Autor: Steffen Lein
DIE WELT DER ALTEN ÄGYPTER
Vor fünf Jahrtausenden entfaltete sich entlang des mächtigen Nil eine der faszinierendsten Kulturen der Antike. Unter der Herrschaft des gottähnlichen Pharaos erbrachte das Volk der Ägypter so überragende Leistungen wie den Bau der Pyramiden und die Erstellung eines präzisen Kalenders.
Heute weiß man, dass nomadisierende Jäger um etwa 7000 v. Chr. an den Ufern des Nil ihre Lager aufschlugen, um das reiche Fischangebot des Flusses zu nutzen. Etwa ab 6000 v. Chr. begannen die Menschen dann, sesshaft zu werden und Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Neben Emmer und Gerste kultivierten sie Flachs zur Herstellung von Leinen, flochten geschickt Matten und Körbe aus Schilf, Binsen und groben Gräsern und stellten Töpferwaren aus Nilton her.
Der Nil hatte einen wesentlichen Einfluss auf das Geschick des ägyptischen Volkes. Auf einem schmalen Landstreifen, der sich nur ein paar Kilometer beiderseits des Flussufers ausdehnte, aber äußerst fruchtbar war, lebten und arbeiteten die Menschen in Abhängigkeit vom Wasserstand des Stroms. Jedes Jahr überschwemmte der Nil die Ufer und lagerte fruchtbaren Schlamm auf dem Land ab. Als die Menschen gelernt hatten, das Überschwemmungsgebiet zu bewirtschaften, ernteten sie dafür einen ansehnlichen Lohn. Dank der reichen Ernten herrschten so gut wie nie Hungersnöte. Im Lauf der Zeit bildete sich neben dem Bauerntum eine Schicht von Handwerkern heraus, darunter Zimmerleute und Steinmetzen, die spezielle Arbeiten ausführten und die Grundlagen dafür schufen, dass sich städtisches Leben entwickeln konnte.
Auf Grund seiner durch die umgebenen Wüsten isolierte Lage versorgte sich Ägypten mit den meisten Dingen des täglichen Lebens selbst.
Fremde Völker, mit denen die Ägypter Handel trieben waren die Libyer, die Nubier, die Asiaten, die Syrer und die Hethiter.
Die genauen Ursprünge der altägyptischen Kultur lassen sich nicht mit Sicherheit angeben. Archäologische Funde weisen darauf hin, dass die frühen Bewohner des Niltales von den Kulturen Vorderasiens abstammen. Wenn man die Entwicklung der ägyptischen Kultur und ihrer Grundlagen beschreiben möchte, ist man größtenteils auf archäologische Funde wie Ruinen, Gräber und Monumente angewiesen. Hieroglypheninschriften haben wertvolle Informationen geliefert.
Insgesamt herrschten 31 Pharaonen - Dynastien während eines Zeitraumes von mehr als 3000Jahren über das ägyptische Volk. Die Grundlage für das Studium der dynastischen Zeit der ägyptischen Geschichte zwischen der 1.Dynastie und der ptolemäischen Zeit bildet die Aegyptiaca von Manetho. Dabei handelt es sich um einen ptolemäischen Priester aus dem 3.Jahrhundert v.Chr., der die Herrscher des Landes in 30 Dynastien einteilte, die in etwa den jeweiligen Herrscherfamilien entsprechen. Einigkeit herrscht im Allgemeinen über die Einteilung der ägyptischen Geschichte bis zu den Eroberungen von Alexander dem Großen: das Alte Reich (von 2670-2160 v Chr.), das Mittlere Reich (von1994-1781 v Chr.) und das Neue Reich (von 1550-1075 v Chr.) mit den entsprechenden Zwischenzeiten, gefolgt von der Spätzeit und der ptolemäischen Zeit.
Die Regierungszeit Ramses I.
Der Begründer der 19.Dynastie, Ramses I. (Regierungszeit 1293-1291 v.Chr.) hatte seinem Vorgänger als Befehlshaber der Armee gedient. Nach einer Regierungszeit von nur zwei Jahren folgte ihm sein Sohn Sethos I. (Regierungszeit 1291-1279 v.Chr.) nach. Dieser unternahm Kriegszüge gegen Syrien und Palästina sowie gegen die Libyer und Hethiter. Er baute ein Heiligtum in Abydos. Wie sein Vater favorisierte er die Hauptstadt Pi- Ramesse (das heutige Qantir) im Deltagebiet. Sein Nachfolger war einer seiner Söhne, Ramses II., der fast 67Jahre lang regierte. Er war für einen Großteil der Bauten in Luxor und Karnak verantwortlich und gab auch das Ramesseum (seinen Begräbnistempel in Theben), die Felsentempel von Abu Simbel sowie heilige Stätten in Abydos und Memphis in Auftrag. Nach Kämpfen mit den Hethitern schloss Ramses einen Friedensvertrag und heiratete eine hethitische Prinzessin. Sein Sohn Mernephtah (Regierungszeit 1212-1202 v.Chr.) besiegte die Invasoren aus der Ägäis, die im 13.Jahrhundert in Vorderasien einfielen. Aus Quellen geht hervor, dass dabei das Gebiet des heutigen Israel verwüstet wurde. Die späteren Herrscher mussten sich immer wieder mit Aufständen unterworfener Völker auseinander setzen.
