Wie werden Organisationen durch Narrative gesteuert? Welche Wirkung hat die Erzählung in der Organisation und warum lieben Menschen Geschichten? Was hat der narrative Ansatz mit unserem Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit und Erfüllung zu tun?
Eine Antwort auf diese Fragen verspricht der Town Hall Talk. Diese Methode wird in der heutigen Zeit als Gesprächsformat instrumentalisiert, um die Kommunikation und Rezeption von Organisations-Narrativen zu steuern. Welchen Ursprung der Town Hall Talk hat, wie wirksam er ist und was für eine erfolgreiche Verwendung in der Praxis zu wissen ist, ist Inhalt dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Organisation und ihre Steuerung
3. Was ist der Town Hall Talk?
4. Die Entstehung des Town Hall Talks
5. Der Ablauf des Town Hall Talks
6. Das Unternehmensnarrativ und der Sinn
7. Der Sinn als Bedurfnis
8. Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wie Geschichten dazu verwendet werden, um auf die wirtschaftlichen Interessen der Organisation einzuzahlen und welche Rahmenbedingungen dafur erfullt sein mussen, ist der Fokus dieser Arbeit. Sie beschaftigt sich mit der Methode des Town Hall Talks und deren Erfolg in Anbetracht der narrativ-handelnden Organisation. Vom Ursprung der Methode im angloamerikanischen Raum uber den Ablauf einer Talk-Veranstaltung, gibt diese Arbeit einen Einblick in die Wirkung und Wahrnehmung von organisationalen Geschichten. In letzter Konsequenz blickt sie auf das menschliche Bedurfnis nach Sinnhaftigkeit und bringt es in Zusammenhang mit dem Town Hall Talk.
2. Die Organisation und ihre Steuerung
Organisationen und Staaten haben einige Gemeinsamkeiten, denn ihre Kraft liegt in der Masse an Menschen, die sich auf gemeinsames Ziel verstandigen und ihr Verhal- ten entsprechend anpassen. Innerhalb der Organisation, egal ob staatlich oder wirt- schaftlich ausgerichtet, gibt es zwei Funktionen, die durch Menschen ausgefuhrt wer- den. Die Steuerungsfunktion, welche die Organisationsexpansion, in Anbetracht ihrer Umweltveranderung leitet und die Funktion der Konformitat mit dieser Steuerung. In der Regel sind Organisationen durch eine Fuhrungs-Ebene mit Steuerungsfunktion und eine Mitarbeiter-Ebene gekennzeichnet, die sich anpasst und ihr Verhalten nach der Ersteren ausrichtet.
3. Was ist der Town Hall Talk?
Der Town Hall Talk, (auch: „Town Hall Meeting“) wird als Interventionsmethode zum Erreichen organisationserfolgsrelevanter Ziele eingesetzt. Diese, vor allem auf weiche Faktoren bezogenen Ziele, umfassen die Zufriedenheit und den Zuspruch der Steue- rungseben seitens der Mitarbeiter. In Organisationalen Transformationsprozessen fin- det die Methode Einsatz im Verkunden der Unternehmensvision und Unternehmens- mission sowie deren aktuellen Erfullungsgrad. Dabei unterscheiden sich die Begriffe Vision und Mission lediglich ihrer Dauer und Anwendbarkeit. Wahrend Visionen lang- fristige, eher unscharfe Zielzustande in weiterer Zukunft beschreiben, stehen Missio- nen fur festgelegte, Veranderungen im kurzeren (Taiwo, Lawal, & Agwu, 2016).
4. Die Entstehung des Town Hall Talks
Der Town Hall Talk ist ein Gesprachsformat, dessen Ursprung Aufschluss uber seine heutige Funktion, als narratives Fuhrungsinstrument, gibt. Ursprunglich stammt die Idee der Veranstaltung aus dem eurasisch-angloamerikanischen Raum im 18. Jahr- hundert. Teilnehmer der Versammlung sind, damals wie heute, sowohl die Fuhrungs- ebene (Burgermeister, Vertreter, Abgeordnete) und Burger einer (Orts-)Gemeinschaft. So liegt die primare Funktion des Town Hall Talks in der Mitbestimmung aller Mitglie- der. Sekundare Funktionen umfassen Meinungsumfragen, Abstimmungen und Mandate (Lukensmeyer & Brigham, 2002). Ein etwaiger Austausch wurde damals von den Wahlberechtigten angefragt und ist ubertragen in die heutige Zeit auch fur die Fuh- rungsebene grower Unternehmen relevant.
