng zusammengehören, ist es nicht möglich, sie auch gleich gemeinsam zu untersuchen. Ich wende mich deshalb zuerst der Autobiographie des Katers zu und werde danach auf Johannes Kreisler eingehen. Wegen des fragmentarischen Aufbaus seiner Biographie werde ich kurz deren Inhalt wiedergeben, um Zusammenhänge leichter darstellen zu können.
In einem weiteren Kapitel behandle ich die einzelnen Figuren der Biographie und zeige, welche Verbindung zwischen ihnen besteht. Im letzten Kapitel versuche ich die beiden Teile des Romans wieder zusammen zu fügen. Ich werde Kater Murr Johannes Kreisler gegenüber stellen und kurz eine mögliche Synthese beschreiben.
Ich verwende in dieser Arbeit den zweiten Band der Ausgabe des Winkler Verlages mit einem Nachwort von Walter Müller-Seidel und Anmerkungen von Wolfgang Kron. Zitiere ich aus dem Werk selbst, werden die Seitenzahlen gleich nach dem Zitat angegeben.
1. Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Romans
E.T.A. Hoffmann erfindet bereits 1810 den Kapellmeister Johannes Kreisler ('Johannes Kreisler, des Kapellmeisters musikalische Leiden'), 1812 entstehen die ersten Pläne für einen Roman 'Lichte Stunden eines wahnsinnigen Musikers', ab 1813 vereinigt er die in Dresden, Leipzig und Berlin entstandenen Teile der 'Kreisleriana'. Sie erscheinen 1814 in den Fantasiestücken. Der erste Teil der Kreisleriana umfaßt sechs Texte, die das dritte Fragment der Fantasiestücke bilden, der zweite Teil enthält sieben Texte und schließt die Fantasiestücke I ab5. Aus diesen einzelnen Teilen entwickelt sich das Kreislerbuch der Lebens-Ansichten des Katers Murr. Darin wird die Thematik, ebenso wie die Motive und die Struktur der Kreisleriana wieder aufgenommen und weiterentwickelt. Hoffmann selbst ließ sich gerne mit der Gestalt des Kapellmeisters Kreisler identifizieren, häufig unterschrieb er sogar mit dessen Namen. "Eine Biographie dieses Kapellmeisters mußte also von Anfang an dem literarischen Publikum wie eine Autobiographie Hoffmanns erscheinen."6
Auch der andere Teil der Lebens-Ansichten hat Bezüge zu Hoffmanns Leben, denn im Sommer 1818 erwirbt er sich einen Kater, den er Murr nennt. Knapp ein Jahr später, laut der Vorworte im Mai 1819, wird der Autor Murr in Berlin geboren: Hoffmann beginnt mit der Niederschrift des ersten Bandes der Lebens-Ansichten, der im Dezember 1820 erscheint. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Idee zu der Katerautobiographie durch den realen Kater Murr entstanden ist.
Den zweiten Band beginnt Hoffmann erst im August 1821, er schreibt daran etwa vier Monate. Am 29./30. November stirbt der reale Kater Murr und Hoffmann läßt auch den fiktiven Kater Murr der Lebens-Ansichten am selben Tag sterben, beide Kater erhalten einen Nachruf, mit dem Nachruf für den Schriftsteller Murr beendet E.T.A. Hoffmann den zweiten Band, der noch Mitte Dezember 1821 herausgegeben wird.
Zwischen beiden Bänden liegen einige andere literarische Arbeiten, zum Beispiel Prinzessin Brambilla, Marquise de la Pivardière, Irrungen, die Übersetzung der 'Olimpia' Spontinis und die Zusammenstellung des dritten Serapionsbandes.7
"Der schreibende Kater, die durcheinandergeratenen Biographien - das sind Einfälle des Humors. Wer sich darüber ärgert, sollte gar nicht erst zu lesen anfangen."8
Tatsächlich erhielt der Roman "bei seinem Erscheinen zunächst viel Zustimmung wegen der als hochromantisch empfundenen und gerühmten Kreislerbiographie; die Murr-Teile stießen allerdings auch in den positiven Rezensionen auf Unverständnis. Schon bald begann jedoch die negative Kritik insgesamt zu überwiegen: die Kritik wegen des Übertriebenen und Maßlosen, der Willkür der Form, des Dämonischen und Krankhaften."9
Der Widerspruch gegen Hoffmanns Werke und damit auch gegen die Lebens-Ansichten kam zunächst aus den Reihen der Vertreter der klassischen Kunstauffassung. Sowohl die 'Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung' von 1815, wie auch Goethe wendet sich von der Romantik, als Gegensatz zur unübertroffenen Klassik, und von dessen Vertretern ab.
Andere richten sich zwar nicht generell gegen die Romantik, dafür aber um so härter gegen die Lebens-Ansichten: "So polemisierte Ludwig Börne gegen den 'krankhaften Humor' im ,Kater Murr' - er überschrieb seine Rezension des Romans ,Humoralpathologie'."10Ähnlich urteilten Wolfgang Menzel und später auch Heinrich Heine. Positive Kritiken findet man erst um 1900, nur im Ausland, besonders in Frankreich, kam Hoffmann früher zur Geltung. Diese veränderten Beurteilungen, zum Beispiel von Ricarda Huch, Werner Bergengruen, Oswald Spengler und Hermann Hesse, bildeten sich im Zuge der Aufwertung der Romantik und der Relativierung der Klassik, sie beziehen sich jedoch fast ausschließlich auf die Gestalt des Kapellmeisters Kreisler. Doch auch in den Lebens-Ansichten gilt, daß das Ganze mehr ist als die einzelnen Teile und alle Teile, der Kater und Kreisler, notwendig sind, um ein vollständiges Bild zu erhalten. Auch wenn man den Sinn einer Autobiographie eines Kater verbunden mit den Überresten einer Biographie eines Menschen nicht gleich erkennt, muß man, um gerecht darüber werten zu können, sich auf das Buch einlassen und sowohl diese Verbindung, wie auch das Fragmentarische der Biographie akzeptieren. "Des Lesers Grad der Bereitwilligkeit, der Mitverschworene des Dichters zu werden, bestimmt zu allerletzt Erfolg oder Fehlschlag des erzählerischen Experiments."11
Der gesamte Roman stellt den auch heute noch aktuell gebliebenen "Konflikt des Künstlers mit der Gesellschaft und die Diskussion über seine Aufgabe in der Gesellschaft"12dar. Der Roman ist damit nicht nur 'modern', sondern, anders als manche anderen modernen Romane, auch noch mit Vergnügen lesbar. 1978 nahm die ZEIT ihn in eine Musterbibliothek der Welt auf, es gibt mehr als zehn deutsche und viele ausländische Ausgaben, etliche Illustrationen und Unmengen von Sekundärliteratur.
Worüber sich Goethe so ereifern konnte, soll nun im folgenden näher untersucht werden.
2. Allgemeine äußere Form und Erzählperspektive
Schon der lange Titel des Romans - Die Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentari- scher Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern - wirkt verwirrend auf den Leser, da darin nicht nur eine Hauptperson, sondern zwei erwähnt werden und ein Tier dominiert, der Mensch in den Untertitel verwie sen wird. Angesichts dieses Titels muß der Leser vermuten, vor allem über die Lebensansichten des Katers Murr zu erfahren, nur mit kurzen Einschüben über das Leben des bereits bekannten Kapellmeisters Johannes Kreisler. Tatsächlich überwiegt der Kreisler-Teil aber deutlich über den Murr-Teil, er umfaßt beinahe 78 Seiten mehr13. Das Buch ist in zwei Bände aufgeteilt, mit 186 und 184 Seiten.
Der Roman beginnt mit einem Vorwort des Herausgebers, einer Vorrede des Autors, einem Vorwort/Unterdrücktes des Autors und einer Nachschrift des Herausgebers. Natürlich ist "dieses Vorwort des 'Herausgebers' (...) so fiktional wie die Vorrede Murrs selbst. Denn schon in diesen einführenden Bemerkungen gilt die Roman-Wirklichkeit: Murr ist Autor seiner 'Lebens-Ansichten', ein weiterer 'Biograph' hat die Kreisler-Ge- schichte geschrieben, und Hoffmann stellt sich als der 'Herausgeber' vor."14
Im Vorwort des Herausgebers wird der Titel und damit die Form des Buches erklärt: Der Herausgeber wollte nur das Buch des Katers drucken, doch "als der Kater Murr seine Lebensansichten schrieb, zerriß er ohne Umstände ein gedrucktes Buch, das er bei seinem Herrn vorfand, und verbrauchte die Blätter harmlos teils zur Unterlage, teils zum Löschen. Diese Blätter blieben im Manuskript und - wurden, als zu demselben gehörig, aus Versehen mit abgedruckt!" (S.298)
Dadurch erhält der Roman 34 Teile; der Murr-Teil wird 17 Mal durch die Makulaturblätter des Kreisler-Teils mitten im Satz unterbrochen und nach diesen Blättern wörtlich weitergeführt mit der Anmerkung M.f.f. (Murr fährt fort). Die Makulaturblätter sind mit Mak. Bl. gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung wurde vom Herausgeber vorgenommen.
Während der Murr-Teil an Stellen unterbrochen wird, an denen sinngemäß auch ein Abschnitt stehen könnte, d.h. an Stellen, an denen eine Episode schließt, wird dagegen beim Kreisler-Teil vieles, was zum besseren Verständnis der Handlung führen würde, einfach abgebrochen und auch später nicht mehr aufgenommen. Beim Murr-Teil, das ein Buch mit linearem Handlungsstrang ist, könnte man von Kapiteln sprechen, im Kreisler-Teil hingegen sind es eindeutig Fragmente, die allerdings in sich geschlossen sind, denn in jedem erscheint eine neue Szenerie mit neuen Personen. Trotzdem sind es nur Überreste des ursprünglichen Buches, durch die man nur vermuten kann, wie das gesamte Buch aussah. Dies liegt in der Fiktion des Romans begründet, es wurden eben nur einige Blätter der Kreisler-Biographie in das Buch des Katers geschoben.15
Außerdem hat Kater Murr selbst das Buch in vier größere Teile gegliedert, die er mit Überschriften betitelt; im ersten Band "Gefühle des Daseins/Die Monate der Jugend" (S.303) und "Lebenserfahrungen des Jünglings/Auch ich war in Arkadien" (S.384), im zweiten Band "Die Lehrmonate/Launisches Spiel des Zufalls" (S.483) und "Ersprießliche Folgen höherer Kultur/Die reiferen Monate des Mannes" (S.597)16.
Die Erzählperspektive ist von Anfang an schwer durchschaubar: Der Dichter Hoffmann führt als erstes den Herausgeber Hoffmann ein. Er ist sowohl Herausgeber des Murrbuchs, als auch der Kreisler-Teile und damit auktoriales Medium des Verfassers. D.h. er spricht aus der Perspektive einer 'allwissenden Überschau', er berichtet über Innen- und Außenwelt der Personen. Außerdem mischt er sich oft auch in das Erzählte ein und kommentiert es im Gespräch mit dem Leser oder auch mit dem Autor selbst, nämlich mit dem Kater Murr.
Nachdem sich der Herausgeber im Vorwort als Freund eines Freundes von Kater Murr vorgestellt und sich für die Mißgeschicke, die beim Verlegen des Buches geschehen sind, entschuldigt hat, hofft er "auf gütige Verzeihung" (S.298) des Lesers. Auch für das unterdrückte Vorwort des Autors Murr, in dem Murr Kritiker sogar mit seinen scharfen Krallen bedroht, entschuldigt er sich, diesmal für diesen "schriftstellerischen Kater" mit dem "etwas stolzen Ton" (S.302) in einer Nachschrift, die gleich auf das besagte Vorwort folgt, noch vor dem Beginn des eigentlichen Romans.
In der Nachschrift des Herausgebers am Ende des Buches unterrichtet er den Leser über den Tod des Katers und über seine Pläne, diesen Roman, mit Hilfe von Nachgelassenen des Katers und Teilen der Kreislerbiographie, fortzusetzen. Während der Herausgeber den Kater am Anfang des Romans offenbar nicht persönlich kannte, ist er doch am Ende sehr betroffen: "Armer Murr! (...) ich habe dich lieb gehabt und lieber als manchen" (S.663). Der Herausgeber begnügt sich jedoch nicht mit diesen Bemerkungen, sondern greift auch ver- mehrt mitten in das Murrbuch ein. Er spricht den Leser und Murr selbst an und weist darin mei- stens auf Murrs Plagiate17hin. Insgesamt mischt er sich vier Mal ein, in Form einer Fußnote (S.452), einer Randglosse (S.528) und zweier Anmerkungen (S.585 und S.640). Auch im Kreis- ler-Teil fügt er eine Bemerkung ein, in der er den Leser darüber informiert, daß einige Blätter fehlen, auf denen aber wahrscheinlich nichts Wichtiges stand (S.621). Seltsam ist bei dieser Be- merkung nur, daß der Herausgeber genau weiß, wieviele Blätter, nämlich acht Kolumnen, fehlen, während diese Information bei den anderen Brüchen in der Biographie dem Leser vorenthalten werden. Damit wird offensichtlich, daß die Autobiographie Murrs ebenso wie der Kreisler-Teil vom Herausgeber abhängig ist.
