Konzertsäle: Die Philharmonien in Berlin und in Köln im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Entwicklung von Konzertsälen
Der Konzertsaal als Zentralraum

2. Einführung - Allgemeine akustische Anforderungen

3. Philharmonie, Berlin
3.1 Städtebauliche Einbindung und konzeptioneller Ansatz
3.2 Gebäudebeschreibung und Grundrissorganisation
3.3 Konstruktion und Material
3.4 Akustik und Licht

4. Philharmonie, Köln
4.1 Städtebauliche Einbindung und konzeptioneller Ansatz
4.2 Gebäudebeschreibung und Grundrissorganisation
4.3 Konstruktion und Material
4.4 Akustik und Licht

5. Vergleich

1. Entwicklung von Konzertsälen
Der Konzertsaal als Zentralraum

Die Bauform des reinen Konzertsaals existiert an und für sich erst seit dem 19. Jahrhundert. Bis dahin hatte Musik lediglich begleitende Funktion bei Kultveranstaltungen gehabt. Der Ursprung kulturelle Veranstaltungen ist sicherlich in der Antike zu suchen. Zur Zeit der Griechen waren sie, wie zum Beispiel Sport- und Theaterveranstaltungen, bereits fester Bestandteil des Lebens.

In den griechischen und römischen Theaterbauten erkennt man auch die Ursprünge der Zentralbauweise.

Die akustischen Eigenschaften des antiken Freilufttheaters beruhen auf der Brennpunktbildung durch die Kreisform. Allerdings kann aus heutiger Sicht bei einer Nutzung durch ein Ensemble oder Orchester bestenfalls von akustischen Zufallsergebnissen gesprochen werden. Die Qualitätsansprüche an das Ausbalancieren des Orchesterklangs können mit den damaligen akustikplanerischen Mitteln nicht befriedigt werden. Zum Beispiel wird das rekonstruierte Theater des Herodes Attikus in Athen für Konzerte genutzt. Der räumlich Eindruck ist mit Sicherheit sensationell, die akustischen Qualitäten sind jedoch kaum mit denen eines eigens dafür konzipierten Konzertsaal zu vergleichen.

Im Mittelalter begann sich die Musik als eigene Kunst im Bereich der Kirchenmusik zu emanzipieren. Zum Beispiel ergaben sich in Venedig die ersten Tendenzen zur Raummusik, bei der Teile des Chors oder des Orchesters im Raum verteilt werden, um eine räumliche Polyphonie zu erzeugen. Diese Entwicklung wurde bis in die heutige Zeit fortgeführt und spielt auch in der Philharmonie eine Rolle.

Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert gab es so gut wie keine Ansätze zum Zentralraum im Theaterbau. Viel mehr bemühte man sich um Bühnentechnik und das Schaffen von räumlichen Illusionen. Die Zuschauer sitzen in schubladenförmigen Rängen, wobei es eine festgelegte Ordnung gab, mit der Kaiser- oder Ehrenloge in der Flucht der Mittelachse, um die beste Sicht auf die Bühne zu haben.

Um die Jahrhundertwende kam es zum Umschwung. Entwürfe wie das nicht realisierte Reform-Theater von Andreas Streit (1887) oder die Volksoper in Paris von den Architekten Davioud und Bourdais (1875) zeigen neue Möglichkeiten der Beziehung von Raum und Zuschauer auf. Auch Adolf Loos schlägt 1898 die Einbeziehung des Zuschauerraums um eine weit vorgezogene Bühne vor. Doch all diese als Ei-Formen gedachten Räume hätten große akustische Probleme mit sich gebracht. In den folgenden Jahren gab es viele weitere Beispiele, die sich mit dem Verhältnis von Bühnen- und Zuschauerraum auseinandersetzten. Dieser Prozess gipfelte dann in so utopischen Ideen wie dem Kugeltheater von A. Weininger (1924), in dem die Zuschauer am Rand einer Kugel Platz finden und die Spielfläche als Kreis in der Kugel angeordnet ist. Dieser Ansatz wurde in ähnlicher Weise zur Weltausstellung in Osaka ausgeführt. In diesem Kugelauditorium saßen die Zuhörer in der Mitte, während die Musik aus 50 um sie herum angeordneten Lautsprechern ertönte.[1] Gerade dieses letzte

Raumkonzept zeigt wieder die Überlegungen zur Abhängigkeit von Raumform und Akustik.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Theater in Epidauros, ca. 350-340 v. Chr.

