Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, herauszufinden, ob die Arbeitsform Home-Office, im Vergleich zu Bürotätigkeiten, einen besonderen Einfluss auf die Entstehung negativer Spillovereffekte hat. Um diese Annahmen prüfen zu können, werden im Folgenden zuerst drei theoretische Ansätze zur Stressentstehung erläutert, die im Anschluss in den Arbeitskontext übertragen werden. Daraufhin wird geklärt, inwiefern die Arbeitsressourcen einen Einfluss auf die Entstehung von negativen Spillovereffekten haben. Bevor die Hypothesen durch die Empirie geprüft werden, stellt man die Arbeitsformen Home-Office und Büroarbeit gegenüber und vergleicht sie. Dabei wird differenziert erläutert, wie die jeweils mit der Arbeitsform verbundenen Bedingungen, negative Spillovereffekte beeinflussen. Die Annahmen wurden durch eine empirischen Online-Befragung überprüft
In den letzten Jahren hat sich der Arbeitsmarkt in Deutschland gewandelt. Die Arbeitsform der Bürotätigkeit wird stetig durch Home-Office konkurriert und zum Teil ersetzt. Dadurch sind diverse alternierende Arbeitsformen entstanden, die sehr individuelle Einflussfaktoren auf die jeweilige Tätigkeit mit sich bringen. Zahlreiche Auswirkungen werden von vielen Menschen als Stressor wahrgenommen. Durch diesen Stress können bei den Mitarbeitern sogenannte negative Spillovereffekte auftreten, die ihr Arbeits- und Privatleben stark prägen.
Daraus ergab sich die Forschungsfrage: Sind die negativen Spillovereffekte im Home-Office stärker ausgeprägt als in einem Bürojob?
Außerdem wurden zwei Hypothesen aufgestellt, die im Laufe dieser Bachelorarbeit ebenfalls geprüft wurden: Das Stresslevel ist bei Mitarbeitern, die im Büro arbeiten, höher als bei Beschäftigten, die im Home-Office arbeiten, und der Spillovereffekt bei Konflikten auf der Arbeit ist im Büro stärker ausgeprägt als im Home-Office.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Stress
2.1 Belastungsorientierter Ansatz
2.2 Bewertungsorientierter Ansatz
2.3 Ressourcenorientierter Ansatz
3 Arbeitsplatzbezogener Stress
3.1 Übertragungseffekte
3.2 Work- Family Conflict
4 Auswirkung der Arbeitsressourcen auf die Entstehung negativer Spillovereffekte
4.1 Organisationale Ressource
4.2 Soziale Ressource
4.3 Personale Ressourcen
5 Arbeitsformen Bürotätigkeit und Home Office
5.1 Entwicklung Home Office in Deutschland
5.2 Einflussfaktor Arbeitsform auf die Entstehung negativer Spillovereffekte
6 Empirische Untersuchung
6.1 Design und Material
6.2 Datenerhebung
6.3 Darstellung der Stichprobe
6.4 Inferenzstatistik
6.5 Diskussion der Ergebnisse
7 Ausblick
Literaturverzeichnis
Abstract
In den letzten Jahren hat sich der Arbeitsmarkt in Deutschland gewandelt. Die Arbeitsform der Bürotätigkeit wird stetig durch Home-Office konkurriert und zum Teil ersetzt. Dadurch sind diverse alternierende Arbeitsformen entstanden, die sehr individuelle Einflussfaktoren auf die jeweilige Tätigkeit mit sich bringen. Zahlreiche Auswirkungen werden von vielen Menschen als Stressor wahrgenommen. Durch diesen Stress können bei den Mitarbeitern sogenannte negative Spillovereffekte auftreten, die ihr Arbeits- und Privatleben stark prägen. Daraus ergab sich die Forschungsfrage: Sind die negativen Spillovereffekte im Home-Office stärker ausgeprägt als in einem Bürojob? Außerdem wurden zwei Hypothesen aufgestellt, die im Laufe dieser Bachelorarbeit ebenfalls geprüft wurden:
1. Das Stresslevel ist bei Mitarbeitern, die im Büro arbeiten höher als bei Beschäftigten, die im Home-Office arbeiten.
2. Der Spillovereffekt bei Konflikten auf der Arbeit ist im Büro stärker ausgeprägt als im Home-Office.
Ziel dieser Bachelorarbeit war es, herauszufinden, ob die Arbeitsform Home-Office, im Vergleich zu Bürotätigkeiten, einen besonderen Einfluss auf die Entstehung negativer Spillovereffekte hat. Um diese Annahmen prüfen zu können, werden im Folgenden zuerst drei theoretische Ansätze zur Stressentstehung erläutert, die im Anschluss in den Arbeitskontext übertragen werden. Daraufhin wird geklärt, inwiefern die Arbeitsressourcen einen Einfluss auf die Entstehung von negativen Spillovereffekten haben. Bevor die Hypothesen durch die Empirie geprüft werden, stellt man die Arbeitsformen Home-Office und Büroarbeit gegenüber und vergleicht sie. Dabei wird differenziert erläutert, wie die jeweils mit der Arbeitsform verbundenen Bedingungen, negative Spillovereffekte beeinflussen. Die Annahmen wurden durch eine empirischen Online-Befragung überprüft. Durch die deskriptive und inferenzstatistische Auswertung konnten beide Hypothesen angenommen werden. Die Forschungsfrage konnte mittels der gewonnenen Ergebnisse nicht gestützt werden. Auf Grund dieser Erkenntnisse, besteht viel Potenzial weitere Untersuchungen mit Fokus auf spezielle Arbeitsbedingungen durchzuführen, um die Hypothesen aus neuen Blickwinkeln betrachten und bewerten zu können.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Transaktionale Stressmodell nach Lazarus (1981)- Eigene Darstellung
Abb. 2: SCM-Modell nach Bakker und Demerouti (2013) - Eigene Darstellung
Abb. 3: Stresssymptomatik Büroalltag - Survio
Abb. 4: Stresssymptomatik Home Office- Alltag – Survio
Abb. 5: Sozialer Einfluss/ Kommunikation – Survio
Abb. 6: Sozialer Einfluss / Negative Stimmung- Survio
Abb. 7: Sozialer Einfluss/ Vereinbarkeit Beruf und Privatleben- Survio
Abb. 8: Sozialer Einfluss/ Konflikt mit Vorgesetzten- Survio
Abb. 9: Arbeitsbedingung / Organisationale Ressource- Survio
Abb. 10: Arbeitsbedingung/ Soziale Ressource- Survio
Abb. 11: Arbeitsbedingung / Personale Ressource- Survio
Abb. 12: Mehrfachbeantwortung- Survio