"Dieser 'Herausgeber Hoffmann (...) ist das nächste Bindeglied zwischen Verfasser und Verfasstem: der Dichter gibt sich als 'Herausgeber Hoffmann' (...) aus, dieser 'Herausgeber' führt einen 'Autor Murr' ein, und dieser (...) gibt den IchErzähler des Murr-Teils ab."18
Der Kater ist zum einen als Unterzeichner seiner Vorworte der personale Ich-Erzähler, zum anderen als Autor seiner Lebens-Ansichten und damit einer Rückschau auf sein Leben der auktoriale Ich-Erzähler.
Der unbekannte Biograph des Kreisler-Teils entspricht dem Autor Murr, doch obwohl diese äußere Form auf eine auktoriale Erzählperspektive hinweist, kann die Kreisler-Biographie nicht eindeutig als auktoriale Erzählung gelten.19
Des Herausgebers letzte Einmischung, am Ende des Romans in der Nachschrift, in der ja ausdrücklich auf eine Fortsetzung hingewiesen wird, führt zu der Frage, ob diese Fortsetzung nur zur Fiktion des Romans gehört oder tatsächlich geplant war.
3. Die Lebens -Ansichten des Katers Murr - Ein vollendetes Fragment ?
"Schlimm ist es, daß der Verblichene [Kater Murr] seine Lebens-Ansichten nicht geendet hat, die also Fragment bleiben müssen. Dagegen haben sich in den nachgelassenen Papieren des verewigten Katers noch so manche Reflexionen und Bemerkungen gefunden, die er in der Zeit aufgeschrieben zu haben scheint, als er sich bei dem Kapellmeister Kreisler befand. Ferner war aber auch noch ein guter Teil des von dem Kater zerrissenen Buchs vorhanden, welches Kreislers Biographie enthält.
Der Herausgeber findet es daher der Sache nicht unangemessen, wenn er in einem dritten Bande, der zur Ostermesse erscheinen soll, dies von Kreislers Biographie noch Vorgefundene den geneigten Leser mitteilt und nur hin und wieder an schicklichen Stellen das einschiebt, was von jenen Bemerkungen und Reflexionen des Katers der weitern Mitteilung wert erscheint."(S.663)
Diese beiden kleinen Abschnitte am Ende der Lebens-Ansichten werfen eine Frage auf, mit denen sich nahezu alle Kater-Murr-Forscher beschäftigen: War es tatsächlich Hoffmanns Absicht, diesen Roman fortzusetzen und - noch radikaler - ist eine Fortsetzung des Romans überhaupt möglich ?
Robert Rosen bezweifelt diese Möglichkeit. Er widerspricht der Vermutung, "daß ein dritter Band Aufschluß über Kreislers Abstammung gegeben hätte", denn "das Nachholen der fehlenden Aufschlüsse imKater Murr" hätte nur wenig Zeit in Anspruch genommen. Fraglich sei, wer die Aufschlüsse hätte geben sollen, da Meister Abraham bereits 30 Jahre geschwiegen hat und falls Kreisler tatsächlich "seine wahre Identität entdecken würde" und sich "zum Herrscher Sieghartshof legitimieren sollte"20, würde diese Lösung der Anlage des ganzen Roman widersprechen.
Ebenso sei zu bedenken, daß Kater Murr gestorben ist, obwohl "der Titel des Romans die Ge- schichte des Katers geradezu in den Vordergrund rückt, ein Umstand der trotz einer möglichen ironischen Absicht nicht übersehen werden darf, wenn wir von einer Fortsetzung sprechen." Angesichts der fragmentarischen Gestaltung des Romans sei eine Lösung aller Probleme nicht zwingend. "Auch scheint das Beginnen mit dem Ende gegen eine Fortsetzung zu sprechen. (...) Eine Fortsetzung der Lebensgeschichte Kreislers allein ist (...) nicht ausgeschlossen. Aber eine solche Fortsetzung ist nur in einem neuen, in sich geschlossenen Werk denkbar. Mit demKater Murr, der uns vorliegt, würde ein solches Werk nicht mehr zu tun haben, als derKater Murrmit den 'Kreisleriana'."21
Absolut sicher, daß das Werk mit diesem Nachwort auch beendet wurde, ist sich Ernst von Schenck, er schreibt dazu:
"Aber das Werk ist beendet! Zwar gehen überall die Fäden der Handlung in eine ungewisse Zukunft weiter - aber das hat diese Dichtung mit dem Leben gemein. Sie ist als Fragment, als Krönung der Fragment-Dichtung der deutschen Romantik begonnen und - soweit dieses Paradoxon möglich ist - beendet."22
Er begründet diese Behauptung schon vorher in seiner Arbeit durch die Forderung der Romantiker nach dem fragmentarischen Roman, der die "bruchstückhafte Eigenart des menschlichen irdischen Daseins augenfällig " dartun solle.23
Auch Wolfgang Preisendanz zweifelt an einer Fortsetzung des Romans:
"Der Roman blieb aus innerer Notwendigkeit Fragment, denn so wenig Kreislers ironische Fremdheit im Leben die Lebensansichten Murrs als nichtig erscheinen läßt, so wenig umgekehrt Murrs ironisches Behagen in der süßen Gewohnheit des Daseins die Existenz Kreislers desavouieren kann, so wenig läßt sich hinsichtlich der Romanfabel der Ansatz einer Vermittlung oder gar eines die Antithetik aufhebenden goldenen Mittelweges absehen."24
Benno von Wiese25hingegen, der zwar von der Absicht Hoffmanns spricht, einen dritten Band zu schreiben, läßt offen, ob dieser Band dann tatsächlich entstanden wäre, ebenso Hartmut Steinecke26. Andere27dagegen sind völlig davon überzeugt, daß Hoffmann eine Fortsetzung geschrie ben hätte, zum Beispiel Wulf Segebrecht, Hans von Müller und auch Gerhard Kaiser:
"Hoffmann hat, wie man weiß, den Roman nicht mit dem Abschluß des zweiten Bandes endigen wollen. In der 'Nachschrift des Herausgebers' ist ausdrücklich von 'einem dritten Bande, der zur Ostermesse (1822) erscheinen soll' die Rede. Auch an Dümmler, den Verleger des Kater-Romans, hatte Hoffmann am 2. September 1821 geschrieben: 'Der dritte und lezte Theil könte dann wohl, da ich nun nicht mehr abbreche, zur Neujahrsmess fertig werden'"28
Hitzig gibt "einige mündliche Äußerungen Hoffmanns über den dritten Band des Murr-Kreisler-Werkes dem Inhalte nach wieder. Danach erwartete Hoffmann, in diesem Bande 'zu leisten, was er früher noch nicht vermocht' (Hitzig II 146); der Plan war 'auf das Grandioseste angelegt', und den Text hatte Hoffmann 'im Kopfe schon ausgearbeitet, so daß es nur des Niederschreibens bedurfte' (ebda.129). Wenn wir nun auch, nachdem wir die Arbeitsweise unseres Erzählers kennen ge- lernt, das nicht wörtlich nehmen können, so ist doch wohl anzunehmen, daß der dritte Band den beiden früheren nicht nachgestanden hätte."29
"Als H. starb, hatte er den dritten Band noch nicht begonnen. Indes besteht kein Zweifel an seiner Absicht, einen solchen zu schreiben."30
Man könnte nun die ganze Diskussion abkürzen, denn "die Frage nach dem geplanten dritten Teil des 'Kater Murr' führt zu nichts. Vieles spricht dafür, daß dieser Band aus solchen Gründen ungeschrieben geblieben ist, die im Kunstwerk selbst liegen."31
Das wäre eine einfache und für den Schulunterricht geeignete Lösung. Und genau dafür war dieser Aufsatz von Heinz Loevenich, aus dem dieses Zitat stammt, auch gedacht. Aber befaßt man sich intensiver mit dem Kater Murr, ist man gezwungen, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, auch wenn nur Vermutungen möglich sind, da sich der Verfasser dem Zugriff entzogen hat.
Fest steht die Tatsache, daß Hoffmann einen dritten Teil angekündigt hat, sogar mit einem bereits durchdachten Plan, der genauso viel verspricht, wie man nach den beiden ersten Teilen erhoffen kann. Kater Murr und Johannes Kreisler werden endlich zusammen geführt und Kater Murr wird, obwohl er nicht mehr unter den Lebenden weilt, weiterhin seine Lebensansichten kund tun, ebenso wird man mehr über die Biographie Kreislers erfahren. Das Argument Rosens, daß der Roman nicht ohne den Kater fortgesetzt werden kann, wird schon durch den Herausgeber selbst entkräftet, der auf die nachgelassenen Reflexionen und Bemerkungen des Katers hinweist.
Anscheinend soll nun die Biographie Kreislers von den Ansichten des Katers unterbrochen werden. Da beide nun zusammenleben, ergeben sich für den Herausgeber Hoffmann verschiedene Möglichkeiten, die Reflexionen und Bemerkungen des Katers Murr in die Reste der KreislerBiographie einzufügen.
Auch sollte man die Fähigkeit Hoffmanns nicht unterschätzen, die Handlungstränge so weiterzuführen, daß sie sich in die Handlung harmonisch einfügen. Wahrscheinlich wollte Hoffmann auch im dritten Teil nicht alle Aufschlüsse geben, sondern nur einiges aufklären und dabei anderes erneut verwirren. Diese Möglichkeit faßt auch Stefan Diebitz ins Auge:
"Das Publikum wird ironisch hingehalten, seine eitlen Hoffnungen auf die Auflösung des Geschehens werden immer wieder enttäuscht. Es ist sogar denkbar, d.h. es würde der Logik des Romans entsprechen, daß auch der 3. Band keine Auflösung bieten sollte."32
Ebenso wird, auch wenn der Roman "abgeschlossen" werden würde, der Fragmentcharakter durch die Bruchstücke der Kreislerbiographie und dann vielleicht auch durch die einzelnen Teile des Murr-Nachlasses erhalten bleiben.
Sicher ist die Lösung der einzelnen Fragen, die der Roman aufwirft, nicht zwingend, aber es lag wahrscheinlich doch im Willen E.T.A. Hoffmanns, diese Geschichten weiterzuspinnen, unabhängig davon, ob am Ende alle Probleme gelöst wären oder nicht.
4. Kater Murr als Parodie eines Künstler- und Entwicklungsromans Kritik an der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts
Der Bildungsroman entstand in der Weimarer Klassik. Sein Ziel ist es die Entwicklung "eines Menschen von einer sich selbst noch unbewußten Jugend zu einer allseits gereiften Persönlich- keit" darzustellen. "Dieser Bildungsgang (...) führt über Erlebnisse der Freundschaft und Liebe, über Krisen und Kämpfe mit den Realitäten der Welt zur Entfaltung der natürlichen geistigen Anlagen (...), zur Klarheit des Bewußtseins (...), häufig ist die Reifung zum Künstler Gegenstand des Bildungsromans."33
Man kann diese Entwicklung beim Kater Murr deutlich nachvollziehen. Die Lebens-Ansichten des Katers Murr sind jedoch nicht nur Bildungsroman, sondern eher Entwicklungs- und Künstler- roman. Bei diesen weichen die Ziele des 'Helden' entsprechend der Auffassung ihrer Autoren von den Zielen des klassischen Bildungsromans ab. Das Recht des Künstlers auf eine nichtbürgerliche Lebensweise und auf eine gesellschaftliche Außenseiterrolle wird thematisiert. Diese Problematik findet man auch in der Kreisler-Biographie, der Murr-Teil ist eine Parodie auf diese Romanarten. Schon durch die vier verschiedenen Vorbemerkungen am Anfang des Romans werden die damals üblichen Vorreden als lächerlich dargestellt. Auch die Titel der Lebensabschnitte Murrs, von den Monaten der Jugend zu den Lebenserfahrungen des Jünglings, von den Lehrmonaten bis zu den reiferen Monaten des Mannes, erinnern stark an zum Beispiel Schlegels Lucinde oder Goethes Wilhelm Meister.