Der zweite Herrscher der 20.Dynastie war Ramses III. Seine militärischen Siege sind auf den Wänden seines Totentempels in Medinet Habu in der Nähe von Theben dargestellt. Nach seinem Tod zerfiel das Reich, hauptsächlich aufgrund der zunehmenden Macht der Amunpriesterschaft und des Militärs. Ein hoher Priester und Militärbefehlshaber ließ sich sogar mit den königlichen Insignien darstellen.
Das Alte Reich
Das Alte Reich (um 2755 bis 2255 v.Chr.) umfasste fünf Jahrhunderte, von der 3. bis zur 6.Dynastie. Die Hauptstadt war Memphis im Norden. Die Herrscher standen an der Spitze eines streng organisierten Beamtenstaates. Eine wichtige Rolle spielte die Religion, wie sie durch die ägyptische Mythologie überliefert ist. Staatsform war eine Theokratie, in der die Pharaonen, wie die Herrscher genannt wurden, sowohl absolute weltliche Herrscher waren als auch als Götter verehrt wurden.
Das Neue Re ich
Die Vereinigung des Landes und die Gründung der 18.Dynastie unter Ahmose I. markiert den Beginn des Neuen Reiches (1570-1070 v.Chr.).
Ahmose stellte die Grenzen, Staatsziele und die Verwaltung des Mittleren Reiches wieder her und nahm das Landnahmeprogramm wieder auf. Mit Unterstützung der Streitkräfte, die entsprechend entlohnt wurden, sorgte er für ein Machtgleichgewicht zwischen den Nomarchen und der Zentralgewalt. Der Einfluss der Frauen im Neuen Reich zeigt sich an den hohen Titeln und Machtpositionen, welche die Mütter und die Frauen der Könige innehatten.
Die Spätzeit
Die so genannte Spätzeit beginnt mit der Herrschaft der 25.Dynastie und endet mit der 31.Dynastie. Die Kuschiten regierten von etwa 767 v.Chr. an, bis sie 671 v.Chr. von den Assyrern vertrieben wurden. Zu Beginn der 26.Dynastie wurde die Fremdherrschaft durch Psammetich I. wieder beseitigt. Die Kultur erlebte noch einmal eine Blütezeit, die an frühere Epochen erinnerte. Nach der Niederlage des letzten ägyptischen Königs gegen Kambyses II. 525 v.Chr. wurde Ägypten unter der 27.Dynastie persische Provinz. Zwar gelang es den Ägyptern während der 29. und der
30.Dynastie ihre Unabhängigkeit wieder herzustellen, aber die Könige der
30.Dynastie waren endgültig die letzten ägyptischen Pharaonen. Bei der
31.Dynastie, die in dem Geschichtswerk Manethos nicht aufgeführt ist, handelt es sich bereits um die zweite persische Herrschaft.
Das goldene Zeitalter
Die 3.Dynastie wurde repräsentiert durch das Haus Memphis, dessen zweiter Herrscher Djoser (Regierungszeit um 2737 bis 2717 v.Chr.) den Bestand der nationalen Einheit in den Vordergrund rückte. Sein Architekt Imhotep verwendete Steinblöcke statt der traditionellen Lehmziegel und gestaltete damit den ersten monumentalen Steinbau. Dessen zentrales Element, die Stufenpyramide, war Djosers Grab. Zur Regelung der Staatsangelegenheiten und der Bauprojekte entwickelte der König eine effektive Bürokratie. Eine kulturelle Blütezeit begann.