Abb. 13: Freie Kommentarfunktion – Survio
Abb. 14: Cronbach’s Alpha
Abb. 15: Familienstand
Abb. 16: Anzahl der Kinder
Abb. 17: Krisenvergleich Home Office- Anteil
Abb. 18: Arbeitsverhältnisse
Abb. 19: Unterbrechungen pro Stunde
Abb. 20: Arbeitsbedingungen Büro
Abb. 21: Arbeitsbedingungen Home Office
Abb. 22: Vergleich Stressempfindungen Büro und Home Office
Abb. 23: Vergleich Stressempfindungen Home Office- Anteil
Abb. 24: Spilloverentstehung durch Stress/ Vergleich Büro und Home Office
Abb. 25: Vergleich der Geschlechter
Abb. 26: Signifikanztest- Vergleich der Geschlechter
Abb. 27: Effektgröße- Einfluss Alter
Abb. 28: Verhältnis Arbeitsform und Alter
Abb. 29: Einflussfaktor Kind(er)
Abb. 30: Signifikanztest- Einflussfaktor Kind(er)
Abb. 31: Einfluss Familienstand auf Home Office- Tätigkeit
Abb. 32: Einfluss Familienstand auf Büroarbeit
Abb. 33: Signifikanztest- Regression der Arbeitsbedingungen
Abb. 34: Hypothesenprüfung
1 Einleitung
Die Herausforderung unserer Gesellschaft besteht darin, dem Arbeitsleben und zugleich dem Privatleben in vollen Zügen gerecht zu werden. Diese Relation stellt viele Menschen vor eine große Hürde. Dadurch sind in den letzten Jahren zahlreiche Möglichkeiten entstanden, die zur der sogenannten „Work-Life-Balance“ der Mitarbeiter beitragen sollen. Neben der klassischen Bürotätigkeit, die in den Räumen eines Unternehmens verrichtet wird, geht der Trend zu den Telearbeitsformen, wie dem Home Office, hin. Der erste Gedankenimpuls bei zahlreichen Menschen ist, dass dieser Wandel ausschließlich Vorteile bezüglich der Stressreduktion mit sich bringt, da die Menschen vor allem die Zeitersparnis durch die gewonnene Anfahrtszeit zum Arbeitsplatz, die Nähe zu der Familie und die freie Arbeitsplatzgestaltung als positiv assoziieren. Jedoch darf man die neu entstandenen Arbeitsbedingungen nicht außer Acht lassen, wenn es um die Entstehung von Stress und den damit verbundenen negativen Spillovereffekten geht. Ebenso wie ein Büroalltag birgt auch die Heimarbeit zahlreiche Stressoren, die von jedem Mitarbeiter individuell aufgenommen und bewertet werden können. Dabei spielen vor allem die Arbeitsumgebung, die Kommunikation mit den Kollegen und den Vorgesetzten und zugleich auch die Vereinbarkeit mit der familiären Situation eine ausschlaggebende Rolle. Diese und noch weitere Faktoren wirken auf die Personen, die sich in Home Office – Tätigkeiten befinden, ein und beeinflussen ihr Stressempfinden und die daraus resultierenden negativen Spillovereffekte. Diese Übertragungseffekte prägen nicht nur die dort entstandene Stresssituation, sondern zugleich auch die zukünftige Arbeit des Mitarbeiters. Aus diesem Grund muss vorerst die Thematik erläutert werden, wie Stress individuell entstehen kann.
2 Stress
Jeder Mensch wird in seinem Leben Situationen ausgesetzt, in denen er Stress verspürt. Ein häufiger Auslöser ist die Erwerbstätigkeit. Zuerst muss man jedoch den Begriff Stress genauer beleuchten, bevor man den Fokus auf arbeitsplatzbezogenen Stress legt. Um einen detaillierten Einblick zu erlangen, beziehe ich mich auf die grundlegenden Konzepte von Selye (1976) und Lazarus (1981) sowie auf die ressourcenorientierten Ansätze von Hobfoll und Buchwald (2004), Foa und Foa (1976) sowie Becker (2006).
2.1 Belastungsorientierter Ansatz
Definiert und geprägt wurde die Bezeichnung Stress vor allem von dem Mediziner und Hormonforscher Selye. „ Stress ist die Summe aller Adaptationsvorgänge und Reaktionen körperlicher wie psychischer Art, mit denen ein Lebewesen auf seine Umwelt und die von innen und außen kommenden Anforderungen reagiert“ ( Selye, 1976) . Somit stellt Selye (1976) fest, dass es einen starken Zusammenhang zwischen temporären und andauernden Belastungen und der Entstehung von Stress gibt. Des Weiteren bezieht er dies nicht nur auf äußere naturgegebene Einflüsse wie Hitze, Kälte oder Krankheiten sondern auch auf zwischenmenschliche Ereignisse und fasst somit die Einflussfaktoren auf jegliche Anforderungen, die an den Menschen gestellt werden, zusammen. Die darauffolgende Reaktion des menschlichen Körpers bezeichnet Selye als Alarmreaktion, welche auf physiologischer Ebene durch Veränderungen weitergeleitet wird (Selye, 1981, S. 167). Der Körper reagiert auf einen unspezifischen Reiz, deren Wirkung von drei Faktoren abhängt. Dieser äußere Stressauslöser wird auch Stressor genannt (Barmer, 2019). Die darauffolgende spezifische Stressorwirkung mit den reizcharakteristischen Eigenschaften, die endogene Konditionierung und somit die genetische Prädisposition und die exogene Konditionierung, wie beispielsweise eine Medikamentenzufuhr sind die einflussnehmenden Faktoren, die die Wirkung des Reizes beeinflussen. Die Konditionierung hat bei der Betrachtung von Selyes Annahmen einen anderen Hintergrund als im Rahmen der Klassischen Konditionierung der Lerntheorie von Pavlov (Pavlov, 1972). Nach Selye wird sie als eine Art Bedingungskonstrukt mit unterschiedlichen Formen angesehen. Die endogen und exogen konditionierten Faktoren bestimmen die Ausprägung der menschlichen Stressreaktion auf den Stressor. Er definiert Stress als „unspezifische Reaktion des Organismus auf jede Anforderung“ (Selye, 1981, S. 170). Darauf aufbauend unterscheidet Selye (1981) zwischen den zwei Konzepten „Eustress“ und „Distress“. Wenn ein Mensch durch Stress eine unerwünschte Reaktion erlebt, wird das als Distress bezeichnet. Sind jedoch der Stress und die damit verbundene Reaktion erwünscht, entsteht Eustress. Nach Selye gibt es dementsprechend diverse Stressoren, aber keine spezifische Stressreaktion des Körpers (Selye, 1981, S.161-187).