Murr sieht sich als Künstler und hält sein Leben für so bemerkenswert, daß er sich entschließt, es aufzuzeichnen. Er wählt die Form der Autobiographie, damit baut er "Distanz gegenüber dem Leser [auf], um seine Bewunderung zu wecken" und schafft es dadurch auch, die Unterschiede zu seiner Leserschaft zu verringern, "um Identifikation zu ermöglichen."34Immerhin soll sich sein Buch auch verkaufen. "In strahlendster Selbstbewunderung bietet er der 'Welt' sich und seinen Lebenslauf so zu ergötzlicher Betrachtung und nacheifernder Verehrung dar."35
"Mit der Sicherheit und Ruhe, die dem wahren Genie angeboren, übergebe ich der Welt meine Biographie, damit sie lerne, wie man sich zum großen Kater bildet, meine Vortrefflichkeit im ganzen Umfange erkenne, mich liebe, schätze, ehre, bewundere, und ein wenig anbete." (S.301)
"Es ist nämlich wohl höchst merkwürdig und lehrreich, wenn ein großer Geist in ei- ner Autobiographie über alles, was sich mit ihm in seiner Jugend begab, sollte es auch noch so unbedeutend scheinen, recht umständlich [sich] ausläßt. Kann aber auch wohl einem hohen Genius jemals Unbedeutendes begegnen ? (...) So werden meine Werke auch gewiß in der Brust manches jungen geist- und gemütreichen Katers das höhere Leben der Poesie entzünden, und nimmt denn der edle Katerjüngling meine biographischen Belustigungen auf dem Dache vor, geht er ganz ein in die hohen Ideen des Buchs das ich soeben unter den Klauen habe, dann wird er im Entzücken der Begeisterung ausrufen: 'Murr, göttlicher Murr, größter deines Geschlechts, dir, dir allein verdanke ich alles, nur dein Beispiel macht mich groß,'" (S.319f.)
"Die Bedeutung seines Lebens liegt für Murr darin, daß es das Leben eines Künstlers ist - und zum Leben eines Künstlers wird es ihm (...), weil es eben bedeutend ist."36Der Kater erzählt sein Leben von seiner Geburt an, die der Geburt großer Helden nachempfunden ist, sein Vater wollte ihn nämlich fressen, "aber gerettet wurde ein Jupiter und so auch" Murr (S.333). Auch auf seine Abstammung und sein edles Geschlecht ist er sehr stolz:
"Ja mein Leser! - ich hatte einen (...) großen vortrefflichen Ahnherrn, einen Mann von Stande, Ansehen, Vermögen, ausgebreiteter Wissenschaft, mit einer ganz vor- trefflichen Sorte Tugend, mit der feinsten Menschenliebe begabt, einen Mann von Eleganz und Geschmack, nach dem neuesten Geschmack - einen Mann der - doch dies alles jetzt nur beiläufig gesagt, künftig mehr von dem Würdigen, der niemand anders war, als der weltberühmte Premierminister Hinz von Hinzenfeldt der der Welt so teuer, so über alles wert geworden unter dem Namen des gestiefelten Katers." (S.350)
" - So ist einmal die Katz. - Richtig bezeichnet dieser Ausdruck mein Geschlecht, zu dem sich auch der hochmütige Löwe zählt, den deshalb auch der berühmte Hornvilla in Tiecks Octavian einen großen Katz nennt." (S.483)
Murr hat viele Lehrmeister und Vorbilder, die ihn prägen, allen voran Meister Abraham, der Murr errettet und Quartier gibt und ihm zwar mit dem Birkenreis Manieren beibringt, ihm aber auch die Möglichkeit gibt, Literatur kennenzulernen und sich selbst Lesen und Schreiben beizubringen. In dieser Zeit liest Murr wahllos, er stopft sich mit fremden Gedanken voll (S.323) und beginnt sogleich seine ersten Arbeiten, wie 'Gedanke und Ahnung oder Katze und Hund', 'Über Mausefallen und deren Einfluß auf Gesinnung und Tatkraft der Katzheit' oder 'Rattenkönig Kawdallor' zu schreiben (S.324). Durch Murrs blindwütiges Lesen und Schreiben und vor alle m durch seine Lust am Zitieren, obwohl er den Ursprung der Zitate nur zum Teil noch kennt, wird ein borniertes bildungsbeflissenes Zeitalter parodiert, das für jede Situation des Lebens ein Zitat oder eine Lebensweisheit zur Hand hat. Dadurch wird das Leben nicht direkt gelebt, sondern nur in Schablonen wahrgenommen und Gefühle werden nicht selbst empfunden, sondern nur in Büchern nachgelesen. Auch Murr besingt zum Beispiel die Liebe, die er noch gar nicht kennengelernt hat (S.367) und als er seiner Liebe, der Katze Miesmies, begegnet, muß er mit Hilfe von Ovid, Manso und Shakespeare erfahren, was es damit auf sich hat, erst dann weiß er, "daß es seine Richtigkeit hatte mit (s)einem Verliebtsein", erst dann kam Trost in seine Seele. Sogar seine Liebesschwüre mit Miesmies sind nicht von ihm, sondern leicht verändert aus Jean Pauls Titan entnommen (S.452).
Doch zuvor begegnet Murr seiner Mutter Mina, die er nur wenig mit seiner Bildung (diesen Begriff verwechselt Murr häufig mit Begriff der Ausbildung) beeindrucken kann, im Gegenteil, sie warnt ihn zur Vorsicht, er solle seine Fähigkeiten nicht offenbaren, da die Menschen ihn dann unter eine drückende Knechtschaft stellen würden (sie zitiert damit unwissentlich Tiecks 'Gestiefelten Kater'). Sie rühmt ihre "natürlichen Fähigkeiten und angenehmen (...) von der Natur eingeimpften Talente." (S.334)
Als Murr nun seiner Mutter einen Heringskopf bringen will, besiegt ihn genau diese, von der Mutter gerühmte, Natur; er vergißt seine hohe 'Bildung' und er verspeist den Fisch selbst. Danach rechtfertigt er sich mit einem Argument, das der zeitgenössische Leser sofort als FichteParodie erkennen muß: denn Murr geriet in einen Zustand, der auf seltsame Weise sein Ich seinem Ich entfremdete, doch sein eigentliches Ich schie n. Davon wurden seine Sinne überwältigt und er fraß den Heringskopf ! Murr lernte es einzusehen, "daß es Frevel ist, der Mutter Natur zu widerstreben." (S.335) Offenbar hat der Kater viel von seinen tierischen Instinkten behalten, worüber sich seine Mutter doch freuen sollte.
Murr hat Lesen und Schreiben gelernt, aber ihm fehlt jede Fähigkeit zur Selbstkritik. Als Kater ist er bereits genial, als 'Mensch' spiegelt er das selbstzufriedene Bürgertum wider.
"Immer wieder beeindruckt im Murr-Roman die Fähigkeit Hoffmanns, seine satiri- sche Kritik an der Realität des menschlichen Zusammenlebens auf zwei Wegen vorzutragen: durch skurile Phantasie und durch verfremdeten Realismus. Erst verblüffen jene Züge Murrs, die bei Menschen normal, bei einem Kater aber völlig phantastisch sind und dadurch ins Auge springen; dann wieder wirken die Eigenschaften des Katers, die seiner Gattung ganz gemäß sind, als subtiles Menschenproträt (sic!)"37
"Wo jedoch das Lachen über den drolligen Kater leichtfällt, bleibt der Kloß leicht im Hals stecken, wenn man sich über die eigene, menschliche Absurdität erheitern soll, (...). Die Katerposse ist zugleich Gesellschaftssatire."38
Darin ist Ponto, dem Murr in der Wohnung von Meister Abraham begegnet und mit dem er sich nach kurzer Zeit anfreundet, der Inbegriff des Schmeichlers und Heuchlers, ihm ist ein "gewisse unterwürfige Schmeichelei, ein Verleugnen des Selbstgefühls" (S.398) zu eigen, seiner Meinung nach muß der Lebenskluge "es verstehen, allem, was er bloß seinetwegen tut, den Anschein zu geben als täte er es um anderer willen, die sich dann hoch verpflichtet glauben, und willig sind zu allem was man bezweckte." (S.399).
Ponto belegt dieses Konzept am Beispiel zweier Menschen, Walter und Formosus (S.402-406), die eben genau nach diesem Prinzip handeln. Murr widerstrebt die Weltklugheit des Pudels, obwohl er davon nicht unbeeindruckt bleibt. Da Murr aber überzeugt ist, daß seine Handlungen und Überlegungen ideal sind, ist es ihm unmöglich, sich selbst zu verleugnen. Außerdem ist es Ponto, der die Fähigkeiten des Katers verrät. Er trägt die Manuskripte des Katers zu dem Professor der Ästhetik, Lothario. Dieser wird ein ernster Widersacher Murrs:
"'Oh', sprach Lothario mit unterdrückter Wut, 'o ich seh es kommen, (...). Die Bestie wird Magister legens werden, die Doktorwürde erhalten, zuletzt als Professor der Ästhetik Collegia lesen (...) - der Kater wird in meinen Eingeweiden wühlen, und hat ganz infame Krallen !'" (S.422)
"'(...) Mag es sein, daß der Kater niemals weder Magister legens, noch Professor der Ästhetik, werden wird, als Schriftsteller tritt er doch auf über kurz oder lang, findet der Neuheit wegen Verleger und Leser, schnappt uns gut Honorare weg - '" (S.425)
Lothario sieht den Kater Murr tatsächlich als ernstzunehmenden Konkurrenten, denn wenn ein Tier schreiben kann, macht es das "zum Ebenbürtigen des Menschen, auf ökonomischer [Ebene] zu seinem Rivalen"39. Lothario ist sich nicht bewußt, daß er sich damit auch geistig auf die Ebene des Katers begibt. Damit setzt er sich und die gelehrten Kreise, die er versinnbildlicht, damit dem Spott derer aus, die Murrs Bildung als oberflächlich begreifen. Wahrscheinlich sind Lotharios Werke der Werke des Katers sehr ähnlich, denn als Lothario das Manuskript Murrs Abraham vorliest, um den Kater zu entlarven, amüsiert sich Abraham köstlich, während Lothario diese Werke ernst nimmt und sich sehr darüber erregt. (S.362ff.). Lotharios Wut geht sogar so weit, daß er den Kater verstümmeln will, ihm seine Krallen stutzen.
Trotz dieses unfeinen Vorhabens erfüllt er eine Vorbildfunktion für Murr. Als Philister reinsten Wassers führt er Murr eine Lebensweise vor, die dieser nur zu gerne nachahmen möchte. Murr sieht sich bereits als Doktor hinter einem Katheder, dessen Vorlesungen die wißbegierige Jugend besucht (S.425f.). Auch die anderen Beschäftigungen Lotharios, nämlich zu dichten, fremde Werke zu kritisieren und vor allem sich als genialen Künstler zu betrachten, sind Tätigkeiten, für die sich Murr begeistern kann. Das bemerkt auch Murrs Freund, der Kater Muzius. "'Ihr seid in der Gefahr ein arger abscheulicher Philister zu werden. (...) Also wie gesagt, Eure Lebensart taugt nichts Bruder Murr. Ihr müßt heraus, Ihr müßt heraus in die Welt.'" (S.487) Damit wird der Begriff des Philisters eingeführt, den Kater Murr zunächst nicht kennt. Dieser Typ von Mensch tritt bei Hoffmann und bei anderen Vertretern der Romantik immer wieder auf. Novalis definiert diesen Begriff in seinen Schriften normgebend:
"Philister leben nur ein Alltagsleben. Das Hauptmittel scheint ihr einziger Zweck zu seyn. Sie thun das alles um des irdischen Lebens willen, wie es scheint und nach ih- ren eigenen Äußerungen scheinen muß. Poesie mischen sie nur zur Nothdurft unter, weil sie nun einmal an eine gewisse Unterbrechung ihres täglichen Laufs gewöhnt sind. (...) Ihre parties de plaisir müssen konvenzionell, gewöhnlich, modisch seyn, aber auch ihr Vergnügen verarbeiten sie, wie alles, mühsam und förmlich. (...) Den höchsten Grad seines poetischen Daseyns erreicht ein Philister bei einer Reise, Hochzeit, Kindtaufe, und in der Kirche. Hier werden seine kühnsten Wünsche befriedigt, und oft übertroffen. (...) Grober Eigennutz ist das nothwendige Resultat armseliger Beschränktheit. (...) Kein Wunder, daß der durch die äußern Verhältnisse par force dressirte Verstand nur der listige Sklav eines solchen stumpfen Herrn ist, und nur für dessen Lüge sinnt und sorgt."40
Murr liest aber nicht Novalis, sondern wird von Muzius aufgeklärt: Ein Philister ist geziert, geizig, faul, egozentrisch, wortreich, heuchlerisch, eitel, höflich, ordentlich, langweilig, feige, angeberisch, hinterhältig, gerissen und bequem (S.502ff.), eben so richtig "pomadig", das genaue Gegenteil zum Katzburschen. Denn ein Katzbursch ist "offen, ehrlich, uneigennützig, herzhaft, stets bereit dem Freunde zu helfen" und er kennt keine anderen Rücksichten "als die Ehre und der redliche Sinn gebieten" (S.503).
Die beeindruckenden Worte Muzius werden sofort wieder relativiert: Muzius läßt sich als erstes von Murr zum Essen einladen, das Murr ihm nach dieser Rede nicht verweigern kann. Dadurch erscheint der Inhalt dieser Rede im Nachhinein geheuchelt, nur als ein gerissener Trick eines Philisters, um eine Mahlzeit zu erhalten, aber keinesfalls als eine moralische Lehre. Trotzdem bleibt Murr nur ein Weg: er wird ebenfalls ein Katzbursch. Durch Muzius wird er in die Burschenschaft eingeführt. Deren Gesinnung ist es, ihre Bedürfnisse zu ihren Zielen zu erheben: lieber Milch als Wasser, lieber Braten als Brot. Solche Zielen haben mehr Ähnlichkeiten mit denen eines Philisters als mit denen des Katzburschen, den Muzius zu Anfang beschrieben hat.
