Der Schüler Gerber - von Friedrich Torberg
Autor
- Friedrich Torberg, geb. am 16.09.1908 in Wien, studierte in Prag und Wien - schrieb Theaterkritiken
- 1921 zog die ganze Familie nach Prag - in Prag herrschte das alte Schulsystem der untergegangenen Monarchie - im Gegensatz zu Wien, wo die Glöckelsche Schulreform ihr ersten Erfolge hatte
- 1927 fiel er durch die Matura, die er auch ein Jahr später nur knapp bestand
- 1938 emigrierte er in die Schweiz
- starb am 10.11.1979 in Wien
Roman
- Veranlassung zu diesem Werk waren 10 Schülerselbstmorde, die in einer einzigen Woche im Jänner 1929 von den Zeitungen gemeldet wurden, sowie persönliche Schulerlebnisse Torbergs (musste 2x zur Matura antreten), die er in seinem Roman verwertet hat.
- von autobiographischen Zügen geprägter Roman eines tragisch endenden Schülerschicksals
Zeit/Gesellschaft
- der 1. WK ist vorbei - Menschen leben in Not und benötigen Geld für den Wiederaufbau - Kinder leiden, weil Zuneigung zu den Eltern fehlt
- Schulbesuch - nicht selbstverständlich - Luxus
Sprache
- sowohl personal als auch teilnehmende Erzählhaltung - in der personalen fühlt und denkt man mit Kurt Gerber - innere Monologe, die einen besseren Einblick in die Psyche von Kurt geben und sehr oft zum besseren Verständnis der Handlung beitragen - Roman ist aber kein „Ich -Bericht“
- äußere Form ist eine geschlossene Form - am Anfang werden die wichtigsten Hauptpersonen vorgestellt
- Text besteht aus einfachen Hauptsatzreihen und Satzgefügen - leicht verständliche Sprache - Vermeidung von Fremdwörtern und beschränkt sich auf kurze Sätze
Aufbau
- Roman spielt in irgendeiner Österreichischen Stadt - Zeitpunkt des Geschehens ist im frühen 20. Jahrhundert, ca. 1930
- berichtet chronologisch von den Erlebnissen des letzten Jahrganges am Realgymnasium XVI
- Zentral ist die sich stets wiederholende, doch für jeden Abiturenten einmalige Erfahrung, einer letzten, alles entscheidenden Prüfung.
- Roman endet mit der lapidaren Zeitungsnotiz: „Wieder ein Schülerselbstmord..“
- Höhepunkt liegt bei der Angst durchzufallen und dem darausfolgendem Selbstmord des Schülers
Gliederung
- 12 Kapitel - die alle in Wien spielen (Ausnahme: die Schiwoche nach dem Semesterzeugnis)
- Die Kapitel bilden immer einen abgeschlossenen Teil der Handlung - am Anfang eines jeden Kapitel wird ein neues Thema behandelt
- ganze Buch: Kampf zwischen Kurt Gerber und Arthur Kupfer
Inhaltsangabe
- Schilderung der Probleme des 19-jährigen Gymnasiasten Kurt Gerber, der im letzten Jahr vor der Reifeprüfung vom herrschsüchtigen und sadistischen Prof. Kupfer tyrannisiert wird.