Im Laufe der Jahre wurde diese Definition noch weiter eingegrenzt und aus anderen Blickwinkeln betrachtet. So bezeichnet Zimbardo Stress als Muster von unspezifischen und spezifischen Reaktionen eines Lebewesens auf Reizereignisse, die es in seinem Gleichgewicht stören und somit auch die Bewältigungsfähigkeiten beanspruchen und zum Teil auch überschreiten. Zimbardo sieht Stress als eine Spannungsreaktion und somit als Belastung bei einem Individuum auf situative Bedingungen an (Zimbardo, 1988).
2.2 Bewertungsorientierter Ansatz
Eine weitere Stresstheorie ist die „Appraisal Theorie“ von Lazarus, die die Entstehung von Stress größtenteils auf die kognitiven Faktoren zurückführt. Er begründet Stress mit einer reziproken Beziehung zwischen der Umwelt und dem Menschen, die er als Transaktion bezeichnet. Nach diesem Transaktionsansatz entsteht Stress bei mangelnder Übereinstimmung von Situationsmerkmalen der Umwelt (Anforderungen) und wahrgenommene Fähigkeiten der Person zur Bewältigung der Situation (McGrath, 1970). Wenn ein Mensch in eine Stresssituation gerät, durchläuft er nach Lazarus mehrere Bewertungsprozesse, die ein erhebliches Ausmaß auf das folgende Stresserleben mit sich bringen (Lazarus und Folkman, 1984). Lazarus hat dafür das Transaktionale Stressmodell erschaffen. Hierbei bewertet der Mensch am Anfang die Situation in Hinblick auf sein eigenes Wohlergehen und entscheidet, ob das Ereignis ungünstig, irrelevant oder erwünscht ist. Nur wenn die Stresssituation als ungünstig eingestuft wird, folgen weitere psychische Bewertungsprozesse, die prüfen, ob es einen Verlust beziehungsweise einen Schaden für das Wohlergehen gibt. Dabei entscheidet die Person, ob die Situation für sie eine Herausforderung, Bedrohung oder sogar eine Chance ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Transaktionales Stressmodell nach Lazarus (1981) - Eigene Darstellung
Hierbei weist das Transaktionale Stressmodell Ähnlichkeiten zu dem Konzept von Selye auf, da der entstehende Stress in Positiven (Eustress) und Negativen (Distress) eingeordnet wird (Lazarus, 1999).
Zusammengefasst kann man somit festhalten, dass Stress eine Reaktion des Individuums auf ein Reizereignis, welches den Körper und die Psyche in ein kurzzeitiges oder längerfristiges Ungleichgewicht bringt, ist. Somit können alle denkbaren Momente, die von der Person als unangenehm erlebt werden, ein Stressauslöser, auch Stressor genannt, sein. Wenn ein Mensch eine soziale und somit zugleich auch eine psychische Erfahrung durch einen Stressor erlebt, reagiert automatisch auch der Körper darauf und es entsteht eine Wechselwirkung. Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass ein Stressor bei Menschen diverse Reaktionen hervorrufen kann. Dadurch ist es möglich, dass ein Reizereignis positiv und dadurch sogar gesundheitsförderlich wirken kann und zugleich bei einer anderen Person starke negative gesundheitliche Reaktionen hervorrufen kann. Dies begründet sich in den disparaten Verfassungen, wie der aktuellen Belastbarkeit, der intrinsischen Motive bezüglich der Stressoren und natürlich in den Erfahrungen, die ein Mensch in sich trägt. Diese Verfassungen sind ebenfalls entscheidend dafür, ob die Person ein Reizereignis als Schaden, Chance, Bedrohung oder Anforderung wahrnimmt.
2.3 Ressourcenorientierter Ansatz
Neben diesen grundlegenden Stresskonzepten stellen Konstrukte, die an Ressourcen geknüpft sind, ebenfalls eine sehr bedeutende Rolle in der Arbeits- und Organisationspsychologie dar. Seit Anfang der siebziger Jahre beschäftigen sich Professoren mit den individuellen Verfassungen eines Menschen, die auf Ressourcen zurückzuführen sind. Somit beruht für Foa und Foa jedes soziale Ereignis mit zwischenmenschlichen Verhalten auf der Wechselwirkung einer oder mehreren Ressourcen (Foa und Foa, 1976). Feger und Auhagen (1987) erweitern diesen Ansatz und formulieren Annahmen bezüglich Wirkungsweisen von Ressourcen in Bezug auf ein soziales Gefüge. Sie teilen Ressourcen in vier grundlegende Aussagen ein. Ein Mensch mit seinen individuellen Gegebenheiten, kann diese sich selbst oder einer anderen Person zuschreiben. Nach Meinung des Zuschreibenden, kann der Mensch über seine Ressourcen verfügen, sie beliebig einsetzen und diese beispielsweise wechseln und entziehen. Er bewertet die Ressource als fördernd (positive Ressource) oder als hinderlich (negative Ressource) für seine Ziele (Becker, 2006). Dieser Mensch mit seinen individuellen Persönlichkeitseigenschaften ist der Auffassung, dass er, seine Ressourcen zu seinem Vorteil wirken lassen kann oder negative Konsequenzen durch einen Einsatz von Ressourcen mindern kann. Ressourcen sind somit personale, soziale und organisationale Gegebenheiten, Objekte, Mittel und Merkmale, die das Individuum nutzen kann, um die externen und internen Lebensanforderungen und Zielsetzungen zu bewältigen (Feger und Auhagen, 19verl87).
