Was bedeutet es, jung und voller Ideale in einer Welt zu sein, die von Konventionen und Erwartungen erdrückt wird? Diese Frage hallt durch die Jahrhunderte und findet in zwei literarischen Werken ihren Widerhall: Johann Wolfgang von Goethes "Die Leiden des jungen Werther" und Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W.". Beide Romane, obwohl in unterschiedlichen Epochen verankert, erkunden auf berührende Weise die Zerrissenheit junger Männer, die an den Fesseln der Gesellschaft und der unerfüllten Liebe zerbrechen. Goethes Werther, ein sensibler Künstler der Stürmer und Dränger Zeit, flieht vor den Zwängen des Adels und findet Trost in der Natur, doch seine leidenschaftliche Natur führt ihn in eine tödliche Obsession. Plenzdorfs Edgar Wibeau, ein DDR-Rebell der modernen Zeit, sucht seinen Platz in einer sozialistischen Gesellschaft, die Individualität unterdrückt, und findet in der Liebe zu Charlie eine ebenso unerreichbare Sehnsucht. Diese vergleichende Analyse enthüllt nicht nur die zeitlosen Themen von Entfremdung, Identitätssuche und der Macht der Gefühle, sondern auch die subtilen Unterschiede in Sprache und Stil, die die jeweiligen Epochen widerspiegeln. Während Werther in gewähltem Hochdeutsch seine inneren Qualen offenbart, spricht Edgar die rotzige Sprache der Jugend, ein Ausdruck des Protests gegen die etablierte Ordnung. Entdecken Sie, wie diese beiden Werke, die auf den ersten Blick so unterschiedlich erscheinen, einen tiefgründigen Dialog über die Conditio humana führen und uns dazu anregen, über unsere eigenen Leiden und Sehnsüchte nachzudenken. Eine fesselnde Lektüre für Liebhaber der deutschen Literatur, des Sturm und Drang und der DDR-Literatur, die die Frage aufwirft: Sind die Leiden der Jugend wirklich zeitlos, oder spiegeln sie lediglich die jeweilige Epoche wider? Tauchen Sie ein in die Welt von Werther und Edgar und finden Sie Ihre eigene Antwort. Eine tiefschürfende Analyse für Germanistik-Studierende, Literaturinteressierte und alle, die sich mit den Fragen der Identität, Liebe und Gesellschaft auseinandersetzen möchten. Ergründen Sie die feinen Unterschiede zwischen Goethes gefühlvoller Sprache und Plenzdorfs modernem Jargon, und entdecken Sie die zeitlosen Botschaften dieser beiden bedeutenden Werke der deutschen Literaturgeschichte. Lassen Sie sich von der Intensität der Gefühle und der Brillanz der literarischen Gestaltung fesseln und erleben Sie, wie die "Leiden" zweier junger Männer zu einem Spiegel unserer eigenen inneren Welt werden.
ANALYSE EINES POETISCHEN TEXTES
Fabian Rupprecht
Thema1: IMMER DIESELBEN LEIDEN?
Als im Jahre 1774 der erste Bestseller der neueren deutschen Literatur namens 'Die Leiden des jungen Werthers' vorerst anonym herauskam, löste es sofort eine 'Werther'- Epedemie aus. Es gab sowohl extreme Gegner als auch begeisterte Fans oder Nachahmer. In den späteren Jahren wurden viele Bücher über die Leiden des Werthers und sein Problem verfasst, welches darin besteht, daß er, ein im Grunde äußerst sensibler, allen Eindrücken offener Mensch, durch seine extreme Veranlagung zu Konfrontationen mit den herrschenden Moralvorstellungen und durch die, für ihn fatalen Personenkonstellationen und Umstände, schließlich sowohl psychisch, als dann am Ende auch physisch verendet. Allerdings kam keine der späteren Versionen oder Interpretationen an das grandiose Werk von Johann Wolfgang Goethe heran, denn dessen Werk ist auch ein sehr typisches für den Sturm und Drang und beinhaltet viele Merkmale dieser Epoche. Goethe lässt zum Beispiel Werther, den Protagonisten dieser Novelle, seine Gefühle durch Briefe ausdrücken. Auch spielt die Natur eine wichtige Rolle. Denn Werther entdeckt und beschreibt die Schönheit der Natur, die für ihn sehr bedeutend wird. Auch der 'plebejische' Zug ist vorhanden. Werther erwähnt immer wieder sein Missfallen am Adel und versucht sich gegen die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen aufzulehnen. Wie schon gesagt gab es viele Nachahmer und einer von ihnen war Ulrich Plenzdorf. Er schrieb eine Neuauflage dieser Novelle mit dem Titel 'Die neuen Leiden des jungen W.'.