Diese philiströsen Neigungen zeigen sich bei allen Mitgliedern der Burschenschaft, zum Beispiel bei Hinzmann; er hält die Trauerrede für Muzius, der durch eine Verletzung an seinem Hinterbein gestorben ist. Hinzmann hält diese Rede, obwohl er vom "Leben des Verblichenen (...) beinahe gar nichts weiß". Da "durch einen solchen Vortrag auch in dem betrübtesten Zuhörer der Ekel der Langeweile erregt werden muß" (S.577), geht er lieber gleich, d.h. nach einigen Stilbrüchen, dazu über, sich selbst zu rühmen, als Professor poescos et eloquentiae (S.578). Dann schildert er Muzius als würdiges Glied der Katzengesellschaft (er feindete sich ausschließlich mit denjenigen an, die sich seinem Willen nicht fügten), als treuer Gatte (er lief nur jüngeren und hübscheren Kätzchen nach), als liebender Vater (er fraß seine Kinder nicht auf), als Verfechter der Wahrheit und des Rechts (er kümmerte sich um beides nicht), als Stütze der Armen (er spendete einmal im Jahr ein Heringsschwänzchen) und als treuer Freund in der Not (vor allem, wenn die Not ihn selbst betraf) (S.579).
Damit zeigt Hinzmann nicht nur Muzius wahres Ich, sondern auch sein eigenes: sie alle sind aus dem gleichen Holz geschnitzt: "Murr, Muzius und Hinzmann - alle zugleich Kritiker und Prototypen des Katzphilisters"41.
Übrigens waren auch alle drei in die Katze Miesmies verliebt, Murr war der erste, er war sogar mit ihr 'verheiratet', bis mit der Ehe die Gewohnheit kam und die beiden sich trennten. Murr wendete sich lieber wieder seinem Freund Muzius zu.
Muzius ist Murr kein Lehrer einer besonderen Moral oder einer neuen Lebensauffassung, aber er führt ihn in die Gesellschaft der erwachsenen Katzen ein und zeigt ihm, wie er seine eigenen Schwächen als Tugenden auffassen kann, solange er dies in einer Gemeinschaft tut, die dieselbe Auffassung von Tugend hat. In dieser Burschenschaft, natürlich als Parodie der realen Burschenschaften zu verstehen, zählt der gemeinsame Genuß von Heringslauke und das gemeinsame Singen mehr als irgendeine Moralvorstellung. Murr gelangt dabei sogar zu Ruhm und Ehre, durch seine Verse (S.508) und sein Duell (S.530ff.). Doch alle politischen Aspekte der realen Burschenschaften werden ausgelassen, obwohl E.T.A. Hoffmann als Jurist den Turnvater Jahn und die Deutschen Turner- und Burschenschaften 1820 verteidigt hatte.
In Murr regen sich langsam "Zweifel gegen die Anständigkeit und Nützlichkeit des Burschenklubs" (S.554). Zu diesem Zeitpunkt nun findet sich wieder ein Pudel bei Kater Murr ein: Skaramuz, der Oheim von Ponto. Dieser ist "eine Karikatur des typischen Vertreters preußischer Bürgertugenden (...), der die Tradition von Ehre, Sitte und Ordnung gutmütig-ruppig repräsentiert."42Er warnt ihn vor Ponto, allerdings ohne Erfolg, sobald Skaramuz verschwunden ist und Ponto auftaucht, hat Murr diese Warnung bereits vergessen.
Ponto ist inzwischen im Besitz von Baron Alzibiades von Wipp. Er dient dem Baron als Mittler von Botschaften an die Frau von Lothario, mit der der Baron ein Verhältnis hat. Nicht nur hier, sondern auch durch die Verbindung Murrs zu Miesmies und wiederum deren Verbindung zu anderen Katern und vor allen durch einige Kommentare Kreislers (S.430f., S.542f.), wird deutlich, daß Hoffmann von der bürgerlichen Institution der Ehe nur wenig hält.
Doch Ponto hat durch diese Botendienste die Möglichkeit bekommen, durch den Baron in die Gesellschaft des Hofes aufzusteigen. Trotzdem versteht Murr nicht, was daran "so groß und wichtig sei, daß [es] das Unangenehme, das Drückende der damit verbundenen Knechtschaft aufwiege." Murr müßte "eben diese Knechtschaft (...) immer widerlich bleiben" (S.615). Daraufhin erläutert ihm Ponto seinen Tagesablauf und weckt damit Murrs Begehren, ebenfalls zu der feinen Gesellschaft, die der Baron symbolisiert, zu gehören. Er wartet also vor des Barons Haus und die ersten "Folgen der höheren Kultur" (S.642) sind, daß der Kater von Ponto auf Be- fehl seines Herren Alzibiades in einen Keller gehetzt wird. Gleichzeitig lädt ihn Ponto in einen li- terarischen Salon der hundischen Gesellschaft, zum Windspiel Badine, ein. Dort "hat Murr end- lich das ihm gemäße Publikum gefunden. Beide, Autor und Publikum, vereint das gleiche Prinzip: Der eine schreibt, ohne zu begreifen, wovon er schreibt; die anderen reden, ohne zu verstehen, worüber sie reden."43Die Beschreibung dieses Salons hat große Ähnlichkeit mit den typischen literarischen Salons in Berlin und macht deutlich, wie Hoffmann diese eingeschätzt haben muß. Sogar Murr langweilt sich, doch nur bis er eine Anbeterin seiner Kunst findet: Badines Nichte, das Windspielfräulein Minona. Sie unterscheidet sich durch nichts von den anderen Personen des Salons, doch kann sie Murrs Verse auswendig, er verliebt sich prompt in sie. Diese Liebe wird noch am selben Abend durch einen Eimer Wasser, der aus dem Fenster Minonas auf Murr geschüttet wird, ertränkt. Außerdem erkennt er, daß sich in diesen Salons die Hunde "bei der Bedeutungslosigkeit ihres Wesens an die Form halten" müssen, wie "eine Schale ohne Kern" (S.646), während Murr ein wahrer Künstler ist.
Und doch hat Murr erfahren, daß ein "Dreirassensystem"44existiert. Als Katze steht er allein wegen seiner physische Schwäche unter dem Hund und dem Menschen. In diesem System liegt eine umgekehrte Proportionalität von Kultur und Freiheit begründet: Während man bei den Burschenschaftlern ohne Beschränkung war, aber auch ohne Kultur, pflegt man bei Hof und in den literarischen Salons zwar die Kultur, muß sich aber einer absolut bindenden Etikette unterwerfen.
Von beiden ist Kater Murr geheilt und wendet sich, nachdem er alle Stufen einer Entwicklung durchlaufen hat, wieder seiner eigentlichen Liebe zu: der Kunst, der Wissenschaft und einem Platz am warmen Ofen von Meister Abraham. Nur bei ihm hat man das Gefühl, Kultur und Freiheit verbunden zu sehen.
Eigentlich hat sich Murr von diesem Leben als Philister nie abgewandt, weder als Burschenschaftler noch in den eleganten Salons der Hunde.
"Murr ist immer schon am Ziel, zeitliches Fortschreiten ist für ihn wesentlich un- wichtig. So besteht der Witz des erzählten Lebenslaufes zum größten Teil darin, Murr, was jeweils ihm begegnet, raisonniergewandt und auf kürzestem Wege in die alte Einheit mit sich zurückzuführen, in das ihm Passende ummünzen zu sehen."45
Das einzige, wovon Murr absolut überzeugt ist, ist er selbst, als Maler, Sänger und vor allem als Schriftsteller. Er empfindet sich als begnadetes Genie: "Aber wie er schreibt, bleibt immer gleich und ist unverwechselbar: alle seine Töne sind unecht. (...) Er kann das Leben nicht fassen, weil er verwöhnt und der süßen Gewohnheit des Daseins hingegeben ist."46
Murr verwendet ständig Zitate und noch häufiger macht er sich des Plagiats schuldig, d.h. der "widerrechtliche(n) Übernahme und Verbreitung von fremden geistigen Eigentum (...), [zum Bei- spiel] Passagen aus fremden Arbeiten ohne Zitatkennzeichnung und Quellenangabe"47, worauf der Herausgeber auch aufmerksam macht. Murr zitiert oft Shakespeare (zum Beispiel auf S.335, S.421, S.452 und S.528), aber auch Schlemihl (S.585), Jean Paul (S.452f.), Fichte (S.335), Kant (S.400), Leibniz (S.527), Goethe (S.165, S.163) und sogar Kreisler (S.640), was nach dem Auf- bau des Romans unlogisch ist, da Murr den Kapellmeister zu dem Zeitpunkt an dem er schreibt, eigentlich noch gar nicht kennt.
Diese Zitate werden von Murr auf die Katzennatur zugeschnitten, banalisiert und damit parodiert. Er verwandelt zum Beispiel "Schwachheit, dein Name ist Weib !" in "O Appetit, dein Name ist Katz!" (S.335), oder er sieht die Verkäuferin, der er eine Wurst gestohlen hat, als "das rachedürstende Wurstprinzip" (S.398). Hohe Inhalte vertragen eben die Verbindung mit banalen Dingen, wie Milchbrei, Heringsfische und Hühnerknochen nicht, sie werden dadurch nur lächerlich gemacht. Murr kommt allerdings mit dieser Art von Anwendung von Literatur und Philosophie in seinem Leben gut zurecht. Murr bemüht sich stets um "Autoritäten, Quellen, Standpunkte, die im Augenblick für die jeweilige Lebenslage am nützlichsten scheinen. Ändert sich die Lebenslage, werden Autoritäten widerlegt, Quellen verschüttet, Standpunkte verlassen - ebensoschnell, wie sie eben noch herbeigerufen worden waren."48
Überhaupt hat Murr keine Probleme mit seinem Selbstverständnis, anders als Johannes Kreisler. Im Gegenteil, "Murr anerkennt nämlich die gegebene Wirklichkeit so sehr, daß er gar nicht bemerkt, daß eine 'Duplizität der Erkenntnis' überhaupt möglich ist. (...) Ebenso wird (...) der Künstler (...) Murr in seinem Streben nach einem 'höheren Sein' als lächerlich entlarvt, weil der Inhalt dieser Selbstvorstellung an der gegebenen Wirklichkeit orientiert ist. In Murr ist damit der Künstler und Wissenschaftler dargestellt, der die Vorstellungen und Begriffe des wirklichen Künstlers trivialisiert"49
Murr ist arrogant und eingebildet, gibt nur die Weisheiten anderer wieder (und das nicht einmal korrekt) und hält sich dabei für einen begnadeten Schriftsteller, trotzdem ist er dem Leser sympathisch. Denn "obwohl er sich unter die Schriftsteller gemischt hat, ist er Natur. Das macht ihn liebenswert. Alles schwülstige Reden verdeckt nicht seine Triebe."50
Murr ist es nicht möglich, sich weiter zu entwickeln, er bleibt stets er selbst und dieses Selbst wird durch die ganze Autobiographie hindurch von allen Seiten beleuchtet und immer wieder bestätigt. Die einzelnen Begebenheiten seines Lebens sind beliebig austauschbar, da das Ziel doch immer dasselbe ist; da keine Entwicklung stattfindet, verliert auch die Zeitabfolge ihren Sinn.
Johannes Kreisler dagegen findet keinen Sinn und damit auch kein Ziel in seinem Leben, dadurch empfindet er die Ereignisse, die ihm zustoßen, als rein zufällig. Also gibt es auch bei ihm keine zwingende Reihung von Situationen, auch bei ihm ist die Zeitabfolge nicht festgelegt. Das wird durch die fragmentarische Form seiner Biographie noch verdeutlicht.
"Der zufällige technische 'Fehler' wird zum Ursprung des Genies, durch die 'Dummheit' eines Tieres tritt ein geniales Werk [die Biographie Kreislers] hervor (...) Ein nach Maßgabe des Logos aufgebautes Buch ist ein Allerweltsbuch, Genialität hingegen entspringt der 'Einfalt'. Tatsächlich ist das Tier dann der Dumme und spielt (...) Genie."51
Und doch sind einige Verbindungen zwischen dem 'genialen Werk' und dem 'Allerweltsbuch' vorhanden. Die deutlichste Verbindung ist Meister Abraham, der in beiden Teilen handelt. Er ist der Besitzer des Katers und der Freund Kreislers.
Außerdem werden verschiedene Handlungen von zwei Seiten beleuchtet und Ereignisse des einen Teils werden im anderen ergänzt. Murr beschreibt zum Beispiel, wie er von Abraham errettet wird (S.304f.) und Abraham beschreibt Kreisler, wie er den Kater gefunden hat (S.316f.). Kreisler nimmt am Anfang des Romans Murr in Pflege (S.317) und mit genau dieser Aussicht endet Murrs Biographie (S.646).