Eine der wohl einflussreichsten Ressourcentheorien „Conservation of Resources Theory“, bzw. „COR-Theory“, wurde von Hobfoll verfasst. Er hebt sich von den psychologischen Stressforschungen von Lazarus, der Stress als ein Ereignis der subjektiven Wahrnehmung betrachtet und dabei die Umwelteinflüsse gering berücksichtigt, ab. Laut ihm ist das Resultat aus der subjektiven Wahrnehmung von Ressourcenverlust im sozialen und objektiven Umfeld einer Person, Stress. Laut Hobfoll und Buchwald (2004) streben Menschen danach, ihre Fähigkeiten weiter zu entwickeln und die schon gewonnenen Ressourcen zu schützen. Dazu zählen vor allem auch die sozialen Bindungen und zwischenmenschlichen Beziehungen einer Person. Fühlt sich ein Mensch durch einen Ressourcenverlust bedroht, entsteht automatisch intrinsischer Stress. Das Reaktionsausmaß hängt von persönlichen Konzepten, wie der Vulnerabilität und den Persönlichkeitsmerkmalen eines Menschen ab. Diese individuellen psychologischen Prozesse werden in Hobfolls Theorie im Vergleich zu den Konstrukten von Foa und Foa oder Lazarus als geringer Einflussfaktor gewertet, aber nicht ausgeschlossen. Für ihn stehen die Wahrnehmung über die Entwicklung von Ressourcen, die Persönlichkeit und die genetischen und erworbenen Konstitutionen im Vordergrund. Er unterteilt dies in die Wahrnehmung der Ressourcenbedrohung, des Ressourcenverlustes und dem fehlendem Ressourcenzugewinn. Diese können über individuelle konstitutionelle Faktoren, psychische Vermittlungsprozesse und die Bewertungen aus dem direkten sozialen Umfeld einer Person beeinflusst werden (Schubert und Knecht, 2015). Somit sind Ressourcen nach Hobfoll „(a) jene Objekte, persönlichen Eigenschaften, Bedingungen oder Energien, die vom Individuum geschätzt werden, oder (b) die Mittel zur Erreichung jener Objekte, persönlichen Eigenschaften, Bedingungen oder Energien“ (Becker, 1988, S.23-25). Er klassifiziert diese Ressourcen in vier Grundtypen. Die Objektressourcen stellen dabei die externen physikalischen Fähigkeiten zur Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, wie Nahrung und Wohnraum, dar und werden von den Menschen relativ gleich bewertet. Bedingungsressourcen bilden sich aus dem Streben nach haltgebenden Lebensumständen, wie einer Partnerschaft oder Familie sowie nach beruflichen Positionen, in der ein Mensch Wertschätzung erfährt. Persönliche Eigenschaften sind laut Hobfolls Theorie die Fähigkeiten, die benötigt werden, um Ziele zu erreichen. Dazu zählen soziale Kompetenzen, stressreduzierende Persönlichkeitsmerkmale und besondere Lebenseinstellungen. Eine der wertvollsten Ressourcen sind die Energieressourcen wie Wissen, Zeit und Geld, da sie den Zugang zu weiteren Fähigkeiten ermöglichen. Unter Berücksichtigung dieser vier Grundtypen teilt Hobfoll seine Theorie in zwei bedeutsame Unterschiede ein: Ressourcenverluste und Ressourcengewinne. Menschen, die bereits mit dem Verlust von Ressourcen konfrontiert wurden, sind anfälliger für weitere Verluste und können sich zudem schlechter vor neuen Beeinträchtigungen schützen. Zur Bewältigung des dadurch entstehenden Stresses werden wiederum neue Ressourcen benötigt. Die Personen geraten dadurch in eine „Ressourcenverlustspirale“, die durch ihre Eigendynamik schwer zu unterbrechen ist (Hobfoll und Buchwald, 2004). Sie fangen an, an sich und ihren Mitmenschen zu zweifeln, trauen sich weniger zu, ziehen sich aus zwischenmenschlichen Beziehungen zurück und sind unsicherer was die beruflichen Fähigkeiten betrifft. Daraus schließt Hobfoll, dass das Leben eines Menschen größtenteils von den eigenen Ressourcen bestimmt wird. Der Gegenpol dazu sind Personen, die über zahlreiche Fähigkeiten verfügen und dadurch nur einen geringen Aufwand einsetzen müssen, um diese Ressourcen zu erhalten. Sie bilden eine „Ressourcengewinnspirale“. Somit sind sie weniger anfällig gegenüber der Bedrohung der Ressourcenverluste. Um den Fokus darauf zu legen, dass der Mensch seine Ressourcen erhält und zugleich die Verluste vermeidet, benennt Hobfoll (1988) verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Zum einen sagt er, dass die Menschen den Fokus auf in Aussicht stehende Ressourcengewinne legen sollten. Dadurch vernachlässigen sie die Bedenken bezüglich der Verluste, weil es eine Verschiebung der Aufmerksamkeit gibt. Hinzukommt das Neubewerten von Situationen durch Gegenüberstellung von gewonnenen Ressourcen und Verlusten. Folglich können Ressourcendefizite weniger ins Gewicht fallen (Starke, 2000).
Zusammenfassend kann man sagen, dass im Gegensatz zu Lazarus, der die individuellen kognitiven Bewertungsprozesse als größten Einflussfaktor auf das Stressgeschehen sieht, Selye eher die physiologischen Prozesse für ausschlaggebend erachtet. Hobfoll verknüpft die kognitiven und physiologischen Abläufe miteinander und begründet sie mit den menschlichen Ressourcen, die das Stresserleben beeinflussen.
3 Arbeitsplatzbezogener Stress
Diese Ansichten und Theorien kann man auf jeden Lebensbereich einer Person anwenden. So könnte man resultierend Arbeitsstress als die Reaktion eines Menschen, die aufgrund von Anforderungen, Chancen und Einschränkungen in Bezug auf wichtige arbeitsbezogene Ereignisse entsteht, bezeichnen. Neben dem nach Selye betitelten Eustress, tritt in der Arbeitswelt flächendeckend ebenso der Distress auf (Selye, 1981, S.161-187). Aus der Sicht eines Unternehmens schlägt sich das vor allem in Bezug auf Fakten wie die Produktivitätsrate, die Fehlzeiten, die Fluktuation und die Unzufriedenheit der Mitarbeiter nieder. Bei den Arbeitnehmern hingegen führt Stress am Arbeitsplatz hauptsächlich zu gesundheitlichen Problemen physischer und psychischer Art. Diese kann man laut einer Stressstudie der AOK Gesundheitskasse in vier Ebenen unterteilen (Herbst, Voeth, Eidhoff, Müller und Stief, 2016). Zum einen kann eine Stressreaktion auf den menschlichen Körper auf der kognitiven Ebene in Form von Konzentrationsstörungen, Denkblockaden und Depression auftreten. Herz-Kreislauf-Beschwerden, ein Kloß im Hals, plötzliches Weinen, Atemnot, Herzrasen und ein Engegefühl im Brustkorb können ebenso bei Mitarbeitern entstehen und stellen die vegetativ-hormonelle Ebene dar. Reaktionen wie Nervosität, Angst, Unsicherheit, Panik und Gereiztheit sind laut der AOK Gesundheitskasse Auswirkungen der emotionalen Ebene. Weitere körperliche Folgen können Kopfschmerzen, das Knirschen der Zähne, eine starre Mimik und Rückenschmerzen sein. Diese zählen zu der muskulären Ebene (Herbst et. al., 2016). Distress kann neben den aufgezählten Reaktionen noch zahlreiche weitere Folgen hervorrufen.
