Am 26. August 2013 gegen 23.15 Uhr erschoss sich der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf mit einem 357er Revolver. Den Weg zu seinem tragischen Ende am Ufer des Hohenzollernkanals im Berliner Bezirk Kreuzberg hatte Herrndorf in seinem Tagebuch-Blog „Arbeit und Struktur“ eindrücklich dokumentiert. Der Suizid war seine „Exitstrategie“, um dem unausweichlichen geistigen Zerfall, ausgelöst durch einen tödlichen Hirntumor, zu entgehen und autonom bei vollem Bewusstsein aus dem Leben zu scheiden. Auf 425 Seiten nimmt Herrndorf die Leserinnen und Leser mit auf eine über zwei Jahre dauernde Schicksalsreise, die schließlich mit seinem, für ihn alternativlosen, Freitod endet.
Das Tagebuch, das als Internet-Blog für sein nächstes Umfeld regelmäßig aktualisiert wurde, war eigentlich nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen. Auf Drängen von Freunden wurde es im September 2010 dann doch für alle Interessierten zugänglich gemacht und erschien nach Herrndorfs Tod in Buchform.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ein Gedankenspiel
- Handlungsbogen
- Rückblenden – die narrative Ganzheit herstellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay untersucht die narrativen Strukturen in Wolfgang Herrndorfs „Arbeit und Struktur“ und argumentiert, dass diese Strukturen die literarische Lesbarkeit des Textes erhöhen. Der Essay betrachtet das Tagebuch nicht als rein faktualen Bericht, sondern als fiktionalisierte Ich-Erzählung. Die Analyse fokussiert auf die Konstruktion einer Geschichte mit Handlung und untersucht, wie narrative Muster die Literarizität des Textes verstärken.
- Analyse der narrativen Strukturen in „Arbeit und Struktur“
- Untersuchung der literarischen Lesbarkeit des Textes
- Betrachtung des Verhältnisses von Faktualität und Fiktionalität
- Die Rolle der Rückblenden für die narrative Kohärenz
- Der Einfluss der 5-Akt-Struktur auf die Leseerfahrung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale These auf, dass die narrativen Strukturen in Herrndorfs „Arbeit und Struktur“ die literarische Lesbarkeit erhöhen. Sie führt in die Thematik ein, indem sie den Suizid Herrndorfs und die Entstehung des Tagebuchs beschreibt. Der Essay kündigt den methodischen Ansatz an: die Betrachtung des Tagebuchs als fiktionalisierte Ich-Erzählung, um die narrativen Elemente hervorzuheben. Die Einleitung betont die Bedeutung der Poetologie Herrndorfs und die Debatte um die Literarizität des Textes in der Literaturwissenschaft.
Ein Gedankenspiel: Dieses Kapitel schlägt ein Gedankenexperiment vor: die Betrachtung von „Arbeit und Struktur“ als fiktionale Erzählung, um die ästhetische Distanz zum tragischen Krankheitsverlauf zu erleichtern und die narrativen Fähigkeiten des Textes sichtbar zu machen. Es wird die Vorstellung eingeführt, dass der reale Herrndorf ein fiktionales Krebs-Tagebuch aus der Perspektive einer fiktiven, aber dem realen Ich ähnlichen Figur schreibt. Dies ermöglicht eine Analyse der narrativen Elemente ohne die biografischen Fakten zu ignorieren.
Handlungsbogen: Dieser Abschnitt konstruiert einen Handlungsbogen für „Arbeit und Struktur“, der die narrative Kraft und Dramatik des Textes verdeutlicht. Der Bogen orientiert sich an der klassischen 5-Akt-Struktur des aristotelischen Dramas, beginnend mit der Diagnose des Hirntumors und endend mit der Entscheidung Herrndorfs zum Suizid. Die Analyse zeigt, wie diese Struktur eine Leseerfahrung erzeugt, die den Lesern den Eindruck vermittelt, einer Handlung zu folgen und möglicherweise sogar Hoffnung auf ein anderes Ende weckt. Der einprägsame Beginn des Textes wird als Beispiel für einen gekonnten erzählerischen Griff hervorgehoben.
