Was treibt einen jungen Mann in den Abgrund der Verzweiflung, aus dem es kein Entkommen mehr gibt? Johann Wolfgang von Goethes "Die Leiden des jungen Werther" ist mehr als nur eine tragische Liebesgeschichte; es ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den existenziellen Fragen des Lebens, der unerfüllten Sehnsucht und der zerstörerischen Kraft unglücklicher Leidenschaft. Wir begleiten Werther auf seinem schmerzhaften Weg, von der ersten flüchtigen Begegnung mit der bezaubernden Lotte bis hin zu seinem unausweichlichen Untergang. Der hier analysierte Brief vom 10. September offenbart auf erschütternde Weise Werthers innere Zerrissenheit. Gezeichnet von tiefem Gefühl, schwankend zwischen Hoffnung und Verzweiflung, nimmt er Abschied von Lotte, wissend, dass seine Liebe zu ihr niemals erwidert werden kann. Goethes meisterhafte Sprache fängt die subtilen Nuancen von Werthers Gefühlswelt ein, seine Euphorie, seine Melancholie, seine rasende Eifersucht. Die Naturbeschreibungen spiegeln auf eindringliche Weise seinen inneren Zustand wider, die düstere Landschaft wird zum Spiegel seiner Seele. Der Brief offenbart die komplizierte Dreiecksbeziehung zwischen Werther, Lotte und Albert, die von unausgesprochenen Gefühlen, gesellschaftlichen Konventionen und dem unerbittlichen Schicksal geprägt ist. Die Analyse dieses Schlüsseltextes ermöglicht ein tieferes Verständnis von Werthers Charakter und den Motiven für sein Handeln. Der Roman ist ein zeitloses Meisterwerk der deutschen Literatur, das die Leser bis heute in seinen Bann zieht, indem er universelle Themen wie Liebe, Verlust, Entfremdung und die Suche nach dem Sinn des Lebens behandelt. Eine tiefgreifende literarische Analyse, die die psychologischen Feinheiten von Goethes Werk beleuchtet und die anhaltende Relevanz des Romans im Kontext der romantischen Epoche und darüber hinaus verdeutlicht. Goethes "Werther" ist ein Schlüsselwerk der Epoche des Sturm und Drang, das bis heute Leser durch die intensive Darstellung der Gefühle und die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen bewegt. Eine unvergessliche Reise in die Tiefen der menschlichen Seele, die den Leser noch lange nach der letzten Seite beschäftigen wird.
Gliederung:
A) Inspiration zum Roman „Die Leiden des jungen Werther“
B) Erschließung der Textstelle
1. Aufbau des Textes
2. Seelische Verfassung Werthers
C) Einordnung des Briefes in den Roman
Johann Wolfgang von Goethe lernt im Januar 1772 in Wetzlar Charlotte Buff, die Tochter eines Amtsmannes, kennen und wird zu ihrem Begleiter, da deren zukünftiger Ehemann verreist. Bei einigen der Veranstaltungen, die sie gemeinsam besuchen, ist auch Jerusalem zu Gast, ein ehemaliger Kommilitone Goethes. Wenig später nach seiner Abreise jedoch erfährt Goethe von Selbstmord Jerusalems, den die unerfüllte Liebe zur Frau seines Freundes Herd dazu getrieben hat. Im Jahre 1774 verarbeitet Goethe die Geschichte seines Mitstudenten und seine eigene zu einem Roman. Er verfasst „Die Leiden des jungen Werther“, in denen sich ein junger Mann namens Werther in das Mädchen Lotte verliebt, die kurz vor der Verlobung mit einem anderen Mann nämlich Albert steht, der jedoch gerade auf Dienstreise unterwegs ist. Als dieser zurückkehrt, erkennt Werther, dass seine Liebe zu Lotte keine Zukunft hat und verfällt in Depressionen, die schließlich im Suizid enden. In dem im Folgenden analysierten Textausschnitt, dem Brief vom 10. September, nimmt Werther von Lotte Abschied, da er verreisen will.