Psychische Belastungen, die durch außenstehende Stressoren hervorgerufen werden, führen zu Beanspruchungen des Menschen. Diese Beanspruchungen können sich ebenfalls negativ und positiv auswirken (Joiko, 2010).
Semmer und Udris definieren die arbeitsplatzbezogenen Belastungen als „alle von außen auf den Organismus einwirkende Faktoren“. Daraus folgen die Beanspruchungen, die aus den Auswirkungen der Belastungen auf den menschlichen Organismus entstehen (Semmer und Udris, 2004, S. 172). Sie unterteilen die Beanspruchungen in Körperliche, Mentale und Emotionale ein und unterstreichen damit die Einordnung der AOK Gesundheitskasse. An dieser Stelle ist es ebenfalls wichtig zu erwähnen, dass sich diese Beanspruchungen nach den jeweiligen Ressourcen des Menschen richten. Die arbeitsplatzbezogenen Stressoren benötigen zur Stressbewältigung die Ressourcen der Person, die sowohl auf körperlicher, mentaler und emotionaler Ebene vorhanden sind. Ein weiterer Einflussfaktor stellt hier erneut die „Appraisal Theorie“ von Lazarus dar, da die Person die stresshervorrufende Situation automatisch bewertet und daraufhin weiß, ob das Ereignis trivial ist oder eine Bedrohung darstellt (Lazarus, 1999).
Die Begriffe Belastung und Beanspruchung werden in der arbeits- und organisationspsychologischen Forschung als neutral eingestuft. Stress wird hingegen von Lazarus (1999), Uris und Semmer (2004) als „eine als aversiv erlebte, von negativen Emotionen begleitete Beanspruchung“ (Lazarus, 1999) eingeordnet. Selye (1981) teilt hingegen den Stress in Eustress und Distress ein, bringt aber gleichzeitig zum Ausdruck, dass er Stress auch im Arbeitskontext als „unspezifische Reaktion des Körpers auf jede Anforderung“ sieht. Somit unterstreicht er im Gegensatz zu Lazarus, Semmer und Udris die Neutralität von Stress.
3.1 Übertragungseffekte
Stress entsteht nicht nur im arbeitsbezogenen Kontext, sondern auch in allen weiteren Lebensbereichen, die den Menschen auf unterschiedliche Art und Weise beeinflussen. Da sich die psychischen und physischen Stressreaktionen nicht nur auf ein Spektrum des Alltages beschränken, kommt es automatisch zu Überschneidungen der Lebensbereiche und somit zugleich auch der Stressempfindungen. Bakker und Demerouti haben sich intensiv mit den Übertragungen dieser Bereiche beschäftigt. Sie beziehen sich grundsätzlich auf zwei Übertragungseffekte: den Spillovereffekt und den Crossovereffekt (Bakker, Demerouti und Burke, 2009). Ein Spillovereffekt ist ein intraindividueller Vorgang, der dementsprechend individuell bei jedem Menschen abläuft. Dieser Effekt kann in verschiedenen Ausprägungen auftreten. Ein psychisch negativer Spillovereffekt erfolgt in Form von Übertragungsprozessen, bei denen die Merkmale des Privatlebens und der Arbeit mit psychischen Reaktionen assoziiert werden, die dann als manifestierte Einstellungen und Verhaltensformen in den jeweiligen Lebensbereich übertragen werden (Voydanoff, 2004). Daraus resultieren dann negative Emotionen, Energieverluste, Stress und Rückzug der Person (Rothbard, 2001). Grundsätzlich sind dabei zwei Wirkrichtungen möglich. Es kann ein negativer Spillovereffekt aus der Arbeitswelt auf das Privatleben übertragen werden und umgekehrt.
Hierbei spielen die Erfahrungen, die eine Person während ihrer Arbeitszeit und im Privatleben sammelt, eine große Rolle. Wenn der Arbeitgeber keine wertschätzende Kommunikationsstrategie bei seinen Mitarbeitern anwendet und dabei den Fokus nicht auf die einzelnen unterschiedlichen Persönlichkeitseigenschaften legt, kommt es zu einem negativen Spillovereffekt. Dabei ist nicht nur der Inhalt der Arbeitgeberaussagen ausschlaggebend sondern vor allem die nonverbalen Signale, die vermittelt werden. Dies kann durch eine hektische Gestik, eine missachtende Mimik oder beispielsweise durch das Stirnrunzeln vermittelt werden. Greenhaus und Beutell differenzieren die Ursachen für einen negativen Spillovereffekt zwischen zwei Kategorien. Zum einen können diese durch Konflikte hinsichtlich des Zusammenspiels von Arbeitsalltag und Privatleben durch eine zeitliche Belastung entstehen. Dabei werden die Anforderungen, die an den Menschen gestellt werden, nicht erfüllt. Dies kann zu einer wechselseitigen Belastung werden, wenn ein Familienmitglied und der Vorgesetzte gleichzeitig mehr Zeit von der Person einfordern. Ein weiterer Faktor ist der verhaltensbasierende Distress, der beispielsweise durch Konflikte mit Kollegen, Unvereinbarkeit mit Neutralität am Arbeitsplatz und Verständnis innerhalb der Familie entstehen kann. Beide Kategorien haben die gleiche Konsequenz- die negativen Spillovereffekte (Greenhaus und Beutell, 1985).
Es ist wichtig erneut zu betonen, dass jeder Mensch individuell auf Stressoren reagiert. Diese Effekte treten nicht in einer hierarchischen Rangfolge auf, sondern können ebenso durch die Kollegen, die Partner, die Kinder oder Freunde entstehen. Dementsprechend entstehen die Konsequenzen der Spillovereffekte in allen Lebensbereichen. Ist innerhalb des Arbeitskontextes ein negativer Spillover aufgetreten, kann es beispielsweise durch den arbeitsplatzbezogenen Stress zu einer höheren Reizbarkeit gegenüber Familienmitgliedern kommen. Die Auswirkungen können sich ebenso durch geringere Aufmerksamkeit gegenüber privater Pflichten oder durch mangelnde Kraft und Ermüdung bemerkbar machen. Stattdessen schweifen die Gedanken des Betroffenen immer wieder zu arbeitsbezogenen Problemen oder zu Situationen, die in ihm diese Emotionen ausgelöst haben. Negative Spillovereffekte verursachen Verschlechterungen in der psychischen und physischen Gesundheit, dem Wohlbefinden und der Partnerschaftszufriedenheit auf (Grzywacz und Butler, 2005).