Die 4.Dynastie begann mit König Snofru, zu dessen Bauprojekten die ersten Pyramiden in Dahschur (südlich von Sakkara) gehörten. Snofru war der erste Kriegerkönig, über den umfangreiche Dokumente erhalten sind, er führte Feldzüge in Nubien und Libyen sowie auf der Halbinsel Sinai. Durch die Förderung von Handel und Bergbau vergrößerte sich der Wohlstand im Reich. Nachfolger Snofrus war sein Sohn Khufu (oder Cheops), der die Große Pyramide in Gise erbauen ließ. Obwohl von seiner Regierungszeit kaum etwas bekannt ist, legt dieses Bauwerk nicht nur Zeugnis von seiner Macht ab, sondern beweist auch die Effektivität der Verwaltung. Khufus Sohn Redjedef, der etwa von 2613 bis 2603 v.Chr. regierte, führte das Sonnensymbol (Ra oder Re) in den königlichen Titel und die Religion ein. Khafre (oder Chephren), ein weiterer Sohn Khufus, folgte seinem Bruder auf dem Thron und ließ in Gise eine Nekropole erbauen. Zu den weiteren Herrschern der Dynastie gehörte Menkaure (oder Mykerinos), dessen Regierungszeit auf etwa 2578 bis 2553 v.Chr. datiert wird. Er ist insbesondere durch die kleinste der drei großen Pyramiden in Gise bekannt.
Unter der 4.Dynastie gelangte die ägyptische Kultur zu ihrer Blütezeit, die sich auch noch auf die 5. und 6.Dynastie erstreckte. Die hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Baukunst wurden durch Fortschritte auf fast allen anderen Gebieten ergänzt: in der Architektur, der Bildhauerei, der Malerei, der Navigation, des Kunsthandwerkes und der Wissenschaft sowie der Astronomie. Astronomen der Memphis-Dynastie entwickelten den ersten Sonnenkalender, der das Jahr in 365 Tage einteilte. Die Ärzte des Alten Reiches verfügten auch über beträchtliche medizinische Kenntnisse und chirurgische Fähigkeiten.
Der Beginn des Niedergangs des alten Reiches
Auch wenn in der 5.Dynastie der Wohlstand durch extensiven Außenhandel und militärische Vorstöße nach Asien gewahrt bleiben konnte, wurde die Abnahme der königlichen Macht durch übermäßige Bürokratisierung und Machtzuwachs der nichtköniglichen Verwalter offenkundig. In den Grabkammern des letzten Königs dieser Dynastie in Sakkra, Unas ( 2428- 2407 v.Chr.), fand man Zauberformeln, die in die Wände eingemeißelt wurden. Derartige Texte fand man auch in den Königsgräbern der 6.Dynastie. Mehrere Inschriften von Beamten der 6.Dynastie weisen auf den abnehmenden Einfluss der Monarchie hin, es gibt sogar Anzeichen für eine Konspiration gegen König Pepi I. (Regierungszeit um 2395 bis 2360 v.Chr.), an der seine Gemahlin beteiligt war. Man nimmt an, dass in den letzten Regierungsjahren von Pepi II. (Regierungszeit um 2350 bis 2260 v.Chr.) die Macht in den Händen eines Ministers lag. Die zentrale Gewalt über die Wirtschaft wurde durch die Gewährung von Steuerbefreiungen untergraben. Die Nomes (Bezirke) wurden rasch mächtiger, als die Nomarchs (Statthalter) nicht mehr länger von Zeit zu Zeit in verschiedene Nomes versetzt wurden.
KINDHEIT UND JUGEND IM ALTEN ÄGYPTEN
Viele Gefahren bedrohten das Leben der ägyptischen Kinder. Unzählige starben an Infektionen oder an Schlangenbissen. Zum Schutz vor derartigem Unheil schenkten ihnen die Eltern Amulette oder ließen Zaubersprüche zur Abwehr von Krankheiten sprechen.