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Abb.2 Theatro alla Scala

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Abb. 3 Kugeltheater, A. Weininger, 1924

2. Einführung - Allgemeine akustische Anforderungen

Die akustischen Anforderungen an ein Gebäude, in dem Musik gemacht werden soll, sind extrem groß. Dabei ist die Wahrnehmung des Zuhörers ebenso wichtig wie die des Musikers. Bei der Akustikplanung geht es „vor allem um die akustische Qualität einer räumlichen Konstellation (...) und der Zusammenhang mit der bildlichen Form.“[2]

Jeder kennt das Problem und das Unbehagen, das man verspürt, wenn Ton und Bild nicht synchron laufen. Raumakustische Maßnahmen dienen also auch der Orientierung; woher der Ton kommt und wer ihn erzeugt. Natürlich könnte man in einem Konzertsaal auch die Augen schließen, aber das visuelle Moment ist auch bei einer solchen Aufführung nicht unwichtig. Schließlich wird jedes Erlebnis mit jedem Mehreinsatz eines Sinnes intensiver.

In einem Konzertsaal gelangen die Schwingungen von allen Seiten an das menschliche Ohr, am lautesten direkt von der Bühne. Die unzähligen durch die Akustikplanung erzeugten Echos verwandeln dann diese Schwingungen in eine „zarte musikalische Umarmung“, die je nach Raum die Qualität eines Hörerlebnisses beeinflussen. Der Musiker versetzt die Luft mit seinem Instrument in Schwingungen und der Raumgestalter verändert mit seinen Ausbauten die dreidimensionale Ausbreitung, um die gewünschte Überlagerung der Töne zu erzeugen.[3]

In der Regel ist es so, dass der Akustikplaner erst dann zu Rate gezogen wird, wenn das Raumkonzept bereits fertig ist. Er ist also nicht Schöpfer des Raumes. In diesem Fall stellte sich die Frage, warum nicht alle Konzertsäle nach einem perfekten Grundmodell erschaffen wurden und werden.

Bei beiden im Folgenden beschriebenen Beispielen handelt es sich um zentriert organisierte Konzerträume, deren akustische Planung exemplarisch und aufwendig sind. Die Philharmonie in Berlin von Hans Scharoun kann man in dem Zusammenhang vielleicht als eine Art Wegbereiter bezeichnen, da sie im Konzertsaalbau der erste Zentralraum der Neuzeit war. Akustikplanungen vor dieser Zeit waren für die klassische Guckkastenbühne mit den dazugehörigen Flankenwänden ausgelegt. Der Schall war von der Bühne zu einer Seite gerichtet. Mit der Bühne im Mittelpunkt brauchte es auf einmal ganz andere Reflektions- und Absorptionsflächen.

Nichtsdestotrotz sind die meisten als reine Konzertsäle konzipierten Räume als Zentralräume mit dem Orchester im Zentrum geplant worden. Auch die Philharmonie in Köln von den Architekten Busmann+Haberer, die 23 Jahre nach der in Berlin fertiggestellt wurde, greift diese Grundform auf. Hier spielt neben der Schallverteilung im Saal selbst vor allem der Schallschutz gegen Fremdgeräusche eine große Rolle. Die besondere Lage unter der Erde setzt die Parameter bei der Akustikplanung. Bei beiden hier vorgestellten Projekten war die Zusammenarbeit von Architekt und Akustikplaner von großer Wichtigkeit. Bereits sehr früh im Planungsprozess wurden sie in die gemeinsame Arbeit integriert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4 Raum mit Schlagzeug