Schuller und Rau haben diese Aspekte zusammengefasst und den negativen Spillover als eine Übertragung der negativen Effekte von der Arbeit auf das Privatleben und umgekehrt definiert (Schuller und Rau, 2013).
Spillovereffekte beschränken sich nicht nur auf negative Einflüsse der Arbeit auf Familie. Im Sinne eines positiven Spillovers berücksichtigen sie auch potenzielle Bereicherungen des Familienlebens durch arbeitsbezogene Erfahrungen und umgekehrt. Beide Prozesse sollten dabei unabhängig voneinander betrachtet werden, da sie auch gleichzeitig existieren können. So kann eine Steigerung der Überstunden ein negativer Spillover sein und zugleich einen positiven Einfluss auf das Einkommen und somit auf die finanzielle Sicherheit der Familie (positiver Spillovereffekt) darstellen (Grzywacz und Butler, 2005).
Im Rahmen dieser Bachelorarbeit werde ich nur auf die negativen Spillovereffekte eingehen.
3.2 Work- Family Conflict
Der Crossovereffekt ist eine interindividuelle Übertragung zwischen Personen, der auf den Spillovereffekt folgt. Dabei werden die Emotionen eines Menschen, die beispielsweise durch einen Spillover hervorgerufen wurden, auf eine oder mehrere Personen übertragen. Um diesen Effekt ganzheitlich in den Kontext der Arbeit und in das Privatleben einordnen zu können, haben Bakker und Demerouti 2013 das „Spillover- Crossover- Modell“, kurz „SCM“, entwickelt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Angepasstes SCM-Modell nach Bakker und Demerouti (2013) - Eigene Darstellung
Sie betrachten den Spillovereffekt aus dem Arbeitskontext entstehend und in den familiären Bereich übertragend sowie den Crossover innerhalb der Partnerschaft zu Hause. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass dies genauso umgekehrt ablaufen könnte. Um diese Wechselwirksamkeit aufzuzeigen, werden in der Abbildung Doppelpfeile zwischen Arbeit, Spillover und Zuhause dargestellt. Dadurch sind beide grundsätzlichen Lebensbereiche von den Arbeitnehmern miteinander verknüpft. Des Weiteren wird die Reihenfolge der Effekte durch diese Abbildung verdeutlicht, da es erst zu einem Spillovereffekt kommen muss, bevor ein Crossover folgen kann. Die hier aufgezeigten Stressoren können zahlreiche Ursprünge haben. Von den hier abgebildeten Arbeitsanforderungen über Zeitdruck bis hin zu Mobbing, sind die Formen der Stressoren divers. Diese negativen Emotionen werden dann durch einen Spillovereffekt aufgenommen und es kann daraufhin ein Konflikt innerhalb des Privatlebens in Form eines Crossovereffektes erfolgen (Bakker und Demerouti, 2009). Es kommt laut Greenhaus und Beutell, die sich ebenso mit dieser Thematik auseinander gesetzt haben, zu einem „Work-Family Conflict“ (Greenhaus und Beutell, 1985). Im Anschluss wird dieser entstandene Konflikt durch eine Interaktion bewältigt. Dabei senkt sich im besten Fall das Stresslevel des Menschen. Hierbei ist zu erwähnen, dass der „Work-Family Conflict“ häufiger auftritt als der „Family-Work Conflict“ (Kinnunen und Mauno, 1998).
4 Auswirkung der Arbeitsressourcen auf die Entstehung negativer Spillovereffekte
Hobfoll und Buchwald (2004) verknüpfen in ihrer COR- Theorie das Stresserleben mit unterschiedlich klassifizierten Ressourcen. Im Arbeitskontext sind ebenso Ressourcen, die man divers unterteilen kann, vorhanden. Sie bieten die Grundlage, um auf die arbeitsbedingte Stressentstehung und die daraus resultierenden negativen Spillovereffekte zu schließen. Es findet erst seit einigen Jahren eine Auseinandersetzung mit arbeitsbezogenen Ressourcen und deren Auswirkungen statt. In der empirischen Forschung wird der Fokus hauptsächlich auf die Zusammenhänge der Arbeitsbedingungen; und -belastungen und der Mitarbeitergesundheit gelegt (Frieling und Sonntag, 1999). Dazu zählen unter anderem die Kopplung von hohem Zeitdruck und die daraus entstehende Konsequenz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der einzelnen Personen. In der Forschung erfolgte ab 1987 durch Antonovsky eine grundlegende Wende. Er entwickelte das Modell der „Salutogenese“, welche sich nicht nur mit den krankheitsbringenden Faktoren der Menschen auseinandersetzt, sondern erstmals auch mit den gesundheitsfördernden Aspekten (Antonovsky, 1987). Dies ist ein Meilenstein in den arbeitspsychologischen Wissenschaften, da Antonovsky mit dem Salutogenese-Modell die Dichotomie von Krankheit und Gesundheit abschaffen wollte. Jeder Organismus ist ständig aktiv zur Herstellung von Gesundheit. Dabei spricht er öfter von „mehrdimensionaler Gesundheit“ und öffnet damit den Blick für verschiedene Dimensionen des Lebens (Udris, Kraft und Mussmann, 1992). Dieses Wechselspiel ist an die aufgeführten Ressourcen geknüpft. Wird in der arbeits- und organisationspsychologischen Literatur von Ressourcen gesprochen, ist damit die persönliche, soziale und objektive Ausstattung gemeint (Leppin, 1997). Folgend werden die organisationale, die soziale und die personale Ressource im arbeitsbezogenen Kontext erläutert und in Zusammenhang mit negativen Spillovereffekten gesetzt.
4.1 Organisationale Ressource
Diese Klassifizierung bezieht sich auf alle Faktoren und Bedingungen, die sich im Arbeitsumfeld befinden und zugleich die Gestaltung der Arbeitssituation und die Organisation betreffen. Hierbei kann man gleichzeitig auch von einer Ressource der organisationalen Umwelt oder von einer externen Ressource sprechen. Hobfoll und Buchwald (2004) erwähnen dabei neben den betrieblichen Bedingungen, wie den Tätigkeitsspielraum, die Aufgabenvielfalt und die persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten, auch die Anerkennung des Mitarbeiters nach Erfolgserlebnissen. Dabei beziehen sie sich häufig auf das Wechselspiel von Entscheidungs-, Tätigkeits-, Handlungs-, und Kontrollspielräumen, die die Mitarbeiter im Arbeitsalltag erleben. Dazu zählt nach ihnen beispielsweise auch die Verfügbarkeit von notwendigen Arbeitsmitteln zu dem Tätigkeits-, und Handlungsspielraum. Neben den Ergebnissen von Hobfoll und Buchwald sind zahlreiche weitere Erkenntnisse und Meinungen zu dieser Thematik Bestandteil der Forschung, sodass es zahlreiche Aspekte gibt, die die Ressourcen der betrieblichen Bedingung beschreiben. So zählt Ducki in ihrer empirischen Befragung „DIGA“ (Diagnose gesundheitsförderlicher Arbeit) Aspekte wie den „Sinnbezug zur Arbeit“, „persönliche Entwicklungschancen“, „Information und Beteiligung“ und „offene Kommunikation“ diesbezüglich auf (Ducki, 2000). Nach Becker (2006) spielen hingegen ebenso der Lärmschutz, die Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz und die ergonomischen Arbeitsbedingungen eine wichtige Rolle. Ebenso kann auch die Entlohnung eine relevante organisationale Ressource darstellen (Siegrist, 2005).
