Infrarotspektroskopie
Grundlagen
Die verschiedenen Arten der Spektroskopie nutzen die Adsorption, Emission oder Streuung von Strahlen an Atomen oder Molekülen. Die Infrarotspektroskopie im speziellen nutzt die Möglichkeit Atome in Molekülen mit Hilfe elektromagnetischer Strahlung im infraroten Bereich zu Schwingungen anzuregen.
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Das Infrarot liegt direkt unter dem Bereich, den das Auge als rotes Licht wahrnimmt. Im Praktikum wird Licht mit Wellenlängen von 2500 bis 25000 nm verwendet. Als Skala wird in der IR-Spektroskopie jedoch nicht die Wellenlänge l sondern deren Reziprokwert, die Wellenzahl n˜ , die Anzahl der Wellen pro Zentimeter, verwendet.
Für das Praktikum gilt also 400 cm-1 £ n £ 4000 cm-1 . Die Energie der IR-Strahlung
reicht zwar aus, um kovalente Bindungen in Schwingung zu versetzen, ist jedoch zu schwach, um diese Bindungen zu brechen.
Die Frequenz n einer Welle hängt mit der Lichtgeschwindigkeit c und der Wellenlänge l zusammen:
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Die Wellenzahl n˜ ist der Kehrwert der Wellenlänge l, für den Zusammenhang mit der Frequenz n gilt daher:
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Bei der Spektroskopie mit infraroter Strahlung ist der ausschlaggebende Punkt, dass die IR-Strahlung nur dann von einem Molekül absorbiert wird, wenn die Energie der Strahlung genau der Energie entspricht, die für die Anregung einer Schwingung benötigt wird. Diese Voraussetzung ist die Resonanzbedingung.
Zur Erklärung der Schwingungen dienen zwei verschiedene Ansätze: der harmonische und der anharmonische Oszillator.
Der harmonische Oszillator
Der harmonische Oszillator hat die makroskopische Betrachtung zweier durch eine elastische Feder verbundenen Massen (zweiatomiges Molekül) zur Grundlage. Werden die Massen m1 und m2 aus ihrer Ruhelage um den Betrag ∆r ausgelenkt, so schwingen sie aufgrund einer der Auslenkung entgegen wirkenden Kraft K um die Ruhelage. Dieses Verhalten wird durch das Hook’sche Gesetz beschrieben:
K = -k × Dr
Die Proportionalitätskonstante k stellt ein Maß für die Stärke der Feder oder der Bindung der Atome dar, das Minuszeichen soll andeuten, dass die Kraft der Auslenkung entgegenwirkt. Die potentielle Energie der Schwingungsbewegung V(r) ergibt sich aus:
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re = Gleichgewichtsabstand r = re + ∆r
Es handelt sich um die Gleichung einer Parabel, wie auch aus dem Diagramm ersichtlich ist. Die zugehörige Schwingung wird daher als harmonisch bezeichnet.
Für die Eigenfrequenz νvib folgt nach der klassischen Mechanik:
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Aus der Formel ist ersichtlich, dass die Schwingungsfrequenz n um so höher liegt, je stärker die Bindung ist (desto größer ist auch die Kraftkonstante k) und je kleiner die Massen der beteiligten Atome sind (desto kleiner ist die reduzierte Masse m).
Quantenmechanische Betrachtungen liefern für die Energie-Eigenwerte Ev des harmonischen Oszillators folgende Gleichung:
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Die Schwingungsquantenzahl v beschreibt die Energieniveaus der Schwingung, welche stets den gleichen Abstand h ×nvib besitzen. Aufgrund der Auswahlregel ∆v = ±1 sind nur Übergänge zwischen benachbarten, äquidistanten Energieniveaus erlaubt. Das würde bedeuten, dass nur bei einer einzigen Frequenz absorbiert werden würde. Da dies in der Realität anders ist, muss der harmonische Ansatz erweitert werden.
Der anharmonische Oszillator
Das Modell des harmonischen Oszillators stößt beim Auftreten von Kombinations- und Oberschwingungen, d.h. Übergänge mit ∆v > ±1, und der Dissoziation von Molekülen bei hoher Energiezufuhr an seine Grenzen. Diese Phänomene sind im Modell des anharmonischen Oszillators berücksichtigt. Zunächst wird das Morse-Potential eingeführt:
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a : Krümmung der Kurve E0 : Nullpunktsenergie
ED : Dissoziationsenergie D = E0 + ED
Damit ergibt sich das nebenstehende Diagramm.
Die Anregung einer Schwingung führt dazu, dass das Molekül durch Absorption eines Lichtquants vom Schwingungszustand v = n in einen höheren Zustand wie z.B. v = n + 1 übergeht. Die Energiedifferenz der Zustände entspricht dann aufgrund der Resonanzbedingung der Energie des Lichtquants.
Bei quantentheoretischer Behandlung findet man für die Energie-Eigenwerte des anharmonischen Oszillators die Näherung:
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Der immer positive Faktor x wird Anharmonizitätskonstante genannt. Die Größe von x ist ein Maß für die Abweichung vom idealen, harmonischen Modell. Durch x wird mit wachsendem v der Abstand benachbarter Schwingungsniveaus bis zum Erreichen der Dissoziationsgrenze immer kleiner. Die Auswahlregel lautet als Folge der Anharmonizität nun ∆v = ±1, ±2, ±3, ...
Es sind also Übergänge zwischen weiter entfernten Energieniveaus erlaubt:
v = 0 - v = 1: Grundschwingung,
v = 0 - v = 2: Erste Oberschwingung,
v = 0 - v = 3: Zweite Oberschwingung, ...