Die alten Ägypter konnten sich kein größeres Glück vorstellen, als mit möglichst vielen Kindern gesegnet zu sein. Die Kleinen wurden von der Familie überaus geliebt, doch galten sie auch als wertvolle Hilfe. Man erwartete von ihnen, dass sie ihre Eltern in der Landwirtschaft und im Haus tatkräftig unterstützten. Da man im alten Ägypten nur wenige technische Hilfsmittel kannte, war es um so wichtiger, viele Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben. Außerdem mussten die Töchter und Söhne ihre Eltern bei Krankheit und im Alter versorgen. Ein alter Text besagt daher: ,,Es ist richtig, Menschen hervorzubringen. Glücklich der Mann, dessen Familie zahlreich ist, er wird wegen seiner Nachkommenschaft gegrüßt. "Die wichtigste Pflicht der Kinder war es jedoch, den Totendienst für die Eltern zu leisten. Aufgabe der Nachkommen war es hierbei, sich um eine angemessene Bestattung für Vater und Mutter kümmern. Sie brachten Opfergaben am Grab dar und vollzogen die gebührenden Zeremonien für deren Seelen. Kinderlose Paare beteten inbrünstig um Nachwuchs. Oft riefen sie einen toten Verwandten als Nothelfer an, im Glauben, die Verstorbenen hielten noch immer Kontakt mit dem Diesseits: ,,Mache, dass mir ein gesunder Sohn geboren wird." Oder sie trugen den Göttern ihre dringende Bitte vor, indem sie Zaubersprüche auf die Unterseite von Skarabäen, die den Sonnengott symbolisierten, einritzten. Wenn all das nichts half, hatte das kinderlose Paar immer noch die Möglichkeit, ein Kind zu adoptieren. Wer dieses für sich nicht in Erwägung zog, traf auf großes Unverständnis, wie aus dem Brief eines sehr verdrießlich klingenden Schreibers aus der 10. Dynastie hervorgeht:
,,Was für eine Meinung soll man dazu haben, dass die Leute dir Schlechtes nachsagen? Auf dich macht es keinen Eindruck, wie sehr man sich auch über dich auslässt, dass du kein Mann bist und deine Frau nicht schwanger gemacht hast, wie andere es tun. Und weiter; dass du so sehr reich bist, aber keinem etwas abgibst. Und wer selbst keinen eigenen Sohn hat, der soll sich doch ein Waisenkind nehmen und es aufziehen."
Das adoptierte Kind, so der Schreiber weiter, könne ihm dann auch, Wasser auf die Hand gießen wie ein eigener großer Sohn". Dieses wahrscheinlich vor der Mahlzeit durchgeführte Ritual gehörte zu den Pflichten eines ältesten Sohnes. Kinder hatten einen festen Platz in der ägyptischen Gesellschaft. Und aufgrund ihrer großen Bedeutung verwundert es kaum, dass viele Frauen die Götter um eine sichere Entbindung anflehten. Vor allem bei der schwangeren Nilpferdgöttin Thoeris, die das Fruchtwasser fließen lässt", nahmen sie Zuflucht, oder bei dem Gott Horus, der mit folgendem Zauberspruch beistehen sollte: ,,Komm hervor, Plazenta, komm hervor, komm hervor. Ich bin Horus, der bewirkt, dass es der Gebärenden besser geht, als habe sie bereits entbunden... sehet, Hathor legt ihre Hand auf sie mit einem Amulett der Gesundheit Ich hin Horns, der sie rettet."
Spruch zur Abwehr des Bösen
,,Gehe zugrunde, im Dunkel Komme nder, der sich hereinschleicht mit zurückgewandtem Gesicht, der vergißt, wozu er gekommen ist! Bist du gekommen, dies Kind zu küssen? Ich lasse nicht zu, dass du es küßt!
Bist du gekommen zum Beruhigen?
Ich lasse nicht zu, dass du es beruhigst! Bist du gekommen, es zu schädigen? Ich lasse nicht zu, dass du es schädigst!
Bist du gekommen, es zu holen? Ich lasse nicht zu, dass du es holst."
Aus einem Papyrus mit Zaubersprüchen für Mutter und Kind (16. Jh. v.Chr.)
Der Name, Wegbegleiter durchs Leben
Gleich nach der Geburt erhielt das Neugeborene seinen Namen, der als überaus wichtiger Teil eines jeden Menschen angesehen wurde. Erst mit der Namensgebung begann das Kind nach der Vorstellung der alten Ägypter zu existieren. Die Vernichtung des Namens, etwa die Auslöschung in der Grabbeschriftung, bedeutete zugleich den Verlust des ewigen Lebens. In der Regel blieb die Wahl der Mutter überlassen . Wenn das Neugeborene sie an ihren Mann erinnerte, nannte sie es beispielsweise Etfanch (" sein Vater lebt"). Auch die Nationalität oder den Beruf des Vaters konnte sie anklingen lassen. Oder sie ehrte einen Gott durch die Namensgebung. So bedeutet Rahotep "Re ist zufrieden" und Thutmosis ,,Thot lebt". Wurde ein Kind an einem der hohen Festtage geboren, spielte sie darauf an. Der Name Mutemwia etwa besagte ,,Mut ist in der Barke" und bezog sich auf den Tag, an dem die Statue des Gottes Mut in seiner Barke den Nil entlanggefahren wurde. Andere Namen spiegelten einfach ihre Freude wider, so Haunefer (,,schöner Tag") und Duatnefret (,,schöner Morgen").