- Vater rät Kurt, er solle die Schule wechseln - will aber nicht - Kurt lernt mit 2 Mitschülern
- Kurt wird gut in der Schule aber er kommt sich bald als Verräter gegenüber den Schlechteren (=seinen Freunden) vor und so verschlechtern sich seine Leistungen wieder als - einer stirbt (Benda) - niemand trauert um ihn - Kurt macht sich Gedanken, wenn er sterben würde, ob da auch niemand trauern würde
- bekommt 2 5er und lernt nichts mehr - Kurt nimmt Nachhilfestunden
- Kurt hat die Unterschrift seines Vaters gefälscht - Vater regt sich auf - bekommt einen Herzinfarkt
- Zweifel ob er die Matura bestanden hat - will keine negatives Ergebnis - deshalb Selbstmord - Prüfungskommission hätte ihn für reif erklärt
- erste Liebe mit Lisa Berwald
- sie kommt in die Schule - sie ruft ihn zu sich - redet aber mit anderen weiter - dann geht sie mitten in der Stunde - Kurt rennt ihr nach - stürzt ungeschickt auf der Treppe - verletzt sich am Bein - rennt weiter - Lisa arbeitet in einem Kunstgewerbeatelier - vereinbaren, dass er sie am Montag anruft - begegnet Kupfer - erwischt ihn auch beim Rauchen - Schmerzen am Bein - Fieber - Blutvergiftung
- Weinberg, Freund, kommt ihn besuchen und will ihn an die morgige MAM-SA erinnern - Kurt lernt aber nichts
- Winterferien
Kurt fährt mit Lisa und 7 anderen Freunden Ski fahren. Lisa hat ihn eingeladen - weist ihn aber immer wieder zurück, wenn Kurt sie küssen will - Lisa hat sich am Knöchel verletzt - er geht sie besuchen - sie macht ihm zum 1. mal einen Liebesbeweis Vater schreibt einen Brief er soll heimkommen und Nachhilfestunden nehmen
Charakteristik:
Arthur Kupfer
- sadistisch - herrschsüchtig - Tyrann - es mangelt ihm an Menschlichkeit - ist sofort mit Vorurteilen behaftet und gibt niemanden einen 2. Chance - erwartet sich von jedem, dass er perfekt ist und verzeiht keine Fehler
- sieht die Schüler nicht als Menschen, sondern als Lernmaschinen und zeigt sich daher niemals persönlich - wenn er sich nämlich persönlich zeigt, wird die Kluft zwischen den Schülern und ihm kleiner und er steht nicht mehr hoch über ihnen
- macht einen kalten Unterricht und nimmt an, dass alle alles verstanden haben - geht auf keinen Schüler ein und sorgt sich auch nicht darum, ob ein Schüler das Jahr besteht oder nicht - Hauptsache für ihn: Bewahrung seiner Autorität
- nach seiner Ansicht nach muss ein Schüler Unterwürfigkeit besitzen (Gerber hat das nicht) - will Kurt demütigen (die ganze Klasse) - kann Gerber nicht leiden
- Klassenvorstand von Kurt Gerber - unterrichtet Mathematik und Darstellende Geometrie
- wird von den Schülern wegen seiner Unfehlbarkeit und Strenge „Gott Kupfer“ genannt - „ein Gott mit beschränkter Haftung“ hört den Namen Gott Kupfer gern, wegen Autorität, die er im normalen Leben nicht hat
- spielt nach außen den starken Mann, doch eigentlich hat er versagt und ist genau das Gegenteil, denn im normalen Leben ist er ein Niemand - möchte allen demonstrieren, dass er seine Schüler in der Hand hat und über ihr Leben mitentscheiden kann
Kurt Gerber
- Hauptfigur - hat Probleme mit dem Lehrer - Vater traf Lehrer am Strand und hat gesagt, dass er Schüler wie Kurt noch klein bekommen würde.