Der Anfang des Briefes wendet sich direkt an den Adressaten, Werthers Freund Wilhelm (S. 80/Z. 24 --S. 81/Z. 2), geht dann aber bald auf das Ereignis über, das der eigentliche Hauptinhalt des Briefes ist, der Abschied von Lotte am Tag zuvor. Zuerst schildert Werther allerdings die Natur, den Schauplatz des Geschehens und die Erinnerungen, die in ihm geweckt werden (S. 81/Z. 12 - S. 82/Z. 8). Dann endlich hört er Lotte zusammen mit Albert die Terrasse heraufsteigen (vgl. S. 82/Z. 11 f.). Nach einem kurzen Schweigen beginnt Lotte ein Gespräch über den Tod, äußert dabei aber auch ihre Hoffnung auf eine Existenz danach (S. 82/Z. 27 ff.), was ihre Gedanken auf ihre Mutter lenkt und sie von deren Tod erzählen lässt. Diese Schilderung unterbricht der Briefschreiber, um sie dem Empfänger zu verdeutlichen (S. 84/Z. 4 - 6). Darauf folgt der Abschied, jedoch ohne dass Lotte und Albert wissen, dass Werther am nächsten Morgen abreisen will.
Man kann also ersehen, dass Werther das Geschehen auf verschiedenen zeitlichen Ebenen schriftlich festhält. Am Anfang nimmt er Bezug auf die gegenwärtige Situation, schildert dann seine Erinnerungen aus der Vergangenheit, geht später auf das Gespräch am Abend zuvor über und lässt schließlich noch Lotte aus der Zeit vor ihrer Bekanntschaft erzählen.
Werthers seelische Verfassung ändert sich analog zu den verschiedenen Erzählebenen, die im Vorigen geschildert wurden. Zu Beginn des Briefes ist er euphorisch und traurig zugleich. Einerseits ist er zuversichtlich und glaubt, nun alles zu überstehen (vgl. S. 80/Z. 24 f.), andererseits ist er aber den Tränen nahe. Darauf folgt eine nüchterne Schilderung des Schauplatzes, den er jedoch als düster und einsam beschreibt 8vgl. S. 82/Z. 2 f.). Daraus kann man auf seine eigene seelische Verfassung schließen, da der Briefschreiber während des gesamten Romans die Natur als Spiegel der Gefühle benutzt. Bei Lottes Erscheinen ist
Werther sehr aufgeregt und unruhig, er läuft ihr entgegen (vgl. S. 82/Z. 12) und spaziert auf und ab (vgl. S. 82/Z. 18 f.). Als Lotte schließlich das Gespräch auf den Tod bringt, äußert Werther seine Hoffnung auf ein Wiedersehen, bricht jedoch auch in Tränen aus. Er befürchtet, dass Lotte die zukünftigen Entwicklungen voraussieht. Die Erzählungen Lottes jedoch, die er wörtlich wiedergibt, kommentiert er verliebt, ganz ihren Worten verfallen („Wie kann der kalte todte Buchstabe diese himmlische Blüthe des Geistes darstellen!“ S. 84/Z. 5 f.). Er wirft sich auch vor ihr nieder (vgl. S. 84/Z. 20). Von Lottes weiterer Erzählung ist Werther so gefesselt, dass er ganz in diese Welt abtaucht und sich darin verliert. Erst als Lotte sich verabschieden will „ward [er] erweckt und erschüttert“ (S. 86/Z. 6 f.). Dabei ist er völlig zerrissen; er hält ihre Hand fest und lässt sie nicht gehen (vgl. S. 86/Z. 8 f.), sagt aber gleichzeitig, dass er „willig“ gehe (S. 86/Z. 12). Der Abschied fällt Werther schwer, er findet aber dennoch Kraft, um zu scherzen (vgl. S. 86/Z. 16). Erst nachdem Lotte und Albert gegangen sind, lässt er seinen Gefühlen freien Lauf, die er vorher zurückgehalten hat: er wirft sich weinend auf die Erde (vgl. S. 86/Z. 19). Seine Sehnsucht nach Lotte zeigt sich auch darin, dass er ihr ein kurzes Stück nachläuft und noch einmal die Hand nach ihr ausstreckt (vgl. S. 86/Z. 20 ff.).