Im Weiteren werden die genannten Ressourcen nach Hobfoll und Shirom (2000) eingeordnet und nach den Kategorien Zeit, Handlungsspielraum und Entlohnung erläutert.
Die Ressource Zeit hat in der COR-Theorie (Hobfoll, 1989) einen hohen Stellenwert, da sie als Energieressource gilt und dabei eine wichtige Bedeutung innerhalb eines Stressprozesses einnimmt. Zeit steht in einer Interferenz mit zahlreichen anderen Ressourcen, wie Entlohnung, Kommunikation mit Kollegen und Führungskräften und der Erbringung von Leistungen. Sie wird dabei laut Buchwald, Hobfoll und Hinz in verschiedene kulturelle Normen unterteilt (Buchwald und Hobfoll, 2012, S.123-134). Deutschland ordnet sich dabei in das monochrone Zeitkonzept ein. Das heißt, dass die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft strikt getrennt voneinander betrachtet werden und es zu keiner Verschmelzung dieser kommt. Alle Arbeitsabläufe werden geplant und aufeinanderfolgend abgearbeitet. Dabei betrachten viele Menschen die Pausen, beziehungsweise nicht produktiven Zeiten, die zwischen den Tätigkeiten liegen, als nicht sonderlich wertvoll an. Das monochrone Zeitkonzept ist in der westlichen Kultur verankert. Hingegen ist die Polychrone eher ein Bestandsteil im Nahen Osten, im Mittelmeerraum oder auch in Lateinamerika (Kühlmann und Stahl, 2006, S. 678). Diese Unterscheidung ist für diese Ausarbeitung sehr relevant, da sie die kulturellen Normen unserer Gesellschaft in Bezug auf die menschlichen Ressourcen beleuchtet. Steht eine Person unter Zeitdruck, da sie durch den Stau auf dem Arbeitsweg viel kostbare Zeit verloren hat und nun zu spät zu der beruflichen Tätigkeit kommt, entsteht Stress. Dieser Stress entsteht durch einen negativen Spillovereffekt und kann im Anschluss durch ein Crossover auf das eigene Kind durch das Auftreten von Hektik übertragen werden. Darauffolgend verändert sich durch den Spillover auch das Verhalten während des Arbeitsantrittes. Dabei könnte die Person gereizt gegenüber den Kollegen auftreten oder sich vorerst nicht auf die Aufgabe konzentrieren. Die Ressource Zeit nimmt dadurch einen enormen Einfluss auf weitere Bereiche, wie anhand dieses Beispiels deutlich wird: das Privatleben, die Kommunikation mit Kollegen und die Arbeitsumsetzung. Es findet laut Greenhaus und Beutell (1985) eine Überschneidung von Arbeit und Privatleben statt. Mina Westman weist bei dieser Interferenz daraufhin, dass der hier negative Spillovereffekt eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Crossover ist. Das heißt, dass der Mitarbeiter die intraindividuelle, bereichsübergreifende Ansteckung von Stress verarbeitet und dabei aber nicht zwingend eine interindividuelle Auswirkung entstehen muss (Westman, 2002). Hingegen wäre ein Mitarbeiter in der gleichen Situation, welcher sich in einer polychronen Zeitkonzeptkultur befindet, nicht gestresst. Innerhalb dieses Konzeptes herrscht eine zirkuläre Zeitauffassung, die durch wiederkehrende Abläufe in der Gegenwart geprägt ist (Kühlmann und Stahl, 2006). Dabei spielen kulturelle Normen wie Pünktlichkeit, im Gegensatz zum monochronen Zeitkonzept, eine untergeordnete Rolle. Da dies in unserer Gesellschaft gegensätzlich ist und die Zeit in linearer Weise verläuft, stellt sie eine knappe Ressource dar. Kommt es zu einer Verknappung dieser Ressource, kann dies laut Hobfoll (2000) Stress auslösen und sogar zu der Entstehung von der Burnout- Erkrankungen beitragen. An dieser Stelle muss neben der Darstellung der kulturellen Normen auch der individuelle kognitive Bewertungsprozess des Menschen als Einflussfaktor erwähnt werden (Lazarus, 1999). Im arbeits- und organisationspsychologischen Kontext wird die Verminderung dieser Ressource überwiegend als Zeitdruck betitelt. Geriet ein Mitarbeiter in die Situation, dass für die Erledigung einer Arbeitsaufgabe zu wenig Zeit zur Verfügung steht, folgt nach der Entstehung von Distress ein negativer Spillovereffekt (Selye, 1981). Dieser äußert sich beispielsweise durch die Herabsetzung der Ausführungsqualität, die Verminderung der Arbeitsquantität oder durch das Delegieren an Kollegen. Dabei kann letzteres zu weiteren Konflikten innerhalb der Kommunikation führen. Klein (2010) reflektiert die Ansicht von Hobfoll, dass durch den Zeitdruck eine Verlustspirale (Hobfoll 1989) entsteht, mit folgenden Worten: „Besonders heimtückisch ist die unablässige Hetze, weil sich der Zeitdruck selber nährt. Schnell kommt ein Teufelskreis in Gang; Ist die Furcht, seiner Aufgaben nicht rechtzeitig Herr zu werden, einmal entstanden, lässt sie den Gestressten den Überblick verlieren und schafft sich so immer neue Anlässe. Zeitnot macht kurzsichtig für die Zukunft; man rennt den Ereignissen hinterher, statt sie zu gestalten.“ (Klein, 2010, S. 11). Durch die Unveränderbarkeit des Zeitdrucks kann der Mitarbeiter die Stresssituation nicht kontrollieren. Eine Tätigkeit in der Verwaltungsbranche ist hierbei ein gutes Beispiel, um die typischen aufgabenabhängigen Stressoren zu beschreiben. Wenn ein Mitarbeiter zu einer Stoßzeit zahlreichen Anfragen des Publikumsverkehrs ausgesetzt ist, geriet er in Zeitnot, wodurch Stress entsteht und ein negativer Spillover folgt. Dabei kann die Konzentration sinken, die Erledigung der Aufgaben wird nicht mehr den qualitativen Ansprüchen gerecht und die Kommunikation mit den Kunden kann ebenso unter dem Zeitdruck leiden (Schulz und Höfert, 1981).