Im Murr-Teil wird Abrahams selbst (S.306), seine häusliche Umgebung und seine Gewohnheiten beschrieben (S.321f.) und Lothario eingeführt (S.360ff.), im Kreisler-Teil wird dieses Wissen vorausgesetzt. Des weiteren wird Kreislers Name im Murr-Teil dreimal erwähnt (S.364, S.640, S.646) und auch Fürst Irenäus und die Rätin Benzon, allerdings ohne ihre Namen zu nennen, be- schrieben (S.307).
Die Ereignisse, die Kreisler erlebt, spiegeln sich in der Erzählung des Kater, meist karikiert, wider: Der Konflikt Kreislers mit den am Hofe geltenden Etiketten ähnelt dem Problem, das Murr im literarischen Salon hat, natürlich sind die Reaktionen der beiden völlig verschieden. Murr paßt sich an und schläft schließlich ein, Kreisler findet keine Lösung und bleibt weiterhin außerhalb der Gesellschaft.
Man kann auch den Prinzen Hektor aus Neapel mit dem bunten Kater vergleichen. Beide sind die Rivalen der Protagonisten, Hektor versucht Kreisler zu ermorden, Kreisler überlebt, aber er muß fliehen, Murr muß, um seine Ehre zu verteidigen ein Duell mit dem bunten Kater ausfechten, aber er gewinnt und wird gefeiert.
Während Murr sein Leben meistert, muß Kreisler immer wieder scheitern.
5. Die Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler
Die Kreisler-Biographie beginnt mit ihrem Ende. Im ersten Fragment berichtet Meister Abraham von einem Fest am Hofe zum Namenstag der Fürstin, zu dem er Kreisler im letzten, im siebzehnten Fragment erst eingeladen hat. Die Kreisler-Handlung ist somit zyklisch dargestellt. Am Ende des ersten Fragments erhält Kreisler den Kater Murr in Pflege, was Murr erst am Ende seiner Autobiographie beschreibt. Ein Paradoxon, denn "wenn (...) der Kater die 'Blätter' als Schreibunterlage benützt, wie im Vorwort ge- sagt wird, so muß die Kreisler-Biographie in dem Augenblick, in dem der Kater zu schreiben beginnt, bereits abgeschlossen sein. Murr zeichnet aber sein Leben auf, bevor er zu Kreisler kommt, die Kreisler-Biographie müßte also zu einem Zeitpunkt, der in der Biographie selbst erwähnt wird, bereits abgeschlossen sein."52
Auch manche anderen Zeitangaben stehen zueinander im Widerspruch53, genaue Zeitangaben an sich und auch Ortsangaben werden im ganzen Roman vermieden, beides bleibt offen. Dies fällt allerdings erst bei einer genauen Prüfung des Romangeschehens auf und man hat das Gefühl, daß sich der Autor dabei über den Leser amüsiert oder daß er einfach keinen großen Wert auf die logischen Zusammenhänge des Geschehens, jedenfalls in Bezug auf die Zeit, gelegt hat.
Genauso schwierig fällt es auch, die Erzählperspektive im Kreisler-Teil zu bestimmen: Ein auk- torialer Erzähler, der Biograph, ist anwesend, doch tritt dieser weit zurück, damit wird das "Orientierungszentrum des Lesers in das Jetzt und Hier der Romangestalten verlagert"54. Große Teile der Fragmente werden szenisch dargestellt, laut Rosen besteht die Kreisler-Biographie fast zu 75 Prozent aus Dialogen. Bereits das erste Fragment beginnt mit einem Dialog und erst nach einiger Zeit erkennt man, daß dieser Dialog innerhalb eines Gesprächs zwischen Abraham und Kreisler berichtet wird. Dieses Gespräch wird wiederum, diesmal vom Biographen dem Leser berichtet, der Biograph tritt allerdings nur indirekt in Erscheinung. Er beschreibt die Reaktionen von Kreisler und Abraham, er stellt dieses Gespräch szenisch dar, um das Gesprochene zu verdeutlichen.
Die Möglichkeit eines auktorialen Erzählers, Zusammenfassungen, Vorausdeutungen oder Über- leitungen anzubringen werden nur sehr selten wahrgenommen, größere Einschübe gibt es nur fünf Mal (S.336, S.390f., S.409, S.476 und S.509f.)55. Zeitraffungen, die die Zeit zwischen den einzelnen Teilen beschreiben würde, gibt es nicht. Dies ist wegen der fragmentarischen Gestaltung des Romans durchaus legitim, aber es hilft dem Leser auch nicht, das Romangeschehen besser zu verstehen. Durch die zahlreichen Dialoge, die häufig szenische Darstellung und die abrupten Szenenwechsel erscheint die Biographie fast wie ein Drama, die Erzählperspektive eher personal. Dadurch ist es auch möglich, das Bewußtsein der einzelnen Personen des Romans zu offenbaren: durch ihre Aussagen charakterisieren sie sich selbst.
Nachdem der Leser im ersten Fragment mitten in die Geschehnisse hinein geführt wurde (S.307- 319), wird im zweiten (S.325-331) eine Art historische Einleitung gegeben. Im Schloß des Land- städtchens Sieghartsweiler lebt Fürst Irenäus mit seinem Hofstaat. "Man überhob ihn der Mühe des Regierens" (S.325), doch er erhielt sich den Traum des Herrschens, indem er einfach so tat, als ob nichts geschehen wäre. Im folgenden wird sein Hof vorgestellt: die Rätin Benzon, "die die Faden des Puppenspiels an diesem Miniaturhofe" (S.327f.) zieht, ihre Tochter Julia, die
zusammen mit der Prinzessin Hedwiga aufgewachsen ist. Deren zurückgebliebener Bruder Prinz Ignaz und Meister Abraham, als Maître de Plaisir. Er befriedigt des Fürsten Hang "zum Abenteuerlichen, Seltsamen, Geheimnisvollen" (S.328) Auch bei des Fürsten Vater war Abraham bereits bei Hofe, den er aber mit dessen Tod verließ und erst wieder erschien, als die 'chimärische Hofhaltung' eingerichtet war.
Das dritte Fragment (S.336-345) spielt wieder in der Gegenwart. Es schildert das erste Treffen zwischen Kreisler, Hedwiga und Julia im Park des Fürsten. Hedwiga wird durch Kreisler verstört und hält ihn für wahnsinnig, Julia reagiert neugierig und unbefangen auf ihn, es ist etwas in ihm, das ihr Innerstes anregt. Kreisler ist ebenfalls bezaubert von Julia, die auf seiner Gitarre spielt, gegenüber der Prinzessin ist er voll Hohn und Ironie.
Für dieses Betragen tadelt im vierten Fragment (S.351-360) die Rätin Benzon Kreisler, die Prin- zessin sei reizbar und verwundbar und dürfe sich nicht so erregen. Dieses Gespräch beleuchtet die Charaktere von Julia, Hedwiga, Kreislers und der Benzon näher und man erfährt, woher sich Kreisler und Abraham kennen: Abraham war Kreislers Lehrer und Erzieher. Das folgende Fragment (S.367-383) ist zeitlich und räumlich schwer fixierbar und nur in diesem Fragment treten Kreisler und Abraham zusammen mit einem Dritten, dem Geheimen Rat, auf. Wieder wird eine Unterhaltung beschrieben und darin erfährt man etwas über Kreislers Kindheit, obwohl Kreisler keine verbindlichen Aussagen über sich selbst machen will. Bei seinem Bericht über seine Geburt flüchtet er sich ins Groteske, weder sein Geburtsjahr noch Informationen über seine Eltern will er preisgeben, aber er berichtet vom Tod seiner Tante Füßchen und dem Unterricht bei Meister Abraham, diese vertraten bei ihm wohl Vater- und Mutterstelle. An dieses Gespräch schließt sich der Biograph im sechsten Fragment (S.390-397) an und erzählt von Göniönesmühl, wo Kreisler geboren und aufgewachsen ist. Er berichtet auch Näheres über die Zeit, die Johannes mit Meister Abraham verbrachte, bis Abraham Göniönesmühl verließ und auch Kreisler auszog. Er wurde Legationsrat in der Residenz, bis er mit dem dortigen Herrscher nicht mehr aus kam und auf Grund der Empfehlung einer Witwe, nämlich der Rätin Benzon, zu einem Großherzog ging, um dort die Stellung eines Kapellmeisters anzunehmen.
Im siebten Fragment (S.406-417) werden zwei verschiedene Ereignisse erzählt. Zum einen wird Kreisler mit Abrahams Fürsprache bei Fürst Irenäus am Hof aufgenommen, zum anderen wird eine Abendgesellschaft beschrieben, in der Kreisler zusammen mit Julia ein Duett singt, von dem alle begeistert sind. Nur Hedwiga kritisiert Kreisler wegen der Wahl des vorgeführten Musikstückes scharf. Kreisler reagiert auf diese Kritik mit Sarkasmus und wendet sich der von Hedwiga geforderten 'leichteren' Musik zu.
Das achte Fragment (S.426-448) ist das längste des Kreisler-Teils und der Höhepunkt der Ge- genwartshandlung. Hedwiga erzählt Kreisler, warum er sie so beunruhigt: er erinnere sie an den wahnsinnigen Maler Leonhard Ettlinger, der ihre Mutter liebte und Hedwiga töten wollte. Kreisler, der diesem Maler sehr ähnlich sehen soll, identifiziert sich sofort mit ihm, damit wird das Motiv des Doppelgänger eingeführt. Zugleich differenziert sich Kreisler auch von diesem Wahnsinnigen. Ettlinger liebe nämlich nicht mit den Gefühlen eines Künstlers, sondern wie ein 'normaler' Mensch, nicht nur mit dem Geist, sondern auch mit dem Leib. Ein Künstler wie Kreisler dagegen trägt "die erkorne Dame im Herzen, und [will] nichts als ihr zu Ehren singen, dichten, malen, und [ist] in der vorzüglichsten Courtoisie den galanten Rittern zu vergleichen, ja was unschuldsvolle Gesinnung betrifft, ihnen vorzuziehen" (S.432). Ihr Gespräch wird unterbrochen, Ignaz, der Julia und Prinz Hektor, der Hedwiga heiraten soll, werden in die Handlung eingeführt: Ignaz als geistig Behinderter und Hektor als arroganter Adliger. Er und Kreisler sind sich von ihrer ersten Begegnung an unsympathisch.
Kreisler kann sich, obwohl er sich Hedwiga gegenüber so sicher war, nicht von den Gedanken an Ettlinger befreien. Als er durch des fürstlichen Park spaziert, sieht er ihn in seinem Spiegelbild im See und nochmals, als er auf das Fischerhäuschen Abrahams zuläuft. Dieses zweite Bild eines Doppelgänger wurde von Abraham erschaffen, der klärt Kreisler darüber auf und beruhigt ihn. Nun beginnt Abraham Kreisler die Geschichte von Chiara zu erzählen, die er von ihrem Vater Severino gerettet hat. Der hielt sie in einem Kasten gefangen, damit sie, durch Schmerzen in eine Trance verfallen, Orakel weissagt. Als Severino starb, sorgte Abraham für Chiara und wollte sie auch heirateten, doch eines Tages verschwand sie spurlos. Damit bricht dieses Fragment ab.
Im neunten Fragment (S.457-468) berichtet der Biograph über Prinz Hektor und über seine erste Begegnung mit Hedwiga und Julia. Beide fühlen sich vom Prinzen angezogen und gleichzeitig bedroht, Julia träumt sogar, wie der Prinz sie tötet, erst der Anblick Kreislers kann sie beruhigen. Doch auch Kreisler ist von der Anwesenheit Hektors beunruhigt, er unterhält sich über die An- züglichkeiten, die sich der Prinz bei den beiden Mädchen herausnimmt mit Meister Abraham im zehnten Fragment (S.474-480). Und Abraham hat einen Plan des Prinzen belauscht, Julia zu ver- führen, also gibt er Kreisler eine Waffe gegen ihn, die jedoch nicht näher erläutert wird. Auch der Biograph fügt ein, daß er darüber nichts wisse. Währenddessen versucht der Prinz Julia am See zu verführen, doch Kreisler stößt zu ihnen und nimmt Julia mit sich. Er vertreibt den Prinzen Hektor aus Sieghartsweiler, indem er ihm ein Bild zeigt, das sich als die Waffe erweist, die er von Abraham erhalten hat.
Laut Rosen56endet hiermit die erste Großphase der Kreisler-Biographie, in der sich Kreisler am Fürstenhof in Sieghartsweiler befindet. Die erzählte Zeit dieser ersten Phase erstreckt sich über acht Tage, wobei die Zeit, die zwischen den Fragmenten liegt, nicht bestimmt werden kann, aber die Ereignisse finden wahrscheinlich alle innerhalb eines Sommers statt. In der zweiten Großphase, die mit dem elften Fragment (S.488-502) beginnt, entwickelt sich die Handlung erst langsam, doch auch darin nimmt die erzählte Zeit acht Tage in Anspruch, die gesamte Handlung führt über einige Wochen, höchstens jedoch über ein paar Monate.