Die Intensitäten der Oberschwingungen sind weit weniger stark als diejenigen der Grundschwingung.
Ein Problem, das die Auswertung von IR-Spektren erschwert, ist die sogenannte Fermi - Resonanz. Wenn eine Oberschwingung zufällig die gleiche Frequenz wie eine Grundschwingung besitzt, kommt es zu einer Aufspaltung. Die Schwingungen können sich aufgrund des Pauli-Prinzips nicht überlagern und spalten sich in zwei Absorptionsbanden auf, die eine etwas höher und die andere etwas tiefer als die eigentliche Schwingung. Eine Zuordnung der Banden zu einer Schwingung ist dann nicht mehr möglich.
Normalschwingungen
Jedes Atom besitzt 3 Freiheitsgrade um bezüglich der Raumachsen zu schwingen. Für das gesamte Molekül ergeben sich also 3 × N Schwingungsfreiheitsgrade.
Da der Schwerpunkt des Moleküls definiert sein muss (ohne diesen könnte man keine Bewegung oder Verzerrung des Atomgerüstes formulieren), entfallen 3 Freiheiten, welche die Translationsbewegung des Moleküls (bzw. seines Schwerpunktes) entlang der drei Raumachsen beschreiben. Es verbleiben also 3 N - 3 Freiheitsgrade, die unabhängig von der Lage des Schwerpunktes variieren können.
Für die genaue Beschreibung der Position des Schwerpunktes fallen zusätzlich noch dessen Rotationsfreiheiten weg. Bei einem gewinkelten Molekül sind dies 3, so dass noch 3 × N - 3 - 3 = 3 × N - 6 Freiheiten übrig bleiben. Da ein lineares Molekül nur zwei Rotationsmöglichkeiten besitzt, gilt hierfür 3 × N - 3 - 2 = 3 × N - 5
Ein Molekül mit N Atomen hat also folgende Anzahl n an Normalschwingungen: n = 3 × N - 6 (gewinkeltes Molekül) n = 3 × N – 5 (lineares Molekül)
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Merkmale einer Normalschwingung Q sind, dass sich alle Atome mit der gleichen Frequenz bewegen und zugleich die Ruhelage und Umkehrpunkte durchlaufen und dass der Massenschwerpunkt des Moleküls erhalten bleibt. IR-Aktivität einer Normalschwingung ist nur vorhanden, wenn es zu einer periodischen Änderung des Dipolmomentes kommt.
Häufig gestellte Fragen
Was ist Infrarotspektroskopie?
Infrarotspektroskopie ist eine spektroskopische Methode, die die Absorption, Emission oder Streuung von Infrarotstrahlung durch Atome oder Moleküle nutzt, um deren Schwingungszustände anzuregen. Sie wird verwendet, um die Struktur und Zusammensetzung von Substanzen zu analysieren.
Was ist die Wellenzahl in der IR-Spektroskopie?
Die Wellenzahl (n˜) ist der Reziprokwert der Wellenlänge (λ) und wird in der IR-Spektroskopie verwendet, um die Energie der IR-Strahlung zu beschreiben. Sie wird in der Einheit cm-1 angegeben und entspricht der Anzahl der Wellen pro Zentimeter.
Was ist die Resonanzbedingung bei der IR-Spektroskopie?
Die Resonanzbedingung besagt, dass IR-Strahlung nur dann von einem Molekül absorbiert wird, wenn die Energie der Strahlung genau der Energie entspricht, die für die Anregung einer Schwingung im Molekül benötigt wird.
Was ist ein harmonischer Oszillator im Kontext der Infrarotspektroskopie?
Der harmonische Oszillator ist ein Modell, das die Schwingung von Atomen in einem Molekül als die einer Masse beschreibt, die durch eine elastische Feder verbunden ist. Er dient als Grundlage zur Beschreibung der Schwingungsfrequenzen, berücksichtigt aber nicht alle realen Effekte.
Was ist ein anharmonischer Oszillator?
Der anharmonische Oszillator ist eine Erweiterung des harmonischen Oszillatormodells, das auch Kombinations- und Oberschwingungen sowie die Dissoziation von Molekülen bei hoher Energiezufuhr berücksichtigt. Er wird durch das Morse-Potential beschrieben.
Was sind Normalschwingungen?
Normalschwingungen sind Schwingungsmodi eines Moleküls, bei denen sich alle Atome mit der gleichen Frequenz bewegen und gleichzeitig die Ruhelage und Umkehrpunkte durchlaufen, während der Massenschwerpunkt des Moleküls erhalten bleibt.
Was ist die Fermi-Resonanz?
Die Fermi-Resonanz tritt auf, wenn eine Oberschwingung zufällig die gleiche Frequenz wie eine Grundschwingung besitzt. Dies führt zu einer Aufspaltung der Schwingungen in zwei Absorptionsbanden, was die Zuordnung der Banden erschwert.
Wie berechnet man die Anzahl der Normalschwingungen?
Die Anzahl der Normalschwingungen hängt von der Anzahl der Atome (N) im Molekül ab. Für ein gewinkeltes Molekül gilt: n = 3 × N - 6. Für ein lineares Molekül gilt: n = 3 × N - 5.
Was macht eine Normalschwingung IR-aktiv?
Eine Normalschwingung ist IR-aktiv, wenn sie zu einer periodischen Änderung des Dipolmomentes des Moleküls führt. Auch Moleküle ohne Dipolmoment in der Gleichgewichtslage können IR-aktiv sein, wenn sich ihre Ladungsschwerpunkte durch die Schwingung verschieben.
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- Benjamin Bulheller (Author), 2001, Infrarot-Spektroskopie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102826