Ein weiterer Faktor der arbeitsbedingten, organisationalen Ressource ist der Handlungsspielraum. Im Rahmen der arbeitspsychologischen Forschung taucht dieser Begriff unter zahlreichen Definitionen auf. So definiert Ulich (2005) den Handlungsspielraum als eine Möglichkeit zu unterschiedlichem und aufgabenbezogenem Handeln „in Bezug auf Verfahrenswahl, Mitteleinsatz und zeitliche Organisation von Aufgabenbestandteilen“ (Ulich, 2005, S. 183). Somit hat ein Mitarbeiter eine subjektive Wahrnehmung des Handlungsspielraumes, während es zugleich eine objektive gibt. Diese müssen nicht immer übereinstimmen, da es im Rahmen der Kommunikation unter Kollegen oder zwischen der Führungskraft und dem Mitarbeiter zu Missdeutungen und Missverständnissen kommen kann. Ein weiterer Aspekt dieser Ressource ist die Gestaltungsfreiheit. Dazu zählt zum einen, welches Ausmaß der Mitarbeiter an Variabilität gegenüber seiner Tätigkeit hat und inwiefern er an den Prozessen mitwirken kann. Wenn ein Mitarbeiter von seiner Führungskraft die Aufgabe erhält zu einem bestimmten Thema eine Präsentation frei zu gestalten und auszuarbeiten, kafnn dies zu unterschiedlichen Reaktionen führen. Der Mitarbeiter erhält einen erweiterten Handlungsspielraum mit einer erhöhten Gestaltungsfreiheit. Das kann zum einen zu Eustress führen, da sich der Beschäftigte mit diesen Freiheiten wohlfühlt und produktiv arbeiten kann. Hingegen kann es auch vorkommen, dass die Person dies als Stressor wahrnimmt und sich Distress bildet (Selye, 1976). Jeder Mensch hat diverse Bedürfnisse, die vor allem im Arbeitskontext einen hohen Stellenwert haben. So strebt die eine Person nach Gestaltungfreiheit und die andere benötigt Strukturen und Anweisungen, um ihre Arbeit produktiv verrichten zu können. Hierbei unterstützt die Erkenntnis von Lazarus (1981), dass jeder Mensch individuelle kognitive Bewertungsprozesse hat, diesen Ansatz. Udris und Semmer verstehen unter dem Handlungsspielraum die Möglichkeit Situationen den eigenen Vorstellungen anpassen zu können (Semmer und Udris, 2004). Dabei kann ein Mitarbeiter beispielsweise seine Nachrichten schon am frühen Morgen bearbeiten, da er zu diesem Zeitpunkt produktiver ist als am Nachmittag. Handlungsspielräume können somit eine stressreduzierende und eine stressproduzierende Wirkung aufweisen. Obwohl es zahlreiche Begriffserläuterungen gibt, fasst Semmer es mit diesen Worten passend zusammen: „Handlungs- bzw Tätigkeitsspielraum, Freiheitsgrade, Kontrolle, Autonomie, Job decision latitude – so vielfältig die Terminologie und so nuancenreich die Konzepte auch sind: In der einschlägigen Literatur herrscht große Einmütigkeit, dass die Möglichkeit, Einfluss auf seine Angelegenheiten zu nehmen, über möglichst viele Aspekte seines Lebens- und somit auch seiner Arbeit selbst zu entscheiden oder zumindest mit zu entscheiden, zu den Kriterien einer menschenwürdigen Lebensführung im Allgemeinen wie einer persönlichkeitsförderlichen Arbeitsgestaltung im Besonderen zu zählen ist“ (Semmer, 1990, S. 190).
Im Rahmen der organisationalen Ressource sieht Hobfoll (1988) Geld als eine weitere wichtige Energieressource an, da es die Option bietet, an weitere Ressourcen zu kommen. Die Entlohnung einer Arbeitstätigkeit führt dazu, dass der Mitarbeiter sich Objektressourcen wie Nahrung, ein Haus, Urlaube oder ein Auto leisten kann. Dies schafft ein Sicherheitsgefühl bei den Menschen. Geld fördert weitergehend persönliche Ressourcen wie die Zuneigung und Wertschätzung anderer Personen. Es bietet eine Erweiterung des Handlungsspielraums mit zahlreichen universell einsatzbaren Möglichkeiten. In unserer Gesellschaft wird der Lebenserfolg sehr stark mit Geld in Zusammenhang gebracht. Dabei handelt es sich dabei nicht nur um die Absicherung der Grundbedürfnisse oder um das Sicherheitsgefühl, sondern vor allem auch um die Selbstverwirklichung der Person. Für die getätigte Arbeitsleistung von dem Arbeitgeber angemessen entlohnt zu werden, fördert das Selbstwertgefühl und die Wertschätzung des Mitarbeiters. Fehlt jedoch diese organisationale Ressource, da beispielsweise der Arbeitgeber das Gehalt nicht rechtzeitig auszahlen kann, folgt sehr schnell der Eintritt von Distress, der an einen negativen Spillover gekoppelt ist. Der Mitarbeiter könnte durch den erlebten Stress seine Emotionen damit kompensieren, dass er seine Arbeitsgeschwindigkeit herabsetzt oder eine Krankschreibung einreicht. Neben den kurzfristigen Reaktionen wie diesen, kann es ebenso dazu kommen, dass es zu starken Überschneidungen der Arbeit und des Privatlebens kommt, da die Entlohnung zum Beispiel mit der familiären Verantwortung verbunden ist (Mina Westman, 2002). Comelli und Rosenstiel äußern sich dazu, indem sie sagen, dass der Verlust von Geld oder die Tatsache nur wenig zu besitzen, beunruhigen oder Unzufriedenheit auslösen kann (Commelli und Rosenstiel, 2003). Empfindet ein Beschäftigter die Entlohnung im Vergleich zu den Kollegen beispielsweise als ungerecht, so wird aus dieser Emotion des Verlustes oder der Bedrohung, laut Hobfolls COR- Theorie, Stress.
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