- Schwäche in Mathematik und Darstellender Geometrie - bekommt in Kupfers Fächern „Nicht Genügend“ - Gerber zweifelt an sich selbst
- glaubt er kann Matura schaffen will aber seinen strengen Vater die Schande des Durchfallens ersparen
- renitent (aufmüpfig) und mental schwach - frühreif - sensibel - gehört zu den intelligentesten in seiner Klasse
- Alpträume von Lisa Berwald, seiner einstigen Kollegin - er liebt sie - kann aber nicht mit ihr zusammen sein
- stürzt sich kurz vor der Bekanntgabe seines Bestehens der Reifeprüfung aus dem Fenster
- Beginn: optimistisch - Ende: hoffnungslos, wahnsinnig - bereitet sich gut vor für die Matura - versagt aber in MAM und DG
- kann sich mit den alltäglichen Problemen an die Eltern wenden - aber er hat keinen Freund, mit dem er intime Themen besprechen kann - muss alle größeren Schwierigkeiten mit sich selber lösen - aus diesem Grund scheitert er am Ende, er kann sein größtes Problem, den Verlust von Lisa, mit niemandem besprechen
- kurz nach den Ferien motiviert - will die Matura schaffen - als er einen 5er bei Kupfer erhält, verliert er die Motivation - Semesterzeugnis: er beginnt zu kämpfen - wird besser, doch Kupfer honoriert seine Leistungen nicht - Kurt wird desinteressiert - schlechte Noten
- sieht nur mehr den Selbstmord als Lösung - sehr labiler Mensch, lässt sich leicht durch Geschehnisse und Aussagen beeinflussen und entmutigen
Lisa Berwald
- ist ein reifes und hübsches Mädchen, das vor der 8. Klasse die Schule verließ, um einen Beruf zu erlernen - sah keine Zukunft mit ihrer Schulbildung und wollte ihr Leben in die Hand nehmen - es nervte sie Lehrern ausgesetzt zu sein
- ist ein leidenschaftlicher Mensch, lässt sich von niemanden was sagen - feiert gerne Feste und macht, was ihr Spaß macht - hat es geschafft ihr Leben in den Griff zu bekommen und einen gesicherten Job zu haben
- ist eine ehemalige Klassenkollegin Gerbers - ist unsterblich in sie verliebt - erwidert diese Liebe aber nicht und weiß damit auch nichts anzufangen, findet Kurt nur nett - deshalb lässt sie ihn nicht zu dicht an sich herankommen
- sie erreicht immer mit einem Mindestmaß von Aufwand das Höchstmaß an Leistung
- ist ein praktisch veranlagter Mensch und trifft alle Entscheidungen instinktiv und gefühlsmäßig richtig
Vater Gerber
- schwer krank und um seinen Sohn besorgt - hat ein schweres Herzleiden und kann keine Aufregung ertragen
- hat Schuldgefühle, weil er sich um seinen Sohn nicht kümmern und ihm kein normaler Vater sein kann - versucht seine Schuldgefühle mit übertriebener Sorge um seinen Sohn zu kämpfen - sieht nur Kurts Matura, sonst nichts mehr
- erwartet von seinem Sohn, dass er ihm jegliche Aufregung erspart, dadurch setzt er seinen Sohn unter Druck und wird damit auch ein Mitschuldiger für den Tod - er ist sich nicht bewusst, dass sein Sohn durch das Herzleiden des Vaters mitbelastet ist
Interpretation
- Kennproblem in diesem Stück ist das Zusammenprallen von Selbstherrlichkeit und missbrauchter Macht auf immer schwächer und sinnloser werdenden Widerstand.
- Torberg will aufzeigen, dass allmählich das Selbstwertgefühl Gerbers so weit abgebaut wird, dass er nicht mehr auf seine vorhandenen Fähigkeiten vertraut. Er gibt auf, ehe überhaupt klar ist, ob er die Matura bestehen wird oder nicht.
- Verschlimmert wird seine Lage durch den Druck des Elternhauses.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist der Autor von "Der Schüler Gerber"?
Friedrich Torberg, geboren am 16.09.1908 in Wien, studierte in Prag und Wien und schrieb Theaterkritiken. Er emigrierte 1938 in die Schweiz und starb am 10.11.1979 in Wien.
Was inspirierte Torberg zum Schreiben von "Der Schüler Gerber"?
Die Veranlassung zu diesem Werk waren 10 Schülerselbstmorde, die in einer einzigen Woche im Jänner 1929 von den Zeitungen gemeldet wurden, sowie persönliche Schulerlebnisse Torbergs.