"INEK-SI" - Mir gehört Sie
Bereits bei der Namensgebung ihrer Kinder offenbarten die alten Ägypter eine rührende Zuneigung für das Neugeborene. Mytsereu hieß, die jüngere Katze", Penu, die Maus" und Gechset, die Gazelle". Hübsche Namen ergaben sich auch aus den Wünschen oder Aussprüchen der Eltern bei der Geburt: Abet-eni, die ich gewünscht habe" oder" Meri-es-anch, möge sie das Leben lieben". Liebevoll, klingen auch die Abkürzungen vieler Namen. Amendadat, d.h. Geschenk Amuns, wurde zu dem Wort, Dadat" abgewandelt' und Pepydede (Pepy hält aus) zu, Dede".
Namen unterlagen oft auch Moden. Viele Kinder wurden nach dem herrschenden Pharao genannt, im Altagsleben zu einem heillosen Durcheinander führte. Und in der 12. Dynastie war es üblich, dass Beamte, die im Haus eines hochgestellten Mannes lebten, für sich und ihre Kinder den Namen ihres Herrn annahmen. Dies führte dazu, dass in einer Provinz während des Mittleren Reiches zwei Drittel aller Beamten ebenso wie der regierende Landesfürst hießen.
In der Regel wurde das Kind bis zu einem Alter von drei Jahren von der Mutter gestillt. Das ist zwar nach westlichen Maßstäben eine lange Zeit, doch auch in anderen Kulturen nicht unüblich. Auf einigen Grabmalereien sind Kleinkinder zu sehen, die gestillt werden - und zwar ohne Scheu in aller Öffentlichkeit. Für den Fall, dass die Milchmenge für die Bedürfnisse des Kindes nicht reichte, wussten die ägyptischen Ärzte einen Rat: Der Rücken der Mutter musste mit Öl massiert werden, in dem ma n zuvor die Rückenflosse eines Nilbarsches gedünstet hatte. War das Kind krank, empfahlen sie ihr, eine Maus zu verzehren. Die Knochen des Tieres wurden dann in einen Leinwandbeutel gesteckt, den man mit sieben Knoten zuband und dem Kind als Talisman um den Hals hängte.
Zwar stillten die meisten ägyptischen Frauen ihre Kinder selbst, doch wohlhabendere Familien stellten für diesen Dienst häufig eine Amme ein. Dabei wurde bisweilen durch Verträge geregelt, für welchen Zeitraum und welchen Lohn diese Frau das Kind nähren sollte. Das Königshaus suchte sich für diese ehrenvolle Aufgabe stets eine Dame aus den oberen Schichten aus. Aufgrund ihrer sehr engen Beziehung zu den kleinen Prinzen und Prinzessinnen konnte sie sogar eine gewisse Machtstellung im Palast erlangen. Die Stillzeit scheint im alten Ägypten einen gewissen Schutz vor Injektionen bedeutet zu haben. Untersuchungen haben ergeben, dass die Sterblichkeitsrate bei drei- bis Vierjährigen wesentlich höher war als in der Altersgruppe der Jüngeren, die noch Muttermilch erhielten.
Anscheinend brachte die Umstellung auf die Ernährung der Erwachsenen ein größeres Risiko an Darminfektionen mit sich
Familienleben im alten Ägypten
Die Stillzeit scheint im alten Ägypten einen gewissen Schutz vor Infektionen bedeutet zu haben. Untersuchungen haben ergeben, dass die Sterblichkeitsrate bei Drei- bis Vierjährigen wesentlich höher war als in der Altersgruppe der Jüngeren, die noch Muttermilch erhielten. Anscheinend brachte die Umstellung auf die Ernährung der Erwachsenen ein größeres Risiko an Darminfektionen mit sich.
MUTTERLIEBE
,,Gib deiner Mutter doppelt so viel Nahrung, wie sie dir gegeben hat, trage sie, wie sie dich getragen hat. Sie hatte eine schwere Last an dir, aber sie sagte nicht: ,Fort mit ~ Als du nach deinen Monaten geboren wurdest, da warst du immer noch an sie gebunden. Drei Jahre lang war ihre Brust in deinem Munde. Als du dann größer wurdest und deine Exkremente ekelhaft, da ekelte sie sich nicht und sagte: ,Was soll ich bloß machen?'
Als sie dich dann in die Schule gab, damit du schreiben lerntest, da war sie täglich da und passte auf dich auf mit Brot und Bier aus ihrem Hause."