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Abb. 5 Tonhalle, Düsseldorf

3. Philharmonie, Berlin

3.1 Städtebauliche Einbindung und konzeptioneller Ansatz

Als Teil des Kulturforums liegt die Berliner Philharmonie am Rande des Tiergartens zwischen Tiergartenstraße und Potsdamer Straße. Dort steht sie seit 1963 als städtebaulicher Solitär, der eigentlich an einer ganz anderen Stelle geplant worden war. Nachdem die alte Berliner Philharmonie in der Bernburger Straße im Januar 1944 durch einen Bombentreffer zerstört worden war, schrieb das Land Berlin 1956 einen Wettbewerb für den Neubau aus. Als zukünftigen Standort sah man ein Grundstück an der Bundesallee hinter dem unter Denkmalschutz stehenden Joachimsthaler Gymnasium vor. Nach langen Diskussionen über diesen Standort, den die Berliner Öffentlichkeit als zu sehr auf den Westteil der Stadt bezogen empfand, entschied das Abgeordnetenhaus, den Neubau an den Südrand des Tiergartens zwischen Kemper- und Matthäikirchplatz zu verlegen, um die Gesamtberliner Bedeutung hervorzuheben.[4] Aus dem Wettbewerb für den Neubau ging im Januar 1957 Hans Scharoun (*1893 in Bremen, † 1972 in Berlin) als Sieger hervor.

Grundansatz seines Entwurfes war die einfache Überlegung, dass wo immer improvisiert Musik gemacht wird, die Leute sich kreisförmig um den Darbietenden ansammeln. Er sah keinen Grund, warum sich das nicht auch im Neubau der Philharmonie realisieren lassen sollte. Dieses auf die Urform des Musizierens in der Runde – dem Rundgesang mit dem wärmenden Feuer in der Mitte – zurückzuführende Phänomen sollte nachempfunden werden.

„Musik sollte räumlich und optisch im Mittelpunkt stehen.“[5] Das Orchester und der Dirigent rückten deshalb ins Zentrum, während das Publikum näherungsweise kreisförmig um das Podium herum angeordnet wurde. Dem Auditorium wird so ein völlig neuer Blick auf das Orchester und vor allem auf den Dirigenten geboten.[6]

Ein Blick auf die Urskizze macht diesen inhaltlichen Mittegedanken deutlich, aber ebenso, dass Scharoun die Philharmonie nicht als reinen Zentralraum konzipiert hat. Gerade im Schnitt zeigt sich, dass es vielmehr eine Symbiose von Längs- und Zentralraum ist.

Das Preisgericht schrieb in seiner Beurteilung, dass „solche um das Orchester herum angeordneten Plätze von vielen Zuhörern sehr begehrt“ seien und dass „der optische Eindruck der voll besetzten Halle ein besonders festlicher“[7] sein würde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6 Lageplan Kulturforum, Berlin

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Abb. 7 Urskizze, Grundriss

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Abb. 8 Urskizze, Schnitt

3.2 Gebäudebeschreibung und Grundrissorganisation

Das wohl Charakteristischste, wenn man sich der Philharmonie nähert, ist die Silhouette der Dachlandschaft: drei Schwüngen, die die Saaldecke nachzeichnen. Grundsätzlich setzt sich das Gebäude aus zwei Teilen zusammen: dem doppelgeschossigen Sockel, der zum größten Teil in verglaste Flächen und weiß gestrichene Betonflächen aufgeteilt ist, und dem monolithischen, sich aus dem Sockel erhebenden Saalkörper, der anfangs aus Kostengründen ohne die geplante Fassadenbekleidung auskommen musste. 1978–1981 wurden die goldfarbenen Kunststoffplatten nachträglich angebracht.