Denn uber die letzten Jahrhunderte, haben sich die Groftenordnungen in der Welt ver- andert. Heutige Konzerne verfugen uber Kapitalmengen, welche denen damaliger Na- tionen nahekommen. Die Vergrofterung der Wirtschaft bedeutet Wachstum fur die Un- ternehmen, weshalb das Thema der Fuhrung zunehmend wichtiger wird. Wahrend eine steigende Anzahl an Mitarbeitern in deren wahrgenommener Anonymitat resul- tiert, verliert der einzelne Mitarbeiter an Beachtung.
Genau diesem Trend soll der Townhall Talk entgegenwirken und fur mehr Austausch zwischen Fuhrungsebene und Mitarbeiter sorgen. Die Parallelen zwischen Organisation und Nation sind heute erkennbar Arbeitsfaktoren wie beispielsweise die Mitarbei- terzufriedenheit entsprechen auf nationaler Ebene der Zufriedenheit ansassiger Burger.
5. Der Ablauf des Town Hall Talks
Der Ablauf eines Town Hall Talks ist nicht unabanderlich standardisiert, beinhaltet den- noch zentrale Elemente des Gesprachs, wie die Begruftung und Vorstellung der Be- teiligten, sowie das Narrativ, welches uber die Veranstaltung hinweg, wiederholt ange- sprochen wird. Ein Narrativ entsteht aus der Summe der Erzahlungen, die es stutzen und wiederholt die Rolle der Organisation auf ihrem Weg zum Erreichen der Vision, beinhalten. Der Austausch von Erzahlungen innerhalb des Gesprachsformats soll die Identifikation des Mitarbeiters mit den Unternehmenszielen verbessern. Daher findet das Gesprachsformat in regelmaftigen Abstanden in einem grofteren Raum statt, um die kontinuierliche Beteiligung aller relevanten Stake Holder zu gewahrleisten.
Ein Moderator fuhrt durch die Veranstaltung, die hochste Fuhrungskraft im Unterneh- men und die Mitarbeiter samtlicher Ebenen werden als Teilnehmer dazu eingeladen, am Austausch teilzuhaben. Das Format beginnt mit der Gesprachseroffnung durch den Moderator und der Uberleitung an die ranghochste Fuhrungskraft. In der Eroffnung erzahlt die Fuhrungskraft von erreichten Meilensteinen und stellt wahrenddessen, Be- zuge zur Vision her.
Damit einhergehend werden Leistungen der Mitarbeiter in der aktuellen Mission gelobt oder ein erreichter Meilenstein, gefeiert. Dann erhalten die Mitarbeiter die Moglichkeit Fragen zu stellen, die bestenfalls durch die Fuhrungskraft, und im Beisein Aller, beant- wortet werden. So konnen einzelne Mitarbeiter sich personlich zu Wort melden und in den direkten Austausch mit der Fuhrungskraft kommen. Die Gesprachsatmosphare sollte eine naturliche Dynamik besitzen und auf Unterschiede zwischen den Mitarbei- tern nicht weiter eingehen.
Der ungefilterte Austausch soll in den Mitarbeitern Gefuhle von Akzeptanz und Wert- schatzung, seitens ihrer Fuhrungskraft, auslosen. Dabei kann es der Fuhrungskraft ebenfalls Respekt einbringen uber Missgeschicke und Fehler zu berichten und sich so der Arbeitsrealitat der Mitarbeiter zu nahern.