Nun gilt es, einen Vergleich zwischen zwei wichtigen, wenn nicht sogar den zentralen Textstellen überhaupt, anzustellen.
1.)'Die Leiden des jungen Werther'
In dem Brief vom 16. Juni aus Goethes Drama 'Die Leiden des jungen Werther' erzählt der Protagonist von seiner Liebe zu einer gewissen Charlotte S.. Dies sieht man unter anderem daran, dass er in diesem Brief von Schwärmereien, wie zum Beispiel '...so viel Verstand, so viel Güte...' (S.20, Z. 25) und '...dir zu sagen, wie sie volkommen ist,...' (S.20, Z. 22/23) gar nicht mehr ablassen kann.
In diesem Brief geht es darum, wie sich Werther mit seiner Tänzerin und ihrer Base zu einem Ball auf dem Land begibt und auf deren Wunsch hin noch Charlotte S. in seiner Kutsche mitnimmt. Als sie dann im Hof der 'Mamsell Lottchen' (S. 22, Z. 16) noch eine Weile warten müssen und der junge Protagonist ein wenig herumläuft, sieht er eine Frau, die an kleine Kinder Brot verteilt und, dass sie es 'mit soviel Freundlichkeit' (S. 22, Z. 27) tut, schlug ihn sofort in seinen Bann. Später, auf dem Ball erfährt er, daß diese Frau Charlotte S. ist, und daß sie mit einem Albert verheiratet ist. Als dann während der Feier ein Gewitter aufzieht, begibt sich Werther mit Charlotte S., die er übrigens in seinem Brief oft nur als 'Lotten' (S. 28, Z. 3) bezeichnet, und einigen anderen Gästen in ein mit Läden und Vorhängen ausgestattetes Zimmer. Dort spielen sie ein Spiel, in welchem die Zuneigung beider füreinander zum Ausdruck kommt. Dann folgt der für Werther tränenreiche Abschied, weil er mit Gewißheit weiß, dass die Lotte vergeben ist.
2.)'Die neuen Leiden des jungen W.' und ein Vergleich
Der inhaltliche Verlauf des Briefes vom 16. Juni von Goethe und der desTextausschnittes aus Plenzdorfs 'Die neuen Leiden des jungen W.' sind fast genau identisch. Bei Plenzdorf ist Werthers Geliebte eine selbstständige Kindergärtnerin, die, wie bei Goethe, beim ersten Zusammentreffen der beiden, von einer Kinderschar umringt ist. Auch in dieser Novelle heisst die Frau Charlotte, allerdings nennt Werther, der hier Edgar heißt, sie, der moderneren Zeit entsprechend, 'Charlie'. Und der Protagonist hört nicht mehr auf, sie anzuhimmeln (Z. 17/18). Wegen eines Wandbildes besucht Charlie ihn später zu Hause und er versucht mit ihr zu flirten (Z. 119 ff). Dies ist die Parallelszene zu dem Spiel auf dem Ball während des Gewitters. Werther bekommt bei diesem Spiel selbst zwei 'Maulschellen' (S. 29, Z. 32), aber es macht ihm nicht viel aus, weil sie ja von 'seiner' Lotten sind. Später, bei Edgar zu Hause, fertigt er einen Schattenriß von ihr an und überlegt, ob er seine Liebe nicht offener zeigen solle. Dies lässt er aber bleiben, weil er sonst vielleicht Schellen von ihr bekommen könnte (Z. 128/129). Genau wie der 'echte' Werther wärend des Spiels. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Textstellen besteht im Schluss. Bei Goethe ist dieser tragisch und tränenreich, aber bei Plenzdorf heißt es im letzten Satz wortwörtlich: 'Und alle waren zufrieden.'.
In dem Text von Goethe handelt es sich anscheinend nur um einen Briefauszug, denn es fehlen Anrede, eine einleitende Passage und der Abschluss. Dies ist in Plenzdorfs` Text fast das genaue Gegenteil. Zuerst schreibt er eine Einleitung, die zum Hauptteil hinführen soll, und dann am Ende auch noch eine Schlusspassage. Allerdings wird der Text um den Werther, durch die stilistischen Schwankungen zwischen begeisterten, jedoch klar ausformulierten Betrachtungen, knappen, nur das Nötigste enthaltenden Berichten (S. 29, Z. 19-31) und unvollständigen, von Ausrufen unterbrochenen, nicht mehr aussprechbares andeutenden Sätzen (S. 30, Z. 13-25) lebendig und, vor allem, in hohem Maße authentisch.