Aus: "Die Lebenslehre des Ani"
Kleidung und Haartracht
Die ägyptischen Mütter trugen ihre Säuglinge und Kleinkinder in einem Leinentuch mit sich herum, das sie sich um ihren Körper geschlungen hatten. So konnten sie die Arme frei bewegen und im Haus und auf den Feldern ungehindert arbeiten, eine Praxis, wie sie noch heute bei einigen Völkern auf dem Land üblich ist. Als Abwehr gegen das Böse hängte man den Kindern oft Amulette um den Hals. Magischen Schutz für Ihre Nachkommen suchte die Mutter auch durch kleine zylindrische Anhänger aus Holz oder Metall zu erlangen. In diesen befanden sich winzige Papyrusrollen, auf denen Zaubersprüche standen.
Diese sollten alle möglichen Übel abwehren, etwa von Schnupfen, Schlangenbiss, Lepra und Blindheit bis hin zu falschen Anschuldigungen. Auch gegen Geister und Hexerei gab es etliche Zaubersprüche. Das alles lässt eine große Besorgnis um das Wohlergehen des Kindes Erkennen und ein Gefühl dafür, dass die Umwelt voller Gefahren steckte.
Häufig waren die Kleinen nur mit ihren Anhängern oder dem Amulett bekleidet. Nacktheit bei Kindern wurde im alten Ägypten als etwas völlig Natürliches angesehen, zumal die Sommer sehr heiß und lang waren. Mädchen blieben gewöhnlich bis zur Pubertät unbekleidet. Die Jungen wuchsen ebenso freizügig heran, und selbst als Erwachsene trugen sie beim Arbeiten nur einen Lendenschurz. Dennoch sind etliche sorgfältig gearbeitete Kleidungsstücke von Kindern aus dem alten Ägypten erhalten. Als das Grab des Tutanchamuns geöffnet wurde, fanden die Entdecker fast 50 Gewänder, die dem jungen Pharao gehört haften, außerdem eine Vielzahl an Handschuhen, Schals, Gürteln und Kopfbedeckungen. Unter den Kleidern befand sich auch ein auserlesenes Säuglingskleidchen aus fein gesponnenem und gebleichtem Leinen. Es war so lang wie eine Tunika für Erwachsene, nur die Halsöffnung war gerade so groß, dass der Kopf eines Neugeborenen hindurchpasste. Man schätzt, dass 3000 Stunden für die Anfertigung dieses Gewandes, das 1,64 m lang ist, benötigt wurden. Die Kleidung Tutanchamuns war natürlich keine typische Alltagskleidung. Wie die Kleider anderer Kinder aus dem alten Ägypten aussahen, kann man an einem gefältelten Leinenkleid ablesen, das für das älteste erhaltene Kleidungsstück der Welt gehalten wird. Vielleicht stammt es aus der Zeit der 1.Dynastie um etwa 2800 v. Chr. Wahrscheinlich gehörte es einem etwa zehn Jahre alten Kind. Offensichtlich wurde das Kleid auch getragen, denn an den Achselhöhlen und Ellbogen war es verknittert. Außerdem lag es mit der linken Seite nach außen da, so als sei es beim Ausziehen an den schmalen Handgelenken hängen geblieben. Aufschlussreich sind auch die abnehmbaren Leinenärmel für Kinder. In einigen Listen von ägyptischen Wäschern werden sie als Einzelteile aufgezählt. Diese Ärmel müssen bei Kinderkleidung besonders nützlich gewesen sein. Vermutlich wurden die langen Ärmel beim täglichen Tragen des Kleides zur Schonung nicht benutzt und nur angebracht, wenn es kalt wurde - und der Winter in Ägypten kann bitterkalt sein. Kinder, die auf ägyptischen Malereien dargestellt sind, tragen häufig die jeweilige Erwachsenenmode in verkleinertem Format. Unverkennbares Merkmal der Kindheit ist jedoch eine besondere Haartracht, die sogenannte Jugendlocke. Dabei handelt es sich um einen Haarzopf, der lang von der rechten Schläfe fällt, der übrige Kopf geschoren. An seinem Ende lockt sich der geflochtene Zopf oft nach oben. Diese Frisur wurde anfangs von Jungen und später auch von Mädchen getragen. Zwar veränderte sich das Aussehen dieser Jugendlocke im Lauf der Zeit ein wenig, doch sie hat sich durch alle Dynastien der ägyptischen Geschichte bemerkenswert konsequent als Kennzeichen der Jugend gehalten. Die Kinder zur Zeit des Mittleren Reiches hängten gewöhnlich ein fischförmiges Amulett als Zauber gegen Ertrinken an das Zopfende. Eine ganze Reihe dieser Anhänger ist erhalten. Sie stellen einen Wels dar und sind aus Gold oder Silber getrieben, mit Einlagen aus Türkisen, Karneolen oder Lapislazuli. Künstler nutzten die Jugendlocke dazu, um zu verdeutlichen, dass eine von ihnen gemalte Figur ein Jugendlicher war. Es gab noch ein weiteres Merkmal: Kinder wurden oft mit dem rechten Zeigefinger im Mundwinkel gezeichnet.