Betrachet man das erste Fragment, das in Bezug auf die Gegenwartshandlung in der Zukunft spielt, und das zweite und sechste Fragment, die Blicke in die Vergangenheit werfen, nicht, so sind die beiden Großphasen in Fragmentzahl und Zeitgerüst symmetrisch. Aber die Orte, an denen das Geschehen der zwei Phasen spielt, sind verschieden.
In der ersten Phase befindet sich Kreisler am Hof. Zu diesem Hof gehören verschiedene Orte, die sich alle nicht genau lokalisieren lassen, aber die immer wieder im Roman auftauchen. Der Hof selbst, ein Lustschloß mit einem Pavillon inmitten eines schönen Parks. Am Ende dieses Parks liegt ein See, in dem sich der ferne Geierstein spiegelt. Über diesen See führt eine Brücke, und in der Nähe steht das Fischerhäuschen von Abraham.
In der zweiten Phase wird Kreisler von diesem Hof vertrieben und begibt sich zum Kloster Kanzheim, das nicht weit vom Schloß entfernt sein kann, aber geographisch genauso unbestimmbar ist. Auch beim Kloster, in der Mitte eines weitläufigen Gartens, liegt ein See, in dem Kreisler wieder seinen 'Doppelgänger' erblickt. Dieses Kloster ist der Schauplatz der zweiten Großphase, dort befindet sich Kreisler. Allerdings beschreiben drei der Fragmente die Ereignisse am Hof, die parallel zu der Kreisler-Handlung stattfinden.
So auch das elfte Fragment: Hedwiga ist in eine Starre verfallen, als sie einen Schuß im Wald gehört hat. Das erfährt man in einer Unterhaltung der Rätin Benzon mit Meister Abraham. Außerdem ist Johannes Kreisler verschwunden, nur sein blutiger Hut wurde aufgefunden. Benzon bezichtigt Kreisler schuldig an Hedwigas Krankheit zu sein, denn "schonungslos spannte er die zarten Saiten im innern Gemüt der Kranken, bis sie zersprangen.'" (S.498). Abraham verteidigt seinen Freund:
"'was habt ihr alle gegen diesen Johannes, was hat er euch Böses getan, daß ihr ihm keine Freistatt, kein Plätzchen gönnt auf dieser Erde ? (...) Seht, der Kreisler, trägt nicht eure Farben, er versteht nicht eure Redensarten, der Stuhl den ihr ihm hinstellt damit er Platz nehme unter euch, ist ihm zu klein, zu enge; ihr könnt ihn gar nicht für euresgleichen achten, und das ärgert euch. (...) Ihr möget Kreisler nicht, weil euch das Gefühl des Übergewichts, das ihr ihm einzuräumen gezwungen, unbehaglich ist, weil ihr ihn, der Verkehr treibt mit höheren Dingen als die gerade in euern engen Kreis passen, fürchtet.'" (S.499)
Abraham und Kreisler haben die kalte Welt des Hofes durchschaut und können sich nicht mehr darin einfügen. Abraham vermißt Chiara, Kreisler hat Sieghartsweiler verlassen. Daß er sich im Kloster Kanzheim befindet, erfährt man erst durch einen Brief im zwölften Fragment (S.509- 525), den Kreisler an Abraham schickt und dessen Inhalt dem Leser durch den Biographen mitgeteilt wird. Kreisler berichtet, daß auf ihn ein Anschlag verübt wurde. Prinz Hektor wollte ihn erschießen, Kreisler kam ihm jedoch zuvor und erstach ihn mit seinem Degen und floh in die Benediktinerabtei zu Kanzheim. Dort traf er den Pater und Präfektus Chori Hilarius, der ihn im Kloster aufnahm. Der Abt Chrysostomus bestimmte ihn zum Komponisten ihrer Kirche. Damit hat Kreisler einen Ort gefunden, an dem er sich ganz der Musik zuwenden kann.
Im folgenden Fragment (S.533-547) wird das Kloster und Kreislers musikalisches Wirken dort beschrieben. Der Abt möchte, daß Kreisler ganz in den Orden eintritt und der Welt entsagt, er warnt ihn vor den Gefahren der Welt und führt als Beispiel den Maler Ettlinger an. Dadurch wird es Kreisler bewußt, daß der Abt mit der Rätin, die ihn vom Hofe fernhalten will, in Verbindung steht, was sich später auch bestätigt (S.567). Kreisler lehnt das Angebot des Abtes ab und erfährt, daß er im Wald nicht den Prinzen, sondern dessen Adjudanten erstochen hat.
Das vierzehnte Fragment (S.555-574) spielt wieder bei Hofe, Julia und Hedwiga unterhalten sich über Kreisler, Hedwiga hat erfahren, daß Kreisler in das Kloster eintreten wird und sie erzählt Julia davon, um sie zu verletzten. Hedwiga ist eifersüchtig und weiß, daß sich Kreisler und Julia lieben. Julia wird aber später (S.635) von Abraham durch den Brief Kreislers wieder beruhigt. Doch sie hat noch eine andere Sorge: auch von Prinz Hektor wird sie begehrt, am Ende des Fragments kehrt Hektor wieder an den Hof zurück und stellt ihr nach, sie wird diesmal nur durch das Eintreffen ihrer Mutter gerettet.
Die Rätin Benzon befand sich offenbar einst in einer ähnlichen Situation, denn in einem Gespräch zwischen dem Fürst Irenäus und ihr erfährt man, daß die beiden ein gemeinsames Kind -Angela -. haben, die jedoch verschwunden ist. Außerdem ist der Fürst auch für das Verschwinden von Chiara, von Abrahams Frau, verantwortlich. Darüber ist Abraham auch informiert, doch er hat bisher anscheinend nicht darauf reagiert.
Die Biographie setzt mit dem fünfzehnten Fragment (S.586-596) erneut im Kloster Kanzheim ein. Der Abt zeigt Kreisler ein Gemälde auf dem ein Mörder dargestellt ist und sein Opfer, das durch die Jungfrau Maria wieder vom Tode erweckt wird. Kreisler erkennt die Züge des Mörders, es ist Prinz Hektor. Der Wiedererweckte ist der Mönch Cyprianus, der kurz darauf ins Kloster kommt.
Das sechzehnte Fragment (S.619-638) beginnt mitten in einer Reflexion Meister Abrahams. Darin spiegelt sich alles: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Abraham blickt auf seine Ver- gangenheit, stellt in der Gegenwart den Apparat auf, der für das Orakel von Chiara benötigt wurde, und hört dann tatsächlich das Orakel, das in die Zukunft weist. Abrupt unterbricht der Herausgeber diesen Monolog, er berichtet kurz dem Leser, daß hier einige Seiten der Biographie fehlen. Im nun folgenden wird eine Begegnung zwischen Prinz Hektor, Hedwiga, Julia und Abraham beschrieben. Der Prinz erkennt Abraham als einen Mann namens Severino, der offenbar über den Mord, den der Prinz begangen hat, informiert ist, bzw. sogar darin verwickelt war.
Im letzten Fragment (S.646-662) werden einige Geheimnisse aufgeklärt, aber auch neue Konflikte geschaffen. Man erfährt, daß der Mönch Cyprianus der ältere Bruder von Prinz Hektor ist und mit Angela, der Tochter von Benzon und dem Fürsten, verheiratet war. Diese hat er, wegen der Vermutung, daß sie ein Verhältnis mit Prinz Hektor habe, vergiftet. Daraufhin brachte ihn Prinz Hektor um. Damit wird geklärt, wie die Waffe, die Kreisler von Meister Abraham erhalten hat, gegen Hektor und gegen den 'Heiligen' Cyprianus wirkt: es ist ein Bildnis von Cyprianus, als er noch Prinz Antonius war und auf der Rückseite des Gemäldes, in einer Geheimkammer, ist ein Bild von Angela, mit Blättern, die den Doppelmord beweisen.
Doch es kommen neue Probleme auf Kreisler zu, er erfährt davon durch einem Brief von Abraham, der am Ende des Fragments steht. Darin beschwört ihn Abraham zurückzukommen, denn die Rätin Benzon wurde zur Reichsgräfin von Eschenau erhoben und Julia wurde mit dem blödsinnigen Prinz Ignaz verlobt. Bald soll die Doppelhochzeit von ihnen und von Hedwiga und Hektor gefeiert werden. Kreisler soll sich unbedingt zum Namenstag der Fürstin am Hofe einfinden. Damit schließt das letzte Fragment und weist zurück auf das erste, in dem Abraham Kreisler von diesem Fest berichtet. Damit ist der Kreis geschlossen.
6. Johannes Kreisler und die einzelnen Personen in seiner Biographie - Ihre Beziehung zueinander
Als wichtigste Person neben Kreisler erscheint Meister Abraham, denn er steht mit allen Personen der Lebens-Ansichten in Kontakt, mit Kreisler, mit den Personen am Hofe und mit Chiara, Angela, den beiden Prinzen und mit den Mönchen im Kloster Kanzheim. Er kennt die Vergangenheit aller auftretenden Personen und hat damit auch Macht über sie. Außerdem ist er der Besitzer von Kater Murr und verbindet damit die beiden Teile des Romans. Er wohnt in dem Fischerhäuschen, hat aber vermutlich noch eine Dachwohnung in der Stadt, in der sich Murr aufhält. Er hat eine bewegte Vergangenheit, er war bereits am Hofe des Vaters von Fürst Irenäus, er war in Göniönesmühl als Orgelbauer Liscov und Erzieher Kreislers, er zog als Mechaniker und Taschenspieler durchs Land, er fand Severino und Chiara. Als er sich in Göniönesmühl mit Chiara zur Ruhe setzten will, verschwindet sie spurlos und er beginnt sie, ohne Erfolg, zu suchen, auch in Neapel, wo er Bekanntschaft mit den beiden Prinzen Hektor und Antonius macht, und vom Schicksal Angelas erfährt. Er begibt sich wieder an den Hof des Fürsten und wird dort der Maître de Plaisir. Er richtet das Namensfest der Fürstin Maria ein, das zu Katastrophe für den Hof wird, Abraham und Kreisler aber überaus belustigt. Am Ende dieses Festes findet Abraham den Kater Murr.
Gleich im ersten Fragment beschwert sich Fürst Irenäus bei Meister Abraham über dieses Fest, das "sich auflöste in wilder Verwirrung" (S.309). Fürst Irenäus legt großen Wert auf Etikette, so kann er es auch nicht ertragen, ein Privatmann zu werden und nicht mehr zu regieren. Da er die finanziellen Möglichkeiten hat, erhält er sich die Illusion seiner Fürstenschaft. Er entwirft sic h seine eigene Wirklichkeit. Er und sein Sohn Prinz Ignaz 'der Ungeborene' versinnbildlichen die "nichtig muntere Mechanik des Hofbetriebs"57, die sinnlos geworden ist und nur wegen der Tradition und dem Willen des Fürsten aufrecht erhalten bleibt. Ignaz ist "hoch in den zwanzig" Jahren (S.433), doch auf dem geistigen Stand eines Fünfjährigen. Am liebsten spielt er mit seinen Tassen oder exekutiert harmlose Spatzen. Ihn soll Julia, die Tochter der Rätin Benzon, heiraten. Die Rätin selbst ist die Geliebte und Ratgeberin des Fürsten. Durch diese Heirat versucht sie eine höhere Stellung bei Hofe zu erhalten und sich mehr Macht zu verschaffen. Daß Julia in Kreisler verliebt ist, ist dabei von keiner Bedeutung, im Gegenteil, die Benzon versucht zu erreichen, daß Kreisler in das Kloster eintritt und Julia dadurch frei wird für Ignaz.
Doch zwischen Julia und Kreisler besteht das Gefühl einer verklärten und unerfüllbaren, aber trotzdem sehr innigen Liebe. Julia ist die Kraft, die ihn besänftigen kann, ebenso wie die Musik. Von ihrer Musik fühlt sich Kreisler im dritten Fragment auch magisch angezogen, seine Gitarre erhält er von ihr geheiligt zurück. Kreisler versucht, sie vor allen Gefahren zu schützen, vor allem vor den Annäherungen des Prinzen Hektor.
Prinz Hektor und Kreisler empfinden von Anfang an eine Abneigung gegeneinander. Auch E.T.A. Hoffmann mag den Prinzen anscheinend nicht. Erst zitiert Hoffmann Goethes Mignonlied, wobei sowohl das Lied, als auch der Prinz selbst banalisiert werden. Nur weil ihn "ein Zithermädel anplärrte: 'Kennst du das Land, wo die Zitronen glühn'", ging der Prinz nach Neapel und wechselte damit von der französischen in die neapolitanische Armee. Des weiteren vergleicht ihn Hoffmann mit dem ehrenvollen Tamino aus Mozarts 'Zauberflöte' (S.457f.)58. Bei diesem Vergleich schneidet der Prinz natürlich schlecht ab. Denn er ist eine finstere Gestalt, er ist der Mörder seines Bruders und versucht auch Kreisler aus dem Hinterhalt zu töten. Er flirtet mit Julia vor den Augen seiner Braut Hedwiga, zu der er sich ebenfalls körperlich hingezogen fühlt. Von seiner Leidenschaft fühlen sich beide Mädchen angezogen und bedroht.