Ein gewaltiger Unteschied tut sich allerdings auch in der Ausdrucksweise der zwei Protagonisten auf: Während sich Werther in, für die damalige Zeit, gewähltem Hochdeutsch ausdrückt, verwendet Edgar mehr die Umgangssprache, wie zum Beispiel: 'Kinder können einen ungeheuer anöden,...'
(Z. 3) oder 'Die Kindertanten...' (Z. 9). Doch dies rechtfertigt sich allein schon durch die im Titel erwähnten 'neuen Leiden' und so trägt diese neumodische Ausdrucksweise stark dazu bei, dass diesem Stück ein moderner Charakter verliehen wird.Ulrich Plenzdorf lässt seinen Helden Edgar seine Geschichte in der ihm eigenen Sprache der Jugendlichen zu der Zeit der Entstehung des Romans erzählen. Dieser Jargon ist ein Gegenentwurf zur Sprache der Erwachsenen. Er ist Ausdruck einerseits für die Ablehnung ihrer Normen, Werte und Verhaltensweisen und andererseits des Bedürfnisses der Jugendlichen nach einer eigenen Sprache, die die eigenen Gefühle und Gedanken am besten vermitteln kann. So distanzieren sich alle Jugendlichen, egal in welcher Zeit von der förmlichen Schriftsprache. Um das zu verdeutlichen lässt Plenzdorf Edgar in direkte Kommunikation mit dem Leser des Romans treten. Das bewirkt, dass der Leser ein fiktives Gespräch mit dem Protagonisten führt. Dies merkt man unter anderem an folgenden Beispielen, nämlich den Einschüben von Interjektionen, wie 'Das war’s doch!' (Z. 139) oder den Zusammenziehungen von Verben: 'krieg`s', 'nahm`s' (Z. 83, 88). Ab und zu neigt er auch zu einem etwas parataktischen Stil, das heißt zur Aneinanderreihung von Hauptsätzen. Typisch für ein Gespräch Edgars ist auch die permanente Bezugnahme auf den Gesprächspartner. Aus diesem Grund redet er den Leser manchmal mehr oder weniger salopp an: 'Das nicht, Leute!' (Z. 19/20). In dem anderen Roman ist Werthers Sprache gemäss eigenen Überzeugung möglichst natürlich und damit nahe an seinen Empfindungen. Er verwendet viele rhetorische Mittel. Doch sie dienen nicht einem Ausweis literarischer Bildung, sondern sind spontane Gefühlsäusserungen. Werther schreibt seine Briefe im Soziolekt, was durch seine Wortwahl deutlich wird. Dass er im Soziolekt schreibt ist auch von seinem sozialen Stand, dem gehobenen Bürgertum, ersichtlich. Auch übersetzt er Texte verschiedener Dichter wie zum Beispiel Homer, ein altgriechischer Dichter, was von guten Sprachkenntnissen zeugt.
Die Zeit, in der der Roman verfasst wurde, war eine Zeit der Gefühlskultur und ersetzt nicht die Aufklärung, sondern ergänzt sie, da die Dichter des Sturm und Drang durch ihre Erziehung zu sehr von den Denkstrukturen der Aufklärung geprägt wurden. Es regieren Gefühl und Leidenschaft anstatt Verstand und Vernunft. Unter anderem spielt die Naturverbundenheit eine große Rolle und man sieht zum Beispiel den Selbstmord als Weg zur Freiheit, nicht als Verbrechen, was natürlich auch eine neue Auffassung von Moral, Durchbrechen von Tabus und eine andere Geisteshaltung vorraussetzt.