Der Moderator beendet den Austausch und leitet ein letztes Mal zur Fuhrungskraft uber. Die Fuhrungskraft soll nun die jetzige Arbeit in Zusammenhang mit der Ausrich- tung der Organisation stellen. Dieses Abschlusspladoyer wirkt wie eine knappe Rede, die allen anwesenden Mitarbeitern fur ihre Arbeit dankt und ihnen Zuspruch durch die Fuhrungskraft entgegnet. Fur den Abschluss der Rede wird erneut auf die Unterneh- mensvision eingegangen und der Weg dorthin abgesteckt. Abschlieftend beendet der Moderator die Versammlung durch einen Ausblick noch kommender Town Hall Talk Veranstaltung im Sinne des Unternehmensnarrativs.
6. Das Unternehmensnarrativ und der Sinn
Fur das Unternehmen und seine Kultur ist es wichtig zu wissen, was der Zweck des Unternehmens im Kontext der Weltgeschichte ist. Das Narrativ wird als eine sinnstif- tende Erzahlung bezeichnet, welcher Einfluss auf die Art und Weise hat, wie die Umwelt des Rezipienten wahrgenommen wird. Kommuniziert werden Werte und Ziele, aber auch damit verbundene Emotionen. Das Ziel des Narrativs im Veranderungsma- nagement, ist die Einflussnahme der Wahrnehmung einer Veranderung auf die, von ihr betroffenen, Mitarbeiter. So wird die geplante Veranderung in den Kontext einer grofteren Vision eingebettet, die die Mitarbeiter als treibende Kraft versteht. (Schroeder, 2016).
Diese Uberlegungen sind in der Narrative Psychologie begrundet. Sie geht davon aus, dass Menschen einen groften Teil ihrer Erfahrungen in Geschichten verwandeln und in Form von (Alltags-) Erzahlungen kommunizieren. (Bruner, 1997) Bruner zufolge stellen „Erzahlungen [...] einen Zusammenhang zwischen punktuellen Ereignissen uber eine Zeitachse her. Mit dieser inhaltlichen Verknupfung wird dem Geschehen Sinn und Bedeutung verliehen. Auch uber Einstellungen und Werthaltun- gen verstandigen sich Menschen im Alltag in Form von Geschichten“ (Bruner, 1997, S.32f.).
Das Narrativ wirkt deshalb so stark, weil dessen Wahrnehmung der Funktionsweise des menschlichen Gehirns ahnelt. „Gespeichert werden die Informationen in verknupf- ten Handlungsstrangen diverser Akteure und sinnstiftender Handlungsverlaufe, was weitaus komplexer ist als eine Aneinanderreihung von Fakten“ (Erll, 2008).
Den Rezipienten bleiben Fakten aus Geschichten nicht nur besser in Erinnerung, sie wirken ebenfalls attraktiver, wenn Sie in Form einer Geschichte erzahlt werden. Eine 2019 erschienene Studie von Gillian Murphy und Kollegen belegen die Wirksamkeit der Geschichte und viel mehr. So fanden Sie heraus, dass wir uns selbst an Ereignisse zu erinnern glauben, die tatsachlich niemals passiert sind (Murphy, Loftus, Grady, Levine, & Greene, 2019).
Als narrative Fuhrung versucht die Organisation durch Erzahlungen den Zeitraum von der Grundung der Organisation (uber einen Grundungsmythos) bis zukunftigen Ziel- zustand der Organisation (Vision), zu erklaren und einen Sinn zu geben. Dabei kann der Sinn auch in einer Haltung resultieren (Bsp. Achtsamkeit, Nachhaltigkeit). Unternehmerische Narrative der heutigen Zeit sind eng mit der Unternehmensverant- wortung verbunden und scheinen meist einen Mehrwert fur die Gesellschaft darzustel- len. Hinsichtlich der erwunschten gesellschaftlichen Anerkennung dienen sie ebenfalls der Erhohung des eigenen Unternehmens-Werts im offentlichen Diskurs (vgl. Dubielzig & Schaltegger, 2005).
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- Quote paper
- Benedikt Hüsch (Author), 2021, Der Townhall Talk als Methode für narrativ-handelnde Organisationen. Ablauf, Wirkung und Wahrnehmung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1030365
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