Betritt man nun die Philharmonie durch den Haupteingang, der auf jegliche Form von Dekor verzichtet, sondern lediglich durch ein weit auskragendes Dach auf sich aufmerksam macht, gelangt man in die kleine, wenig belichtete Vorhalle, an die auch die Kassenschalter angelagert sind. Danach weitet sich der Raum zur eigentlichen „Foyerlandschaft“ auf.­­[8] Hier wirken vor allem die sich abzeichnenden Parkettebenen des Saals raumbildend. Auf verschiedenen Ebenen und Galerien erzeugt Scharoun eine Vielzahl von unterschiedlichen Bereichen und intimen Räumen, ohne die Großzügigkeit des Gesamtraumes zu zergliedern. Die Durchwegung erscheint auf den ersten Blick ziemlich unübersichtlich und erschließt sich dem Besucher nicht sofort. Erst beim „Erwandern“ des Foyers findet man die Orientierung wieder. Über zum Teil brückenartig schwebende Zugangsstege betritt man dann den eigentlichen Saal durch als Schallschleusen ausgebildete Eingänge.[9]

Hier - im Herzstück des Gebäudes - erkennt man sofort die Grundidee des Gebäudes – „Musik im Mittelpunkt“. ­ Inhaltlich hat sie diesen Platz schon immer, nun rückt sie auch räumlich und optisch ins Zentrum. Scharoun legt die Bühne für Orchester und Dirigenten zwar nicht in die mathematische, dafür aber in die ideelle Mitte.[10] Er vertritt die Auffassung, dass die traditionelle Raumaufteilung eines Theaters mit Guckkastenbühne auf der einen und dem Zuschauerraum auf der anderen Seite für das Funktionieren eines Konzertsaals nicht nötig ist. Der Begriff der „Demokratie als Bauherr“[11] stand für die Idee, sich von der strengen Anordnung der Ränge, der Bühne und auch der Ehrenloge zu lösen und allen Zuhörern die gleiche Sicht und Tonqualität zu gewährleisten.

An der höchsten Stelle des Raumes befindet es sich, das dreifach verschobene Pentagon, das zum Markenzeichen des Berliner Philharmonischen Orchesters geworden ist. Das Fünfeck war das Zeichen der mittelalterlichen Dombauhütten und galt als Symbol für das Geheimnis, das von Mund zu Mund weitergetragen wurde. Scharoun interpretierte es neu und entwickelte daraus den Grundriss des Saals. Es steht für die Einheit von Raum, Musik und Mensch.

[...]


[1] Vgl. Edgar Wisniewski, S. 22ff

[2] Zitiert nach Kreative Raumakustik, S. 15

[3] Vgl. Kreative Raumakustik, S. 15ff

[4] Vgl. Die Neuen Architekturführer Nr. 30, S.6ff

[5] Zitiert aus Edgar Wisniewski, S. 64

[6] Vgl. Edgar Wisniewski, S. 64

[7] Zitiert aus Architektur Wettbewerbe, S. 92

[8] Vgl. Die Neuen Architekturführer Nr. 30, S.12ff

[9] Vgl. Edgar Wisniewski, S. 85f

[10] Vgl. Edgar Wisniewski, S. 97

[11] Vgl. Die Neuen Architekturführer Nr. 30, S.20

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Konzertsäle: Die Philharmonien in Berlin und in Köln im Vergleich
Hochschule
Brandenburgische Technische Universität Cottbus  (LS für Entwerfen, Gebäudekunde und Raumgestaltung)
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
16
Katalognummer
V10294
ISBN (eBook)
9783638167581
Dateigröße
1281 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Arbeit im Querformat. Sehr dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand. 1035 KB
Schlagworte
Konzertsäle, Philharmonien, Berlin, Köln, Vergleich
Arbeit zitieren
Stefanie Dräger (Autor:in), 2002, Konzertsäle: Die Philharmonien in Berlin und in Köln im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10294

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