In Plenzdorfs Roman ist Edgars Verhalten anders zu bewerten, denn als sich Edgar nach dem Vorfall im Betrieb der von ihm erwarteten öffentlichen Selbstkritik durch die Flucht nach Berlin entzieht, verdeutlicht er dadurch, dass sein Selbstbewusstsein und sein Anspruch auf Wahrung der persönlichen Würde sich nicht mit den Ansprüchen einer Gesellschaft vereinbaren lassen, die den Einzelnen ständig bevormundet, ihn unter Kotrolle haben möchte und in seinen Entfaltungsmöglichkeiten beschränkt. Allein schon dieser Grund reicht aus, um hervorzuheben, dass die zwei Romane vor einem völlig anderen Hintergrund und eventuell auch mit anderen Absichten geschrieben wurden. Allerdings sind vielleicht die Differenzen der Hintergründe nicht ganz so groß, wie man annehmen möchte, denn die Zeit des Sturm und Drang war eine Zeit der Auflehnung gegen gesellschaftliche Normen und gegen das System. Dies war in der DDR, wo Plenzdorf aufwuchs, auch nichts anderes. Einem Großteil der Bevölkerung gefiel nämlich die damalige Regierung auch nicht, woran man eventuell sieht, dass man auch schon aus den Hintergründen der Romane einige Parallelen zueinander ziehen kann.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Hauptthema von "Analyse Eines Poetischen Textes"?
Das Hauptthema ist ein Vergleich zwischen Johann Wolfgang Goethes "Die Leiden des jungen Werther" und Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." Der Text analysiert, wie Plenzdorf Goethes Werk in eine modernere Zeit überträgt und welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Texten bestehen.
Welche Rolle spielt die Epoche des Sturm und Drang in der Analyse?
Die Epoche des Sturm und Drang spielt eine zentrale Rolle, da Goethes "Werther" ein typisches Werk dieser Epoche ist. Merkmale wie die Betonung von Gefühl und Leidenschaft, Naturverbundenheit und die Auflehnung gegen gesellschaftliche Normen werden im Text hervorgehoben. Es wird auch argumentiert, dass ähnliche Tendenzen der Auflehnung in der DDR-Gesellschaft zur Zeit von Plenzdorfs Roman existierten.
Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen Werthers und Edgars Sprache?
Werther drückt sich in gewähltem Hochdeutsch aus, das für seine Zeit typisch ist, während Edgar eine modernere Umgangssprache verwendet. Dies spiegelt die "neuen Leiden" im Titel von Plenzdorfs Roman wider und verleiht dem Stück einen modernen Charakter. Edgars Sprache wird als Gegenentwurf zur Sprache der Erwachsenen beschrieben, als Ausdruck der Ablehnung ihrer Normen und Werte.
Wie wird die Natur in "Die Leiden des jungen Werther" dargestellt?
Die Natur spielt eine wichtige Rolle in Goethes Werk. Werther entdeckt und beschreibt die Schönheit der Natur, die für ihn eine große Bedeutung hat.
Welche Parallelen und Unterschiede gibt es in den Briefen vom 16. Juni in beiden Romanen?
Die inhaltlichen Verläufe der Briefe vom 16. Juni in beiden Romanen sind fast identisch. In beiden Fällen geht es um die erste Begegnung mit der geliebten Charlotte. Bei Goethe heisst Sie Charlotte S., bei Plenzdorf Charlie. Unterschiede gibt es jedoch im Schluss. Bei Goethe ist er tragisch, bei Plenzdorf heißt es "Und alle waren zufrieden."
Wie unterscheidet sich der Hintergrund der beiden Romane?
Goethes Roman entstand in einer Zeit der Gefühlskultur und des Sturm und Drang, während Plenzdorfs Roman in der DDR geschrieben wurde. Obwohl beide Zeiten unterschiedliche gesellschaftliche Kontexte hatten, werden Parallelen in Bezug auf die Auflehnung gegen gesellschaftliche Normen und das System gezogen.
Was wird über die Authentizität von Werthers Briefen gesagt?
Werthers Briefe werden durch stilistische Schwankungen und unvollständige Sätze lebendig und authentisch. Sie spiegeln seine Gefühle und Gedanken wider.
Wie wird die Rolle der Frau in beiden Romanen dargestellt?
In beiden Romanen wird die Frau (Charlotte/Charlie) als Objekt der Zuneigung des Protagonisten dargestellt. Bei Goethe kümmert sich Charlotte um Kinder und ist mit Albert verlobt. Bei Plenzdorf ist Charlie eine selbstständige Kindergärtnerin.
Was ist die abschließende Bewertung von Plenzdorfs Roman?
Der Text schließt damit, dass "Die neuen Leiden des jungen W." im Wesentlichen eine Übertragung von Goethes Roman in eine modernere Zeit ist und als eine gelungene, aber letztendlich nur als "Kopie" des Originals angesehen wird.
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- Fabian Rupprecht (Author), 2001, Goethe, Johann Wolfgang von / Plenzdorf, Ulrich - ein Vergleich der Novellen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103225