Rückblenden – die narrative Ganzheit herstellen: Dieses Kapitel untersucht die Funktion der Rückblenden in „Arbeit und Struktur“. Es wird erläutert, wie diese als Stilmittel eingesetzt werden, um die Handlungsmotivation des Protagonisten nachträglich zu erklären und die Lücken in der anfänglichen Erzählung zu schließen. Die erste Rückblende, „Das Krankenhaus“, wird als besonders wichtig für die narrative Auflösung hervorgehoben, da sie die ersten Krankheitssymptome und die Diagnose des Hirntumors enthüllt. Die Rückblenden verwandeln den Text von einem reinen Befindlichkeitsprotokoll in eine zusammenhängende Erzählung.
Schlüsselwörter
Wolfgang Herrndorf, Arbeit und Struktur, Tagebuch, Krebs, Hirntumor, Suizid, Narrative Strukturen, Literarizität, Faktualität, Fiktionalität, Erzähltechnik, Rückblenden, 5-Akt-Struktur, Autobiographie, Poetik.
Häufig gestellte Fragen zu Wolfgang Herrndorfs „Arbeit und Struktur“
Was ist der Gegenstand dieser Analyse?
Diese Analyse untersucht die narrativen Strukturen in Wolfgang Herrndorfs „Arbeit und Struktur“ und argumentiert, dass diese Strukturen die literarische Lesbarkeit des Textes erhöhen. Der Essay betrachtet das Tagebuch nicht als rein faktualen Bericht, sondern als fiktionalisierte Ich-Erzählung.
Welche Themen werden behandelt?
Die Analyse fokussiert auf die Konstruktion einer Geschichte mit Handlung und untersucht, wie narrative Muster die Literarizität des Textes verstärken. Konkret werden die narrativen Strukturen, die literarische Lesbarkeit, das Verhältnis von Faktualität und Fiktionalität, die Rolle der Rückblenden für die narrative Kohärenz und der Einfluss der 5-Akt-Struktur auf die Leseerfahrung untersucht.
Wie ist der Essay aufgebaut?
Der Essay besteht aus einer Einleitung, einem Kapitel zum Gedankenexperiment der Fiktionalisierung, einer Analyse des Handlungsbogens und einer Betrachtung der Funktion von Rückblenden. Zusätzlich werden die Zielsetzung, die Themenschwerpunkte, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter bereitgestellt.
Welche These vertritt der Essay?
Die zentrale These ist, dass die narrativen Strukturen in Herrndorfs „Arbeit und Struktur“ die literarische Lesbarkeit erhöhen. Das Tagebuch wird als fiktionalisierte Ich-Erzählung betrachtet, um die narrativen Elemente hervorzuheben.
Wie wird das Tagebuch in der Analyse betrachtet?
Das Tagebuch wird nicht als rein faktualer Bericht, sondern als fiktionalisierte Ich-Erzählung betrachtet. Dies ermöglicht eine Analyse der narrativen Elemente ohne die biografischen Fakten zu ignorieren. Ein Gedankenexperiment schlägt vor, „Arbeit und Struktur“ als fiktionale Erzählung zu betrachten, um die ästhetische Distanz zum tragischen Krankheitsverlauf zu erleichtern.
Welche Rolle spielen die Rückblenden?
Die Rückblenden werden als Stilmittel eingesetzt, um die Handlungsmotivation des Protagonisten nachträglich zu erklären und die Lücken in der anfänglichen Erzählung zu schließen. Sie verwandeln den Text von einem reinen Befindlichkeitsprotokoll in eine zusammenhängende Erzählung.
Welche narrative Struktur wird identifiziert?
Der Essay konstruiert einen Handlungsbogen für „Arbeit und Struktur“, der sich an der klassischen 5-Akt-Struktur des aristotelischen Dramas orientiert. Dies verdeutlicht die narrative Kraft und Dramatik des Textes und erzeugt eine Leseerfahrung, die den Lesern den Eindruck vermittelt, einer Handlung zu folgen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Text?
Schlüsselwörter sind: Wolfgang Herrndorf, Arbeit und Struktur, Tagebuch, Krebs, Hirntumor, Suizid, Narrative Strukturen, Literarizität, Faktualität, Fiktionalität, Erzähltechnik, Rückblenden, 5-Akt-Struktur, Autobiographie, Poetik.
- Quote paper
- Jannis Holl (Author), 2020, Warum Wolfgang Herrndorfs "Arbeit und Struktur" als narrativer Text funktioniert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1031551