Welche Themen werden in dem Roman behandelt?
Der Roman thematisiert das tragische Schicksal eines Schülers, geprägt von autobiographischen Zügen des Autors. Er behandelt Themen wie Schulprobleme, Leistungsdruck, die Beziehung zu Lehrern (insbesondere zu einem herrschsüchtigen Lehrer namens Kupfer), die Angst vor dem Versagen bei der Matura und die daraus resultierenden psychischen Belastungen bis hin zum Selbstmord.
In welcher Zeit und Gesellschaft spielt die Geschichte?
Die Geschichte spielt in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, vermutlich um 1930, in einer österreichischen Stadt. Die Gesellschaft ist geprägt von den Nachwirkungen des Krieges, wirtschaftlicher Not und einer konservativen Schulbildung.
Was ist die Erzählperspektive im Roman?
Der Roman wird sowohl in personaler als auch in teilnehmender Erzählhaltung erzählt. Die personalen Passagen ermöglichen es dem Leser, mit Kurt Gerber mitzufühlen und seine Gedanken nachzuvollziehen. Innere Monologe geben Einblick in seine Psyche.
Wie ist der Roman aufgebaut?
Der Roman besteht aus 12 Kapiteln, die jeweils einen abgeschlossenen Teil der Handlung darstellen und in Wien spielen (mit Ausnahme der Schiwoche). Zentral ist die Erfahrung der alles entscheidenden Reifeprüfung. Der Roman endet mit der Zeitungsnotiz über einen Schülerselbstmord.
Was ist die zentrale Handlung des Romans?
Die Handlung schildert die Probleme des 19-jährigen Gymnasiasten Kurt Gerber, der im letzten Jahr vor der Reifeprüfung vom sadistischen Prof. Kupfer tyrannisiert wird. Gerber kämpft mit dem Leistungsdruck, der Angst vor dem Durchfallen und den daraus resultierenden psychischen Belastungen. Er erlebt eine erste Liebe, aber die Schwierigkeiten in der Schule und der Druck von zuhause führen schließlich zu seinem Selbstmord.
Wer sind die wichtigsten Charaktere im Roman?
Die wichtigsten Charaktere sind: Kurt Gerber (der Schüler), Arthur Kupfer (der Lehrer), Lisa Berwald (Kurts erste Liebe) und Vater Gerber (Kurts Vater).
Wie wird Arthur Kupfer charakterisiert?
Arthur Kupfer wird als sadistischer, herrschsüchtiger und tyrannischer Lehrer dargestellt, dem es an Menschlichkeit mangelt. Er demütigt seine Schüler und übt unberechtigten Druck aus.
Wie wird Kurt Gerber charakterisiert?
Kurt Gerber wird als renitenter, aber mental schwacher Schüler dargestellt, der intelligent, aber sensibel ist. Er hat Probleme mit Mathematik und Darstellender Geometrie und zweifelt an sich selbst.
Wie wird Lisa Berwald charakterisiert?
Lisa Berwald wird als reifes und hübsches Mädchen dargestellt, die vor der 8. Klasse die Schule verließ, um einen Beruf zu erlernen. Sie ist selbstbewusst und unabhängig.
Wie wird Vater Gerber charakterisiert?
Vater Gerber wird als schwer kranker und um seinen Sohn besorgter Vater dargestellt. Er übt Druck auf Kurt aus, indem er erwartet, dass dieser ihm jegliche Aufregung erspart.
Was ist die zentrale Interpretation des Romans?
Der Roman zeigt das Zusammenprallen von Selbstherrlichkeit und missbrauchter Macht auf immer schwächer werdenden Widerstand. Torberg will aufzeigen, dass das Selbstwertgefühl Gerbers so weit abgebaut wird, dass er nicht mehr auf seine Fähigkeiten vertraut.
- Quote paper
- Christina Wlaschitz (Author), 2001, Torberg, Friedrich - Der Schüler Gerber, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102780