Kreisel, Kegel und Puppen
Ägyptische Kinder spielten gerne mit Kreiseln aus runden Holzstücken, die an einem Ende abgeflacht waren und am anderen spitz zuliefen Auch vergnügten sie sich mit an beiden Seiten zugespitzten Hölzchen, die man mit einem Schläger oder einem zweiten Hölzchen in die Luft schnellte und vor dem Fall möglichst weit wegschlagen musste.
Auch Ballspiele waren Bekannt. Es gab zum einen grob aus Holz geschnitzte Bälle, andere wiederum waren äußerst sorgfältig aus Lederstreifen, Leinen oder Schilf gefertigt, zusammengenäht und ausgestopft. Bei Ausgrabungen in der Stadt Kahun wurde ein mit trockenem Gras ausgestopfter Lederball gefunden, der offenbar irgendwann einmal aufgerissen und mit viel Liebe nachgenäht worden war - dies mag ein Beweis dafür sein, wie sehr sein ursprünglicher Besitzer einst an ihm gehangen hat.
Den Ägyptern war auch eine Art Kegelspiel Bekannt. In einem Kindergrab in Naqada fand man einen Forphyrbällen, die man durch ein Marmortor rollen musste.
Die Ägypter stellten auch kunstvolle Menschen- und Tierfiguren mit beweglichen Gliedmaßen her, beispielsweise eine Holzfigur; die Getreide mahlt - wenn man an der Kordel zieht, Viel Freude hatten die Kinder wohl auch mit einem hölzernen Krokodil, welches das Maul aufsperrt, und einem katzenähnlichen Wesen mit Kristallglasaugen und einem beweglichen Kiefer mit Bronzezähnen. Sehr beeindruckend ist auch eine Gruppe mit vier kleinen Elfenbeinfiguren, die nackte, tanzende Pygmäen mit sehr ausdrucksvollen Gesichtern darstellen. Eine Einzelfigur klatscht in die Hände. Die drei anderen stehen gemeinsam auf einem Sockel. Wenn man an Kordeln zieht, vollführen sie ruckartige Tanzbewegungen, sogar vollständige Pirouetten. Dieses Schmuckstück hat sein Besitzer gewiss sorgsam gehütet, und man hat es irgendwann mit winzigen Dübeln gewissenhaft repariert. Solch kunstvolles Spielzeug war sicherlich für Kinder aus wohlhabenden Familien bestimmt -die Ärmeren mussten sich mit weitaus einfacherem und häufig selbstgebasteltem begnügen.
Ägyptische Mädchen spielten mit bemalten Holzpuppen, die über bewegliche Gliedmaßen verfügten. Auch besaßen sie Stoffpuppen mit Perücken aus ungebrannten Tonperlen und mit Kleidungsstücken, manchmal hatten sie sogar komplette Garderoben zum Wechseln. in einem Haus in Kahun fanden Archäologen große Mengen an Puppenhaar aus feinen, 15 cm langen Flachsfäden, die mit Ton umwickelt waren, damit man sie auf dem Puppenkopf befestigen konnte. Die Fundstätte nannte man später den ,,Spielzeugmacherladen", vielleicht befand sich hier einmal das Zentrum der Örtlich Puppenhersteller.
Bocksprünge und Tauziehen
Selten stellen ägyptische Malereien oder Skulpturen Mädchen und Knaben dar, die miteinander spielen. Es gibt jedoch auch einige Ausnahmen: z. B. eine bemalte Kalksteinstatuette, die einen nackten Knaben zeigt, der rittlings über einem bekleideten, knienden Mädchen hockt. Möglicherweise ist dies eine Wiedergabe des noch heute sehr beliebten Bockspringens.