Hedwiga ist jedoch unsicherer als Julia und kann den Ereignissen, die in ihrer Umgebung stattfin- den, nichts entgegensetzen. Sie bekommt Zustände, schwebt zwischen Hysterie und Depression.
Sie fühlt dieselbe Spannung wie Kreisler und schon ihr Name bedeutet Kampf, Streit. Die Prinzessin kann sich nicht wie Kreisler bei der Musik oder im Kloster entspannen. Nur bei Julia findet sie Ruhe, aber auch diese Möglichkeit wird durch ihre Eifersucht auf Julia, wegen Kreisler und wegen des Prinzen, zerstört. Ihr unruhiges Gemüt liegt wohl in ihrer Kindheit begründet, in der Begegnung mit dem Maler Ettlinger. Dieser wollte die vierjährige Hedwiga in einem Anfall von Wahnsinn töten, nur knapp wurde sie gerettet.
In der Umgebung des Klosters trifft Kreisler maßgeblich drei Personen: Hilarius, Chrysostomus und Cyprianus.
Hilarius stellt die typische Karikatur eines Mönches dar. Er ist wohlgenährt, spricht gerne dem Bier und dem feinen Essen zu und sieht den Frauen nach. Trotzdem ist er eine Seele von Mensch, gutmütig, großzügig und heiter, er kennt Kreisler schon vom Hofe des Großherzogs und bietet ihm sofort Asyl im Kloster an.
Der Abt des Klosters, Chrysostomus, arbeitet zwar mit der Rätin Benzon zusammen, doch er würde trotzdem nichts tun, was er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könnte. Als er versucht, Kreisler zum Bleiben zu überreden, entspringt dies sicher auch seiner eigenen Überzeugung. Er steht auf Kreislers Seite und hilft ihm. Er zeigt ihm das Gemälde, auf dem Kreisler Prinz Hektor als Mörder erkennt und er berichtet ihm, welche Geschichte dieses Bild beschreibt und was es für Cyprianus bedeutet.
Cyprianus ist nämlich nicht der, für den er sich ausgibt, Cyprianus ist ein Mörder, der sich für ei- nen Heiligen hält. Er wurde zwar nach dem Mord an seiner Frau von der Jungfrau Maria vom Tode erweckt, aber er ist ein Lügner und Heuchler geblieben. Er erhebt sich über die Menschen, er ist voll "albernen Hochmut" und will die Musik, den "weltlichen Klingklang" (S.653), in der Kirche verbieten und Kreisler aus dem Kloster vertreiben. Doch auch gegen ihn, wie zuvor schon gegen seinen Bruder Hektor wirkt Abrahams Waffe, das Bildnis Antonius alias Cyprianus und von Angela. Dies ernüchtert ihn schlagartig und spielt ihn in die Hände Kreislers.
Kreisler steht in der Mitte der verschiedenen Personen. Über Abraham erfährt er von Chiara, über Hedwiga von dem Maler Ettlinger. Wegen Julia muß er sich mit dem Prinzen Hektor auseinandersetzen und die Rätin Benzon stellt das Bindeglied zu Fürst Irenäus dar. "Jede der Figuren [ist] so angelegt (...), entweder durch Vergleich oder Kontrast ein bestimmte Dimension Kreislers zu erhellen, [trotzdem] werden sie doch auch selbst als scharfumrissene Individuen verlebendigt."59
Johannes Kreisler selbst beschreibt sein Leben durch die Analyse seines Namens:
"Sie können nicht wegkommen von dem Worte Kreis, und der Himmel gebe, daß Sie denn gleich an die wunderbaren Kreise denken mögen, in denen sich unser ganzes Sein bewegt, und aus denen wir nicht herauskommen können, wir mögen es anstellen wie wir wollen. In diesen Kreisen kreiselt sich der Kreisler, und wohl mag es sein, daß er oft, ermüdet von den Sprüngen des St. Veits-Tanzes, zu dem er gezwungen, rechtend mit der dunklen unerforschlichen Macht, die jene Kreise umschrieb, sich (...) hinaussehnt ins Freie." (S.352)
Kreisler findet weder eine gerade Linie in seinem Leben, eine Kontinuität, an der er feststellen könnte, wohin er sich bewegt, noch sieht er einen Sinn in seinem Leben, das von einer fremden Macht gelenkt wird, nur in der Musik findet er Erfüllung. Kreisler ist mit seinem ganzen Sein ein Künstler, sein ganzes Streben zielt auf die Kunst, nur in der erkennt er sich selbst. Das Leben ist endlich, doch in der Kunst findet er eine Ahnung des Unendlichen und auch Trost. Während das Leben fest mit irdischen Dingen verbunden ist, mit Zwängen und Konventionen, ist er in der Kunst frei, die Kunst ist überirdisch. Und doch treibt "die Sehnsucht, auch an etwas teilzunehmen an menschlichem Glück und menschlichem Frieden, (...) den Künstler immer wieder in die Umwelt hinein, und immer wieder zerschellt diese Sehnsucht an der ideefernen
Enge, dem dumpfen Nichtverstehen der Wirklichkeit."60Kreisler stellt sich immer wieder der Gesellschaft und setzt sich mit ihr auseinander, doch bleibt dies stets nur ein Versuch, denn dabei prallen zwei unvereinbare Wirklichkeiten aufeinander.
Niemand aus der alltäglichen Welt kann Kreisler verstehen und auf dieses Nichtverstehen reagiert Kreisler mit Ironie. Obwohl er sich danach sehnt, in diese Gemeinschaft aufgenommen zu werden, ist es ihm unmöglich, sich deren Regeln zu fügen. "Und der tiefe Schmerz dieser Sehnsucht mag nun eben wieder jene Ironie sein." (S.352) Denn "bei aller Zartheit und Verletzbarkeit seiner Natur ist er exzentrisch bis zum Aggressiven."61Kreisler bleibt immer ein Außenstehender. Die Gesellschaft fürchtet ihn, weil sie ihn nicht versteht, ebenso wie sie Meister Abraham fürchtet, weil er zuviel weiß.
Doch wird "Kreislers Ironie (...) unterschieden vom sarkastischen Humor (...) Abrahams, diesem scharfen Sinn, der überall das Mißklingende aufspürt, gepaart mit einer Neigung zu boshafter Spöttelei."62Meister Abraham kennt seine Stellung in der Gesellschaft und kann damit den ganzen Hofstaat lenken. Kreisler hingegen sucht noch nach einem Platz, an dem er hingehört und wo er den Sinn seines Lebens findet, diesen Ort gibt es für ihn jedoch nur in der Kunst, in der Welt kann er ihn nicht behaupten, er fühlt sich innerlich zerrissen. Ironie wird dabei "sowohl als Stilmittel wie als sichtbares Zeichen eines zerrissenen Charakters - den das von Hoffmann immer wieder zitierte topische 'ironische Lachen oder 'ironische Zucken' bezeichnet - "63angewendet. Die Ironie ist Kreislers "einzige Waffe (...) gegen die erdrückende Banalität der Alltagswelt, seine stolze und schmerzliche Selbstbehauptung."64Mit dieser Ironie, die sich vom spielerischen Spott bis hin zum Sarkasmus steigern kann, kann er durch Übertreibung des Themas dessen Inhalt und Bedeutung zurückweisen. Kreislers scheinbare Zustimmung wird zu Kritik, die vor allem die Personen des Hofstaates ganz deutlich zu spüren bekommen. Darüber ist natürlich niemand besonders erfreut, zum Beispiel der Fürst Irenäus oder die Rätin Benzon:
"Dann hat der Mann eine solche besondere Art zu sprechen, zu antworten, das Gespräch fortzuführen, daß man zuweilen ordentlich glaubt, das, was man selbst gesagt, sein nicht eben sonderlich gewesen, man sei gewissermaßen ein Bê - Beim St. Januar, Meister, das ist ganz unausstehlich" (S.408)
"'Und immer werden Sie (...) mit dieser fantastischen Überspanntheit, mit dieser herzzerschneidenden Ironie, nichts anstiften als Unruhe - Verwirrung - völlige Dis- sonanz aller konventionellen Verhältnisse wie sie nun einmal bestehen.'" (S.351)
Nur Abraham kann mit dem Spott Kreislers umgehen, er amüsiert sich sogar darüber und will ihm die schlechten Verse Murrs und auch Lotharios vorwerfen: "Der Spaß ist übrigens nicht übel, und wird vorzüglich dem Kreisler sehr wohl gefallen, der wohl nicht unterlassen dürfte, damit eine Parforcejagd anzustellen, in der Ihr am Ende selbst ein gehetztes Wild sein könntet." (S.364)
Doch Abraham ist Kreisler sehr ähnlich und der einzige, der ihn versteht. Er ist Kreisler einziger Freund.
7. Kater Murr und Johannes Kreisler
Doch nicht nur bei Kreisler, sondern auch beim Kater Murr wird Ironie eingesetzt, dort dient die Ironie zur Versöhnung von unbedingter Idealität und der irdischen Welt mit ihren Trieben und Zwängen, sie wird vom Kater nicht bewußt angewendet. Murr spricht immer genau das aus, was er meint und sieht auch nur die vordergründige Meinung seiner Worte, der Leser erkennt aber eine nicht von Murr (sondern von E.T.A. Hoffmann) beabsichtigte Wirkung, womit meist das Gegenteil der Aussagen Murrs ausgedrückt wird. "In dieser Struktur der zwei Informationsebenen stellt sich die rhetorische Ironie als Grundform der romantischen Ironie dar."65
Murr ist ein selbstzufriedener, optimistische Kater, schon seine Geburt zeichnet er in hellen Far- ben, daß sein Vater ihn fressen und ihn jemand ersäufen wollte, stört dabei nicht wesentlich, son- dern hebt nur noch seine hohe Bestimmung hervor. Er ist überzeugt, auf einen Dachboden gebo- ren zu sein, daher kommt sein Sinn für Höheres, sein Trieb zum Erhabenen. Kreisler dagegen beschreibt seine Geburt in einer grotesken Szenerie, sein Vater schwört, "was Musik betreffe, würde der kleine Hans Hase ein elender Stümper bleiben ewiglich und immerdar" (S.370) und seine Jugend "gleicht einer dürren Heide ohne Blüten und Blumen, Geist und Gemüt erschlaffend im trostlosen Einerlei ! -'" (S.371), er wächst in Göniönesmühl auf, einem Ort, daß ohne seinen Lehrmeister Abraham wie "ein totes düstres Gefängnis" (S.396) auf ihn wirkt. Murr dagegen er- lebt seine Jugend in einer hellen freundlichen Wohnung im Dach, in der er auch die Möglichkeit hat, sich umfassend zu bilden und seinen Wissensdurst ganz zu stillen. Murr zweifelt nicht an seinen Werken, er hat keinerlei Hemmungen, sie zu veröffentlichen, im Gegenteil, er genießt es, die Werke vorzutragen oder über sie zu reden. Von Kreisler heißt es, "daß seine Freunde es nicht dahin hätten bringen können, daß er eine Komposition aufgeschrieben und sei dies wirklich einmal geschehen, so habe er doch das Werk (...) gleich nachher ins Feuer geworfen." (S.537) Auch die Liebe ist für Kreisler schwerer zu bewältigen als für Murr. Er verwehrt sich die körperliche Liebe vollends, sie ist seiner Meinung nach eines Künstlers nicht würdig. Nur der Geist darf davon betroffen sein, nicht aber der Körper. Doch "so erhaben die Künstlerliebe sein mag, so ist sie doch auch besonders brav, verhuscht, ängstlich, berührungsscheu. Sie gehört einer speziellen Art des Philiströsen an, einer, der sich im übrigen (...) Murr nicht schuldig macht. Seine >Instinkte< lassen sich da weniger ablenken."66Murr verliebt sich, schwebt im siebten Himmel, beruhigt sich wieder und wendet sich anderen Dingen zu bis zur nächsten Liebe.
"Was dem Kater ohne weiteres zufällt - der ungehinderte Zugang zu sich selbst - , das ist für Kreisler ein existentielles Problem".67Murr käme es nie in den Sinn zu fragen Wer bin ich? Was ist der Zweck meines Lebens ? Kreisler hat diese Fragen stets im Hintergrund, er kann nicht wie Murr sich den einfachen Freuden des Lebens widmen und diese Fragen dabei außer Acht lassen.