In diesem Textabschnitt baut Goethe also einen Spannungsbogen auf, der den ganzen Brief umfasst. Die Gefühlsintensität Werthers, die am Anfang vorliegt, wird am Schluss wieder aufgenommen.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Thema des Textauszugs aus "Die Leiden des jungen Werther"?
Der Textauszug behandelt Werthers Abschied von Lotte und Wilhelm, wobei der Fokus auf seiner emotionalen Verfassung und seinen Erinnerungen liegt. Er beschreibt seine Gefühle in Bezug auf Lotte, die Natur und die bevorstehende Trennung.
Wie ist der Text aufgebaut?
Der Text ist als Brief Werthers an Wilhelm aufgebaut. Er beginnt mit einer Anrede, geht dann über zu Werthers Erinnerungen an den Abschied von Lotte am Vortag. Werther schildert die Natur, das Gespräch mit Lotte und Albert, und Lottes Erzählungen über den Tod ihrer Mutter. Er springt dabei zwischen verschiedenen zeitlichen Ebenen.
Welche seelische Verfassung wird Werther zugeschrieben?
Werthers seelische Verfassung ist ambivalent. Zu Beginn des Briefes ist er euphorisch und traurig zugleich. Die Beschreibung der Natur spiegelt seine düstere und einsame Stimmung wider. Bei Lottes Erscheinen ist er aufgeregt und unruhig. Er schwankt zwischen Hoffnung und Verzweiflung, besonders als Lotte über den Tod spricht. Am Ende des Briefes, nach dem Abschied, bricht er emotional zusammen.
Welche Bedeutung hat der Brief im Kontext des Romans?
Der Brief ist ein wichtiger Abschnitt, der am Ende des ersten Buches platziert ist. Er drückt Werthers Sehnsüchte, Hoffnungen und Ängste aus. Es ist ein Abschied von Lotte und Albert mit dem Vorsatz, nicht zurückzukehren, was jedoch nicht gelingt und sein Schicksal besiegelt.
Wie verarbeitet Goethe seine eigenen Erfahrungen im Roman?
Goethe verarbeitet im Roman "Die Leiden des jungen Werther" eigene Erfahrungen, insbesondere seine Bekanntschaft mit Charlotte Buff in Wetzlar und die Nachricht vom Selbstmord Jerusalems, eines ehemaligen Kommilitonen.
Wie wird die Natur im Text beschrieben und welche Funktion hat sie?
Die Natur wird düster und einsam beschrieben und dient als Spiegel der Gefühle Werthers. Die Beschreibung der Natur spiegelt seine innere Verfassung und seine emotionale Belastung wider.
Welche Rolle spielt Lotte in diesem Textabschnitt?
Lotte ist das Objekt von Werthers unerfüllter Liebe. Das Gespräch mit ihr, ihre Äußerungen über den Tod und ihre Erzählung über den Tod ihrer Mutter sind zentrale Elemente des Briefes und beeinflussen Werthers emotionale Verfassung stark. Der Abschied von ihr ist der Auslöser für seine Verzweiflung.
Wer ist Albert und welche Rolle spielt er?
Albert ist Lottes Verlobter. Seine Anwesenheit während des Gesprächs verstärkt Werthers Gefühl der Unerreichbarkeit Lottes und trägt zu seiner inneren Zerrissenheit bei.
Welche Bedeutung hat der Tod in diesem Brief?
Das Thema Tod wird von Lotte angesprochen und intensiviert Werthers Gefühle. Lotte spricht auch über die Hoffnung auf eine Existenz nach dem Tod.
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- Elisabeth Prifling (Author), 1999, Goethe, Johann Wolfgang von - Die Leiden des jungen Werther (Brief vom 10. September), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102735