Bei einem anderen Spiel sitzen sich zwei Kinder mit ausgestreckten Armen und Beinen gegenüber und bilden eine menschliche Hürde, die ein drittes Kind überspringen muss. Auf ägyptischen Grabreliefs finden sich Abbildungen nackter Knaben, die sich mit diesem Spiel amüsieren. Sehr beliebt waren auch Gleichgewichtsspiele, bei denen z. B. ein Junge versuchte, sich auf den Schultern seiner Kameraden zu halten, solange sich diese aufrecht gehend fortbewegten. Ein anderes derartiges Vergnügen kann man als Drehkreis bezeichnen - eine Art lebendes Karussell. Zwei Knaben, die mit ausgestreckten Armen in der Mitte stehen, halten andere, die sich auf den Fersen nach hinten lehnen, und wirbeln sie herum. Im alten Ägypten nannte man dieses Spiel, Errichten einer Weinlaube". Zwar scheinen es hin und wieder Mädchen und Knaben gemeinsam gespielt zu haben, doch häufiger blieben die Mädchen unter sich. Manchmal sind sie tanzend, manchmal bei einem Rückwärtssalto oder beim Purzelbaumschlagen dargestellt. Mitunter sind ägyptische Grabmalereien mit Texten versehen, die das Geschehen erläutern. Eine Szene zeigt eine Art Tauziehen zwischen zwei Reihen mit jeweils drei Knaben. Die Anführer stützen die Füße gegeneinander, halten sich fest an den Handgelenken und lehnen den Oberkörper mit aller Kraft zurück. Hinter ihnen stehen ihre Kameraden und bilden eine menschliche Kette, wobei jeder den Vordermann mit beiden Händen um die Taille fasst. Auf ein Kommando beginnen sie zu ziehen, und ihre Ausrufe stehen als Hieroglyphen über den Mannschaften. ,,Dein Arm ist viel stärker als seiner. Gib ihm nicht nach", kommt der Ruf von einer Seite. Als Antwort brüllt einer der Gegner: ,,Meine Seite ist stärker als deine. Halt sie fest, mein Freund." Eine weit geruhsamere Unterhaltung als diese kraftraubenden Gemeinschaftsspiele bot sich den Kindern, wenn sie sich mit den vierbeinigen Hausgenossen befasstten.
Selbstgebasteltes
Bei Ausgrabungen fand man neben vielen anderen Spielsachen auch zahlreiche einfache Tonfigürchen. Sie stellen Flusspferde. Krokodile, Affen und Schweine dar, geknetet aus grauem Nilschlamm.
Die unbeholfene Form vieler Figuren lässt vermuten, dass sie von Kindern modelliert wurden.
Das Spiel mit Tieren
Bei der Jugend waren Vögel besonders als Haustiere beliebt. Viele Abbildungen zeigen Kinder, die eine Ente, eine Taube, einen Kiebitz, eine Wachtel oder einen anderen gefiederten Freund in der Hand halten. Knaben hatten eine Vorliebe für den Wiedehopf, einen farbenfrohen Vogel mit einem prachtvollen Federschopf. Dieser wild lebende Vogel lässt sich in der Gefangenschaft leicht zähmen. Im Gegensatz dazu könnten die ausgesprochen angriffslustigen Nilgänse, die auf manchen Bildern auftauchen, Opfergaben gewesen sein. Trotzdem hielten die Ägypter sicherlich auch gezähmte Wildgänse als Haustiere - ebenso wie Affen sind sie gelegentlich beim Herumbalgen mit Katzen in ägyptischen Häusern dargestellt.
Der Ernst des Lebens
Das Leben eines Kindes bestand natürlich nicht nur aus Bockspringen, Kreiseln und Spielen mit Haustieren. Lebensjahr lernten all die Buben Lesen und Schreiben, welche dies für ihren zukünftigen Beruf benötigten. Knaben wurden auch sehr jung in die Armee aufgenommen, und für die breite Masse der Bauern und Handwerker war die Kindheit eine Zeit, in der man mit der täglichen sehr mühsamen Schwerarbeit auf den Feldern, in den Weinbergen und in der Werkstatt erste Bekanntschaft machte. Schon von klein auf halfen Jungen und Mädchen auf dem Land beim Ährenlesen. Für diese Arbeit brauchte man keine besonderen Kenntnisse man musste sich nur flink genug zwischen den aufgestellten Weizenoder Gerstengarben bücken, und sie in einen Korb legen.
Ein wichtiger Schritt im Leben eines ägyptischen Jungen war die Beschneidung. Sie wurde oft bei der Gesamten Altersgruppe einer Stadt oder eines Dorfes vorgenommen, denn in einer Inschrift erinnert sich ein Mann an die Zeit, als ,,ich mit 120 anderen Männern beschnitten wurde". Auch ist es interessant, dass die entsprechende ägyptische Hieroglyphe einen beschnittenen Phallus zeigt.
Quellennachweis:
Verlag Das Beste: Lebensalltag zur Zeit der Pharaonen Microsoft: Encarta
Verlag Gerstenberg: Ägypten
- Quote paper
- Steffen Lein (Author), 2000, Die Welt der alten Ägypter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103083
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