Kreisler ist zu sehr 'Geist', Murr zu sehr 'Leib', deswegen kann keiner der beiden zur vollen Selbsterkenntnis gelangen. Der Gegensatz zwischen Kreisle r und Murr, der Kontrast zwischen den beiden wird durch die Komposition des Romans, in dem sie einander direkt gegenüber gestellt werden, unterstrichen und damit wird "das Ineinander bzw. Gegeneinander von parodiertem Bildungsroman und Künstlerroman (...) Form und Thema des Buches zugleich."68Trotzdem ist auch Murr ein Künstler und ein Außenseiter, zum Beispiel im Vergleich zum Pudel Ponto. Bei Murr und Kreisler werden nur zwei völlig verschiedene Auffassung von Kunst und Leben vorgeführt. Es ist gut möglich, daß sich die beiden mögen und positiv beeinflussen würden. Der Kater würde sich vom Kreisler beeinflussen lassen und sein Leben nicht nur nach seinen Trieben richten. Trotzdem bleibt er natürlich immer Katze und folgt seinem Instinkt. Kreisler würde sich vielleicht etwas von Murrs Gelassenheit und Selbstbewußtsein abschauen und dadurch etwas zur Ruhe kommen.
Schade, daß E.T.A. Hoffmann so früh gestorben ist und die Fortsetzung der Geschichte ungeschrieben bleibt!
LITERATURVERZEICHNIS
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Sämtliche Werke in fünf Einzelbänden.
Nach dem Text der Erstausgaben unter Hinzuziehung der Neuausgaben von Carl Georg von Maassens, Georg Ellingers und Hans von Müllers. Unter der Mitarbeit von Walter MüllerSeidel, Friedrich Schnapp, Wolfgang Kron und Wulf Segebrecht. (Winkler Verlag) München, einmalige Sonderausgabe 1993 (Nach Bd.2 dieser Ausgabe wurde zitiert).
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Von Lessing bis Grabbe. Studien zur deutschen Klassik und Romantik. Düsseldorf 1968. S.248-267.
[...]
1WULF SEGEBRECHT: Autobiographie und Dichtung. Eine Studie zum Werk E.T.A. Hoffmanns. Stuttgart 1967. S.207. Im folgenden zitiert als SEGEBRECHT. Autobiographie.
2GERHARD R. KAISER: E.T.A. Hoffmann. Stuttgart 1988. S. 129. Im folgendem zitiert als KAISER.
3Darüber wurden natürlich auch schon Arbeiten geschrieben, zum Beispiel CHARLES FINDLAY: The opera and operatic elements in the fragmentary biography of Johannes Kreisler. In: German Life and Letters 27(1973/74). S.22-34. - HERMANN FÄHNRICH: Kater Murr. Eine musikalische Variation. In: Musica 18,1(1964). S.10-12. - ERWIN ROTERMUND: Musikalische und dichterische "Arabeske" bei E.T.A. Hoffmann. In: Poetica 2(1968). S.48-69. - KLAUS-DIETER DOBAT : Musik als romantische Illusion. Tübingen 1984. Ausführliche Literaturverzeichnisse zum Thema Musik und E.T.A. Hoffmann bei KAISER, S.111f., S.131f. und S.192f.
Allerdings meint WERNER KEIL dazu, daß "die Beschreibung eines literarischen Werks mit musikalischen Termini und Methaphern (...) fragwürdig (...) ist" und dabei "viel mehr als bloße metaphorische Anleihe(n) in der musikalischen Terminologie (...) bisher nicht herausgekommen" sind.
In WERNER KEIL: Erzähltechnische Kunststücke in E.T.A. Hoffmanns RomanLebens-Ansichten des Katers Murr. In: Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft e.V. Bamberg 31(1985). S.41. Im folgenden zitiert als KEIL.
4Auch dazu verweise ich auf andere Arbeiten, zum Beispiel von G. ELLINGER: E.T.A. Hoffmann. Sein Leben und sein Werk. Hamburg 1894. ERNST HARICH: Das Leben eines Künstlers. Berlin 1923. OTTO KLINKE: E.T.A. Hoffmanns Leben und Werk vom Standpunkt eines Irrenarztes. Halle 1908. RICHARD VON SCHAUKAL: E.T.A. Hoffmann. Sein Werk aus seinem Leben dargestellt. Wien 1923. GABRIELLE WITTKOP-MENARDEAU: E.T.A. Hoffmann. Reinbek 1966. SEGEBRECHT. Autobiographie. RÜDIGER SAFRANSKI: E.T.A. Hoffmann. Eine Biographie. Reinbek 1992. Im folgenden zitiert als SAFRANSKI.
Die beiden letzten Titel wurden auch für diese Arbeit verwendet.
5Der erste Teil der Kreisleriana enthält die Texte: ‘Johannes Kreislers, des Kapellmeisters, musikalische Leiden’, ‘Ombra adorata!’, ‘Gedanken über den hohen Wert der Musik’, ‘Beethovens Instrumental-Musik’, ‘Höchst zerstreute Gedanken’ und ‘Der vollkommene Maschinist’. Der zweite Teil der Kreisleriana besteht aus folgenden Texten: ‘Brief des Barons Wallborn an den Kapellmeister Kreisler’, ‘Brief des Kapellmeisters Kreisler an den Baron Wallborn’, ‘Kreislers musikalisch- poetischer Klub’, ‘Nachricht von einem gebildeten jungen Mann’, ‘Der Musikfeind’, ‘Über einen Ausspruch Sacchinis, und über den sogenannten Effekt in der Musik’ und ‘Johannes Kreislers Lehrbrief’.
6SEGEBRECHT. Autobiographie. S.214.
7Die Entstehungsgeschichte und die anderen Werke Hoffmanns, die auf den Kater Murr Einfluß nehmen, sind in HANS VON MÜLLERS Artikel detailliert angegeben. HANS VON MÜLLER: Die Entstehung des MurrKreisler Werkes unter Berücksichtigung der sonstigen literarischen Produktion Hoffmanns in den Jahren 1818 - 1822. In: Gesammelte Aufsätze über E.T.A. Hoffmann von Hans von Müller. Hg. v. Friedrich Schnapp. Hildesheim 1974. S. 331-380. Im folgendem zitiert als MÜLLER.
8BENNO VON WIESE: Von Lessing bis Grabbe. Studien zur deutschen Klassik und Romantik. Düsseldorf 1968. S. 250. Im folgendem zitiert als WIESE.
9HARTMUT STEINECKE: E.T.A. Hoffmanns ,Kater Murr'. Zur Modernität eines "romantischen" Romans. In: Literaturwissenschaft-Gesellschaftswissenschaft. Interpretationen. 54(1981) zu E.T.A. Hoffmann. Hg. v. Steven Paul Scher. S.144. Im folgenden zitiert als STEINECKE.
Weiterhin wird die Wirkungsgeschichte bei KAISER, S.169-196 ausführlich dargestellt.
10STEINECKE. S.145.
11STEVEN PAUL SCHER. 'Kater Murr' und 'Tristram Shandy'. Erzähltechnische Affinitäten bei Hoffmann und Sterne. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie. 94(1976). Hg. v. Hugo Moser und Benno von Wiese, Sonderheft. S.37.
12STEINECKE. S.146.
13Hierbei richte ich mich nach ROBERT S. ROSEN: E.T.A. Hoffmanns > Kater Murr < Aufbauformen und Erzählsituationen. Bonn 1970. S.14f. Im folgendem zitiert als ROSEN.
Dort ist auch eine Angabe der genauen Seitenzahlen der einzelnen Kapitel zu finden.
Er verwendet die Winkler-Ausgabe des Werkes, die auch dieser Arbeit zu Grunde liegt, womit die Seitenangaben ohne Probleme übertragbar sind.
14BERNHARD HEIMRICH: Fiktion und Fiktionsironie in Theorie und Dichtung der deutschen Romantik. Tübingen 1968. S.112. Im folgendem zitiert als HEIMRICH.
15Eine genaue Analyse der Übergänge zwischen den 34 Teilen ist bei KEIL nachzulesen. S. 43-45.
16Siehe dazu auch S.12 dieser Arbeit.
17siehe dazu auch S.17.
18HEIMRICH. S.113
19siehe auch S. 19 dieser Arbeit.
20ROSEN bezieht sich dabei wahrscheinlich auf WALTER HARICH, der einen möglichen 'Stammbaum' für Kreisler und eine Fortsetzung der Romanhandlung konstruiert hat. WALTER HARICH: E.T.A. Hoffmann. Das Leben eines Künstlers. 2 Bde. Berlin 1920.
21zitiert nach ROSEN. S.98ff.
22ERNST VON SCHENCK: E.T.A. Hoffmann. Ein Kampf um das Bild des Menschen. Berlin 1939. S.535. Im folgenden zitiert als SCHENCK.
23ebda. S.580.
24WOLFGANG PREISENDANZ: Humor als dichterische Einbildungskraft. Studien zu Erzählkunst des poetischen Realismus. München ²1976. S.79.
25WIESE. S.251.
26STEINECKE. S.151.
27Zum Beispiel RÜDIGER SAFRANSKI: E.T.A. Hoffmann. Eine Biographie. Reinbek bei Hamburg 1992 (S.477) und DIETRICH RAFF: Ich-Bewußtsein und Wirklichkeitsauffassung bei E.T.A. Hoffmann. Eine Untersuchung der 'Elixiere des Teufels' und des 'Kater Murr'. Dissertation Tübingen 1971 (S.107). Im folgenden zitiert als RAFF.
28SEGEBRECHT. Autobiographie.
Diese Meinung drückt er auch in einer seiner anderen Arbeiten aus. Nämlich in WULF SEGEBRECHT: Heterogenität und Integration bei E.T.A. Hoffmann. In: Literaturwissenschaft-Gesellschaftswissenschaft. Interpretationen. 54(1981) zu E.T.A. Hoffmann. Hg. v. Steven Paul Scher. S.17. Im folgenden zitiert als SEGEBRECHT. Heterogenität.
29zitiert nach MÜLLER. S.363.
30KAISER. S.87.
31HEINZ LOEVENICH: Einheit und Symbolik des 'Kater Murr' zur Einführung in Hoffmanns Roman. In: Der Deutschunterricht. Stuttgart 16 (1964), Heft 2. S.83. Im folgenden zitiert als LOEVENICH.
32STEFAN DIEBITZ: Versuch über die integrale Einheit der Lebens-Ansichten des Katers Murr. In: Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft e.V. Bamberg 31(1985). S.39
33METZLER. S.55, siehe darin auch S.125 und S.256.
34SARAH KOFMAN: Schreiben wie eine Katze. Zu E.T.A. Hoffmanns 'Lebens-Ansichten des Katers Murr'. Graz, Wien, Böhlau 1985. S.56. Im folgenden zitiert als KOFMAN.
35DOROTHEE GIRNDT -DANNENBERG: Untersuchungen zu Darstellungsabsichten und Darstellungsverfahren in den Werken E.T.A. Hoffmanns. Dissertation Köln 1969. S. 34. Im folgenden zitiert als GIRNDT-DANNENBERG.
36ebda. S.36.
37GÖRGENS: S.97.
38GÖRGENS. S.77.
39KOFMAN. S.51f.
40 NOVALIS: Schriften. Hg. v. Paul Kluckhohn und Richard Samuel. Stuttgart ²1963ff. Bd.2. S.470. 15
41GÖRGENS. S.97.
42GÖRGENS. S.103.
43GÖRGENS. S.105.
44GÖRGENS. S.106.
45GIRNDT-DANNENBERG. S.42.
46LOEVENICH. S.79f.
47METZLER. S.351.
48GÖRGENS. S.82. Eine ausführliche Analyse der Zitate im Kater Murr, auch derer im Kreisler-Teil, findet man bei HERMAN MEYER: Das Zitat in der Erzählkunst. Zur Geschichte und Poetik des europäischen Romans. Stuttgart 1961. S.114-134. Im folgenden zitiert als MEYER.
49RAFF. S. 131f.
50LOEVENICH. S.80.
51KOFMAN. S.69f.
52RAFF. S.111.
53vergleiche dazu ROSEN. S.51ff.
54ROSEN. S.83. Darin auch Ausführliches zur Erzählsituation, S.80-91.
55Eine genaue Auflistung der Erzählereinschübe findet man bei ROSEN, S.63f. Er addiert auch alle Stellen, an denen der Erzähler sich deutlich zu erkennen gibt und erhält dabei etwa fünf Seiten Text.
56ROSEN. S.32f.
57GIRNDT-DANNENBERG. S.58.
58Vergleiche dazu auch MEYER, S.118f.
59SCHER. S.34.
60HERBERT MARCUSE: Der deutsche Künstlerroman. Frühe Aufsätze. In: Schriften Bd.1. Frankfurt 1978. S.129.
61WIESE. S.260.
62KOFMAN. S.85.
63SEGEBRECHT. Autobiographie. S.178.
64MARCUSE. S.132.
65UTE SPÄTH: Gebrochene Identität. Stilistische Untersuchungen zum Parallelismus in E.T.A. Hoffmanns 'Lebens-Ansichten des Katers Murr'. Tübinger Dissertation, Göppingen 1970. S.154.
66SAFRANSKI. S.440.
67SEGEBRECHT. Heterogenität. S.17.
68DIEBITZ. S.31.
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- Nina Hetzler (Author), 1994, Hoffmann, E.T.A. - Die Lebensansichten des Kater Murr - Form und Funktion des Romans, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103258
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